Harmonie von Seraphin ================================================================================ Kapitel 32: Waffenstillstand ---------------------------- Kapitel 32 : Waffenstillstand "Wie geht es dir?" Hermine seufzte und setzte sich neben Harry. Sie verzog den Mund und spürte, wie ihre Lippen schmal wurden und sich spannten. Sie beschloss, sich erst einmal gemütlich zurechtzusetzen, bevor sie auf diese Frage einging. Sie knöpfte ihren Umhang auf und warf ihn achtlos auf einen Sessel neben sich. Sie brauchte ihn nicht, da neben ihnen im Kamin ein behagliches Feuer loderte. Harry war wohl schon länger hier. Nicht nur in diesem beheizten Raum, um zu lesen, sondern allgemein im Grimmauldplatz. Das Haus wirkte eindeutig bewohnt und noch eindeutiger alleine von einem jungen Mann, der sich der ordnenden Hand von Mrs. Weasley entzogen hatte. Im Radio sangen die Schicksalsschwestern und das Zimmer war unordentlich. Wenn auch dank Kreacher alles sauber war, wirkte es dennoch nicht als ob man sich Mühe geben würde, das Haus stets für Besucher vorzeigbar zu halten. Hermine war nach dem Streit zurück nach London appariert, hatte sich in ein Café gesetzt und geweint. Da sie aber nur noch genug Münzen für einen Tee einstecken hatte und es ihr außerdem auf die Nerven ging, allein durch einen Sitzplatz auf ihre Herkunft reduziert zu werden, trank sie so schnell wie möglich aus, um wieder verschwinden zu können. Sie hatte zuerst gezögert, zu Harry zu gehen. Nicht nur, weil sie ihn noch nie alleine besucht hatte – wer wusste, was er an seinen Abenden im Grimmauldplatz so trieb und ob er überhaupt zu Hause war? - sondern auch, weil er sie dann unweigerlich auf den heutigen Vorfall ansprechen würde. Bedenken hin, Befürchtungen her. Abgesehen vom Haus ihrer Eltern gab es keinen anderen Ort, zu dem sie sonst gehen könnte. Zu ihren Eltern wollte sie nicht, weil sie sich insgeheim für den überstürzten Bruch mit ihnen schämte. Harry schenkte zwei Gläser schweren, tiefroten Elfenweines ein, reichte Hermine eins davon und schwang die Beine auf die Couch. Er wirkte wie jemand, der zuhören wollte, nur… was sollte sie sagen? „Ehrlich gesagt weiß ich gar nicht so genau, wie es mir geht. Ich bin durcheinander und verärgert. Diese Leute sind wirklich eklig und sie lassen keine Gelegenheit aus mir zu zeigen, dass sie mich hassen! Und vorhin…" Sie seufzte schwer, nahm einen ersten Schluck und stellte ihr Glas sorgsam vor sich auf den Tisch. „Ich muss mir Draco zuliebe doch nicht alles gefallen lassen, oder? Ich verzichte auf so viel, ertrage diese Familie, ich… meine Noten… und überhaupt… er! Er ist ein Vollzeitjob. Mit ihm zusammen zu sein ist wie… als würde man ausgepresst, wie eine Orange. Am Anfang bist du prall und mit guten Dingen gefüllt, aber dann hast du ihn um dich rum und dann ist soviel Druck, dass du am Ende nur noch schlapp und leer bist." Sie zuckte ratlos mit den Achseln und rubbelte sich stöhnend über ihr Gesicht. „Im Moment dreht sich soviel um Draco", murmelte sie hinter ihren Händen hervor, „dass ich gar nicht dazu komme, mir zu überlegen, wie es mir geht." „Oh." Harry nippte an seinem Glas und schien zu überlegen, was er auf diese Aussage unverfängliches, freundliches erwidern konnte. „Tja und wie… wie geht es ihm? Wieso ist er denn so anstrengend?" „Ernst gemeinte Frage?" Sie zog die Augenbrauen hoch und bedachte ihm mit einem prüfenden Blick. „Ja!" Hermine legte den Kopf schief und musterte ihn nochmals von Kopf bis Fuß. Seine Haltung war locker, doch nicht unbedingt so, dass er sich hier hin fläzen würde. Seine Züge entspannt, doch nicht gelangweilt oder desinteressiert. Offen und gesprächsbereit. „Naja… es geht ihm schlecht. Sehr schlecht, ehrlich gesagt." Hermine seufzte und kniff die Augen zusammen, als ob das all die Bilder, die in diesem Moment in ihr aufwallten, vertreiben könnte. „Du hast ihn doch bei Fred und George gesehen…", sie schluckte, „du erinnerst dich, an die ganzen irren Sachen, die er in der Schule gemacht hat?" Harry nickte schwach und verzog das Gesicht zu einer schwer deutbaren Miene, die sowohl Betroffenheit wie auch Bauchschmerzen ausdrücken könnte. „Das ist alles noch schlimmer geworden! Kommt mir zumindest so vor. Er selbst sagt ja nichts dazu. Er schämt sich ziemlich für seine Aussetzer." Sie nickte bedächtig und seufzte „Das muss heute ganz schlimm für ihn gewesen sein, dass ihn alle so gesehen haben!" Hermine nippte an ihrem Glas, rutschte ein wenig weiter die Couch hinunter und ließ Hand und Glas auf ihren Knien ruhen. Harry beobachtete sie einen Moment, hielt das Glas knapp vor seine Lippen, doch er trank nichts. Seine Lippen kräuselten und entspannten sich abwechselnd, bis er wohl irgendwann beschlossen hatte, dass er doch erst reden und dann trinken wollte. Vielleicht hatte es aber auch nur so lange gedauert, bis ihm ein Kommentar eingefallen war. „Und, ähm… dass, das kann er wirklich nicht selbst kontrollieren?" Hermine schüttelte traurig den Kopf. „Nein, da hat Lucius leider recht gehabt. Das kommt einfach. Er kann das nicht stoppen!" Sie seufzte, griff nach ihrem Glas und spülte die Bemerkung, die ihr eben noch im Mund herumgeschwommen war, herunter. Das Lucius auch mit anderen Dingen recht gehabt hatte. Zum Beispiel, dass sie ihn nicht dazu hätte zwingen dürfen, in diesen Laden zu gehen. „Hmm und sie… also, seine Familie, wie sind die so, wenn man sie privat erlebt?" Hermine kicherte und prustete dabei kleine Weintröpfchen aus dem Mund. „Irgendwie sind sie witzig. Also nicht, dass sie sonderlich viel Sinn für Humor hätten, das eindeutig nicht. Eher ihr Verhalten ist lächerlich. Narzissa besteht zum Beispiel darauf, dass es fast nur noch so richtig ekliges Zeug zu essen gibt. Angeblich traditionelle Zauberergerichte…" Hermine schüttelte sich bei dem Gedanken an das, was Dracos Mutter ihnen schon alles zugemutet hatte. Harry beobachtete, wie Hermine angewidert schauderte und konnte wohl selbst ein amüsiertes Grinsen nur mühsam im Zaun halten. Die Erinnerungen an die Zustände im Manor brachte Hermine zum Giggeln. Schnell hob sie sich eine Hand vor den Mund, die nicht nur den Wein, sondern auch das Kichern stoppen sollte, und nahm sie nach einigen Sekunden wieder weg. „Narzissa verzieht sich nach dem Essen immer, will viel allein sein. Naja… und weißt du, was die Männer dann machen, wenn sie weg ist?" Harry grinste noch breiter und schüttelte den Kopf. Natürlich konnte er das nicht wissen, aber es war lustiger, ihn raten zu lassen. Da er aber keine Vermutung zustande brachte, klärte Hermine ihn auf. „Sie schleichen sich in Rodolphus' Zimmer und lassen sich Früchtekuchen, Braten, Pasteten oder sonst was von den Hauselfen bringen." Harry lachte und Hermine stimmte mit ein. „Ja, wirklich, sie essen heimlich. Immerhin hab ich Draco jetzt soweit, dass er mir etwas davon mitbringt. Jedenfalls, traditionell hin oder her, die Männer finden das genauso nervend wie ich. Wirklich, wenn man es genau nimmt, steht Lucius bei ihr ganz schön unter dem Pantoffel. Sie wollen sich immer als harmonisches Ehepaar präsentieren, aber wenn nur ein falsches Wort fällt, gehen sie sich gegenseitig an die Gurgel. Wenn Draco und ich das Zimmer verlassen, schreien sie sich so laut an, dass man es bis ins nächste Stockwerk hört. Vor allem sie. Sie ist eh ein Fall für sich. Drückt sich erfolgreich davor, auch nur zwei Minuten mit Draco alleine zu sein und es ist schon ziemlich deutlich, dass sie sich zu jeder Gelegenheit, ihn zu sehen zwingen muss. Wenn wir dann weg sind, brüllt Lucius sie an, dass sie sich nicht kümmert, alles auf ihn abschiebt, dass ihr alles egal wäre und er sich wie ein Kindermädchen vorkommt. Naja… dann legt sie los und sagt wirklich die schlimmsten Sachen. Dass er ein versoffenes Arschloch ist…" Harry drehte sich überrascht zu ihr um und starrte sie aus großen Augen an. Hermine schnaubte belustigt und nickte. „Kein Witz. Sie sagt das wirklich. Sie nennt ihn versoffenes Arschloch. Sie sagt, dass er ein mieser Ehemann wäre, total karrieregeil und dass er sich nie groß um seine Familie gekümmert hätte. Sie unterstellt ihm, dass er sie vernachlässigen würde und dass er Draco sowieso nur im Haus haben will, um das Mitleid seiner Kollegen zu erhaschen. Ach ja, und mich hat er ins Haus geholt um sich im Ministerium einzuschleimen und außerdem würde er mit mir ins Bett wollen." Harry schluckte seinen Wein hinunter, als sie es aussprach, eine Millisekunde später begann er zu husten und kippte mit dem Oberkörper nach vorne. Ungläubiges Entsetzen in seinen Augen, sah er sie an. Hermine schüttelte den Kopf und winkte beiläufig ab. „Ach, was. Lucius ist ein Arschloch, aber das hat er wirklich nicht versucht. Naja… dann geht es eben meist so weiter, dass er ihr sagt, dass sie eine herzlose Egoistin ist, die immer nur an sich denkt und beleidigt ist, weil sich nicht alles nur um sie dreht. Sie sagt dann immer so was wie, dass er an dem ganzen Elend doch schuld wäre. Wegen ihm ist ihre Schwester tot. Wegen ihm ist ihre Familie in Verruf geraten. Wegen ihm sanken sie in der Gunst Voldemorts, in der Gunst des Ministeriums und überhaupt wäre ihm im letzten Jahr eh alles egal gewesen. Außerdem…" Hermine brach ab und zog die Augenbrauen hoch. Dieses Mal nicht genervt , sondern eindringlich, um die Ernsthaftigkeit der Vorwürfe zu unterstreichen. „Außerdem sagt sie, dass er alleine schuld an Dracos Problemen wäre, dass er fast seinen einzigen Sohn umgebracht hätte und dass sie sich vor ihm ekeln würde." Harry verzog den Mund und schien eine geeignete Erwiderung zu überlegen, doch Hermine sprach schon weiter. Immer mehr und mehr peinliche Details sprudelten aus ihr heraus. „Wenn sie mal wieder ihren „Wir-hassen-Lucius"-Tag haben, macht Draco auch noch mit. Dann brüllen sie von beiden Seiten auf ihn ein. Das ist aber auch wirklich das Einzige, was Narzissa und Draco zusammen machen." Harry schüttelte den Kopf und nahm so hastig einen Schluck Wein, als hätte er etwas Widerliches im Mund und müsse den Geschmack hinunterspülen. „Lucius? Du nennst ihn wirklich Lucius?" „Ach was!" Hermine legte den Kopf in den Nacken und die Beine auf den Tisch vor ihr. „Irgendwie muss ich ihn ja nennen, wenn ich mich über ihn ärgere. Einfach nur „Malfoy", klappt in dem Haus ja wohl nicht. Ich nenne ihn natürlich Mr. Malfoy… aber wenn ich über ihn nachdenke, dann Lucius." Sie zupfte versonnen an ihren Locken herum und versuchte sich zu erinnern, an welcher Stelle des Nähkästchengeplauders sie Harry unterbrochen hatte. Ach ja… „Lucius scheint das auch nicht gewöhnt zu sein", fuhr Hermine fort und böses Vergnügen blitzte in ihren Augen auf, als sie Harry vielsagend zublinzelte. „Der ist es gewohnt, von seiner Familie angebetet zu werden, stattdessen behandeln sie ihn wie den letzten Penner. Wahrscheinlich haben sie sich das ganze letzte Jahr über nicht getraut, ihm die Meinung zu sagen und jetzt, wo er wieder „normal" ist, lassen sie alles raus." Sie grinste, doch dann fielen ihr zu viele Szenen ein, die ihre Aussage belegten, die im Grunde nicht lustig gewesen waren. Sie schüttelt betrübt den und fuhr fort: „Draco nimmt ihm seinen Absturz im letzten Jahr sehr übel. Er hat seinen Vater immer angebetet und nun hat er herausgefunden, dass der auch nur ein Mensch ist. Das kann er ihm einfach nicht verzeihen." Sie seufzte und schenkte Harry ein schiefes Grinsen. „Du erinnerst dich an diesen netten, höflichen, zuvorkommenden und sozialen Jungen, der Draco so bis zum sechsten Jahr war?" Harry zuckte verwirrt mit den Achseln, nahm einen weiteren Schluck Wein und wischte sich die feuchten Lippen mit dem Handrücken ab. „Nun stell dir diesen netten Jungen mal fies, gemein und brutal vor. Dann hast du etwa eine Ahnung davon, wie er sich im Manor benimmt. Offen gesagt, wenn ich Lucius wäre, hätte ich ihm bestimmt schon zwanzig Mal den Hals umgedreht." Harry verzog das Gesicht und schien das Schlimmste zu vermuten. Hermine wusste jedoch, dass ihm dazu die Fantasie fehlte und so erklärte sie weiter: „Er provoziert ihn pausenlos. Er schlägt auch um sich… aber das tut er ja sowieso immer." „Dich auch?" Hermine biss sich auf die Lippen und machte ein Gesicht, dass das folgende Geständnis überflüssig gemacht hätte. „Er kann sich nicht beherrschen. Du hast es doch gesehen in der Schule… und manchmal… er hat Halluzinationen, fühlt sich ständig angegriffen und bedroht… Deswegen wurde er dann ja auch eingewiesen." Hermine schluckte und wagte auch dann nicht zu ihrem Freund zu sehen, als sie seine tröstende Hand über ihrem Rücken streichen fühlte. „Nein, ist schon