Unvorhersehbare Wendung von Motzi_die_Katze (Eine Megamind-Fanfiction) ================================================================================ Kapitel 8: Museumsvorfall und eine leere Akte --------------------------------------------- Abigail und Smink standen draußen vor dem Metro-Man-Museum und sahen an der riesigen Statue hoch, die eben jenen darstellte wie er eine riesige Weltenkugel stemmte. Da er nur in Metro City wirkte, fand Smink die Statue maßlos übertrieben, wie er seiner Herrin leise mitteilte. Abigail hatte dazu keine Meinung. Sie wusste nur, dass diese Statue an dem Tag eingeweiht worden war, an dem sie geboren wurde. Aus irgendeinem Grund schien das ihre Klassenkameraden zu begeistern, auch wenn sie nicht wusste, warum. Ihr Vater hatte darauf keine Antwort gewusst - obwohl er normalerweise auf alles eine Antwort hatte - und Minion hatte nur mit den Schultern gezuckt. Vielleicht war das ein Menschending - auch wenn sie technisch gesehen zur Hälfte selbst ein Mensch war. Was aber nicht bedeutete, dass sie sie auch nur im Mindesten besser verstünde. Melissa zog sie am Arm. "Komm schon, Abby! Du musst ja wirklich sehr zurückgezogen gelebt haben, wenn das alte Ding dich vor Ehrfurcht erstarren lässt." Smink schnaubte verächtlich. Alt? Abigail sah an der Statue hoch. Ihr Vater hatte ihr mal erzählt, dass er zur Feier ihrer Geburt die Nase abgesprengt hatte, aber man hatte eine neue angebracht, etwas heller im Stein, sodass es fast wie eine Weinnase aussah. "Damals ist die Nase aus unerfindlichen Gründen abgebröckelt", sagte Melissas Vater plötzlich, als er sie so intensiv nach oben starren sah. "Muss wohl schlechte Verarbeitung gewesen sein. Sehr ärgerlich, besonders da Megamind an diesem Tag keinen Ärger gemacht hatte. Eigentlich hatten alle einen Großangriff erwartet." "Abgebröckelt, so ein Unsinn", zischelte Smink, als sie ins Innere gingen. "Erkennen nicht einmal eine Sprengung, wenn sie eine sehen." Abigail hielt ihn so auf dem Arm, dass seine Rede nur gedämpft zu hören war und hielt ihm vorsichtshalber auch noch die Schnauze zu. Sicher war sicher. Am Eingang gab es den ersten Schock: Tiere nicht erlaubt, Smink musste draußen bleiben. Einen Moment lang überlegte sich das Mädchen ernsthaft, ob sie ihn nicht einfach in ihrem Rucksack reinschmuggeln sollte, da er schließlich ihr Minion und kein einfaches Tier war, ließ sich aber von Melissa und ihren Eltern überreden ihn da zu lassen. Etwas beleidigt sah er seiner Freundin hinterher und warf der Rezeptionistin einen wütenden Blick zu. Das Innere zeigte ein paar Exponate, aber kaum etwas, das Abigails Interesse weckte. Es gab eine Lernwand, an der man etwas über Metro Mans Supergehör erfahren konnte, das es ihm möglich machte, selbst eine Stecknadel Meilen entfernt fallen zu hören. Abigail fand diese Information ziemlich nutzlos. Wer wollte schließlich Stecknadeln fallen hören? Gehörten die wirklich in den Aufgabenbereich eines Helden? An einem Fenster und abgetrennt durch ein rotes Seil war eine brozene Statue von Metro Man wie er gerade ihren Vater festhielt, der die Hände krallenartig nach ihm ausstreckte und einen albernen Helm auf dem Kopf trug. Und von der Decke hing ein Luftballon in Form eines Flugzeugs, das von Metro Man vom Abstürzen abgehalten wurde. Melissas Eltern beschlossen nach ein paar