Retinnio von Hyoura (Klingend) ================================================================================ Kapitel 5: Noch mehr unerwarteter Besuch ---------------------------------------- Largo war sofort auf den Beinen und griff in einer automatischen Bewegung nach dem Halfter seines Shindan-juus. Thunderland hatte derweil den perplexen Musica am Kragen gepackt und sich und ihn aus der Höhle geworfen. Derweil hatte Largo die Pistole aus ihrer Halterung gezogen und folgte ihrem Beispiel postwendend, denn die dünne Decke über ihm zeigte bedrohliche Risse auf. Kopf voran stürzte er sich durch den dünnen Schneevorhang vor der Höhle, gerade noch im rechten Moment, denn schon schoss der zweite Stachel durch die Decke und bohrte sich dort in den Boden, wo er soeben noch gestanden hatte. Sein Sprung katapultierte ihn rücklings in den Schnee. Weiße Flocken wirbelten hoch, als er aufsprang. Thunderland und Musica standen wenige Meter von ihm entfernt, beide mit entsicherter Pistole in der Hand. Auf ihrem Unterschlupf thronte ein Gaichuu, die stachelbewehrten Vorderfüße noch im Fels vergraben. Es hatte den Bau einer stark überdimensionierten Heuschrecke. Die toten, glänzenden Augen an der Seite des schmalen, abgeflachten Kopfes, fixierten ihre Beute. An dem Rücken waren dünne Flügel aus verästeltem Metall angelegt, die unruhig zitterten. Es besaß drei Beinpaare, wobei es zurzeit auf dem mittleren, kürzeren Paar stand, während sich das hintere, längste zum Sprung bereit machte. Kupferfarbenes Metall blitzte im Licht, dann war der Gaichuu über ihnen, die Flügel im Sprung ausgebreitet. Im nächsten Moment fiel es zu Erde und Largo konnte nur mit Mühe und Not den zermalmenden, widerhakenbewehrten Füßen entgehen. Schnee wirbelte auf und nahm ihm die Sicht auf das Geschehen. Mit einem Sprung brachte er etwas mehr Abstand zwischen sich und das Riesenvieh. Er sank tiefer im Schnee ein, als ihm lieb war, dafür entkam er den rasiermesserscharfen Stacheln, die seine Vorderklauen bildeten. Der Schneestaub legte sich und Largo erkannte mit einiger Erleichterung, dass Thunderland und Musica der Attacke ebenfalls unverletzt entkommen waren. Der Gaichuu stand nun zwischen ihnen und schien unschlüssig zu sein, wen er zuerst angreifen sollte. Largos Blick heftete sich automatisch an die Beingelenke des Wesens, doch im Gegensatz zu seinen käferförmigen Artgenossen besaß die Heuschrecke dort Abdeckplatten, die diese normalerweise so verwundbare Stelle schützten. Hektisch wanderte er über den Rest des Panzers, doch nirgendwo schien der Gaichuu sonst eine Lücke in seiner Rüstung zu besitzen. Die Deckplatten hatte sich wieder über seine Flügel gelegt und jedes Stück Metall schmiegte sich nahtlos an das nächste. Allerdings hatte sich das Monster mittlerweile entschieden und stürzte auf den Bee zu. Largo stürzte zur Seite, rappelte sich auf und rannte durch den dicken Schnee, den Gaichuu direkt an seinen Fersen. Mit einem Satz hatte es ihn überflogen und landete vor ihm im Schnee. Das Shindan-juu ladend bereitete der Bee sich auf die Attacke vor. Plötzlich hielt sein Gegner inne und richtete sich leicht auf, als hätte etwas seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Hinterbeine spannten sich an und im nächsten Moment war der Gaichuu bereits in der Luft, die Flügel ausgefahren, und schnellte auf Musica zu. Der junge Mann stand wie festgenagelt an Ort und Stelle, anscheinend starr vor Schock. „Musica, beweg dich!