Pirate's Dreams von Black_Melody (...might turn into nightmares) ================================================================================ Kapitel 9: Ahop --------------- Sanft strich Wataru dem am Boden liegenden und zitternden Shin über den Kopf. Er hatte nichts Konkretes erfahren können, aber auch die körperliche und seelische Verfassung des Größeren ließen auf das Geschehene schließen. Die blutenden Schnitte auf dem Rücken Shins waren mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Manas Werk, und er wusste selbst, dass sich der Kapitän nicht mit so einem bisschen Spielerei zufrieden gab, auch wenn er selber noch keinen von ihnen genommen hatte. Mana gab sich mit Zusehen zufrieden, und es reizte diesen verfluchten Sadisten, wenn sie Schmerzen hatten und diese zeigten. Was nach einiger Zeit mit ihnen geschah, konnte Wataru nicht einmal als Vergewaltigung definieren. Wenn sie sich an die Spielregeln gewöhnt hatten, wehrten sie sich nicht mehr. Saki, Riku und er selbst ließen alles einfach still über sich ergehen. Gegenwehr hatte sie nicht weitergebracht, und so sparten sie ihre Kraft. Auch wenn sie es nicht wollten und Sex völlig ohne Vorbereitung nicht besonders angenehm war, unternahmen sie prinzipiell gar nichts mehr und verhielten sich weitestgehend ruhig. Aber Shin schien sich nicht so einfach fügen zu wollen. Den Kratzern auf seinem gesamten Oberkörper und den Fesselspuren an seinen Handgelenken nach zu urteilen hatte er sich heftig gewehrt. Nur ließen die roten Striemen auf seinem Rücken auf eine Bestrafung mit Peitschenhieben schließen. Und dabei war es sicherlich nicht geblieben. Wahrscheinlich hatte Jin einmal mehr das Vergnügen haben dürfen, einen Neuen einzureiten. Und irgendwie hoffte Wataru auch, dass es Jin gewesen war. So sehr Shin auch unter den Folgen litt, Jin versuchte immer, jeden von ihnen zu schonen, ganz im Gegensatz zu fast allen anderen, für die sie Spielzeuge waren, an denen man nach Belieben herumprobieren konnte. „Alles wird gut, Shin“, flüsterte Wataru dem Jüngeren zu und strich vorsichtig über die geschundene Haut. Er hatte Mitleid mit dem Häufchen Elend, das vor ihm lag, und der Zustand des anderen ließ zusätzlich eine ungesunde Portion Wut in ihm hochkochen. Am Liebsten wäre er zu diesem verfluchten Monster, das sich Kapitän dieses Schiffs nannte, gegangen und hätte ihm eine reingehauen, aber es ging einfach nicht. Erstens würde er mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit gar nicht erst so weit kommen und zweitens, angenommen, dass er es doch so weit schaffte, wäre die Bestrafung alles andere als harmlos. Er hörte die Tür und strich Shin noch einmal sanft durch die Haare, bevor er aufstand. Er brauchte gar nicht nachzusehen, um zu wissen, dass der blonde Offizier den Raum betreten hatte. Jin war kein Unmensch, also war es für ihn selbstverständlich, für verursachte Schäden geradezustehen. Leise gesellte er sich zu dem Blonden, der Shin besorgt betrachtete. „Er ist ziemlich fertig“, erklärte Wataru ohne Aufforderung, „aber das wird wieder. Ich kümmere mich um ihn.“ „Hat er mit dir gesprochen?“, fragte Jin leise und sah ihn direkt an, worauf er den Kopf schüttelte. „Er hat noch kein Wort gesagt.“ „Wahrscheinlich ist er noch zu weit weg. Er muss sich ziemlich heftig gewehrt haben, bevor ich dazu kam, sonst wäre er wohl kaum so zerkratzt. Aber als ich dazu kam, war er nicht gefesselt. Sein Verstand hatte sich wahrscheinlich aus Selbstschutz abgeschaltet. Die einzige, wirkliche Gefühlsregung, die er gezeigt hat, waren… Tränen.“ Betroffen wandte der Jüngere den Blick ab. „Das ist garantiert nicht deine Schuld, Jin. Es ist nur so, dass er einen Freund hat und unbedingt zu diesem zurück will“, versuchte er den Größeren zu beruhigen. „Außerdem weißt du genauso wenig wie ich, was genau vorher passiert ist.