Minuten, in der immer wieder Leute sich nach Abigail umsahen, zuerst das Erdgeschoss des Museums zu erkunden und als Nächstes in den Superschurkentrakt zu gehen. Sie vermutete, dass sie das ihretwegen taten, damit die Leute aufhörten zu starren, aber sie konnte nicht nachvollziehen, wie das irgendetwas helfen sollte. Der Superschurkenflügel hatte viele alte Erfindungen ihres Vaters, bei denen Abigail sich fragte, warum ihrem Vater ihr Fehlen nicht aufgefallen war. Normalerweise geriet er fast in Hysterie, wenn etwas verschwand. Ein Teil der Apparaturen waren hinter dickem Panzerglas verwahrt, während andere nur mit einem Seil abgesperrt waren, wobei die Ungefährlichen ironischerweise hinter Panzerglas lagen und die Gefährlichen frei herumstanden. Ihren Vater träfe der Schlag, wenn er das sähe. Er hatte ihr seit ihren ersten Lebenstagen eingeschärft, an welchen sie ohne Bedenken vorbeigehen konnte und um welche sie einen Bogen machen sollte. Was eigentlich darauf hinauslief, dass sie sich von allen Erfindungen fernzuhalten hatte. Wie sie erwartet hatte, brachte es nicht viel in diesen Teil des Museums zu gehen, die Leute starrten immer noch. Abigail versuchte die Menschen so gut es ging zu ignorieren und betrachtete kopfschüttelnd die Ausstellungsstücke. Ihr fiel auf, dass hier viel mehr Kinder waren als auf der anderen Seite. Kinder, die auf potenziell gefährliche Exponate kletterten... "Könnten Sie Ihr Balg bitte von den Ausstellungsstücken fernhalten?", fragte ein Museumsangestellter mit schnarrender Stimme eine empörte Mutter und Abigail drehte sich um. Der Mann hatte zerzaustes, braun-blondes Haar, eine runde Brille und eine unsagbar gelangweilte Miene. Auf einem kleinen Plastikschild, das an seinem Pullover angebracht war, stand der Name "Bernard". Abigails Blick fiel auf das Exponat, auf dem sich tatsächlich ein Kind befand. Allerdings vermutlich nicht mehr lange, wenn der Junge einen der Schalter mit dem Fuß erwischte, die ganz in seiner Nähe angebracht waren. Es musste ein Prototyp der riesigen Kampfroboter gewesen sein, die ihr Vater so gern auf die Stadt losließ. Die, die kaum länger als ein paar Stunden hielten, ehe sie zerstört wurden. Meistens mit einer lauten Explosion. Natürlich wusste sie nicht genau, wie gefährlich dieses Ausstellungsstück war, aber ihr Vater hatte ihr immer strengstens verboten, auch nur in die Nähe einer seiner Erfindungen zu kommen, die nicht ausdrücklich für sie bestimmt oder schon seit langem im Haushalt waren, selbst wenn - oder besser gesagt, besonders wenn - sie klein und harmlos aussahen. Was bei dieser Konstruktion sicher nicht der Fall war. Die Mutter des Jungen fragte den Angestellten empört, was ihm einfiele, ihren Sohn ein Balg zu nennen. Er müsse sich schließlich entfalten. "Aber nicht auf den Exponaten", erwiderte Bernard genervt. "Sie sind sehr empfindlich und wenn sie irgendwie beschädigt werden, muss ich dafür aufkommen." Abigail legte den Kopf schief und kam vorsichtig näher. Die Frau schnaubte verächtlich. "Was kann schon groß passieren? Ohne Megamind sind diese Dinger vollkommen harmlos." "Solange er noch funktionstüchtig ist, ist er gefährlich", meldete sich das Mädchen zu Wort und schluckte nervös, als beide Erwachsenen sich zu ihm umdrehten. "Er wäre nur harmlos, wenn er in seine Einzelteile zerlegt wäre." Und