gut." Dieser Lüge zum Trotz, strich sie sich eine Träne aus den feuchten Augen, nahm ihr Glas vom Tisch, trank es in einem einzigen, tiefen Zug leer und seufzte ein klein wenig erleichtert auf. „Dann ist er also wirklich… also, er ist wirklich zu Recht in der…?" „Ja, natürlich ist er zu Recht in der Psychiatrie, was denkst du denn?" Hermine wusste, was er dachte, eigentlich musste sie ja nicht fragen, aber es ärgerte sie maßlos, weil sie wusste, dass alle so dachten. „Ihr habt ihn doch das ganze letzte Jahr über gesehen", fauchte sie giftig. „Ein ganzes Jahr lang haben ihn alle als gefährlichen Irren beschimpft und jetzt, wo ihm die Diagnose gestellt wurde, dass er genau das ist, tun auf einmal wieder alle so, als ob sie das nicht gewusst hätten. Wenn man über ihn lästern darf, ist er irre, aber wenn er krank ist, dann konnte das keiner ahnen!" Harry war rot geworden. Mit schuldbewusstem Blick trank er einen weiteren Schluck, behielt das Glas in den Händen und sah versonnen zu, wie die rote Flüssigkeit darin hin und her floss. „Natürlich ist er krank", fuhr Hermine nun viel leiser, traurig fort. „Das ist es ja. Es geht ihm wirklich schlecht und deswegen müssen wir ständig auf ihn Rücksicht nehmen." Sie schluckte und gab sich Mühe, nicht zu sehr nach einem beleidigten Kleinkind zu klingen. „Man muss ständig aufpassen, was man zu ihm sagt, also nicht nur, weil er sonst sauer wird, sondern weil er dann wieder Anfälle kriegt. Im ganzen Haus gibt's nichts Rotes mehr, weil die Farbe ihn triggert. Wir verstecken die Zeitung vor ihm, wenn was über Todesser drinsteht und immer muss man aufpassen, dass man nicht zu laut spricht, sich zu schnell bewegt oder ihn ohne Vorwarnung anfasst. Er ist wie ein Schwarzpulverfass, das bei der kleinsten, falschen Bewegung hochgeht. Und… nie darf man böse auf ihn sein, weil es ja nicht seine Schuld ist. Wirklich nicht, er kann das nicht steuern, aber…" Hermine stöhnte gequält, setzte ihr Glas an, stellte es aber sofort wieder ab um es von Harry auffüllen zu lassen da sie erst jetzt bemerkt hatte, dass es bereits leer war. „… aber es dreht sich immer nur alles um ihn. Das ganze Haus und mein ganzes Leben ist im Moment darauf ausgerichtet, dass Draco sich nicht aufregt. Und… keine Sau interessiert es, wie es mir geht. Oh, Harry!", wimmerte sie und schluchzte leise, als sie seinen Arm um ihren Schultern fühlte. „Ich bin ja so einsam dort. Die Leute da hassen sich alle gegenseitig und am meisten hassen sie mich. Niemand interessiert sich für mich und in meinem Leben läuft alles schief. Ich habe echt gedacht, dass alles besser wird, wenn der Krieg vorbei ist, aber da hat sich fast nichts geändert. Die Leute hassen Muggel immer noch…und… und… und vor allem mich!" Hermine schluchzte bitterlich und verbarg ihr Gesicht hinter ihren Händen. „Die Malfoys hassen mich und jetzt hasst ihr mich auch noch!" „Ach, was!" Harry tätschelte ihr unbeholfen den Rücken und versuchte zu beschwichtigen: „Die hassen dich nicht, die… die verstehen das nur nicht. Komm, ich hab mit den anderen geredet und sie sind nicht wütend, nur… durcheinander, aber die vermissen dich auch und wir wollen doch jetzt wieder viel zusammen machen, nicht?" Hermine fühlte sich mit einem Mal müde und schwer. Vielleicht vom Wein, vielleicht von diesem Gespräch. „Das Problem ist doch ein ganz anderes… Lucius hat doch recht!" „Wenn er dich bedroht und dich wie Dreck behandelt?" „Nein!" Sie schüttelte den Kopf und wedelte mit der Hand, senkte sie dann aber verschämt, als sie darüber nachdachte, dass sie damit einen recht dämmrig-betrunkenen Eindruck machen musste… was vielleicht sogar zutraf. Sie seufzte schwer, nahm trotzdem einen weiteren Zug, um ihr Glas zu leeren und stellte es dann etwas ungeschickt auf dem Tisch ab. „Nein… er hat recht wenn er sagt, dass ich das ganze heute selbst verursacht habe." Hermine presste die Augen zusammen, sie fühlte sich langsam unwohl. Das Zimmer erschien ihr warm und die Luft von Sekunde zu Sekunde stickiger. „Es war schon Unsinn, ihn überhaupt in die Winkelgasse mitzunehmen. Er geht eh nicht mehr gerne unter Leute und heute war er besonders empfindlich. Und dann… und dann auch noch Freds und Georges Laden… Ich wusste doch, dass er durchdreht. Er hatte schon Panik, als er den ersten Fuß auf die Straße setzte und dann auch noch das. Gedränge, viele Leute, alles ist laut… und diese blöden, blöden", sie hämmerte bei jedem Wort mit der Faust auf den Tisch, bis Harry ihr die Hand festhielt, woraufhin sie ihn schuldbewusst, doch etwas unfokussiert ansah, „blöden Flüche… und ihr…. Das war doch klar, ich wusste doch, dass er durchdrehen wird. Es wundert nur, dass er überhaupt solange durchgehalten hat. Aber", Hermine schniefte und wischte sich die Nase, weshalb Harry ihr schnell mit einem Taschentuch zu Hilfe kam. „Danke! Weißt du, mit meinen Eltern hab ich auch keinen Kontakt mehr, weil wir uns in den Osterferien zerstritten haben und jetzt habe ich das Gefühl, dass ich ganz alleine auf der Welt dastehe." Hermine schluchzte noch einmal, schneuzte sich geräuschvoll, woraufhin Harry sein eigenes, noch halbvolles Weinglas in sicherer Entfernung von Hermine abstellte. Hermine senkte schuldbewusst ihre Augen und ließ sich von Harry an die Schulter drücken. Sie weinte immer noch, konnte jetzt aber leiser und beherrschter sprechen. „Der Heiler hat gesagt, dass ich Nägel mit Köpfen machen muss. Ich soll gehen oder mich einfach damit abfinden, dass es schwer wird." Harry ließ von ihr ab und starrte sie fassungslos an. „Du sollst doch damit abfinden, dass du kein eigenes Leben mehr hast und dass du dort bedroht wirst?" Hermine seufzte und schüttelte unglücklich den Kopf. „Nein… also ja, aber… er hat gemeint, ich soll mich entscheiden. Entweder ich packe das, dass ich mich selbst für die nächste Zeit mit all meinen Bedürfnissen zurücknehme oder ich soll gehen. Ich soll aber nicht bleiben und ihm Vorwürfe machen, weil er einfach nichts dafür kann." „Weißt du Hermine, ich verstehe einfach nicht, wieso du mitgegangen bist!" Hermine richtete sich auf. „Wie, wohin mitgegangen?" „Naja…" Harry räusperte sich umständlich, nahm sein Glas, trank einen Schluck Wein und stellte es wieder vor sich auf dem Tisch ab. „Ins Manor", sagte er, und wischte sich einen letzten Rest Wein vom Mund. „Ich find's ja wirklich toll, dass du dich so für andere Leute einsetzt und Malfoy scheint ja wirklich einen Haufen Probleme zu haben, aber… Ich verstehe einfach nicht, wieso du jetzt bei ihm wohnen musst. Ist ja nett, so eine Affäre nicht einfach hängen zu lassen, aber würde es nicht reichen, wenn du ein paar Briefe schreiben würdest? Geh doch da weg und denke an dich selbst, du hast mit diesen Leuten doch eigentlich gar nichts zu tun und die wollen dich ja auch gar nicht bei sich haben. Ist das irgendeine Form von Selbstbestrafung, dort zu bleiben, weil du ein paar Mal mit ihm ins Bett gegangen bist? " Hermines Augen wurden groß und größer. Sie schnappte nach Luft, wollte etwas einwenden, doch alles was ihr über die Lippen kam, war ein ersticktes Gurgeln. „Was?" Der Wein war schuld - leider war das wirklich so -, dass Hermine nicht ganz so schnell und nicht ganz so clever geschaltet hatte wie sonst, aber jetzt hob sich die Verwirrung doch wie ein Schleier von ihren Gedanken und gab die Erkenntnis für das preis, was Harry eben ausgedrückt hatte. Harry hatte keine Ahnung, wie die Beziehung zwischen ihr und Draco aussah und er konnte sich nicht im Geringsten vorstellen, was Draco für Hermine bedeutete. Weil sie es ihm nie gesagt hatte. Das schlechte Gewissen schlug Hermine so unvermittelt auf den Magen, dass sie sich für einen Moment die Hand vor den Mund pressen und tief durchatmen musste. Plötzlich war ihr übel. Warum? Weil Hermine klar geworden war, dass sie sich für die Beziehung mit Draco schämte und sie nie den kleinsten Versuch gemacht hatte, ihre Freunde über ihre Beziehung aufzuklären. Es war ratsam gewesen, das Ganze zu verschweigen, als sie noch auf verfeindeten Seiten im Krieg standen. Aber Harry hatte es auch so herausgefunden und trotzdem hatte sie so getan, als ob das Ganze nur ein peinlicher Ausrutscher wäre. Eine Lüge, die sie bis jetzt weder vor ihm noch irgend jemand anderem richtiggestellt hatte. Verglichen mit ihr war selbst Draco mutig, denn der hatte nicht gezögert, offen zu Hermine zu stehen. „Hör mal, Harry. Ich bin mitgegangen, weil ich ihn sonst nicht mehr gesehen hätte. Wir… also, wir sind ein Paar, seit Monaten schon." Harry zog misstrauisch die Augenbrauen hoch. Hinter seiner Stirn schienen sich sehr komplizierte und auch ein wenig abartige Gedanken zu formen, doch – Merlin sei Dank - er sprach sie nicht aus. „Auch wenn das kein Mensch auf der Welt versteht und ich weiß… egal wie undankbar er teilweise ist… dass er das auch für mich empfindet. Die Frage ist nur, ob mir das reicht. Er wird sicher noch eine ganz Weile brauchen, um wieder gesund zu werden und ich bin nicht sicher, ob ich es solange aushalte. Ich will ihm nicht wehtun, ich will ihm keine Vorwürfe machen... aber… es ist verdammt hart mit ihm!" Harry zuckte die Achseln und stand auf. Er zog die etwas wacklige Hermine auf die Beine und legte seinen Arm um sie. „Du solltest sowas jetzt gar nicht entscheiden. Das war ein bisschen viel Wein und du hast dich aufgeregt. Geh ins Bett und schlaf drüber." Xxx Hermine schlief lange und stand erst nach zwölf Uhr mittags auf. Aufgewacht war sie wesentlich früher, doch statt aufzustehen und Harry zu suchen, hatte sie sich lieber noch ein wenig in ihrem wohlverdienten Selbstmitleid gewälzt. Letztendlich musste sie aber einsehen, dass das nicht alles sein konnte, was sie heute zu tun hatte. Sie hatte eine Entscheidung zu fällen. Aus lauter Verzweiflung und Ratlosigkeit tat Hermine etwas, das sie bisher selten, vielleicht noch nie, getan hatte. Sie fragte jemandem um Rat. „Was soll ich denn jetzt machen?", fragte sie Harry, während sie beide auf geradezu schändliche Weise ihrer eigenen Welt abtrünnig wurden und in einem McDonalds-Restaurant in London Nuggets, Burger und alles Mögliche futterten, was sie weder bei den Weasleys noch bei den Malfoys jemals sehen würden. Harry fuhr so erschrocken hoch, als habe sie versucht, ihn mit ihrem Tablett zu schlagen. Sein Mund war schmal, die Augen weit und der ganze junge Mann war ein einziges Bild von auswegloser Ratlosigkeit. „Wie…? Du…? Wegen Malfoy? Ich, ähm… kannst du nicht Ginny? Oh, nein, vergiss Ginny. Okay… also, ähm… naja… weiß nicht." Hermine verzog ihren Mund und stöhnte. Sie hätte es wissen müssen. „Was würdest denn du machen? Also stell dir vor, du wärst an meiner Stelle." Harry kratzte sich unbehaglich am stoppeligen, unrasierten Wochenendkinn. „Ähm, ich mit Malfoy?" Hermines Augen wurden schmal und Harry riss sich nun doch etwas zusammen. „Okay, also… ich weiß nicht. Äh… ja, weißt du, also normalerweise würde ich wegen sowas dich fragen." Hermine biss in ihren Burger und machte dabei ein Gesicht, als ob sie stattdessen lieber Harry gebissen hätte. „Du bist keine große Hilfe", stellte sie indigniert fest. Harry zuckte unglücklich mit den Achseln und versuchte etwas, das Hermines Einschätzung nach ein gewinnendes Lächeln sein sollte. „Frauen können sowas einfach besser, ich respektiere das!" „Also gut… Harriet!" Harrys Mund kräuselte sich auf der linken Seite amüsiert und auf der rechten Seite verstimmt. „Dann frag ich doch mal anders rum, wenn du Draco wärst, was würdest du… nein, also das ist auch blöd." „Da weiß ich aber was", freute sich Harry und vollführte unter dem Tisch eine sehr ungeschickte Zauberstabbewegung, die wohl dazu dienen sollte, Hermines Nuggets unbeobachtet auf sein Tablett zu locken. Da Hermine den Stab gegen die Tischplatte stoßen gehört hatte, reichte ein scharfes „Kscht" und ein kräftiger Schlag auf den Tisch, um ihr Gegenüber von seinen Raubzügen wieder abzubringen. Er räusperte sich und tat, als habe er Hermines Fauchen gar nicht bemerkt. „Ja also, nachdem was du gesagt hast… Hmm, ich würde nicht wollen, dass du nur aus Mitleid bei mir bleibst und ich würde schon gar nicht wollen, dass du heimlich immer wütender wirst, ohne dass ich davon was weiß." Er kratzte sich nachdenklich an der Nase. „Du musst eben wissen, ob du es mit ihm oder ohne ihn besser aushältst, weil… ändern wird er sich nicht, oder? Kann er wohl auch gar nicht…" Hermines Kopf sank traurig nach unten. Sie hätte Harry ihre Nuggets ruhigen Gewissens schenken können, denn nun war ihr der Hunger vergangen. Im Gedenken an all das ungenießbare Essen, das ihr Narzissa in den letzten Monaten zugemutet