“ „Denkst du, dass ich ihn vielleicht aus dieser Starre lösen könnte?“, fragte der Blonde leise und sah ihn wieder an. „Ich muss mich bei ihm entschuldigen und ihm irgendwie klar machen, dass ich ihn nie verletzen wollte.“ „Später“, riet der Brünette. „Jin, er ist garantiert nicht besser drauf, wenn er denjenigen, der ihn vergewaltigt hat, so kurz danach wiedersieht. Ich überlege jetzt ganz logisch, dass er wahrscheinlich Angst vor dir haben wird, und ihn so aus diesem Schutz zu holen, wäre nicht besonders gut, wenn es ihn nicht sogar noch weiter in diese Starre treibt. Weshalb entschuldigst du dich eigentlich bei jedem von uns?“ „Weil es aus menschlicher Sicht falsch ist“, beantwortete der Offizier die Frage sofort. „Ich kann Dinge, ohne mich zu entschuldigen, nur tun, wenn ich sie vor mir selber vertreten kann.“ „Aber du ersparst uns schon einiges. Gib Shin ein wenig Zeit, ich werde ihn auf das Treffen vorbereiten und ihm klar machen, dass ihm nichts passiert.“ Der Größere nickte zustimmend. „Juri wird gleich hier sein und sich um seine Verletzungen kümmern. Und ich habe dafür gesorgt, dass du in den nächsten Tagen deine Haarfarbe ändern kannst.“ „Danke. Für beides, Jin, auch wenn der Haarfarbenwechsel momentan ziemlich untergeordnet ist.“ „Denkst du, du kannst ihm helfen?“ Wieder wanderte Jins Blick zu Shin, der sich in der Zwischenzeit zusammengerollt hatte. „Ich weiß es nicht“, gestand Wataru, „aber ich werde alles daran setzen. Er darf nicht an der Last zerbrechen.“ „Er ist anders als Riku, Saki und du“, pflichtete der Jüngere ihm bei. „Shin ist zarter und viel leichter zu verletzen. Ich frage mich, was ihm schon zugestoßen ist. Auf jeden Fall… erinnert er mich sehr an Tohya“, flüsterte der Offizier. „Hoffentlich kommt er lebendig wieder hier weg.“ „Das wird er. Er glaubt daran, dass wir befreit werden. Sein Freund wird uns hier wegholen.“ „Und ihr könnt auf mich zählen.“ Unsicher sah Shin zu dem Silberhaarigen auf, der neben ihm saß und leise mit ihm redete. Der andere hieß, so weit er mitbekommen hatte, Juri und war hier der Arzt. Mehr hatte er aus den beruhigenden Worten nicht herausbekommen können. Sein Verstand arbeitete nur langsam, und das auch nur, wenn er sich anstrengte, wobei seine Wahrnehmung langsam wieder klarer wurde. Nur versuchte er genau das zu vermeiden. Er wollte nicht, dass die Bilder wirklich zu einer grausamen Realität wurden. Sicher, den Anfang seiner ‚Eingewöhnung‘ hatte er noch komplett mitbekommen, aber das allein war schon schlimm genug. Er wollte nicht wissen, weshalb ihm alles wehtat. Eigentlich wollte er nur alles vergessen, was er wusste und so schnell wie möglich weg. „Shin, versuch, mir zuzuhören. Ich will dir nichts tun. Ich will dafür sorgen, dass es dir besser geht. Du musst es mir nur erlauben und mir sagen, wo du Schmerzen hast.“ Vorsichtig nickte Shin, als er den Sinn erfasst hatte, und verzog das Gesicht, als er versuchte, sich etwas anders hinzulegen. „Überall“, murmelte er und schluckte kurz, um seine Stimme unter Kontrolle zu bringen. „Bleib ruhig. So, wie du aussiehst, wundert mich das auch nicht. Um es zu bessern, muss ich dich berühren, ob du willst oder nicht.“ Wieder nickte er, zuckte aber trotzdem zusammen, als der andere vorsichtig seine Haut streifte. „Entspann dich. Du musst keine Angst vor mir haben.“ Der Brünette schloss die Augen und biss sich fest auf die Unterlippe, um das Zittern zu unterdrücken. Er hatte Angst, aber nicht vor Juri. Sein Leben drohte gerade, komplett den Bach runterzugehen. Er musste sich mit der Situation arrangieren, aber leicht war das leider nicht. „Dein Hintern tut ziemlich weh, oder?