selbst dann gab es noch Bestandteile, die gefährlich werden konnten. Die Frau lachte. "Meine Güte, Kind, woher willst du das denn wissen? Nur weil du dich so verkleidest, heißt das noch lange nicht, dass du weißt, wovon du redest." Abigail runzelte die Stirn, während der Mann namens Bernard sie kurz musterte, bevor sein Gesicht wieder seinen gelangweilten Ausdruck bekam. "Du glaubst also, dass dieses Ding losgehen könnte?", fragte er. Abigail nickte ernst. "Daddy lässt mich normalerweise nicht mal in die Nähe seiner Erfindungen, selbst wenn sie ausgeschaltet sind und erst recht nicht, wenn sie beschädigt wurden wie dieser Roboter hier." Melissa und ihre Eltern, die sich bei ihren Worten zu ihr umgewandt hatten, kamen vorsichtig näher. Das Mädchen nahm Abigail bei der Hand und versuchte sie wegzuziehen. "Komm, Abby, man soll Erwachsene nicht beim Reden stören!", zischelte es ihr zu, doch sie blieb, wo sie war und sah ihre Freundin nur verständnislos an. Warum sollte sie nicht die Wahrheit sagen, wenn sie sie kannte? Wenn ihr Vater bei einer Erfindung einen Fehler gemacht hatte, war jeder im Haushalt dazu angehalten gewesen, es ihm zu sagen, selbst wenn die Befürchtung unbegründet war. "Nun, da hören Sie's", meinte Bernard, ohne die kleine Auseinandersetzung der beiden Kinder zu beachten. "Das ist doch lächerlich!" Die Frau schüttelte angewidert den Kopf und bedachte Abigail mit einem herablassenden Blick, den sie mit trotzig vorgerecktem Kinn erwiderte, auch wenn sie ein wenig in sich zusammensank. "Sie glauben einem neunmalklugen Kind mehr als einem Erwachsenen?" "Ma'am, wenn irgendjemand etwas über unseren stadteigenen Superschurken weiß, dann bin ich das", meinte er gelangweilt. "Das Kind bestätigt nur, was ich meinen Vorgesetzen seit fünf Jahren sage: Diese Exponate gehören besser gesichert. Und jetzt holen Sie Ihren Sohn da runter!" Mittlerweile waren noch mehr Menschen dazu gekommen und starrten zu dem Jungen hoch, der noch immer keine Anstalten machte, herunterzukommen. Vielleicht war er einfach zu blöd, um die Situation zu kapieren, überlegte Abigail. "Wenn das Felix wäre, hätte er was zu hören bekommen", murmelte Melissas Mutter ihrem Mann zu, der zustimmend brummte. "Selbst wenn die Kleine nichts gesagt hätte, sollten die Kinder nicht auf den Erfindungen herumklettern", sagte er leise. "Aber wie kann man den Bengel dort runterholen, wenn er sowieso auf niemanden hört?" "Vielleicht könnte man die Göre erschrecken, dass er runterkommt", ertönte eine kleine Stimme neben Abigails Fußknöchel. Das Mädchen sah hinunter. "Smink! Was machst du hier?" Smink zuckte zusammen und legte die Ohren an. "Nicht so laut, Miss Abigail, die Leute hören Sie noch!" Abigail kniete sich neben ihren Minion auf den Boden, während Melissa ihn nur mit großen Augen anstarrte. "Und wie willst du ihn erschrecken? Er soll ja nicht hinunterfallen." Er zuckte gleichmütig mit den Schultern - oder was das Äquivalent für ein Wiesel war - und antwortete: "Ich klettere hinauf und jage ihn herunter. Das ist ein verwöhntes Stadtkind, das sicherlich noch nie ein echtes Wildtier wie ein Wiesel gesehen hat. Vermutlich wird er schreiend zu seiner Mutter laufen, wenn er mich sieht." Abigail nickte. "Aber komm nicht versehentlich an einen der Schalter." "Ich klettere die Apparaturen Ihres Vaters seit Jahren