hatte, aß sie aber doch weiter. Harry hatte recht! Draco würde sich nicht ändern, denn er konnte es nicht. Zumindest nicht so, dass er innerhalb der nächsten Tage gar keine Sonderbehandlung mehr brauchen würde und sie hatte ja gestern Abend schon festgestellt, wie unfair es von ihr gewesen war, ihm genau das vorzuwerfen. „Der Heiler hat gesagt, ich soll mich entscheiden. Er hat gesagt, es ist okay, wenn es mir zu viel wird, aber wenn ich bleibe, soll ich es richtig machen und nicht herumeiern. Also entweder ich bleibe und versuche ihm zu helfen oder ich gehe." „Naja und du musst schon selbst wissen, ob du das willst und ob, naja, ob er irgendwelche guten Seiten hat, die es das Ganze wert machen und nicht nur sein…" Harry brach ab und sah fast so verschreckt aus wie Hagrid, wenn er zuviel ausgeplaudert hatte. „Sein was?", fragte Hermine spitz. „Sein… Geld?" Harry wurde innerhalb von Sekunden puterrot. „Sein Geld? So, Harry, auf der Stelle, wer sagt das und wo hast du das her?" Harry zog die Schultern hoch und beugte sich tief über seinen Teller. „Ja, irgendwie… die Weasleys und… äh… so ziemlich alle, die davon wissen. Ich meine… ähm… liegt doch irgendwie auf der Hand." Auf Hermines Hand lag gar nichts. Die war leer und knallte auf die Tischplatte. „So, jetzt hör mir mal gut zu, Harry. Du und alle anderen haben nicht die geringste Ahnung, wovon ihr redet. Draco ist ein… ein… also, er ist vielleicht nicht der netteste Mensch der Welt und er ist auch nicht tierlieb, euch kann er schon mal gar nicht leiden und wenn's um die Rechte von Muggeln und Elfen geht, muss ich bei ihm gar nicht erst anfangen, aber…" Hermine schnappte nach Luft und wurde ein wenig rot bei der Aufzählung so vieler Negativseiten, dennoch gab sie sich einen Ruck und fuhr fort: „Aber ihr kennt ihn nicht so wie ich. Er hat im letzten Jahr eine Menge durchgemacht. Viel mehr, als du dir vorstellen kannst und ob du das jetzt glaubst oder nicht, aber Draco ist nicht mehr der verwöhnte, feige Junge, den du zu kennen glaubst. Er tut alles für mich, was er kann. Er verteidigt mich sogar vor seinen Eltern und wenn er will, dann ist er lieb, nett, witzig und er ist nicht dumm und überhaupt hat er noch nie versucht, mich irgendwie mit teuren Geschenken zu kaufen." Ein Gedanke formte sich in Hermines Geist, nahm in ihrer Kehle Gestalt an und schlüpfte so unversehens durch ihren Mund, dass sie im ersten Moment selbst darüber erstaunt war. „Ich gehe jetzt und sage ihm das. So schnell gebe ich nicht auf und von seiner Familie lasse ich mir auch nichts mehr gefallen!" Ein sehr peinlicher Moment des Schweigens folgte. Harry mümmelte peinlich berührt an seinen Nuggets herum und zog die Stirn angestrengt in Falten. Nun endlich hatte Hermine Mitleid mit ihm. Sie übereichte ihm ihre letzte Packung Chicken-Nuggets, damit er kauen statt antworten konnte. „Harry, es ist mir ganz egal, wenn ihr das nicht versteht. Hörst du? Das sollst du den anderen sagen. Ich verlange nicht, dass ihr euch jetzt mögt und es ist sicher besser, wenn ihr euch nicht seht. Aber ihr müsst auch verstehen, dass ihr sowas wie Treffen mit mir absprechen müsst, damit ich wirklich Zeit habe und… also… ihr müsst euch einfach damit abfinden, dass es ihn gibt. Ich will mich dafür nicht rechtfertigen müssen! So komm, wir gehen jetzt. Ich habe eine Eule zu schreiben." Xxx Hermine hatte es schon ein klein wenig feige gefunden, Draco das, was sie zu sagen hatte, nicht ins Gesicht zu sagen. Sie hatte stattdessen beschlossen, dass es schon tapfer und demütig genug war, jetzt wieder im Manor zu stehen, als dass man auch noch eine offene Auge-zu-Auge-Erklärung von ihr hätte verlangen können. Sie hatte vorhin hin und her überlegt, ob sie tatsächlich Hedwig wählen sollte, doch da sie ja ab nun viel offener sein wollte und Draco sich zweifellos sowieso denken konnte wo sie war, verzichtete sie auf die Mühe, eine Fremdeule zu suchen und bemühte Harrys Haustier mit einem sehr langen Brief. Sie entschuldigte sich nicht nur für die harschen Worte vor dem Zauberscherzladen, sondern erklärte auch ihre Ungeduld und ihren Egoismus am gestrigen Tag. Sie feilte eine Stunde daran herum, ihm mitzuteilen, dass sie sich einsam und unverstanden fühlte, jedoch wusste, dass das nicht seine Schuld war. Er hätte seine Probleme, das wüsste er ja, aber dennoch bereute sie es, falls sie ihm mit ihren Worten wehgetan hätte. Sie erklärte so schonend wie möglich, dass es oft sehr schwer mit ihm war und dass sie manchmal das Gefühl hatte eingesperrt zu sein. Sie wusste, dass dieses Desaster in der Winkelgasse ihre Schuld war, aber sie hätte eben ihre Freunde vermisst. Er war ihr Freund und er war ihr wichtig, aber deswegen brauchte sie ihre anderen Freunde doch nicht weniger. Letztendlich konnte sie sich den Satz „Aber deine Eltern sollten wirklich netter zu mir sein!" doch nicht verkneifen und schloss mit der Ankündigung, am Abend wieder ins Manor zu kommen, um mit ihm noch einmal über alles zu reden. Der Inhalt, vor allem der Ausgang, dieses Gespräches war ihr selbst nicht ganz klar, aber einstweilen hatte sie für sich beschlossen, dass sie weder kampflos vor Lucius flüchten, noch Draco ohne weitere Worte verlassen wollte. So, wie es am letzten Abend gewesen war, sollte es nicht enden. Nach Hedwigs Abflug hatte sie über eine Stunde in Harrys Wohnzimmer auf eine Antwort gewartet. Die Minuten verstrichen qualvoll langsam und als Hermine es nicht mehr aushielt, brach sie auf. Als Hermine Malfoy Manor betrat, war es so spät, dass die Malfoys bestimmt schon beim Abendessen waren. Ein Blick auf die große Tafel im Eingangsbereich bestätigte ihr, dass sich zumindest Lucius, Rodolphus und Draco im Esszimmer befanden. Narzissa konnte sie nicht ausfindig machen, was Hermine nicht wirklich störte. Sollte sie außer Haus sein, dann umso besser. Sie hob den Kopf, straffte die Schultern und klopfte entschlossen gegen die Tür. Niemand antwortete, was sie aber auch nicht erwartet hatte. Als sie eintrat, hockten die drei Männer - alle waren komplett in schwarz, so dass es nach einem Geheimtreffen der örtlichen Totengräbervereinigung aussah - und blickten ihr mit versteinerten Mienen entgegen. Neben Draco, an dem Platz, wo sie immer saß, war ein Teller bereitgestellt, während Narzissas Platz ungedeckt war. „So, auch wieder da?", begrüßte sie Lucius anstelle von Draco träge. „Und wir hatten schon gehofft, dass er deinen Brief falsch verstanden hat!" Draco hatte die Nachricht also erhalten. Wirklich froh schien er aber nicht darüber, sie wieder zu sehen. Sein starres Gesicht verunsicherte sie. Sie lächelte vorsichtig, als sie sich neben ihm niederließ. „Hast du… alles gelesen?" Draco nickte knapp und senkte die Augen auf sein Abendessen. „Oh." Hermine kicherte nervös und deutete auf die heute servierte Mahlzeit. „Schmorbraten? Gar nichts… Traditionelles?" Niemand antwortete. Die drei Totengräber starrten schweigend auf ihre Teller und leerten sie in vollkommener Geräuschlosigkeit. Es war gespenstisch leise im Zimmer. Auch Menschen mit sehr guten Tischmanieren produzieren während des Essens Geräusche. Wenn man sich sehr viel Mühe gibt, hört man sie manchmal kauen, schlucken oder atmen. Auch Messer und Gabel lassen sich meist nicht ohne das eine oder andere Schaben bedienen. Hermine stutzte, während sie über die befremdliche Stille nachdachte. „Wo sind denn die Messer? Wie soll ich denn das Fleisch schneiden?", fragte sie verwirrt. Hermine spürte sofort, dass sie etwas Falsches gesagt hatte, denn die Blicke, die Lucius und Rodolphus für Sekundenbruchteile auf Draco warfen, konnten nur Schlechtes bedeuten. Es war so leise im Raum, dass Hermine vor Schreck zusammenzuckte, als Draco neben ihr unvermittelt seinen Stuhl zurückschob und aufstand. „Ich gehe ins Badezimmer!" „Salsa! Pikes!" Als hätten sie den ganzen Tag genau für diesen Moment bereitgestanden, erschienen die beiden Elfen auf Lucius' Befehl, noch ehe er ihre Namen ausgesprochen hatte. Er deutete auf Draco, was die zwei mit wissendem Kopfnicken bestätigten. Draco kommentierte das Erscheinen der beiden mit einem wütenden Schnauben. Er vergrub seine Hände in den Hosentaschen und marschierte mit bitterböser Miene aus dem Raum hinaus. Als die Tür mit lautem Knall ins Schloss fiel, drehte Hermine sich zu den beiden anderen zurück. Lucius hatte seinen Zauberstab gezogen und Hermine war im Begriff, ihren eigenen zu ziehen, um sich zu verteidigen, bis ihr auffiel, dass er sie keineswegs bedrohte, sondern nur ihr Fleisch mit einigen schnellen Flüchen zerkleinerte. Nach getaner Arbeit steckte er den Stab wieder weg, ergriff seine Gabel und sah Hermine direkt in die Augen. „Ich gehe davon aus, dass du dich darüber wunderst, warum wir keine Messer am Tisch haben und wieso ich meinem Sohn zwei Hauselfen als Begleitung mit zur Toilette schicke, Granger?" Hermines Haut begann zu kribbeln. Ein sehr, sehr unangenehmes Gefühl breitete sich in ihr aus, verknotete ihren Magen und ließ ihren Hals trocken werden. „Ja, Sir", bestätigte sie heiser und legte ihr Besteck weg, weil Lucius das auch tat und sich in kühlem, trägem Ton zu erklären begann. „Nachdem Draco aufgewacht ist und festgestellt hat, dass du weg bist, hat er sich in sein Zimmer zurückgezogen." Lucius räusperte sich und wieder sah Hermine diese beängstigend vielsagenden Blickwechsel zwischen Lucius und seinem Schwager. „Als er zum Abendessen nicht erschien, ging meine Frau hoch, um ihn zu holen…" Lucius drehte sich nun komplett zu Rodolphus und schüttelte den Kopf. „Da hab ich sie einmal soweit, dass sie mit ihm sprechen will und dann das." Er stöhnte bitter, drehte sich wieder zu Hermine und fuhr in seinem üblichen, öligen Ton fort. „Er hatte die Fensterscheiben eingeschlagen und sich mit einer großen Scherbe die Pulsadern aufgeschnitten." Ein Gefühl, als habe man sie in Eiswasser getaucht. Als würde ihre Körpertemperatur innerhalb von Sekunden auf Null sinken, als ob das Blut in ihren Ader gefrieren und ihre Gliedmaßen absterben würden. Er hatte es wieder getan. Wegen ihr. Entsetzt schlug sie sich die Hände vor den Mund und gab ein ersticktes Keuchen von sich. „Er war bereits bewusstlos. Da es uns nicht gelang ihn aufzuwecken, haben wir ihn ins Krankenhaus gebracht. Narzissa wurde übrigens auch eingeliefert, weil sie bei seinem Anblick einen Nervenzusammenbruch erlitt und nicht mehr atmen konnte. Rodolphus und ich haben dann die Nacht damit verbracht, abwechselnd sie und ihn zu beruhigen. Ihn durften wir aber schon heute Mittag mitnehmen, nachdem die Blutbildung abgeschlossen war. Sie sollte noch etwas bleiben, da sie auch heute den ganzen Tag über Herzrasen klagte und schlecht Luft bekam." Er räusperte mit vor den Mund gehaltener Hand und schloss für einen Moment die Augen. „Ich werde sie nach dem Essen abholen." Und um zu verdeutlichen, dass das bald sein würde, schob er seinen Teller zur Mitte des Tisches hin, wo er mit leisen „Plopp" verschwand. „Du musst entschuldigen, wenn wir hier am Tisch etwas kurz angebunden sind. Wir hatten alle eine anstrengende Nacht und haben nicht geschlafen." Hermines Hände sanken wie taub vor ihrem Gesicht weg. „Und er… wie…warum?" „Warum er es getan hat?" Hermine nickte, obwohl sie an Lucius' bitterbösem Gesichtsausdruck schon erkennen konnte, dass er ihr die Schuld gab. „Warum wohl? Er hat festgestellt, dass er eine Last ist und wollte uns, ich denke vor allem dir, weiteren Ärger mit ihm ersparen!" Lucius kräuselte die Lippen und fügte lapidar hinzu: „Und warum sollte er denn noch weiterleben wollen, nachdem er auch das letzte verloren hat, was ihm wichtig war." Rodolphus räusperte sich und schüttelte den Kopf. „Du weißt, dass da noch mehr war. Er hatte schon eine ganze Weile Probleme und fühlte sich sehr schlecht wegen… dem was war. Das war dann wohl nur noch der Punkt, der das Fass zum überlaufen gebracht hat." „Wie auch immer", schnitt ihm Lucius, sichtlich verärgert darüber, dass Rodolphus Hermine nicht für die Alleinverantwortliche hielt, das Wort ab. „Wir haben uns gestern recht lange mit diesem Heiler unterhalten und der meinte, dass wir alles, was gefährlich sein könnte, beseitigen müssen. Die Fenster lassen sich nur noch nach oben kippen. Wir haben die Glasscheiben mit einem Zauber gestärkt, alles, was spitz ist, aus seiner Reichweite entfernt und Schnürsenkel, Gürtel oder alles andere, woran er sich aufhängen könnte, außer Haus gebracht. Wenn du weiterhin hier wohnst, erwarte ich von dir, dass du das auch tust!" Hermine wollte etwas sagen. Zum einen wollte sie klarstellen, dass sie keineswegs sicher war, ob sie hier wieder