“ „Ja“, nuschelte er und legte den Kopf auf seine Unterarme. Er wollte gar nicht so genau darüber nachdenken, weshalb es so war. Erschrocken zuckte er zurück, als eine Hand in seine Jeans fuhr. „Ganz ruhig. Salbe wird helfen, aber dafür muss ich dich erst eincremen.“ „Ich weiß. Ich kenne die Prozedur“, erwiderte er gepresst und bemühte sich, sich zu entspannen. Das letzte Mal war zwar etwas her, aber die Ursache musste ungefähr die gleiche gewesen sein. Wobei das ‚etwas her‘ als ein kleines bisschen mehr als ein halbes Jahr zu verstehen war. Damals hatte Saga ihn völlig aufgelöst gefunden und Nao hatte sich um ihn gekümmert. Wenn er genau darüber nachdachte, hatte Juri im Umgang mit ihm das eine oder andere mit dem Älteren gemeinsam. „Kleiner, du musst jetzt still halten“, wies der Silberhaarige ihn an. Er hatte gar nicht bemerkt, dass der Arzt die Salbe schon zur Seite gelegt hatte. „Die Schnitte sehen nicht gefährlich aus, aber desinfizieren sollten wir sie trotzdem. Ich denke übrigens nicht, dass du einen Verband brauchen wirst.“ Desinteressiert zuckte Shin mit den Schultern und sah zu dem anderen auf. Juri konnte nicht viel älter sein als er selbst, vielleicht zwei bis drei Jahre, und größer war er auf gar keinen Fall. Seine Haarfarbe war irgendwas zwischen silber und blond, wobei es nach Lichteinfall schwankte. Ganz allgemein sah der Arzt nicht schlecht aus, auch wenn er definitiv noch zu jung wirkte, um studiert zu haben. Aber Nao hatte sein Studium ja auch nicht beendet, also war es in Ordnung. „Frag ruhig, wenn du etwas wissen willst.“ „So offensichtlich?“ Ein schwacher Rotschimmer legte sich auf seine Wangen. Peinlich. „Ich kenne sehr viele Menschen und kann auch Fremde ganz gut einschätzen. Du bist süß, wenn du verlegen wirst. Also?“ Ruhig musterten ihn die dunkeln Augen, aber er hatte das Gefühl, ein warmes Glitzern in ihnen zu erkennen. „Nichts eigentlich. Du bist nur so… nett.“ „Ich bin in erster Linie Arzt, nicht Pirat. Ich will Schmerzen lindern und sie nicht zufügen.“ Leise zischend entließ Shin die Luft aus seinen Lungen, als das Desinfektionsmittel auf seinen Wunden brannte, und setzte sich etwas auf, bevor er die Augen schloss und die Lippen zusammenpresste. Trotzdem musste er innerlich lächeln. Juri und Nao wäre wahrscheinlich unzertrennlich, wenn sie sich kennen würden. „Ganz ruhig. Es dauert nicht lange.“ „Ich weiß.“ Zittrig ballte Shin die Hände zu Fäusten und versuchte seine Stimme ruhig zu halten. Er kannte den Schmerz, aber es war jedes Mal alles andere als schön. Erleichtert atmete er auf, als das schmerzhafte Brennen verschwand und der andere ihm vorsichtig über den Kopf strich. „Gut, Shin, wirklich. Die Blutungen müssten bald stoppen und dann müssten die Schmerzen auch wieder in Ordnung sein. Ich gebe dir jetzt noch ein Mittel, das stark genug ist, um die Schmerzen für zwei Stunden zu unterdrücken, aber du solltest vorsichtig sein, damit…“ „…die Wunden nicht wieder aufreißen“, vollendete Shin den Satz lächelnd. „Kenne ich alles.“ „Und du bist sicher, dass dein Freund gut zu dir ist? Wenn du öfter zerschnitten bist, solltest du das überdenken.“ „Ich bin nicht öfters zerschnitten“, wandte Shin sich dem anderen zu, „bisher einmal, und damit hatte mein Freund nichts zu tun.“ Misstrauisch wanderte sein Blick zu der Spritze, die der Arzt vorbereitete. „Ich hasse Nadeln“, erklärte er leise und schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken, um die aufkeimende Übelkeit zu unterdrücken. „Hasst du sie oder hast du Angst vor ihnen? Im Vergleich zu dir scheint Schnee braun gebrannt zu sein.“ „Beides. Jetzt mach, wenn du nicht willst, dass ich kotze.