hoch und runter", meinte er augenrollend und setzte sich in Bewegung. "Solange der Junge nicht falsch tritt, kann nichts passieren." Smink flitzte los, schlängelte sich durch die Beine der Anwesenden, ohne dass diese ihn bemerkten und kletterte an einer kaum einsehbaren Stelle an dem Roboter hoch. Wenige Augenblicke später stieß der Junge einen spitzen Schrei aus und kletterte so schnell er konnte runter. "Das ging ja schnell", meinte Melissa erstaunt. "Na toll, jetzt hat er irgendetwas berührt, was er nicht berühren sollte", brummte Bernard missmutig und seufzte. "Ich hasse mein Leben." Der Junge lief auf seine Mutter zu und jammerte: "Da oben war eine riesige Ratte!" "Ratte?!", quietschte die Frau angewidert. "Halten Sie hier nicht sauber?!" "Können nicht mal ein Wiesel von einer Ratte unterscheiden!", knurrte Smink beleidigt, der wie aus dem Boden gewachsen wieder neben ihnen aufgetaucht war und sah sich um. "Oh-oh!" "Was ist?", fragte Abigail besorgt, als er in ihren Rucksack kletterte. "Da ist die Spinatwachtel wieder!" Er deutete auf die Rezeptionistin, die in den Ausstellungsraum geeilt kam. "Hast du ein Wiesel gesehen?", hörten sie Bernard fragen, der sie mit hochgezogenen Augenbrauen ansah. "Seit wann haben wir Wiesel?" "Ein Mädchen hatte ein Wiesel dabei, so ein ganz räudiges Ding, das sie an der Rezeption gelassen hat", erklärte die Frau. "Als ich mich einmal weggedreht habe, war es weg. Ist vermutlich hier reingelaufen." "Wer ist hier räudig?", fragte Smink empört. "Ihr Haar sieht schlimmer aus als mein Fell!" "Psst!", machten Abigail und Melissa und sahen sich besorgt um, aber keiner schien ihn gehört zu haben. Bernard drehte sich zu der Mutter hin. "Da haben Sie Ihre Ratte: Ein entlaufenes Hauswiesel." "Das wird echt immer schöner!", zischte der Minion beleidigt. "Ratte, räudiges Ding, Hauswiesel... Was kommt als nächstes?" Wieder wurde er ausgezischt. Die Menschenmenge löste sich auf und die Mutter stolzierte mit ihrem Sohn davon, wobei sie etwas von Klage murmelte. Während sich Bernard mit der Rezeptionistin unterhielt und Melissa und ihre Eltern sich berieten, was sie als nächstes ansehen wollten, schlich sich Abigail vorsichtig davon. Sie musste einen Ort finden, an dem Smink unauffällig aus dem Museum verschwinden konnte. Sonst gab es sicherlich Ärger mit den Erwachsenen. Als sie in einem abgelegenen Teil angekommen waren, der nur ein paar klobige Brainbot-Prototypen enthielt, holte sie ihren Minion aus dem Rucksack heraus. "Puh, das war knapp", meinte Smink seufzend. "Wenn diese Frau mich gefunden hätte, hätte sie mich bestimmt auf die Straße geworfen." "Naja, eigentlich hättest du ja draußen bleiben sollen", erwiderte sie und setzte ihn auf dem Boden ab. "Ja, aber es war doch gut, dass ich nicht draußen geblieben bin, oder?" Er streckte sich ein wenig. "Mal abgesehen davon, dass ich Sie schlecht beschützen kann, wenn ich nicht bei Ihnen bin." "Wirklich faszinierend", meinte eine Stimme hinter Abigail und sie drehte sich erschrocken um. Hinter ihr stand ein grauhaariger Mann in einem ebenfalls grauen Anzug, dessen hageres Gesicht von Falten durchzogen waren. Seine grauen Augen lagen hinter einer dünnen Drahtbrille. "Dieselbe Partnerarbeit wie bei Megamind und Minion während seiner Pläne", fuhr er fort und beugte sich ein wenig vor, um mit Abigail auf