“, schrie Largo, doch er wusste, selbst wenn er sich aus seiner Starre lösen würde, die Attacke würde ihn trotzdem treffen. Da explodierte ein Geschoss an der rechten Seite der Heuschrecke. Die Explosion war bei weitem nicht stark genug, um den Panzer auch nur zu beschädigen, aber es brachte die Heuschrecke von ihrer Bahn ab. Der Stachel, der Musica hätte aufspießen sollen, verfehlte sein Ziel und brachte ihm stattdessen einen üblen Schnitt in den Arm ein. Der Gaichuu selber wurde von der Wucht seines eigenen Sprungs in eine Schneewehe getragen. „Musica!“, rief Largo und sprintete auf ihn zu. Blut tropfte von seinem linken Arm in den Schnee und färbte ihn rasch rot. Mit schmerzverzerrtem Gesicht presste er eine Hand auf die Wunde. „Nur eine Fleischwunde“, brachte er zwischen zusammengebissenen Zähnen heraus. Auch Thunderland rannte zu ihnen, aus der Mündung seiner Pistole rauchte es noch. „Mit was für Sachen lädst du deine Pistole?!“, fragte Largo ihn. „Ich sagte doch, ich kann durchaus auf mich selbst aufpassen.“ Thunderland sah ihn an. Aus dem Schneehaufen ertönte das grässlich verzerrte Brüllen des Gaichuus. Mit wütenden Bewegungen hatte es sich freigeschaufelt und fixierte Thunderland, die Flügel drohend aufgerichtet. Largo ging ein Licht auf. „Die Flügel!“, wisperte er. Der Doktor warf ihm einen Seitenblick zu. „Sicher?“ „So sicher wie möglich.“ Thunderland nickte. „Das muss reichen. Ich lenke es ab. Anscheinend ist es ja gerade nicht allzu gut auf mich zu sprechen.“ Mit diesen Worten sprintete er los, weg von der Gruppe. Der Gaichuu brüllte erneut und richtete sich auf. Mit ein, zwei Sprüngen war er vor Thunderland und schnitt ihm den Weg ab. Die Stacheln sausten herab und mit einem Sprung hechtete der Arzt unter den Bauch des Gaichuus, um ihnen zu entkommen. So schnell er konnte durchlief er den Gang, den Unterleib und Beine bildeten und kam auf der anderen Seite heraus. Furios drehte sich die Heuschrecke um und fuhr die Flügel aus, um ihre Beute mit einem Sprung zu erledigen. Auf diese Gelegenheit hatte Largo gewartet. Er betätigte den Abzug und ein Pfeil aus silbernem Licht schoss auf die ungeschützte Lücke zwischen Rücken und Flügelgelenken des Gaichuus zu. Das Geschoss kollidierte und mit einem letzten Kreischen fiel die Heuschrecke in sich zusammen. „So, das hätten wir.“ Mit einer Schere durchschnitt Thunderland den Faden, mit dem er Musicas Wunde genäht hatte und begann, Bandagen um die verletzte Stelle zu wickeln. Mit einem Clip befestigte er das letzte lose Ende und betrachtete zufrieden sein Werk. Auch Musica blickte an seinem Arm runter und berührte mit der Hand, die zu dem gesunden Arm gehörte, die bandagierte Stelle. „Danke.“ Leichtes Erstaunen schwang in seiner Stimme mit. Thunderland zuckte nur nonchalant mit den Schultern. „Dank mir nicht zu früh. Mit der Wunde musst du noch den restlichen Weg bis nach Heban laufen.“ Largo hörte auf, vor Ungeduld auf und ab zu gehen und schnappte sich sein Gepäck. „Können wir?“ Ihm war unwohl. Die Gegend war nicht unbedingt für ihre vielen Gaichuus bekannt, aber nachdem er eine Heartbullet abgeschossen hatte, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass weitere angezogen werden würden. „Ganz ruhig, Tiger.“ Thunderland half Musica hoch und beide schulterten ihr Gepäck. Zusammen traten sie aus der nun sehr beschädigten Höhle und wandten sich in Richtung Heban. Ein letztes Mal blickte Thunderland über seine Schulter zurück. Die künstliche Sonne war bereits am Verblassen und ließ die Kanten dunkle Schatten in den Schnee werfen. Aus dem Augenwinkel sah er eine Bewegung und sein Kopf schnellte zur Seite. Doch alles, was dort war, war eine Schneeplatte, die sich gelöst hatte. Er schüttelte den Kopf über seine eigene Nervösität und folgte Musica und Lloyd beim Aufstieg. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)