Make me legend von sproutet-moon (Germania x Rom) ================================================================================ Prolog: I --------- Der Kopf des Wilden schlug dumpf neben mir auf und weiteres Blut besudelte meine Ruestung. Seufzend wischte ich mir uebers Gesicht und verwischte Blut und Schweiss auf meiner Haut. Ich liess das Schwert sinken.Wie ich diese sinnlosen Kaempfe hasste. Was wollten wir ueberhaupt mit diesem wilden Land? War unser roemisches Imperium nicht schon gross genug? Jedesmal, wenn ich erneut ein Schlachtfeld im tiefen Germanien betrat und diese Wilden bekaempfen musste, bereute ich es Soldat geworden zu sein. Ich wollte nicht mehr kaempfen, kein Blut mehr vergiessen und keine Leben mehr nehmen. Aber das Verlassen der Armee wuerde als Verrat beschuldigt werden und meinen eigenen Tod bedeuten. Hinter mir erbebte ein Kampfgeschrei. Ein wilder, wutentbrannter Germane versuchte gerade mich mit einem Spehr zu durchbohren. Blitzschnell liess ich mein Schwert vorschnellen und stiess ihn in die Seite. Kein toetlicher Schlag, aber genug, um ihn auszuschalten. Die listigen Augen verdrehten sich und er ging zu Boden. Bedauernd sah ich auf ihn herab. Diese Germanen waren so ungestuem und unberechenbar. Aber genau deswegen war ich fasziniert von ihnen. Ihre Art mit der Natur zu leben, ein Teil von ihr zu sein. Darum wollte ich sie nicht mehr toeten. Ich nahm meinen Helm ab, liess das Schwert abermals sinken und schritt in Richtung Waldrand. Das Schlachtfeld war bereits gefuellt von Leichen und Opfern. Geduckt, moeglichst unauffaellig ging ich jedem Feind und Kamerad aus dem Weg. Kein Kampf mehr, kein Blut. Sollten sie doch versuchen meinen “Verrat” zu bestrafen. Bis dahin wuerde ich irgendwo untergetaucht sein. Vielleicht in einem kleinen Dorf, wo mich niemand kannte und ich in Frieden fuer den Rest meines Lebens entspannen konnte. Ich hatte fast die ersten Baeume erreicht, als sich mir ein Schatten entgegenstellte. Vielleicht war er auch schon die ganze Zeit dagewesen und ich hatte ihn in meinem Gruebeln nur nicht bemerkt. Er war ebenfalls ein Germane. Die gruene, leichte Ruestung und die langen goldenen Haare liessen keinen Zweifel. Zoegernd zog ich mein Schwert. Er war irgendwie anders. Seine klaren, unglaublich blauen Augen sahen ausdruckslos und herabblickend auf mich. Dort war kein Hass, kein Toben, keine Wut. Er sah mich einfach nur an, bewegungslos, unbewaffnet. Ich wurde unsicher. “Geh mir aus dem Weg, ich will dir nicht wehtun.” Betont ruhig und leise versuchte ich meiner Stimme den gewissen Nachdruck zu verpassen und ihm klarzumachen, dass ich nicht sein Feind war. Nicht laenger. Seine Miene zuckte nicht und bewegungslos sah er mich weiter ernst und ungeruehrt an. Ploetzlich verfinsterte sich sein Blick und er stiess mich grob beiseite. Unsanft fiel ich auf die Knie. Dicht neben meinem Kopf schlug ein Pfeil eine tiefe Kerbe in einen Baum. Unglaeubig sah ich auf das gefiederte Geschoss. Er hatte mich gerettet. Warum? Ein selbstsicheres Grinsen huschte ueber sein Gesicht und ohne zu zoegern zog er mich am Arm auf meine Beine zurueck, nahm meine Hand und floh mit mir in den Wald. Kapitel 1: II ------------- Wir flogen foermlich durch das Gestruepp. Er wusste anscheinend genau, wo es langging und huschte geschickt, mit leichten Bewegungen, einen mir nicht sichtbaren Pfad entlang. Ich wurde einfach mitgezogen. Seine Hand war weich und warm in meiner. Angenehm im Kontrast zu meinem kalten, harten Schwertgriff. Der Laerm des