“ Widerwillig verzog er das Gesicht, als der Stich durch seine Haut ging. Auch wenn es meistens nicht lange dauerte, er hasste dieses Gefühl und versuchte, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. „Das war’s doch schon. Wie alt bist du eigentlich?“ Verwundert öffnete Shin ein Auge und zuckte mit den Schultern. „23. Interessiert dich das wirklich oder willst du mich nur ablenken?“ „Es interessiert mich. Du wirkst jünger.“ Wieder zuckte Shin mit den Schultern, sah dann aber wieder auf den Boden. Sicher, im direkten Vergleich zu Reno und Ryouga war er nicht nur unerfahren, sondern auch unreif, aber das musste ja nicht schlecht sein. Es sei denn, er war deswegen hier. „Weißt du, dass du mir viel besser gefällst, wenn du lächelst und mich direkt ansiehst? Es ist traurig, dich so verschüchtert zu sehen.“ „Ich will nachhause und… Du erinnerst mich an einen sehr guten Freund. Ich vermisse meine Freunde.“ „Das wird wieder. Ich werde ein bisschen auf dich aufpassen, wenn du es zulässt. Ich würde dich gern heute Nacht zu mir holen, aber nicht, um mit dir Sex zu haben.“ Unsicher sah Shin zu dem Älteren auf. „Und das gibt keinen Ärger? Und überhaupt, was willst du dann von mir?“ Lächelnd strich der Arzt ihm über die Wange. „Mach dir mal keine Sorgen um mich, ich werde hier gebraucht, und außerdem… Sie müssen ja gar nicht erfahren, dass du nur bei mir und nicht mit mir schläfst. Ich will von dir, dass du dich von mir schützen lässt. Du wirst hier noch genug durchhalten müssen, und ich will dir alles leichter machen. Ich erwarte dafür keine Gegenleistung.“ „Danke. Ich weiß nicht, ob dir klar ist, wie viel mir das bedeutet.“ Shin lächelte schwach. Juri schien es wirklich gut mit ihm zu meinen, aber sollte er es wirklich riskieren, dem Arzt zu vertrauen? Vertrauen war das Wertvollste, das er noch zu geben hatte. Es könnte ihm helfen, wenn er unter den Feinden einen Freund hätte, aber es könnte auch wehtun. Er konnte wahrscheinlich eh im Moment nichts anderes tun als abwarten. Unsanft wurde Shin in den kleinen Raum geschoben und die Tür hinter ihm verschlossen. Der Tag war zwischen Juris Besuch und dem Abend langweilig verlaufen. Weiter verwunderlich war das auch nicht, immerhin durften sie ihr Gefängnis nicht verlassen, und diese Regel wurde mit Gewalt durchgesetzt, wenn es sein musste. Er hatte sich einfach etwas mit den anderen unterhalten und sich von Wataru halten lassen, aber so Tage oder Monate zu verbringen, war mehr als nur unvorstellbar. Er konnte und wollte nicht jeden Tag so an sich vorbeiziehen lassen, besonders, da die Langeweile die Verdrängung des Geschehenen nicht einfacher machte. Er wollte sich nicht mit der letzten Nacht befassen, aber die Bilder kamen immer wieder hoch. Immer wieder hörte er die Stimme des Blonden, der ihm helfende Tipps zugeflüstert, ihn aber trotzdem verletzt hatte. Mit aller Willenskraft unterdrückte er diese Erinnerungen, um den Schmerz in einem erträglichen Maße zu halten. Nur wusste er, dass er nicht lange durchhalten würde, wenn er keine Beschäftigung fand. Schwer seufzte er und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen. Im Vergleich zu Sagas Zimmer war dieses nahezu winzig und spärlich eingerichtet. Ein kleines Doppelbett, eine Kommode und ein Bücherregal waren die einzigen Möbelstücke, und das Holz war dasselbe wie das, aus dem das Schiff bestand. Vor dem Bett lag ein dunkelblauer Teppich, der zu den Vorhängen an dem kleinen Fenster passte. Sehnsüchtig sah Shin aus dem Fenster auf das dunkle Wasser. Das Meer symbolisierte Freiheit. Warum war er dann ein Gefangener? Warum fühlte er sich so eingesperrt wie noch nie zuvor? Weshalb war er so dumm gewesen, sich fangen zu lassen? Langsam strich er über den Anhänger seiner Kette. Licht. Am Ende jeder noch so lang anhaltenden Dunkelheit wartete ein Licht. Es entsprach der Hoffnung, die jeder Mensch hegte. „Alles in Ordnung?