wohnen wollte, zum anderen wollte sich entschuldigen, rechtfertigen, besorgt nachfragen, wie denn die Nacht gewesen war und ob man sowas nicht hätte ahnen können, als er alleine in sein Zimmer geschlichen war, doch alles, wozu sie imstande war, war ein schwaches Nicken. Nicht wirklich ein Zugeständnis an seine Forderungen. Auch kein Versprechen an Draco oder gar eine Einwilligung, den Befehlen von Lucius Malfoy von nun an zu gehorchen. Nur, in ihr war alles so schwer geworden, als ob man ihr einen schweren Stein umgehängt hätte und als würde die Last dieses unsichtbaren Gewichtes ihr Herz umschließen und alles mit sich nach unten ziehen. So auch ihren Kopf, der unter der Last wie ferngesteuert nickte. „Ich bin bereit, mich für die Ohrfeige und den Streit zu entschuldigen, wenn du zugibst, dass du gestern ein egoistisches Kind warst." Das Gewicht des Steines wich, als ob die Wucht des Erstaunens über das soeben gehörte, ihn von ihr herunter gerissen hätte. Hermines Kopf ruckte nach oben. Lucius starrte sie aus kalten Augen an, während Rodolphus neben ihm leicht genervt den Kopf schüttelte. „Lucius…" „Ich… Sir, ich…", stammelte Hermine und sah die beiden abwechselnd perplex an. Rodolphus verdrehte die Augen und schob ebenfalls seinen Teller weg, der vor Hermines Augen wie von Geisterhand verschwand. „Der Heiler hat ihm gesagt, dass er sich benommen hat wie ein Kleinkind und etwas entgegenkommender sein muss, wenn das ganze funktionieren soll." Lucius' Miene nach war das mit dem Kleinkind gar nicht so falsch. „Er hat es nicht ausdrücklich zu mir gesagt!" „Doch, hat er. Er hat gesagt, dass du kindisch bist, freundlicher sein sollst und ihr Zeit lassen musst, ihre Freunde zu sehen." „Er hat aber auch etwas über Narzissa gesagt", trotzte Lucius beleidigt. Rodolphus seufzte. „Lucius… Narzissa… das… ja, natürlich hat er das gesagt, aber… wir sollen daran arbeiten, die Situation jetzt zu verbessern. Auf Narzissa ist in der Beziehung im Moment einfach kein Verlass." „Also schön!" Lucius edles Gesicht verzerrte sich zu einer hässlichen, beleidigten Fratze. „Da es ja nun üblich ist, immer mir alleine die Schuld an allem zu geben…" „…das hat doch keiner gesagt", „… dann von mir aus. Ich bin nett und umgänglich, aber nur wenn die", er ruckte mit dem Daumen in Richtung Hermine, „keine solchen Aktionen wie gestern mehr bringt!" „Ich…. Ich… also." Hermine schloss die Augen, atmete tief durch und nickte. „Ich gebe zu, dass ich gestern unfair und von mir aus auch egoistisch war. Aber ich… ich wollte doch nur meine Freunde mal wieder sehen weil… ja, also für mich ist das doch auch Stress. Ich wollte ihm ja nicht wehtun und es tut mir leid, aber… irgendwann kann ich auch nicht mehr. Ich brauche auch Erholung…" „Man sollte meinen, dass du dich jeden Tag erholen kannst, arbeitslos wie du bist." „Lucius…" „Sir, Sie wissen ganz genau, wie schwer es für Muggelgeborene ist Arbeit zu finden." Hermine verschränkte ihre Arme trotzig vor der Brust und funkelte zornig. „Dank Ihren ganzen Gesetzen aus dem letzten Jahr will mich niemand einstellen. Denken Sie denn, ich will in diesem Haus tatenlos rumsitzen, während alle meine Freunde etwas Nützliches zu tun haben?" Die Antwort blieb ihnen erspart. Die Tür öffnete sich und Draco kam mit den beiden Hauselfen zurück. „Hat er es dir gesagt?", schnarrte er bitter, als er neben Hermine stand. Sie nickte matt und versuchte, in seinem Gesicht zu lesen, was das für ihn bedeutete. „Bist du jetzt wieder da?", fragte er nur. Hermine nickte abermals. „… dann geh ich jetzt schlafen, ich bin müde." Der Stein war wieder da. Noch viel bedrückender und schwerer als zuvor. Er hatte sich eine Strähne aus dem Gesicht gestrichen, wobei seine Ärmel für einen Moment leicht hochrutschten, so dass sie kurz die Verbände um seine Handgelenke sehen musste. Was sollte sie angesichts dessen noch sagen? Xxx „Wie geht es Ihnen, Draco?", fragte Heilerin Chang und ließ sich mit freundlichem Lächeln neben dem Heiler nieder. „Scheiße!" Der Heiler zog amüsiert die Augenbrauen hoch und Draco hätte ihm am liebsten die tiefen Lachfalten aus dem Gesicht geschnitten. Er war sauer, nein, wütend, richtig wütend. Da saßen die beiden Mistkrähen, lachten ihn aus und er konnte nichts dagegen machen, entwürdigt und entrechtet wie er war. „War das Ihre Idee?" „Was denn?" „Dieses ganze Theater um mich." „Ich weiß nicht, was Sie meinen, da müssen Sie schon deutlicher werden." Verlogen und schadenfroh wie er zweifellos war, fischte sich der Heiler einen Keks aus der Schale vor ihm, reichte seiner Kollegin ebenfalls einen und besaß danach sogar noch die Frechheit, Draco ebenfalls einen geben zu wollen. „Hören Sie auf, mich wie ein Kleinkind zu behandeln, ich bin ein erwachsener Mann, verdammt. Ich will keinen Keks!" Er verschränkte die Arme und beobachtete den Heiler wütend, während der die Keksschale mit einem lakonischen Schulterzucken wieder wegstellte. „Hmm." Sayer rutschte ein weniger weiter nach hinten in seinen Sessel, schürzte die Lippen und musterte Draco eine ganze Weile lang eingehend. So als würde er sehr angestrengt darüber nachdenken, ob er tatsächlich das sagen sollte, was ihm so offensichtlich im Kopf herumspukte. „Sie fühlen sich also entrechtet und entwürdigt?" „Das ist ja nun offensichtlich. Ich bin bei Ihnen und will nicht hier sein. Ich wohne wieder bei meinen Eltern und will es nicht. Ich werde rund um die Uhr bewacht und mein Vater und meine Freundin planen meinen Tagesablauf auf die Minute genau." „Sie fühlen sich fremdbestimmt", papageite Heilerin Chang unausstehlich sanft. „Ich fühle mich fremdbestimmt? Ja, verdammt nochmal, ich bin fremdbestimmt! Jede Sekunde. Ja, ich… Scheiße… mein Vater hat eine ganze Schar von Hauselfen dazu abgestellt, mich keine einzige Sekunde am Tag allein zu lassen!" Draco schnappte wütend nach Luft und presste dann mit einem einzigen Atemzug die ganze entwürdigende Wahrheit heraus. „Die sehen mir sogar beim Kacken zu. Wissen Sie, wie das ist? Die stehen nicht nur beim Essen neben mir, damit ich mich nicht mit der Gabel ersteche, die kleben auch an mir, wenn ich duschen gehe. Die stehen neben mir, wenn ich schlafe und die gehen mit mir aufs Klo." Draco war es egal, ob sie das nun an seine Eltern weitergaben oder nicht. Das war sein Leben und er hatte ein Recht auf das, was ihm außerdem nun endgültig unmöglich gemacht worden war. „Können Sie mir mal sagen, wie man da noch Sex haben soll, wenn ständig drei Hauselfen im Schlafzimmer rumstehen und darauf achten, dass ich mich nicht mit dem Bettlaken erhänge oder was weiß ich, versuche, mich mit der Seife zu vergiften?" Sayer seufzte, dann nickte er bedächtig. „Ich verstehe, was Sie meinen. Sie sind ein junger Mann und fühlen sich zum Kleinkind degradiert. Es gibt so vieles, das Sie ablehnen und im Moment trotzdem gezwungen werden zu tun." Draco zuckte die Achseln und verzog verächtlich das Gesicht. Das war eine ziemlich genaue Wiederholung dessen, was er gerade gesagt hatte. Dafür bekam dieser Mann nun Geld… „Wie zum Beispiel am Leben zu sein?" Ihm wurde innerhalb eines Sekundenbruchteils übel. Der höhnisch verzogene Mund gehorchte ihm nicht mehr, seine Mundwinkel sanken herab. Ebenso wie auch sein Herz irgendwo weit unter seinen Magen gerutscht war. Er fühlte sich nackt. Dieses unangenehme Gefühl, das er seit Juni so oft hatte. Er konnte nicht wirklich nicken, nur angedeutet. Er konnte auch nichts dazu sagen, das wäre undenkbar gewesen. Sayers Blick nach hatte er aber verstanden. Er legte die Fingerkuppen aneinander und hob die Brauen. „Sie denken, dass auch das Ihre Entscheidung sein sollte, ob Sie weiterleben oder nicht." Draco grunzte unbestimmt und schlang seine Arme noch etwas enger um sich. „Gut, folgendes: Sie fühlen sich von Ihren Eltern entmündigt, bloßgestellt und, wie ich glaube, auch vor Ihrer Freundin gedemütigt und fürchten, dass sie Sie nur noch als Pflegling und nicht mehr als Mann sieht?" Draco spürte, wie das Blut, das vorhin aus seinem Körper in seine Zehen gewichen war, nun scheinbar hundertfach verstärkt in seine Wangen zurückschoss. „Äh… ja." Sayer nickte. „Tja, ich gebe zu, die Möglichkeit besteht. Aber genau darum geht es ja. Wir könnten so verbleiben, dass Ihre Aufpasser Sie an einer weit längeren Leine als bisher laufen lassen." Draco öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch die Heilerin gebot ihm mit einer Geste zu schweigen. „Ihnen ist klar, dass wir ihre Familie angewiesen haben, Sie unter keinen Umständen auch nur eine Sekunde alleine zu lassen?" Draco schnaubte verächtlich. „Ja, natürlich und die gehorchen Ihnen mit Vergnügen. Aber sie machen sowieso alles, was ihnen einfällt, um sich so richtig über mich lustig machen zu können!" „Nein, Draco, sie machen das, weil sie entsetzliche Angst um Sie haben. Immerhin war das der zweite Suizidversuchen in vier Monaten." Draco senkte die Augen auf seine Oberschenkel und presste die Lippen zusammen. Dazu wollte er nichts sagen. Auch wenn ihm natürlich klar war, dass er genau deswegen, weil man mit ihm darüber sprechen wollte, heute Morgen zu den beiden Oberwächtern beordert worden war. „Nun gut, Draco. Diese Bewachung ist im Moment eine Notwendigkeit, da wir weitere Selbstmordversuche befürchten und nicht tatenlos zusehen dürfen!" „Warum denn nicht?", murmelte Draco matt. „Ist doch mein Leben. Das ist doch meine Sache, wenn ich nicht mehr will! Wer sind Sie denn, dass Sie das zu entscheiden haben?" „Hmm, vielleicht haben Sie recht." Dracos Kopf schoss ruckartig nach oben. Er starrte den Heiler mit weit aufgerissenen Augen an. „Ja?" „Ja, Draco. Sie haben in gewisser Weise recht. Sie sind ein erwachsener Mann und wenn Sie tatsächlich um jeden Preis sterben wollen, dann werden wir Sie nicht davon abhalten können. Nur… wir, also alle, die sich um Sie sorgen, befürchten, dass Sie voreilig sind. Dass Sie wegen etwas sterben wollen, mit dem Sie vielleicht in Zukunft doch leben könnten. Unüberlegt, das könnte dieser Versuch gewesen sein. Ich schlage Ihnen einen Handel vor. Wenn Sie uns die Chance geben, Ihnen zu helfen, wenn Sie über einen bestimmten Zeitraum einfach mal bei allem, was wir Ihnen so anbieten können, mitmachen, dann werden wir Ihrer Familie sagen, dass sie die Dauerbewachung einstellen sollen. Und, Draco, ich verspreche Ihnen, wenn Sie nach Ablauf der vereinbarten Zeit immer noch der Meinung sind, dass es keine Chance für Sie gibt, dann werden wir Ihnen nicht im Wege stehen." Draco richtete sich auf und sah abwechselnd von Sayer zu Chang. Unschlüssig was er zu alledem sagen, oder wie er überhaupt darauf reagieren sollte, konnte er sich nur unsicher den Nacken reiben und die beiden vor ihm mit großen, fragenden Augen ansehen. „Ich glaube nicht, dass Sie helfen können." Niemand würde ihm die Bilder aus dem Kopf nehmen können. Niemand würde aus ihm wieder den Draco machen können, der er vor der Todesserzeit gewesen war. Es war unmöglich, ihm sein altes Leben zurückzugeben. Alles, war er einmal gewesen war, war mit jeder weiteren Aktion ein bisschen mehr gestorben und nun… war er nur noch ein labiler Verrückter, der seiner Familie und seiner Freundin das Leben zur Hölle machte. Jemand, der, wenn er ganz ehrlich war, Dinge getan hatte, die ihn nicht mehr an sein eigenes Recht zu leben glauben ließen. Warum sollte ausgerechnet er leben, wenn so viele wegen ihm gestorben waren? Nackt. Vollkommen bloßgestellt fühlte er sich. Zusätzlich gehäutet, so dass all das, was sonst von einer schützenden Schicht überdeckt war, nun bloß, wund und blutend vor den Heilern ausgebreitet war und schmerzte. Er hasste es. Er hasste es, seine eigene Schwäche zu fühlen und nichts dagegen machen zu können. Ehrlich sein zu müssen. „Sie können nichts ungeschehen machen." „Richtig!" Sayer nickte. Er lächelte freundlich und lehnte sich nun weiter nach vorne, näher an Draco heran, die Ellenbogen auf den Knien abgestützt und die Hände gefaltet. „Das kann ich nicht. Das habe ich auch nie behauptet. Ich kann Ihnen, genau genommen, gar nicht versprechen, dass wir Ihnen helfen können, aber wir können es versuchen. Ich kann Ihnen nichts von alledem, was Ihnen Ihr Leben im Moment so wertlos zu machen scheint, abnehmen. Ich kann aber versuchen, Ihnen dabei zu helfen, es zu ertragen. Wir könnten gemeinsam einen Weg zu finden, wie sie es zunächst einmal aushalten können, es akzeptieren und irgendwann damit …weiterleben können. Ich verspreche nicht, dass es klappt. Ich verspreche nicht, dass es einfach wird oder dass ihr Umfeld Ihnen diesen Weg leicht machen wird. Aber die Möglichkeit gibt es und ich finde, wir