Augenhöhe zu sein. "Ich hätte nicht gedacht, dass er in der Lage wäre, dieses Phänomen für seine Tochter zu wiederholen. Auch wenn es natürlich gegen den Tierschutz verstößt." Abigail hob Smink wieder hoch und drückte ihn gegen ihre Brust, während sie ihr Gegenüber ängstlich anstarrte. Sie kannte diesen Mann. Es war derselbe, der vor ein paar Wochen bei ihrer Mutter gewesen war und sich nach ihr erkundigt hatte: Dr. Striker. Sie wich zurück und sah sich um. Ihr Vater hatte gesagt, wenn sie diesem Mann begegnete, sollte sie sich verstecken. Aber wo? "Miss Abigails Vater hat mir das Leben gerettet, dadurch dass er mich zu Miss Abigails Minion gemacht hat", sagte Smink feindselig. Seine Muskeln spannten sich kampfbereit an und er fixierte Dr. Striker misstrauisch. "Andernfalls wäre ich wohl jämmerlich in einem Abflussrohr erfroren. Und seit wann ist eine Lebensdauer von hundert Jahren plus etwas, wogegen jemand etwas haben kann?" "Nun, vermutlich wird nie jemand versuchen, Megamind irgendetwas deswegen zu sagen", erwiderte Dr. Striker. "Obwohl er so erfolglos ist, haben die Leute trotzdem Angst vor ihm." Smink bleckte die Zähne. "Was wollen Sie hier? Miss Abigails Vater hat Ihnen doch klar und deutlich gesagt, dass Sie sich von Miss Abigail fernzuhalten haben." "Ich war nur zufällig im Museum, nichts weiter", erwiderte der Doktor gleichmütig. "Aber als ich euch beide sah, dachte ich mir, dass ich mich auch gleich mal mit euch unterhalten könnte." Abigails Minion gab ein warnendes Knurren von sich. "Bleiben Sie weg oder ich beiße Sie! Ich lasse nicht zu, dass Miss Abigail etwas geschieht!" "Sehr lobenswert", meinte Dr. Striker. "Ich hatte auch nicht vor, jemandem zu schaden. Bisher habe ich nur noch nicht die Gelegenheit gehabt, Abigail in Person zu treffen. Ich wollte mich nur erkundigen, ob sie gesund ist." "Kerngesund", knurrte Smink. "Da hätten Sie einfach nur Miss Ritchi fragen müssen." Abigail mochte es nicht, wenn man von ihr redete, als wäre sie nicht da. Und diesen Mann mochte sie noch weniger. Sie ging langsam rückwärts, während sich ihr Minion versuchte aus ihrem Griff zu befreien und Dr. Striker anzugreifen. Eine Hand an ihrem Oberarm hielt sie vom Flüchten ab. "Ich will dir nichts tun, Kindchen", sagte Dr. Striker ernst. "Egal was dein Vater dir über mich erzählt hat. Ich bin auf seiner Seite." "Lassen Sie mich los!", quietschte sie und versuchte sich loszureißen. "Ich glaube Ihnen kein Wort! Daddy hat mir gesagt, was los ist!" Er seufzte resigniert. "Nun hör mal..." "Entschuldigen Sie bitte, es geht mich natürlich nichts an, aber ich habe so das Gefühl, als wolle sie nicht mit Ihnen kommen", mischte sich da jemand mit gelangweilter Stimme ein. "Und ich hatte heute schon genug mit schreienden Kindern zu tun, also lassen Sie sie besser los." Hinter Dr. Striker stand der Museumsangstellte von vorhin und sah den Doktor gelangweilt an. "Ich will sie nicht mitnehmen", meinte dieser in ruhigem Ton und ließ Abigail los, sodass sie zwei Schritte nach vorne stolperte, da sie immer noch gezogen hatte. "Ich will nur ein Missverständnis aus der Welt schaffen." Bernard seufzte genervt. "Das sagen Sie. Aber wenn ich Sie einfach machen lasse, habe ich am Ende eine Klage wegen unterlassener Hilfeleistung am Hals. Also, warum lassen Sie sie nicht in Ruhe?" Der Doktor sah den Mann einen Moment lang wortlos an, dann nickte er. "Sicherlich. Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Ihnen Ärger bereitet haben sollte. Auf Wiedersehen, Abigail." Er wandte sich um und ging. "Gott, ich hasse diese Typen", murmelte Bernard. "Erinnert mich irgendwie an meinen Vorgesetzten. Aalglatt." Abigail wandte sich ihm zu. "Danke, dass Sie uns geholfen haben." Er brummte gleichmütig. "Wie gesagt, wenn ich nicht eingreife, wirft man mir unterlassene Hilfeleistung vor, auch wenn hier Dutzende von Leuten sind, die genauso gut eingreifen könnten. Aber was soll's? Mit mir kann man's ja machen." Sie runzelte die Stirn. "Wieso?" "Weil ich für den Megamind-Teil des Museums zuständig bin", erklärte er mit monotoner Stimme. "Bin der einzige Verrückte, der sich mit unserem stadteigenen Superschurken beschäftigt. Was bedeutet, dass man mir weniger zahlt als anderen." Ihrer Meinung nach ergab das keinen Sinn. Was hatte ihr Vater denn damit zu tun, dass er einen schlecht bezahlten Beruf hatte? "Warum?", fragte sie nachdenklich. "Weil sie denken, dass meine Arbeit sinnlos ist", brummte er verärgert. "Dabei ist das wohl das unerforschteste Thema, das wir hier im Museum haben. Ich gelte zwar als Experte zu Megamind, aber ich werde nicht ernst genommen." "Hm..." Abigail wiegte nachdenklich den Kopf. "Wenn Sie so ein Experte von meinem Daddy sind, haben Sie ihn doch sicher schon mal getroffen, oder?" Auch wenn sie sich nicht erinnern konnte, dass ihr Vater irgendetwas in der Richtung erwähnt hätte. Bernard lachte trocken. "Megamind treffen? Das ist absolut unmöglich. Keiner kommt an ihn heran. Da haben es die hundertzwanzig Metro Man-Experten einfacher." Sie fragte sich, wozu man überhaupt einen Experten zu einer Person brauchte, geschweige denn hundertzwanzig. War wahrscheinlich wieder so ein Menschending. Aber vielleicht konnte sie ja ihren Vater fragen, ob er Bernard einen Besuch abstatten könnte... "Na, was soll's", seufzte der Museumsangestellte und setzte sich in Bewegung. "Solange ich nicht auch noch für's Arbeiten bezahlen muss..." Abigail sah ihm hinterher. Je länger sie mit der "Außenwelt" zu tun hatte, desto weniger verstand sie sie. Warum sollte man für's Arbeiten bezahlen müssen? Sie war immer der Meinung gewesen, dass man arbeitete, um Geld zu verdienen. "Abby!" Wie aus dem Boden gewachsen stand Melissa vor ihr und griff nach ihrem Arm. "Da hast du dich also versteckt! Wir haben dich schon überall gesucht!" Sie zog sie weiter in Richtung eines Aufzuges. "Komm, wir wollen uns jetzt die oberen Stockwerke ansehen. Da können wir die Metro Man-Statue auch mal vom Nahen sehen." "Na toll", brummte Smink gelangweilt, als sich der Fahrstuhl in Bewegung setzte. "Als bekämen wir seine Visage nicht schon oft genug zu Gesicht." Abigail hielt ihm die Schnauze zu. Zu einem von Roxannes absoluten Lieblingslokalen gehörte "Nanny's Bistro", eine kleine Gaststätte, die von einer alten resoluten Dame geführt wurde, die alle nur unter dem Spitznamen "Nanny" kannte. Nanny hatte ein runzliges Gesicht ähnlich einer Rosine und ein Lachen, das an eine Gewitterhexe erinnerte. Außerdem war sie eine hervorragende Köchin. Seit ihrer Kindheit ging sie mit ihren Eltern und ihrem Bruder Jeremy in ihr Lokal, also erschien es nur logisch, dass sie Jeremy dorthin einladete, um mit ihm wichtige Dinge