“ Langsam drehte er sich zu Juri um und sah den Silberhaarigen an. „Was ist Hoffnung?“, fragte er flüsternd. Der Ältere kam auf ihn zu und wischte ihm etwas Feuchtes von der Wange. „Hoffnung zu definieren ist schwer“, beantwortete der Arzt die Frage leise. „Hoffnung ist die Illusion, die uns Kraft zum Weiterleben gibt. Und auch, wenn sie nur eine Illusion ist, brauchen wir sie. Sie ist gerade alles, das du noch hast.“ Sanft zog der Ältere ihn in eine Umarmung, in die er sich schmiegte. Es hatte etwas Vertrautes. „Alles wird gut. Du schaffst das. Wataru, Riku, Saki und ich sind bei dir. Wenn du reden willst, musst du nur versuchen, mir eine Nachricht zukommen zu lassen. Ich werde eh so oft wie möglich nachsehen, wie es euch geht, und du wirst so oft wie möglich hier schlafen. In Ordnung?“ Schwach nickte Shin und schloss die Augen. Es war seltsam, sich auf einen fast Fremden zu verlassen, aber er hatte keine andere Wahl. Für ihn waren auch seine Mitgefangenen Fremde. Er musste jemandem irgendwie vertrauen. Juri… So sehr er Ärzte auch verabscheute, er mochte Nao, und Juri hielt ihn dieser fast aussichtslosen Situation zu ihm. Vielleicht würde er es doch mit dessen Hilfe schaffen zu fliehen. Aber selbst wenn er wollte, er konnte nicht allein abhauen. Und zu viert waren sie zu auffällig. „Geht’s?“, fragte der Ältere und schob ihn so weit von sich weg, dass sie sich ansehen konnten. „Muss.“ „Dann zieh dich aus.“ Ungläubig legte Shin den Kopf schief und sah den Älteren an. „War nicht ursprünglich die Rede von ‚kein Sex‘?“ Der andere lachte leise. „Sicher, aber das wissen nur wir. Offiziell bist du heute Nacht meine Schlampe. Sollte jemand morgen in aller Frühe oder noch in der Nacht reinkommen und dich komplett angezogen sehen, gibt das für uns beide Ärger.“ „Und… ich darf nichts anbehalten?“ Misstrauisch sah Shin den Kleineren an, der ihm über die Wange strich und den Kopf schüttelte. „Du darfst deine Unterwäsche anbehalten, sonst nichts. Du brauchst keine Angst vor mir zu haben. Ich will dir wirklich nichts tun.“ Unsicher nickte Shin und zog sich dann sein Shirt über den Kopf. So weit klang das logisch, aber trotzdem… Er war Juri nahezu ausgeliefert, wenn er wirklich nur noch seine Unterwäsche tragen durfte. Nur blieb ihm nicht viel anderes übrig. Seufzend zog er sich Jeans und Socken aus und ließ sich von dem Silberhaarigen unter die Bettdecke drücken. Aufmerksam beobachtete er, wie der Arzt sich neben ihn legte und sich zu ihm drehte. „Mach dir keine Sorgen. Du kommst hier wieder weg.“ Spontan rückte Shin dichter an den anderen heran und lehnte sich an diesen. „Ich hoffe einfach darauf.“ Er zuckte leicht zusammen, als er spürte, wie sich die Arme um seinen Körper legten. „Wenn dein Freund dich wirklich liebt, wird er dich wohl kaum einfach hier lassen.“ Shin lächelte schwach, während der andere ihm behutsam durch die Haare strich. „Er liebt mich, ja. Aber er hat seine Pflichten.“ „Er ist Kapitän?“ Bestätigend nickte Shin. „Aber er hat nicht das Befehlsrecht über die Flotte. Auch er hat seine Vorgaben.“ „Wenn er sich lieber an die hält als dich zurückzuholen, ist er ein Idiot“, stellte Juri trocken fest. „Erzähl mir von ihm.“ „Er ist manchmal ein Idiot“, gab Shin leise zu. „Wenn ich mir etwas wünsche, das man kaufen kann, gibt er ein Vermögen aus, um es für mich zu bekommen. Er kümmert sich um mich, so gut er kann, auch wenn er manchmal maßlos überfordert ist. Er… hatte sehr lange keine Beziehung.