sollten das versuchen." „Und wenn ich nicht will? Und wenn es nicht klappt?" Sayer schürzte die Lippen und hob in einer gleichgültigen Geste die Hände. „Nun ja, wer auf Ewigkeiten tot sein will, hat durch ein paar weitere Monate doch eigentlich nichts verloren. Ich verbiete Ihnen den Freitod nicht. Das ist ab heute Ihre Entscheidung. Allerdings nur, wenn Sie vorher andere Möglichkeiten versucht haben und sich an den Handel halten." Draco legte den Kopf schief und ließ sich die Worte des Heilers noch einmal durch den Geist gehen. Er hatte nicht gesagt, dass er Draco nicht verstehen könnte und weder er noch die Heilerin hatten gesagt, dass sie Draco einen weiteren Versuch verbieten würden, wenn er nur ein bisschen abwartete. „Wie lange und was müsste ich machen?", fragte er schließlich. „Nun ja, ein paar Monate müssen Sie uns schon geben. Zumindest in der Beziehung, können wir nicht hexen." Die Heilerin lachte leise und lächelte ihrem Kollegen zu, um ihn aufzufordern, weiterzusprechen. Offensichtlich hatten sie das Ganze schon genau vorgeplant, doch einerlei, die Idee an sich schien gar nicht so verkehrt. Zumal man ihm offenbar dann erlauben würde, alleine auf die Toilette zu gehen und… nun ja, auch nachts mit Hermine alleine zu sein. „Wir dachten an einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. Ich muss allerdings gleich vorausschicken, dass das zu kurz ist, um alle Probleme zu bewältigen. Aber das wäre zumindest ein Zeitraum, nach dem Sie abschätzen können, ob Ihnen die Therapie irgendetwas bringt. Verstehen Sie, in letzter Konsequenz werden wir Sie nicht vom Suizid abhalten, wenn es eine überlegte Entscheidung ist und wenn Sie für sich mit Sicherheit sagen können, dass das, was wir hier tun, Ihnen nicht hilft. Aber vielleicht hilft es ja. Nun… was wir von ihnen möchten, in diesen sechs Monaten. Sie werden sich an allen Therapieangeboten beteiligen. Sie werden beim Sport mitmachen, Sie werden in den Gruppengesprächen mitmachen, Sie werden Ihre Aufgaben hier erledigen – und zwar nur Sie, nicht jemand, den Sie dafür bezahlen. Sie werden sich täglich mindestens an einem Gruppenangebot beteiligen und außerdem zu mir und Heilerin Chang kommen." „Mach ich doch schon", murmelte er trotzig und senkte den Blick wieder auf seine Füße. „Bei mir", wandte die Heilerin ein, „sitzen Sie in der Ecke und starren die Wand an, albern mit anderen Patienten herum oder lesen Zeitung. Bei Heiler Sayer verstummen Sie fast komplett. Uns ist durchaus klar, dass es nicht einfach ist, sich auf eine Therapie einzulassen. Zumal, wenn sie nicht ganz freiwillig begonnen wurde. Nun, wenn Sie aber sicher entscheiden wollen, ob Ihnen das Ganze etwas bringt oder nicht, dann müssen Sie es auch so annehmen, wie es gedacht ist. Sie werden also bei mir an den Gruppenübungen teilnehmen und in der Einzeltherapie werde ich Ihnen Aufgaben stellen, die Sie bewältigen müssen. Es geht dabei vor allem darum, weniger sensibel auf äußere Reize zu reagieren und ja… diese extremen Stimmungsschwankungen zu reduzieren. Und mit meinem Kollegen… nun… müssen Sie reden." Draco seufzte schwer. „Reden…" „Sie wissen, wie das geht?" Draco hob den Kopf, schenkte dem Heiler einen abfälligen Todesblick und senkte die Augen wieder. „Ich weiß genau, was Sie hören wollen. Sie wollen, dass ich Ihnen von den Todessern erzähle, das will ich aber nicht!" Wenn Draco so darüber nachdachte, was ihm manchmal in den Bildern gezeigt wurde, woran er sich trotz des Drogensumpfs von damals erinnern konnte und was sein Vater angedeutet hatte… Nein, lieber würde er sich bis zu dem Rest seines Lebens mehrmals täglich vor den Hauselfen entblößen, als das er auch nur ein Wort über das, was er dort getan hatte, zu einem Nichttodesser sagen würde. Soviel hatte er schon begriffen. „Normale" Menschen verstanden das nicht und würden ihn für ein Monster halten. Draco war nämlich klar, warum Hermine gegangen war. Aus dem gleichen Grund, aus dem ihn auch seine Mutter mied. Sie fürchteten ihn und hielten ihn für abartig. Warum auch immer Hermine zurückgekommen war, ganz sicher verachtete sie ihn und wenn sie auch nur im Entferntesten wüsste, was wirklich vorgefallen war, würde sie nie wieder im Leben auch nur ein einziges Wort mit ihm reden. „Hmm, ich verstehe, dass Sie das nicht wollen und das verlange ich von Ihnen auch nicht." „Nein?" „Nein. Zunächst, zumindest. Zunächst würde es schon reichen, wenn Sie überhaupt mit mir reden. Über alles, was Sie im Moment so bewegt. Draco, ich versichere Ihnen, ich bin weder ein Detektiv noch von der Polizei. Sie müssen vor mir nichts offenbaren, das Sie geheim halten wollen. Es sind Ihre Erinnerungen, die gehören Ihnen. Aber, nun, viele der Männer hier leiden unter ihren Erlebnissen. Sie fühlen sich von Bildern verfolgt und spüren sehr viel Scham und Schmerz, wenn sie über ihre Vergangenheit nachdenken. Manchmal so viel, dass sie lieber sterben wollen, als diese Erinnerungen weiter auszuhalten." Eine Minute der Pause. Draco schluckte und gab sich die größte Mühe, unbeteiligt auszusehen, innerlich jedoch fühlte er sich ertappt. „Sie müssen mir nichts sagen, was Sie nicht offenbaren wollen. Aber vielen hilft es, wenn sie zumindest andeutungsweise über die Dinge reden, die sie quälen. Wir können uns diese Erlebnisse dann ansehen und darüber nachdenken, wieso Sie damals so gehandelt haben, ob Sie überhaupt andere Möglichkeiten gehabt hätten und wie Sie das im Nachhinein bewerten. Nein, Draco. Kein Grund, so verängstigt auszusehen, wirklich nicht. Das dauert noch. Es ist allgemein sinnvoll, wenn wir zu diesen Dingen erst später kommen. Es ist sehr belastend und anstrengend, sich seinem Trauma zu stellen, das machen wir erst, wenn Sie so weit im Alltag klar kommen, dass Sie eine zusätzliche Belastung aushalten können. Ich werde Ihnen Wege zeigen, wie Sie diese Sitzungen bewältigen können… das ist schwer, anstrengend und ich weiß, dass das sehr schmerzhaft ist. Das machen wir erst dann, wenn Sie sich dafür bereit fühlen. Nicht ich, nicht Ihre Freundin oder sonst jemand. Also, was denken Sie. Wollen wir das sechs Monate lang versuchen?" „Und wenn ich, wenn ich dann doch…" „Dann sind Sie impulsiv, voreilig und nicht dazu in der Lage, wohl überlegte Entscheidungen zu treffen. Dann müssen wir Sie wieder solange vor sich selbst schützen, bis wir Ihnen das zutrauen! Also, was sagen Sie?" Draco seufzte schwer und nickte. Immerhin hatten sie ihm nichts ausgeredet und sogar verstanden, dass das seine Entscheidung war. Es wurde ein Vertrag aufgesetzt, den beide, Heiler und Draco, unterzeichneten. Auf einen unbrechbaren Schwur verzichtete man aus verständlichen Gründen. xxx Hermine fand, dass dieser Vertrag keine gute Idee war. Sie hatte dem Heiler mehrere Auszüge aus Fachmagazinen rezitiert, in denen die hohe Wiederholungsrate von Selbstmordversuchen aufgelistet worden waren und gesagt, dass Dracos statistische Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten Wochen einen erneuten Versuch zu begehen bei… Der Heiler hatte sie abgewürgt und gesagt, dass er das sehr wohl wisse, aber dass man sich bei dieser Vorgehensweise eine ganze Menge gedacht hätte. Draco hätte als Todesser und in der Schule unter enormen Druck gestanden. Er wäre so lange immer wieder zu allem Möglichen gezwungen worden, bis er vollkommen das Gefühl für sich selbst und seine Bedürfnisse verloren hätte. Die Dinge, zu denen man ihn gezwungen hatte, waren durch die Bank weg alle schlimm für ihn gewesen. Wenn man jetzt Druck und noch mehr Zwang ausübte, würde das nur Abwehr und Angst auslösen. Therapie war aber nur möglich, wenn er freiwillig mitmachte. Es musste zumindest ein bisschen guten Willen seinerseits geben, sonst könnte man nichts machen und würde ihn eher in Panik versetzen, statt ihm zu helfen. Nun hätte er diesen Vertrag unterzeichnet und sich bereit erklärt, in der Therapie bei allem, was ihm geboten wurde, mitzuarbeiten. So tragisch die Bedingungen auch waren, die dazu geführt hatten, dann wäre das doch insgesamt ein großer Schritt nach vorne. Außerdem, so erklärte der Heiler mit traurigen Augen, sei es leider wirklich so. Wenn jemand partout sterben wollte, dann würde er das in der Regel auch schaffen. Jemanden gegen den entschiedenen Willen am Leben zu erhalten, sei ethisch nicht nur fraglich, sondern auch meist illusorisch. Wer es wirklich ernst meinte, der schaffte es auch irgendwann. Draco war seiner Einschätzung nach so jemand. Mit diesem Vertrag hätten sie zumindest eine Chance und eine sechsmonatige Schonzeit und danach… danach müsste man eben weitersehen. Lucius reagierte auf dieses „weitersehen" mit einem bunten Strauß von Drohungen, wie er den Heiler verklagen würde in mehr Variationen, als dieser noch Haare hatte. Dennoch willigte er irgendwann ein, die Hauselfen aus Dracos Toilette wieder abzuziehen. Mit etwas Überredung auch aus anderen Lebensbereichen seines Sohnes. Die Forderung des Heilers, „netter" zu Hermine zu sein, legte er auf seine sehr individuelle Art aus. Er schrieb ihr immer noch Eulen, statt sie direkt anzusprechen wenn er sie sah, doch immerhin ließ er sich auf Absprachen ein und hielt sich während den Mahlzeiten mit Beleidigungen zurück. Narzissa… war kaum anwesend. Xxx Das Verhältnis zwischen Hermine und Draco war noch einige Tage etwas angespannt. Er war in ihrer Gegenwart wortkarg und wenn sie zu ihm ins Bett kroch, stellte er sich stets schlafend. Hermine selbst merkte zwar, dass es da noch mehr als ihre rüden Worte gab, an denen er in Bezug auf sie knabberte, doch hatte sie keine Ahnung, was das sein konnte. Überraschenderweise erwies sich ein Briefwechsel mit Luna – der einzigen, mit der sie auch nur ansatzweise über diese Beziehung reden konnte - als augenöffnend. Hermine war an besagtem Nachmittag wütend zu Harry gegangen, ihrem besten Freund, der ganz alleine in London wohnte und hatte dort auch übernachtet. Draco war eifersüchtig und machte sich Sorgen, dass Hermine vielleicht aus lauter Frust mit Harry… So albern das in Hermines Augen auch war, Draco schien es für möglich zu halten. Nachdem sie ihm mehrmals voll Überzeugung versichert hatte, dass das jenseits ihrer Vorstellungskraft lag, geruhte er wieder, sie bei ihren nächtlichen Streifzügen in sein Bett zu bemerken. Und wieder begann die immer gleichbleibende Tristesse des Alltags. Kurze Zeit später bekam Hermine einen Brief, auf den sie nicht mehr zu hoffen gewagt hatte. „Erinnerst du dich an das Gespräch, das ich mal im Ministerium hatte?", fragte sie Draco, aufgewühlt vor Freude. „Nein, welches? Du hattest mehrere und alle waren mies." Es war bereits nach dem Abendessen und Draco hatte sich abermals sehr früh in schlafen gelegt. Dementsprechend mürrisch war er nun, sich von der quietschfidelen Hermine geweckt zu sehen. „Nein, nein, das war nicht mies. Das war toll… Das war nur wegen… also, weil ich muggelgeboren bin, da waren sie skeptisch, aber jetzt… ich hab die Stelle!" Hermine jubelte und johlte. Mit dem Umschlag in der Hand sprang sie zu Draco aufs Bett und hüpfte wie eine Vierjährige um ihn herum. „Ich hab die Stelle, ich hab die Stelle, ich hab die Stelle!" „Ja! Ist ja gut!" Er riss ihr den Umschlag aus der Hand, um die so freudenauslösende Nachricht selbst zu lesen. „Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe", schnarrte er abwertend, knüllte das Pergament zusammen und warf es an Hermine, die hochsprang, um es zu fangen, vorbei an die Wand. „Die verdienen überhaupt nichts, Aufstiegschancen hast du keine und niemand nimmt dich ernst. Das ist fast so schlimm wie die Muggelabteilung." Damit drehte er sich um, zog sich die Decke hoch über die Schultern und war für den Rest des Abends nicht mehr ansprechbar. Stinkwütend, dass Hermine eine Stelle hatte und er nicht. Hermine bekam einen Schreibtisch in einem Großraumbüro mit zwanzig Kollegen. Keiner hier hatte eine volle Stelle, alle waren halbtags oder für sechs Stunden eingeteilt, was ein ohnehin schon mageres Grundgehalt noch einmal deutlich schmälerte. Nichtsdestotrotz bombardierte man sie gleich an ihrem ersten Tag mit stapelweise Gesetzestexten, die sie alle so schnell wie möglich auswendig lernen sollte. Die höheren Ministeriumsbeamten behandelten sie wie Luft und ihre Kollegen warnten sie vor, dass sie, sechs offizielle Stunden hin oder her, stets damit rechnen müsste, vieles zu Hause zu erledigen und dass sie sich darauf gefasst machen müsste, die ihr zugewiesenen Fälle auch vor Gericht zu vertreten. Hermine fühlte sich wie im Himmel. Bereits an ihrem zweiten Arbeitstag zogen jedoch schon erste Wolken durch das Paradies. Hermine