zu besprechen, vor allem da man sich dort relativ sicher sein konnte, nicht belauscht zu werden. Und das kam ihr bei ihrer Situation nur gelegen. "Also, das ist der seltsamste Fall, den ich in meiner ganzen Strafverteidigerkarriere gehabt habe, Annie", sagte Jeremy, breitete die Akte, die er mitgebracht hatte, auf dem Tisch aus und rückte seine dünne Brille zurecht. "Laut seiner und deiner Aussage sollte er neunundneunzig Lebensstrafen haben, aber sieh her...!" Er blätterte die Akte durch und hielt sie ihr unter die Nase. "Es gibt keinerlei Aufzeichnungen über diese Gefängnisstrafen, ja, es gibt noch nicht einmal Aufzeichnungen über einen Prozess. Man hat ihn praktisch einfach beim Gefängnis abgesetzt und er ist schön brav hineingegangen." Er nahm die Brille von der Nase und rieb sich den Nasenrücken. "Megamind hat sich mit mir nie über die Details unterhalten", gab Roxanne zu. "Er sagt mir nur immer: 'Ich bin der Böse und Metro Man ist der Gute. Ich stelle etwas an und er kommt mich einfangen.'" Jeremy lachte über ihre Megamind-Imitation. "Ja, nun, vielleicht sollte er das nochmal überdenken. Genau genommen wird er nämlich widerrechtlich dort festgehalten, er könnte jederzeit dort rausspazieren." Er machte eine kurze Pause. "...Oh, warte, das macht er ja schon." Sie lachte. "Aber eigentlich könnten sie ihn ja immer noch im Nachhinein verurteilen oder etwa nicht?" "Sie könnten es zumindest versuchen, aber ob sie damit durchkommen ist eine andere Sache", meinte er. "Sie haben ihn dort ohne Gerichtsverhandlung eingesperrt, ohne seine Sicht der Dinge zu hören, ohne Beweise gesammelt oder Zeugen aufgerufen zu haben. Das ist gegen das Gesetz. Im Grunde genommen könnte er jetzt alles hinwerfen, gegen seine Inhaftierung vor Gericht protestieren und als freier Mann sein Leben weiterführen." Sie schüttelte ungläubig den Kopf. "Das ist verrückt. ...Aber ich glaube nicht, dass wir Megamind dazu bringen können. Er wird mir wahrscheinlich nur sagen, dass er kein Mensch ist und somit keinen Anspruch auf dieselben Rechte wie ein Mensch hätte." Jeremy schnaubte verächtlich. "Er sieht aus wie ein Mensch, klingt wie ein Mensch, lebt wie ein Mensch... Niemand kann ihm seine Menschenrechte absprechen. Es wird nicht nach der DNS definiert, denn dann müssten wir ja erst einmal alle Menschen der Erde darauf überprüfen und wenn solche Nörgler irgendeinen Beweis brauchen, dann müssen sie sich nur Abigail anzusehen. Das ist eigentlich Beweis genug." Nach einer Pause fügte er hinzu: "Außerdem haben sie selbst Metro Man diese Rechte anerkannt. Und bei ihm hat man herausgefunden, dass seine DNS nicht mit denen von Menschen übereinstimmt." "Das bedeutet aber leider noch lange nicht, dass sie sich auch daran halten werden", gab Roxanne zu bedenken. "Was wollen sie denn anderes tun?", konterte er. "Sie können ihn nicht zurückschicken, denn sein Heimatplanet existiert ja nicht mehr. Und dann müssten sie auch Metro Man wegschicken." "Aber er wurde adoptiert. Er ist offiziell der Sohn der Scotts." "Oh." Er sah nachdenklich zur Seite. "Das ist dann natürlich etwas anderes..." Sie seufzte. "Ich wüsste nur zu gerne, wo er sich jetzt gerade rumtreibt. Als Nikolas gesagt hat, dass Wayne wahrscheinlich ein wenig Zeit braucht, wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dass er einfach die Stadt