“ Unauffällig rieb Shin sich über die Augen, schwieg dann aber. Was sollte er noch großartig erzählen? Saga war sein Freund und nebenbei der beste Freund und Kapitän, den er sich vorstellen konnte. „Liebst du ihn wirklich?“, fragte Juri leise, fuhr auf seinen fragenden Blick hin fort: „Du redest von ihm, nicht von eurer Beziehung. Wie ist er im Vergleich zu deinen vorigen Freunden?“ Shin räusperte sich leise. „Ich… hatte vorher noch nie etwas mit einem Mann und allgemein war ich vorher nicht so der Beziehungstyp. Aber das zwischen ihm und mir ist ernst. Ich könnte, auch wenn ich es wollte, nichts dagegen tun, dass ich ihn liebe. Dieses Gefühl ist einfach viel zu stark. Teilweise habe ich Angst, überwältigt zu werden, aber es stört mich nicht wirklich.“ „Die erste Liebe ist meistens die stärkste, die man kennen lernt“, meinte der Ältere und seufzte. „Leider gibt es dafür kein immer gültiges Schema und viele Beziehungen zerbrechen, aber zumindest erinnert man sich immer an diesen Menschen. Es tut nur mehr weh als normal, wenn man weiß, dass man ihn nicht zurückbekommen kann.“ „Du sprichst aus Erfahrung, oder?“ Shin versuchte, seine Neugierde zu zügeln, aber das war nicht ganz so einfach. „Ja. Die Geschichte hat ein tragischeres Ende, als sie es hätte haben müssen, und ich verfluche mein Schicksal dafür. Ich kann es aber nicht ändern.“ „Willst du mir davon erzählen?“ Unruhig biss Shin sich auf die Unterlippe. Irgendwie tat der Kleinere ihm leid, aber er konnte selber nicht genau sagen, warum. Es war ein ungutes Gefühl, das ihn beschlich, und das war einfach da. „Magst du wahre, unglückliche Liebesgeschichten?“ Traurig sah der Arzt ihn an. „Eigentlich nicht so sehr, aber… Du hast eine klare Position, die ich nicht verstehen kann. Ich will wissen, was dir passiert ist.“ Der andere lachte ironisch auf. „Mir ist nichts passiert, und zu dem Zeitpunkt habe ich von leider gesprochen. Mittlerweile… Ich musste lernen, damit umzugehen, und ich habe es geschafft. Die einen ertrinken in einem Meer von Schmerz, die anderen lernen, darin zu schwimmen.“ „Und die dritten halten sich oben, kommen aber nicht von der Stelle, um sich zu retten.“ Unsicher sah er den Silberhaarigen an. „Die Geschichte ist noch gar nicht so alt, und sie beinhaltet Dinge, die dich eigentlich auch nichts angehen. Ich weiß nicht, weshalb ich es dir erzählen sollte, aber… Ach, ich habe auch keine Ahnung!“ „Wenn du es mir nicht erzählen willst, lass es“, gab Shin leise zurück und betrachtete den Älteren abschätzend. „Ich will nicht, dass wegen meiner…“ „Sei einfach still. Ich habe kein Problem damit, es dir zu erzählen, vielleicht kannst du für dich eine Lektion daraus ziehen. Und die Wunden können nicht wieder aufreißen, da sie nicht verheilt sind. Vielleicht verstehst du dann auch, warum ich dich um jeden Preis beschützen will.“ Still nickte er und sah den anderen ernst an. Schön war die Geschichte ganz sicher nicht, und auch nicht lustig, aber wenn sie ihm helfen konnte, sollte es ihm nur recht sein. _________________________________________________________________________________ Nur ein ganz kurzes Nachwort: Ich bin heute Morgen nicht mehr dazu gekommen, die Rechtschreibung zu prüfen. Und heute Nachmittag wird's hier ziemlich durcheinander gehen, weil meine Fahrt nach Köln morgen noch vorbereitet werden will. >_> Und zwischendurch eben Schule, Mittagessen, etc. Ob ich das heute Abend noch durchgehe, weiß ich nicht, aber das werdet ihr sehen. Sonst bin ich erst Sonntagmorgen wieder zuhause, aber noch nicht am Arbeiten, also... gut. Über Kommentare freue ich mich natürlich, aber ich kann immer noch niemanden zu nichts zwingen. ;D Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)