irrte in ihrer Mittagspause eine halbe Stunde durch das Ministerium, da Harry gemeint hatte, dass sie sich doch treffen könnten. Sie solle vor der Kantine auf ihn warten. Hermine hatte auch gestern schon gesucht, gefunden hatte sie besagten Raum aber noch nicht. Wie sie so unversehens und nichts Böses ahnend durch einen weit größeren, prunkvolleren Korridor wanderte, der aller Wahrscheinlichkeit nach auch nicht in der Kantine enden würde, und schon umkehren wollte, fühlte sie sich auf einmal von hinten gepackt. Hermine schrie entsetzt auf. Ein starker Arm kugelte ihr fast das Gelenk aus und Sekunden später raubten ihr dichte Nebenschwaden die Sicht und den Atem. Hermine dachte im ersten Moment an Entführung oder an einen Giftgasangriff, doch schon Sekunden später offenbarte sich ihr die fast ebenso schockierende Realität. Als die Rauchschwaden sich lichteten, sah sich Hermine Auge in Auge mit dem alten und neuen Zaubereiminister Fudge, der ihr freudestrahlend die Hand schüttelte. Neben ihm drei Männer in sündhaft teuren Roben, die sie alle ausgesprochen wohlwollend anlächelten. Der Mann, der sie gepackt hatte, stand in der Mitte. Ein freudenstrahlender Lucius reckte ihr herzlich die Arme entgegen, zog sie erneut kräftig an seine Brust und erklärte dem Minister voller Stolz, wie tolerant er doch inzwischen geworden war und was für eine Freude es doch wäre, so jemanden wie Hermine in seiner Familie zu haben. Hermine wusste nicht, ob sie lachen, weinen oder würgen sollte. Da sie für all diese Dinge Sauerstoff gebracht hätte und Lucius sie so fest an sich presste, als ob er sie auf einen Inch Breite zusammenquetschen wollte, konnte sie letztendlich keine dieser Ideen verwirklichen. Lucius frohlockte und posaunte, wie sehr er sich doch in Leuten wie Hermine geirrt hätte und dass er es ja nie für möglich gehalten hätte, dass sein Sohn so eine nette Freundin mit nach Hause bringen würde. Dann sagte er noch, dass man ja für alles, was Draco aufmunterte, dankbar sein musste und machte ein betrübtes Gesicht. Der Minister und die beiden Unbekannten seufzten schwer, halfen Lucius beim Traurigsein und tätschelten zuerst Lucius und dann Hermine mitleidig die Schultern. „Der arme Junge…" Und schon wurde Hermine wieder gedrückt, gequetscht und geschüttelt. Nach etwa zehn Minuten wandte Hermine vorsichtig ein, dass ihre Pause vorbei sei und sie zurück müsste, um ihren Arbeitsplatz zu suchen. „Ach, da bringe ich dich doch gerne hin!", schalmeite Lucius hilfreich, hakte sich bei ihr ein und schob sie in Richtung Aufzug. Sobald der Minister und seine Kollegen außer Sichtweite waren, ließ er so abrupt von ihr ab, als ob er einen elektrischen Schlag bekommen hätte. „Und jetzt verzieh dich", blaffte er, schubste sie in den Aufzug und zog ab. Hermine hatte aus dieser Begegnung zwei Dinge gelernt. Erstens: Lucius war wirklich genauso schleimig, wie alle, die ihn kannten, besonders seine eigene Frau, immer behauptet hatten. Zweitens: Nun wusste sie auch, wem sie ihre plötzliche Einstellung zu verdanken hatte und was damit bezweckt wurde. Diplomatie auf höherer Ebene. xxx Links von Sayers Schreibtisch war ein Erker in die Wand eingelassen, in dem eine gepolsterte Fensterbank eingebaut worden war. Hierauf hatte sich Draco zusammengekauert. Er hielt seine Knie eng umschlungen und lehnte Kopf und Schultern gegen die kühlende Fensterscheibe. Es war einfacher, wenn er Sayer nicht ansehen musste. Aus vielen Gründen. Ein Grund war Harvey. Harvey, ein Schmusehase, den Sayer irgendwann einmal auf einem Muggelflohmarkt erstanden hatte, war sein Vertrauter, wenn er hier war. Sayer hatte ihm gesagt, dass es manchen Menschen half, wenn sie nicht „alleine" waren, wenn sie offen reden sollten. Er hatte es recht ausführlich erklärt und Draco dann das Kinderspielzeug so strahlend in die Hand gedrückt, dass Draco sich fragte, wer hier eigentlich der Verrückte war. Dennoch akzeptierte er Harvey. Harvey war das ideale Opfer, wenn er mal wieder wütend auf Lucius war (und wann war er das nicht?), wenn er erzählte, wie sehr er den Orden hasste und wenn er zugeben musste, dass er vor allem Ron Weasley hasste, weil er wohl auf alle Ewigkeiten sein Rivale und Opfer bleiben würde. Harvey beschwerte sich nicht. Er durfte ihn schlagen, treten, ihm die Ohren herausreißen und die Augen ausstechen. Am Ende der Sitzung wurde er von Sayer regelmäßig geheilt. Manchmal forderte er Draco dazu auf, es selbst zu tun. Der lehnte aber mit der Begründung ab, dass er das nicht über sich brachte. Harvey beschützte ihn aber auch, wenn er sich gedemütigt und unverstanden fühlte. Das war mehr als Draco jedem anderen Menschen auf der Welt zutraute. Deswegen hielt er den Hasen auch jetzt an sich gedrückt. Seine Arme lösten sich von den Knien, statt der Knie drückte er nun Harvey vor seine Brust und streichelte ihm gedankenverloren die langen Hasenohren, während er mit tonloser Stimme wie betäubt leierte: „Ich glaube, man sieht es mir an. Ich meine jetzt nicht das Dunkle Mal hier." Er ließ Harveys Ohren für einen Moment los, streckte Sayer seinen linken Arm hin und zog sein Hemd so weit hoch, dass man das Mal bis knapp zu den Augenhöhlen des Schädels sehen konnte. Er schüttelte den Kopf, um zu verdeutlichen, dass etwas anderes gemeint war, rollte das Hemd wieder hinunter und fuhr damit fort, Harvey die Ohren zu kraulen. „Man verändert sich. Irgendwie verändert man sich und das kann man dann im Gesicht sehen. Vielleicht hab' ich die Maske auch zu oft abgezogen, vielleicht erinnern sich ja manche an mein Gesicht. Weiß nicht. Vielleicht wissen manche auch noch, wie ich rieche oder rede. Aber von all dem abgesehen. Man sieht es mir an, da bin ich sicher." Sayer, der mit übereinandergeschlagenen Beinen in einem riesigen, apricotfarbenen Plüschsessel saß, beugte sich ein wenig vor, verengte die Augen und erklärte mit prüfendem Blick: „Ich sehe nichts. Ich finde, Sie sehen wie ein ganz normaler junger Mann aus." Draco schüttelte abwehrend den Kopf und drückte den Hasen etwas enger an sich. „Weil Sie nicht richtig hingucken. Das passt Ihnen nicht, in Ihre Weltanschauung und deswegen gucken Sie nicht richtig. Aber alle anderen sehen es ganz sicher. Ich weiß es. In der Schule haben es auch alle gesehen und wenn ich jetzt irgendwo raus muss, also wenn ich zu Ihnen gehe, woanders können die mich nicht hin zwingen, dann gucken mich die Leute immer auf der Straße an und alle wissen es." Er schluckte und murmelte beschämt. „Ich würde am liebsten den ganzen Tag in meinem Zimmer bleiben. Ich kann ihre Blicke nicht ertragen. Sie sehen mich an und wissen, was ich bin und was ich gemacht habe und sie hassen mich. Ich weiß es, sie sehen mich an und hassen mich." Er schüttelte den Kopf und drückte Harvey noch fester an sich. „Ich will einfach niemanden mehr sehen. Verstehen Sie das?" Er hörte Sayer seufzen. Dem Geräusch nach zog er gerade seine Brille ab. Er hörte ihn atmen und danach rubbelte etwas. Vermutlich putzte er die Brille schon wieder mit seiner Krawatte. Muggelfreundidiot… das tat er nur, um ihn zu ärgern. Draußen vor der Klinik sah er ein paar Kinder, die stehen blieben und den Kopf zum Himmel reckten. Draco zog sich etwas weiter zurück, um auch nicht zufällig in ihr Sichtfeld zu kommen. „Woran erkennen Sie denn, dass diese Leute Sie hassen?", fragte der Therapeut sachlich. „Wie äußert sich das, nennen Sie mir mal ein Beispiel." Draco zuckte die Achseln. „Weiß nicht. Ist eher so ein Gefühl. Ich sehe es in ihren Augen, denke ich." „Sie sind sich also nicht sicher? Was tun die Leute denn, wenn sie Sie ansehen?" „Sie sehen mich an und gehen weiter." „Sie tun also nichts, was sie nicht bei jedem anderen auch tun?" „Nein, das stimmt so nicht", protestierte Draco ärgerlich über soviel Begriffsstutzigkeit in Anbetracht offensichtlicher Tatsachen. „Sie haben das noch nicht gesehen. Immer, sie sehen mich immer an und… das kann ich nicht beschreiben. Ich guck auch nicht gerne hin. Ist mir unangenehm. Ich beeile mich immer, so schnell wie möglich von der Straße runter zu kommen." „Zeigen Sie es mir. Wir können nachher gemeinsam durch die Stadt gehen und dann erklären Sie mir, was Sie meinen." „Sind Sie taub und blöd?" Draco warf den Hasen zu Boden drehte sich dem Heiler zu. „Ich sagte doch, ich gehe nie freiwillig raus. Vergessen Sie's. Deswegen bin ich nicht hier." Sayer kratzte sich am Kinn und drehte die Augen nach oben, als würde er gerade angestrengt über etwas nachdenken. „Nun ja, aber woher wollen Sie denn wissen, dass alle Menschen Sie mit Hass in den Augen ansehen? Immerhin sind Sie ja die meiste Zeit drinnen. Da treffen Sie doch niemanden und wenn Sie unter anderen Leuten sind, dann bemerken Sie deren Blicke doch auch nicht, weil Sie nicht hinsehen. Und mehr als gucken machen die Leute nicht, oder? Und selbst das wissen Sie nicht genau, wenn Sie außerhalb des Manors immer nur auf den Boden starren." Draco schnaubte verächtlich, schnappte nach Harvey, um ihn erneut an sich zu pressen und schwieg aus Protest. Er würde sich nicht dazu provozieren lassen, auf diesen Quatsch auch noch zu antworten. Heiler Sayer erwies sich im Laufe des Nachmittags als absoluter Sadist. Er hätte ihn töten können vor Wut. Ganz sicher war es die Idee dieses schwachsinnigen Muggelfreundes. Obwohl er es durchaus mit Chang gemeinsam ausgeheckt haben könnte. Gemeinsam beim Mittagessen. Sie hatten ganz bestimmt gemeinsam in der Cafeteria gesessen, hatten sich über ihn kaputt gelacht und dabei ihre neueste Folterstrategie entworfen. Welche? Chang verkündete Draco trocken, dass er ab nun jeden Freitag mit ihr und Hermine abwechselnd in der Winkelgasse und in Muggellondon einkaufen, Eis essen und spazieren gehen musste. Wäre Sam nicht dabei gewesen hätte er die Heilerin erwürgt. Es waren ja nicht nur die Blicke… er war es doch genauso selbst. Wie auf einem Präsentierteller fühlte er sich, wenn er das Manor verlassen musste. Es war ja nicht so, dass Draco noch nicht mitbekommen hätte, dass seine Ausraster meist unangebracht waren und die Umwelt erschreckten. Er war ein Monster und alle konnten es sehen. Xxx Mitte November flatterte Hermine eine Eule ins Großraumbüro, die sie nur allzu gut kannte. „Parcival!" Allein das, war schon unangenehm genug, denn sofort fühlten sich drei ihrer Kollegen dazu berufen ihr mitzuteilen, dass das doch die Eule von Lucius Malfoy sei. Hermine nickte knapp und beschloss so zu tun, als sei diese Eule kein Grund zur Beunruhigung. „Das darf doch nicht wahr sein!", entfuhr es ihr empört, nachdem sie das frei Haus gelieferte Pergament entrollt hatte. „Dieser… dieser… also jetzt geht er zu weit!" „Neue Muggelgesetze?", vermutete Hermines mütterliche Kollegin Wilma besorgt. „Nein, schlimmer", fauchte Hermine empört und sprang auf. „Eine Rechnung!" Sie behielt die Aufklärung der Verwirrung für sich und stampfte mit einem wütenden „ich mache jetzt Mittagspause" zur Tür hinaus. Mit brennender Wut im Bauch ging sie zum Aufzug und fuhr einige Etagen tiefer bis sie in einem Korridor ausstieg, wo die Menschen arbeiteten, die ihre eigene Wichtigkeit mit luxusappartmentgroßen Büros ausdrückten. Sie wusste, wo sie hin musste. Nicht, dass sie schon einmal dort gewesen wäre, doch es konnte nie schaden, seinen Gegner zu kennen. „Ich will zu Mr. Malfoy", keifte sie eine verschreckt wirkende Sekretärin an. „Sagen Sie ihm, seine Schwiegertochter ist da!" „Seine… seine was?" Die spindeldürre Hexe schob ihre dicke Brille nach oben und gab ein erschrecktes Quieken von sich. Hermine trippelte ungeduldig mit den Fingerspitzen auf dem Schreibtisch und blieb beharrlich. „Ich bin seine Schwiegertochter und will auf der Stelle mit ihm sprechen." Die dünne Frau erhob sich und nickte unsicher. Sie war recht groß, was ihr, in Verbindung mit ihrer engen, sandfarbenen Robe, dem schmalen Körperbau und ihren rubinroten Haaren das Aussehen eines überdimensionalen Zündholzes verlieh, das man in der Mitte durchbrechen könnte. Sie klopfte an eine große, schwarze, mit Ornamenten verzierte Ebenholztür, huschte auf leisen Sohlen hinein und begann aufgeregt zu flüstern. „Meine was?" Hermine kicherte und freute sich darüber, dass sie ihn mit der „Schwiegertochter" genau wie beabsichtig verärgert hatte. Ein blonder Kopf erschien in der Tür. „Ach, die." Die Sekretärin wurde entlassen und wirkte dankbar dafür, ihrem ärgerlichen Chef so glimpflich und schnell entkommen zu sein. „Sie dürfen hineingehen, Miss!" Hermine nickte grimmig, zückte ihr Pergament und stapfte in einen Raum, der mindestens doppelt so groß war wie das Schulleiterbüro von Hogwarts