verlässt." Jeremy putzte seine Brille. "Nun, sieh es mal so, Annie: Er hat Megamind und dich praktisch in flagranti erwischt. Und auch wenn es dir nicht so geht, scheint zumindest Metro Man ein gewisses romantisches Interesse an dir zu haben. Dass er, der er alles hat oder bekommt, was er will, dich ausgerechnet an einen solchen Habenichts verliert, war sicherlich ein herber Schlag." Er nahm einen Schluck seiner Limonade. "...Mal abgesehen davon, dass in Filmen die Bösen niemals das Mädchen bekommen." "Es gibt Schlimmere als ihn", meinte Roxanne. Er zuckte mit den Schultern. "Kann sein. Ich beschäftige mich lieber mit richtigen Fällen. Superschurkerei ist eher etwas, womit sich... nun... Superhelden beschäftigen." "Ja, und das ist das Problem!" Sie warf die Hände in die Luft und ließ sich in ihrem Sitz zurückfallen. "Metro Man hat sich vollkommen zurückgezogen und jetzt kommen die anderen Schurken langsam aus ihren Verstecken. Und ich glaube nicht, dass die Polizei dem Herr werden kann." "Die Polizei?" Er lachte trocken. "Nein, ich glaube auch nicht, dass die dazu in der Lage sein werden. Es ist insgesamt erstaunlich, dass wir überhaupt noch eine Polizei haben." "Vielleicht kann ich Megamind irgendwie dazu bringen, diese Aufgabe zu übernehmen solange Metro Man weg ist", überlegte sie. Ihr Bruder sah sie zweifelnd an. "Wie willst du das hinbekommen? Wahrscheinlich sind alle seine Kontakte Schurken. Es wäre Wahnsinn für ihn, sich gegen sie zu stellen." "Megamind arbeitet allein. Und so wie ich ihn verstanden habe, wird man nur ein Superschurke, wenn man sich gegenüber den anderen Schurken durchsetzen kann." "Und wenn die anderen Schurken jetzt herauskommen, um Metro City zu übernehmen...", führte Jeremy den Gedankengang fort, "...dann muss er sein Territorium verteidigen. Das ist es doch, was du meinst?" Roxanne nickte. "Wenn ich ihn anders nicht dazu bringen kann, muss ich ihn wohl damit ködern." ______ So, mit einiger Verspätung: Kapitel 8. Dieses Kapitel hat einiges an Edition hinter sich. Ich befürchte, man sieht's. Es ist gut möglich, dass ich es noch mal umändern werde. @ : Nein, Roxanne wurde nicht dazu genötigt. Und da Minion Megamind bei seinen Plänen helfen muss, wäre es sehr unpraktisch, wenn er auch noch als Abigails Babysitter fungieren müsste. Der "Nistimpuls" bezeichnet in meiner Geschichte eigentlich einen körperlichen Zustand bei Megamind, der nicht rückgängig gemacht werden kann. Aber es ist normalerweise eine bewusste Entscheidung, diesen Zustand auszulösen. Naja, ich habe mir überlegt, dass es ja eigentlich gar nicht so toll für Nikolas ist, immer die Gedanken anderer zu hören und sie nicht einmal ausblenden zu können. Dies ist eigentlich noch ein harmloses Beispiel, es kann noch sehr viel schlimmer werden, weshalb er auch so isoliert lebt. Sag das mit der Tastensperre lieber dem Film-Megamind. xD Schließlich habe ich die Idee der schlecht funktionierenden Uhr aus dem Film. Gut, Megamind hätte sie weiterentwickeln können, aber im Film wurde sie vor dem Bernard-Vorfall auch kaum benutzt und da in dieser Geschichte dieses Ereignis nicht stattfand... Nein, ich habe keinen Betaleser. Ich editiere meine Texte selbst. Dadurch haben meine Texte vielleicht ab und zu einen kleinen "Schluckauf", wenn du das meinst. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)