und dessen Wände komplett mit Bernstein verkleidet waren. „Was soll das denn?" Hermine knallte den Brief auf Lucius' überfüllten Schreibtisch und stemmte die Hände in die Hüften. „Sie schreiben mir eine Rechnung, Sir?" Lucius, eben noch verärgert, hätte nun nicht besser gelaunt sein können. „Aber mein liebes Kind", flötete er sonnig. „Du sitzt hier seit Juni in unserem Haus und lässt dich von uns durchfüttern. Ja, mehr noch", er grinste, lehnte sich entspannt zurück und legte die Fingerspitzen aneinander, „deinetwegen müssen wir mehr Räume heizen. Du verbrauchst Hygieneartikel und lässt dir auf meine Kosten Unmengen von Tinte und Pergament von den Elfen bringen. Ja, sag mal, hast du denn gar kein schlechtes Gewissen, uns so auszunutzen, Granger?" Hermines Mund klappte auf. Sie hatte ihn anschreien und angiften wollen, doch jetzt hatte er sie sprachlos gemacht. „Sieh mal", fuhr er sanft fort und wand ihr das ärgerlich zusammengeknüllte Pergament aus den Händen. „Hier, siehst du?" Er faltete den Brief auseinander und deutete mit seinem Finger auf ein paar sorgfältig übereinander aufgereihte Zahlen. „Ich habe es auflisten lassen. Nun wirklich, du kannst mir nicht vorwerfen, habgierig zu sein. Ich habe dir ja fast gar nichts berechnet und ich hoffe, du weißt zu schätzen, dass ich dabei wirkliche Verluste erdulde!" „Aber, Sir, das ist mein ganzes Gehalt!" „Ach, wirklich?" Lucius lächelte amüsiert. „Nicht viel zu holen, in dieser Abteilung, nicht wahr?" Er neigte den Kopf zur Seite und zuckte belustigt mit den Augenbrauen. „Ah!" Er hob sich einen Finger an die Lippen, als sei ihm gerade eine interessante Idee gekommen. „Aber sieh es doch mal von der Seite, wenn du bei uns für das Essen bezahlen musst, wirst du deinen vergammelten Weasleyfreunden damit doch sicher gleich wieder ein ganzes Stück sympathischer!" Hermine holte aus und… ließ ihre Hand sinken. Nein, soweit würde er sie nicht bringen. „Das ist doch lächerlich und viel zu viel. Ich kann Ihnen doch nicht dauerhaft mein ganzes Gehalt geben, wo ich doch eh so wenig verdiene!" „Wieso nicht? Wenn du in einem Hotel wohnen würdest, müsstest du mehr zahlen!" „Aber… aber…Sir!" Hermine krallte die Hände in ihre Locken und rang nach Worten. „Also wirklich, Granger. Würdest du es nicht selbstverständlich finden, etwas von deinem Gehalt abzugeben, wenn du noch mit deinem Weasley zusammen wärst und bei seiner Familie rumsitzen würdest?" „Aber Sie sind reich!", ächzte Hermine ebenso fassungslos wie uneloquent. „Natürlich würde ich denen was abgeben, aber erstens würden die nie so viel verlangen und zweitens… Sie sind reich! Sie sind stinkreich, Sie haben Milliarden. Sie sind doch nicht darauf angewiesen, jedes Sandwich einzeln abzurechnen." Lucius zuckte die Achseln und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ist das denn meine Schuld? Ich dachte, du bist für Gleichberechtigung, also bitte. Wenn du bei ihnen dazu zahlen würdest, dann natürlich auch bei uns!" Er lächelte nonchalant und hob die Hand zu einer galanten, einladenden Geste. „Du darfst das natürlich auch in Raten abzahlen und schließlich ist das hier ja die Rechnung für fünf Monate. Die einzelnen Monatsraten werden billiger… wenn ich natürlich auch Sonderauslagen berücksichtigen muss. Ich meine, vielleicht willst du ja unseren Kamin benutzen, um Nachrichten zu versenden. Flohpulver muss auch gekauft werden… Oder gar Hexenhygienebedarf." Das war zuviel. Hermine riss ihm das Pergament aus der Hand, zerfetzte und vor seinen Augen und stampfte mit dem Fuß kräftig auf dem Papierhaufen herum. „Das werde ich Ihnen heimzahlen!" „Natürlich, Miss Granger. Und keine Sorge wegen des Dokumentes, ich habe mir vorhin zwanzig Kopien anfertigen lassen!" Hermine runzelte die Nase und zog die Stirn in Falten. Sie hatte die Hand bereits am Zauberstab gehabt, als Lucius die Hygieneartikel erwähnt hatte und nun war die Bahn frei zum Schuss. Lucius gackerte selbstgefällig über seine vermeintlich so geniale Idee, als ein silbergrauer Blitz haarscharf über seinen Kopf hinwegschoss und über ihm zu Qualm und Rauch verpuffte. Überrascht wie er war, drehte er sein Gesicht perplex in Richtung des Blitzes und dann zurück zu Hermine. „Daneben!" Hermine warf den Kopf in den Nacken, steckte den Zauberstab weg und empfahl sich, vollkommen zufrieden mit ihrem Werk. Was Lucius nämlich nicht wusste, war, dass der Fluch ihn gar nicht treffen sollte. Er war genau da verpufft, wo er hingehörte. Denn während Hermine, die durch ihre Rache nun etwas besänftigter war, wirklich in die Mittagspause gehen konnte, um Harry zu treffen, ballte sich der Rauch über Lucius zu einer schmutziggrauen Gewitterwolke zusammen. Eine Gewitterwolke, die permanent kleine Blitze abfeuerte, die Lucius wie Stecknadeln in den Kopf piekten. Mehr noch, die Wolke regnete auf das sorgsam gekämmte und gebundene silberblonde Haar hinab, so dass Dracos Vater für den Rest des Nachmittags permanent aussah, als hätte man ihm einen Eimer Wasser über den Kopf geschüttet. Das schönste aber war ein Umstand, der den Fluchbrecher, den Lucius zur Hilfe rief, zuerst schallend auflachen und dann ängstlich winselnd um seine Stelle fürchten ließ. Die Wolke hatte die Form eines prallen, kugelrunden Hinterns. Hermine flatterte am Abend eine zweite Rechnung ins Haus. Lucius hatte ihr für den Fluchbrecher zweihundert Galleonen berechnet. Alarmiert durch Hermines besorgtes Gesicht nahm Draco ihr beide Rechnungen aus den Händen und forderte sie auf, ihm die Sache zu erklären. Als er fertig gelacht hatte, verlangte er von Hermine Pergament und Feder und stellte ihr einen Scheck in Höhe von dreitausend Galleonen, zu Lasten des Gringottkontos seiner Eltern, aus. Lucius' Handschrift zu fälschen war eine Kunst, zu der er es schon in Hogwarts zur Meisterschaft gebracht hatte. Die würden das zwar vermutlich noch nicht einmal merken, erklärte er mit einem Anflug von Enttäuschung in der Stimme, aber Hermine hätte nun immerhin Rücklagen, falls ihr noch weitere Scherze einfallen sollten. Xxx Die Wochen vergingen und ihrer Einschätzung nach ging es Draco immer schlechter. Die Heiler im Krankenhaus hatten gesagt, dass jetzt, wo er immerhin ein wenig zur Ruhe gekommen war und so langsam anfing, sich in der Therapie seinen Problemen zu stellen, die von ihm errichteten Schutzwälle zusammen brechen würden. Er war nicht mehr ganz so oft aggressiv, doch die zahlreichen Panikattacken, „Anfälle", das leblose Starren und seine Antriebslosigkeit waren auch so belastend genug. Zudem hatte Narzissa offensichtlich beschlossen, dass ein Gesprächsversuch pro Jahr mit Draco mehr als genug war. Draco versuchte während der Mahlzeiten immer wieder sie anzusprechen, setzte sich manchmal zaghaft neben sie, wenn sie im Salon war oder er stimmte ihr zuliebe in Lucius-Beschimpfungen ein, wenn Narzissa sich besonders aufregte, doch zwecklos. Es brach Hermine jedesmal das Herz, sein Gesicht zu sehen, wenn Narzissa sich dann wieder von ihm wegdrehte und ging, ohne ihn zu beachten. Heute war einer der Tage, an denen Draco genug Energie aufbringen konnte, um gereizt zu sein. Hermine ging davon aus, dass es mal wieder damit zu tun hatte, dass sie und all ihre Freunde einen Beruf oder sonst eine wichtige Aufgabe hatten, während er seine Tage ohne Schulabschluss in der Psychiatrie verbringen musste. Hermines Magen knotete sich gerade zu einem Seemannsknoten zusammen, entknotete sich wieder und verdrehte sich dann nur umso verzwickter. Sie fühlte sich so unbehaglich, dass ihre ganze Haut kribbelte und sogar ihre Augen juckten. Letzteres hätte aber auch daher rühren können, dass sie so selten blinzelte. Narzissa saß mit freundlich verträumtem Lächeln ihrem Sohn direkt gegenüber und schaffte es auf erstaunlich gekonnte Weise so zu tun, als würde sie glatt durch ihn hindurchsehen können. Im Gegensatz zu Lucius, der deutlich angespannt wirkte. Er hatte sich über seinen Teller gebeugt, aß Bissen für Bissen und warf Draco im Minutenabstand misstrauische, abschätzende Blicke zu. Hermine atmete tief durch und beugte sich über ihre Mahlzeit, der sie noch nicht einmal von der Form und dem Geruch her einen Namen geben konnte. Es schmeckte ausgesprochen seltsam. Dracos, Lucius' und Rodolphus' Blicken nach zu urteilen war dies auch nicht unbedingt ihre Lieblingsmahlzeit. Rosarote, sich windende Bohnen, die mit etwas übergossen waren, das roch und aussah wie Eiter. Die ersten Bissen waren ein Kampf gewesen, den sie auch nur deshalb ausgefochten hatte, um sich der selig vor sich hin strahlenden Narzissa nicht zu ergeben. Dracos Mutter wollte gerade dazu ansetzen zu erklären, welches traditionelle Zauberergericht sie heute für ihre Familie aus dem Hut gezaubert hatte, als Hermine auftrumpfte. „Snarfolus-Bohnen mit Brouquet-Creme!", bemerkte sie triumphierend, da sie die letzten Wochen nicht nur eifrig Gesetzestexte, sondern auch Zaubererkochbücher studiert hatte. „Erfunden vom walisischen Koch Louis dem Lustigen im Jahre fünfzehnhundertzweiundzwanzig. Der damaligen Zaubereiminister, Merlin Nimbes, forderte ihn dazu auf, ein Triumphmahl zu kreieren, da er anlässlich der Hinrichtung seiner politischen Gegner ein Fest abhielt." Hermine strahlte, spießte eine Bohne auf ihre Gabel und steckte sich das Gemüse in den weit grinsenden Mund. „Hmpf", machte Narzissa übellaunig darüber, dass Hermine nicht nur wusste, was sie aß, sondern die Geschichte dieses Gerichtes besser kannte als sie. Hermine beeilte sich, strahlend die wichtigen Lebensdaten dieses Ministers herunter zu rattern, als Draco ihr harsch das Wort abschnitt: „Halt die Klappe und hör auf hier anzugeben. Das interessiert niemanden, was du gelesen hast!" „Du hast sie uns ins Haus geschleppt", erinnerte Lucius gut gelaunt, der nach seinem Interview am Vormittag immer noch immer sein Pressegesicht aufsetzt hatte. „Jetzt musst du sie auch aushalten!" „Weißt du, was du halten sollst, Vater?" Hermine verdrehte die Augen und machte sich innerlich schon bereit, Draco festzuhalten, falls es wieder zum Streit kommen sollte, als Narzissa unvermittelt das Wort ergriff. „Sagen Sie, Miss Granger, ich glaube, wir wissen das noch nicht. Was genau haben Sie sich eigentlich dabei gedacht, sich mit meinem Sohn einzulassen?" Sie lächelte freundlich und neigte ihren Kopf elegant zur Seite. „Sie müssen doch wissen, dass Sie weit unter seinem Niveau sind. Ging es darum, wollten Sie sich hochschlafen?" „Um Geld wird es ihr nicht gegangen sein", kicherte Lucius schadenfroh. „Immerhin ist sie vorher mit einem Weasley ins Bett gegangen." „Ihr scheint ja eine hohe Meinung von mir zu haben", schnarrte Draco zu Lucius. „Ohne Geld will niemand was von mir, richtig? Genau das denkst ihr doch!" „Das war doch ganz anders gemeint", stöhnte Lucius, der mittlerweile schon so gut von Dracos Anfällen dressiert war um zu wissen, wann er seinen Sohn beruhigen sollte. Narzissa war das egal, denn sie hatte die Unterhaltung zwischen ihrem Mann und ihrem Sohn ja eh nicht mitbekommen. Wie üblich war sie in dieser Beziehung taub. „Wissen Sie, ich frage mich einfach, ob Sie wissen, wie schlecht Sie für unseren Ruf doch sind. Ich meine, wer soll Draco denn jetzt noch heiraten?" Hermine war sprachlos. „Wer… wie bitte?" „Sie müssen doch wissen, dass das Ganze nur eine vorübergehende Laune ist. Haben Sie sich denn keine Gedanken darüber gemacht, dass ihn keine Hexe, die etwas auf sich hält, noch nehmen wird, nachdem er mit einem Schlammblut zusammen war?" Sie schüttelte traurig ihr wunderschönes Gesicht und bedachte ihren Mann mit einem mörderischen Blick. „Aber was mache ich Ihnen Vorwürfe? Als Schlammblut können Sie die Feinheiten unserer Kultur natürlich nicht kennen. Mein Mann hingegen schon!" Hermine würgte den letzten Löffel Eiter hinunter, warf Narzissa hoch erhobenen Hauptes einen kämpferischen Blick zu und knallte ihr Besteck auf den Tisch. „Ich bin fertig", zischte sie in Dracos Richtung. „Ich will jetzt auf der Stelle mir dir in den Park gehen!" Immerhin war es dort draußen nachts wirklich schön. Der weiße Schnee, der von hunderten immerbrennender, blauflammender Kerzen beleuchtet wurde, war ein märchenhafter Anblick. Jetzt in einem Pavillon zu sitzen, sich aneinander zu kuscheln und die Atmosphäre dieses Ortes einzuatmen, wäre ein schöner Weg sich zu beruhigen. Außerdem wären sie dann weg von der bösen Hexe ihr schräg gegenüber. „Wir sind noch nicht fertig", wiedersprach Narzissa sanft und deutete neben sich. „Mein Mann und mein Schwager essen noch. In Zaubererfamilien ist es üblich, erst aufzustehen, wenn alle fertig sind." „Narzissa…" Und wieder einmal lieferte Rodolphus den seltenen Beweis dafür, dass er tatsächlich der englischen Sprache mächtig war. „Bitte, das ist doch Unsinn!" Urplötzlich brach es aus Narzissa heraus. Sie schleuderte Rodolphus ihre Gabel an den Kopf und schrie aus vollem Hals. „Weißt du, was Unsinn ist? Dass vor noch nicht einmal einem halben Jahr meine Schwester gestorben ist und niemand daran denkt, dass heute ihr Geburtstag wäre!" Bestürztes Schweigen. Hermine hörte Draco neben sich atmen. Lucius wischte sich mit der Hand über das Gesicht. „Narzissa, bitte… wir haben schon daran gedacht, aber…" „Ach, hör doch auf. Ihr seid doch alle froh, dass ihr sie los seid, ihr verlogenes Pack. Auf die Schlammblutschlampe wollt ihr Rücksicht nehmen und Bella vergesst ihr." Sie schrie immer noch, obwohl ihr längst die Tränen aus den Augen rannen und ihre Stimme weinerlich zitterte. „Ich habe euch zuliebe meine Schwester geopfert und alles, was ich dafür kriege, ist die Schlampe, mit der ihr ins Bett wollt und einen verrückten…" Weiter kam sie nicht, da Dracos Hände um ihren Hals ihr die Kehle zudrückten. Xxx „Erzählen Sie mal, Draco. Wie kommt es zu diesen Ausrastern. Wie erklären Sie sich, dass Sie Dinge tun, über die Sie hinterher selbst so bestürzt sind." Draco rutschte in dem Sessel hinunter bis seine Beine weit über die Sitzfläche hinausragten. Eigentlich lag er mehr, als dass er saß. Er drückte den Kopf nach hinten soweit es ging, so dass er nicht Sayer vor ihm, sondern die sonnengelbe Decke über ihm im Blick hatte. „Ich verliere mich manchmal selbst." Er hörte wie der Therapeut etwas auf das Klemmbrett in seinen Händen kritzelte. Er würde ihn nachher fragen, ob er es lesen durfte. Er fragte ihn das jedesmal und jedesmal war die Antwort gleich. Nein, noch nicht. Aber da „noch nicht" bedeutete, dass es irgendwann soweit sein könnte, würde er ihn tapfer weiter bedrängen. Später… Draco benetzte seine Lippen und schloss die Augen. Nervös kratzte er sich über seinen dünnen Bauch und überlegte, wie er diese eigenartigen Zustände, die ihn manchmal befielen, in Worte fassen sollte. „Nun, wenn ich wütend werde und mich über irgendetwas aufrege, dann… dann ist es manchmal, als ob ich nicht mehr in mir drinnen wäre. Ich stehe dann irgendwie außerhalb und gucke zu. Ich mache ganz irre Sachen, aber irgendwie kann ich es nicht verhindern, weil ich", er hob die Hände und schlug mit beiden Händen leicht auf die eigene Brust, „weil ich gar nicht mehr in mir drin bin. Das ist ganz schön gruselig, weil ich… ich weiß nicht. Also während ich zusehe, fühle ich so gut wie gar nichts." Er seufzte und schob sich im Sessel wieder etwas nach oben, da er in dieser halb liegenden Position Rückenschmerzen bekam. Nun sah er Sayer wieder direkt in die Augen, der ihn aufmerksam beobachtete und viel mehr als nur Worte zu verstehen schien. „An manchen Tagen habe ich richtig Angst vor mir, weil ich weiß, dass ich alles Mögliche tun könnte, ohne etwas dagegen machen zu können. Ich habe", er senkte die Augen und faltete die Hände in seinem Schoss. Er spürte, wie seine Wangen heiß wurden und hörte, wie heißer und krächzend seine Stimme vor Scham war. „Ich habe Angst, dass ich meine Freundin wieder schlage. Das passiert mir manchmal, obwohl ich es selbst schlimm finde und das absolut nicht will. Ich habe wirklich Angst, dass… dass ich den Leuten zuhause irgendetwas antue, wenn ich mich wieder selbst verliere." Federgekritzel. Mit der Feder wurde zwei, dreimal gegen das Klemmbrett getippt. Draco hob die Augen und blinzelte leicht, weil ihn die fröhliche, quietschbunte Einrichtung dieses Zimmers nach wie vor etwas irritierte. Der Therapeut hob sich wie ein ernster, dunkler Fleck von dieser geballten Farbigkeit ab. Dracos Mund verzog sich leicht, als er sah, wie Sayer sich einige seiner dünnen Haarsträhnen sorgsam über die Halbglatze drapierte. Er fing Dracos Blick auf und lächelte, beugte sich etwas vor und legte ihm die Hand aufs Knie: „Sie sind hier, weil Sie lernen sollen, sich wieder zu finden." Xxx Hermine war an Weihnachten nicht im Manor. Lucius hatte ihr recht deutlich zu verstehen gegeben, – per Eule, wie könnte es anders sein? - dass man für diesen Tag Besuch erwartete und keinen Wert darauf legte, Hermine irgendwelchen Verwandten oder Bekannten vorstellen zu müssen. Solchermaßen ausgeladen stellte sich für Hermine die Frage, wo sie Weihnachten denn sonst verbringen könnte. Bereits am Heiligen Abend waren im Manor Gäste, die am Weihnachtsfeiertag noch zahlreiche Verstärkung bekommen sollten. Hermine hätte zu ihren eigenen Eltern gehen können, natürlich. Wenn sie alleine war oder nachts gemütlich im Bett lag und Draco neben sich ruhig ein- und ausatmen hörte, dann überlegte sie doch, ob ihre Eltern sie nicht vermissten und vielleicht versuchten, ihre eine Nachricht zu übermitteln, doch keine Ahnung hatten, wo sie jetzt war. Ob sie ihnen nicht einfach eine Karte schicken sollte? Nur ein paar Zeilen, ein kurzer Gruß, damit sie sahen, dass Hermine, naja… dass es ihr gut ging, wäre eine kleine Übertreibung, aber dass sie zumindest gesund war, eine Stelle gefunden hatte und ein Dach über dem Kopf hatte? Ja, das würde sie tun. Ein Besuch war aber ausgeschlossen. Aber wohin dann? Harry zu fragen lag einfach nahe. Sie sprach ihn in der Mittagspause auf ihr Problem an, woraufhin er sie auf der Stelle einlud. Heiligabend hätte er die Weasleys, Neville, Luna und noch andere Ordensleute zu sich in den Grimmauldplatz eingeladen, von dem aus sie am Weihnachtstag zu den Weasleys flohen würden. Harry war so begeistert von dieser Idee, dass Hermine der leise Verdacht beschlich, dass er selbst nur mit sehr viel Magengrummeln in den Fuchsbau ging und froh war über jede Unterstützung, die er kriegen konnte. Sie wagte nicht ihn zu fragen, warum das so war. Irgendwann würde sie es ganz sicher schaffen, ihn zu fragen, wieso ihn die praktischen Übungsstunden mit Moody jedesmal so aufregten und wieso er nach den theoretischen Stunden immer wortkarg und blass war. Es war ja nicht so, dass sie nicht bemerkt hätte, dass er genauso viele trübe Gedanken hatte wie sie, doch ebenso wie Hermine, sprach Harry ungern über solche Themen. Dracos Trauma reichte ihr vollkommen, um sich damit herumzuschlagen. Ihr eignes - oder gar Harrys - konnte warten. Wie besprochen saß sie am Heiligen Abend in der Küche des Grimmauldeplatzes und sah einen großen, dampfenden Festtagsbraten vor sich stehen. Wie im letzten Jahr war auch dieses Mal die Stimmung nicht frei und ungezwungen. Mr. Weasley war gerade aufgestanden, erhob sein Glas auf alle, die an dieser Feier nicht teilnehmen konnten und prostete der bedrückten Menge danach mit dem trübsinnigsten Trinkspruch seines Lebens zu. Harry erwähnte, dass es im Januar wieder ein Ordenstreffen geben würde und ob sie „trotzdem" daran teilnehmen wollte. Dieses „trotzdem", das auf Draco anspielte, machte Hermine klar, wie überaus notwendig es war, dass sie ihrerseits nun auch aufstand und ebenfalls Worte an die Menge richtete. „Nur ganz kurz", sagte sie, nachdem sie mit ihrem Löffel vorsichtig gegen ihr Glas geschlagen hatte. „Ich denke, ihr wisst es ja alle schon, aber ich will es trotzdem nochmal offen sagen!" Sie atmete tief durch und sammelte sich, bevor sie der auf Erklärung wartenden Menge verkündete: „Ich bin mit Draco Malfoy zusammen und ich wohne mit ihm auf Malfoy Manor. Ja, er ist ein Todesser und ja, seine Familie ebenfalls. Aber… meiner Meinung nach habt ihr alle selbst genug Dreck am Stecken, als dass ihr euch ein Urteil darüber erlauben dürftet. Ich weiß, dass das für viele unangenehm ist zu wissen, aber das ist nunmal so. Damit müsst ihr euch einfach abfinden. So, das war's schon. Ich bin fertig!" Es mochten Blicke und Getuschel folgen, doch immerhin feindete sie niemand offen an. Aber vielleicht hätte sie trotzdem nicht neben Luna sitzen sollen. Deren Vermutungen über das Malfoy-Anwesen waren ebenso abenteuerlich wie abendfüllend. Als Hermine am nächsten Morgen aufwachte, fand sie ein kleines Päckchen neben sich, dass in slytheringrünem Seidenpapier eingewickelt war. „Pure" saß entspannt daneben, den Kopf in seinem Gefieder vergraben und ruhte sich von der Last, die man ihm zugemutet hatte, aus. Ihrem Vorsatz von gestern treu, weder sich noch Draco in ihrem Leben zu verstecken, nahm sie das Paket und trug es hinunter in den Wohnraum, wo Geschenke fast bis zur Spitze des Tannenbaumes gestapelt waren. Die ganze Weasleyschar saß bereits dort und packte fröhlich schnatternd Päckchen aus. Harry beobachtete sie mit neugierigen Augen. Hermine nickte ihnen zu und hob das Paket hoch, um zu zeigen, dass es wirklich war wofür sie es hielten und dass das grüne Papier darum aller Wahrscheinlichkeit nach kein Zufall war. Ihr war ein kleinwenig unbehaglich, als sie es auspackte, denn immerhin könnte das nur ein gemeiner Trick von Lucius oder Narzissa sein, um sie vor ihren Freunden zu demütigen. Umso erstaunter war sie, als sie Sekunden später eine glänzende Plastikschachtel, auf der ein nagelneues Handy abgebildet war, auf ihrem Schoß fand. Harry packte das Handy , begutachtete es mit einem bangen Blick von allen Seiten und hielt es so vorsichtig, als fürchtete er, es könnte sich jeden Moment entzünden und in die Luft gehen. „Ein Handy? Er schenkt dir ein Handy?" Etwas ratlos faltete sie den Brief auf, der beim Auspacken aus dem Paket gefallen war. [style type="italic"] Liebe Hermine! Ich schicke dir hier etwas, damit du endlich mal dein Telefonbuch benutzen kannst. Ich habe es in einem Muggelladen gekauft (na gut, ich habe es kaufen lassen) und darauf bestanden, dass es das Teuerste ist, das zu finden war. Es sollte also eine gute Qualität aufweisen. Ich selbst habe auch eines und ich denke, ich habe auch schon fast verstanden, wie es funktioniert. Ich wünsche nicht, dass du es mir bei deiner Rückkehr nochmal erklärst. Ich kann selbst lesen und ich werde damit alleine fertig! Wann kommst du denn? Erst morgen früh oder noch heute Nacht? Es ist hier recht langweilig ohne dich, trotz der vielen Leute, die zu Besuch sind. Sie fragen mich alle, was ich denn jetzt mache. Ich weiß dann nie, was ich sagen soll. Wenn sie meinen Hals sehen, werden sie alle ganz nervös und fangen an, über das Wetter zu reden. Das ist ziemlich unangenehm. Wir sehen uns dann vielleicht schon heute Abend, ja? Bleib nicht zu lange dort. Ich bin nicht sicher, wie oft dort geputzt wird und ich will nicht, dass du dir Läuse oder die Krätze einfängst. Rede nicht so viel mit denen und glaub Potter nichts, wenn er mit seinem Job angibt. Laut Vater stellt er sich dort wirklich dumm an und Alastair Moody hätte ihn letzte Woche beinahe rausgeworfen! Draco! [/style] „Krätze? Was soll denn das heißen?" Harry, der ihr beim Lesen über die Schulter gesehen hatte, riss ihr den Brief aus der Hand und begann sofort damit, sich lautstark über Malfoy Junior aufzuregen. „Und was soll das denn? Ich bin nicht beinahe rausgeworfen worden. Was gibt der hier eigentlich für eine Scheiße von sich?" Hermine schnüffelte verträumt und drückte ihr Handy voll Rührung und Wehmut an sich. „Das, Harry", sagte sie mit feuchten Augen, „ist Dracos Art mir zu sagen, dass er mich liebt und mich vermisst!" Harry beeindruckte das wenig und er fluchte so lange munter weiter, dass er damit Ginny, Fred und George auf den Plan rief, die ihn eifrig beim „Malfoy hassen" unterstützten. Hermine lächelte nur und ließ ihnen den Spaß. Sie verstanden es nicht, wie sollten sie auch? Aber sie… sie hatte verstanden, dass Draco sich allen Ernstes darüber erkundigt hatte, was genau er ihr eigentlich letzten Februar in dieser Nacht im Verbotenen Wald geschenkt hatte. Statt das Thema beleidigt und beschämt unter den Teppich zu kehren, hatte er etwas getan. Er hatte sich nicht nur darüber Gedanken gemacht, was ihr zu Weihnachten gefallen könnte, er hatte es sogar über sich gebracht, jemanden um Hilfe zu bitten, der sich damit besser auskannte als er. Hätte Hermine raten sollen, würde sie sagen, dass Draco Sam mit mehreren hundert Pfund getauschten Muggelgeldes losgeschickt hatte, um für sie bei Harrods etwas zu finden, das sie tatsächlich verwenden könnte. Hermine kicherte bei der sanften Selbstironie, zu der sich Draco dabei durchgerungen hatte. Sie kicherte etwas lauter und ignorierte die perplexen Blicke der Umstehenden, als sie sich vorstellte, wie Draco sich gerade einsam und allein in sein Zimmer verzogen hatte und dort garantiert nicht den Hauch einer Ahnung hatte, was er mit diesem sündhaft teuren Gerät machen sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)