Kampfes war schon laengst dem Zwitschern der Voegeln gewichen. Ich hatte ziemlich lange gebraucht mich zu fassen und meine Augen erstaunt von dem Germanen zu nehmen. “Halt, stopp mal!” Hastig entzog ich ihm meine Hand und blieb schwer atmend stehen. Auch er stopte seine Schritte und sah ungeduldig auf mich herab, da ich mich gerade auf einen umgestuerzten Baumstamm gesetzt hatte. “Was soll das? Wo willst du hin und wieso-” Erst jetzt wurde mir die Seltsamkeit der Situation bewusst. “Wiso hast du mich gerettet und schleppst mich nun durch diesen verdammten Wald?” Er schien lautlos auszustoehnen. Wieder fasste er, nun ungeduldig, meine Hand uns setzte seinen Weg fort. Empoert aber nachgiebig liess ich es zu. Ich hatte jetzt eh keine andere Wahl mehr. “Hey, hoerst du mir zu? Kannst du vielleicht nicht sprechen oder so?” Er warf mir einen wuetenden Blick zu und zischte mich an. Das liess mich fuer den Rest des Weges verstummen. Es schien ihm wirklich wichtig zu sein. Ich hatte inzwischen vollkommen die Orientierung verloren, immer weiter drangen wir in die Wildnis vor.Langsam machte ich mir Sorgen, was er mit mir vor hatte. Seit wann naeherten sich Germanen Roemern ueberhaupt so friedlich? Wurde uns nicht beigebracht, dass diese Wesen Wilde und Monster seien. Aber diesen Lehrsatz hatte ich schon laengst verworfen. Es war sicherlich schon eine halbe Stunde vergangen, als seine Schritte sich noch mal beschleunigten und sich schliesslich auf einer kleinen Lichtung ganz verliefen. Meine Hand wurde losgelassen und erschoepft blieb ich stehen. Vor uns ragte, geschuetzt von Baeumen und Bueschen, eine einsame hoelzerne Huette. Aus dieser kam gerade ein kleiner, blonder Junge gelaufen. Als er den Germanen sah, leuchteten seine Augen auf und aufgeregt eilte er in die Arme des Mannes. Dieser kniete sich nieder und drueckte den Kleinen fest an sich. Die Szene hatte was ruehrendes, man konnte das Vertrauen zwischen den beiden foermlich ergreifen. Plump stand ich daneben und wusste nicht, was ich tun sollte. Ich kam mir ziemlich ueberfluessig vor. Doch bevor ich mich zu irgendetwas entscheiden konnte, deutete der Kleine unruhig und mit aengstlicher Miene auf die Huette und zog am Aermel des Germanen. Dieser hatte ploetzlich eine noch ernstere Miene, strich durch das kurze blonde Haar und eilte sofort in die Huette. Ratlos sah ich ihm nach. Inzwischen hatte mich auch der kleine Bursche bemerkt. Neugierig, doch mit gewisser Scheu, sah er mich von unten an. Die blutige Ruestung und mein auslaendisches Aussehen zogen anscheinend seine Aufmerksamkeit auf sich. Zwinkernd winkte ich ihm zu und beschloss meinem seltsamen “Kidnapper” zu folgen. Im Inneren der Behausung war es dunkel und es roch nach Schweiss und Essig. Der Germane hockte an einem schlichten Schlaflager, das ausser eine Koch und Feuerstelle das Einzige hier drin war. Mit vorsichtigen Schritten naeherte ich mich dem Hockenden und warf blinzelnd einen naeheren Blick auf ihn. In seiner Rechten lag eine schlaffe, blasse und zierliche Kinderhand. “Oh.” Ich hockte mich ebenfalls vor den kleinen Koerper, der auf mehreren Fellen ruhte. Noch ein kleiner Junge, aber dieses mal mit schneeweissem Haar. Seine Wangen schienen zu gluehen und seine eh schon blasse Haut war fast durchscheinend und schweissbedeckt. Ich sah zu dem Germanen: “Was hat er?” Doch verbissen und voller Sorge liessen die unglaublich blauen Augen nicht von der schwaechlichen Gestalt vor uns ab. Er verzog das Gesicht und schien ziemlich mit sich zu ringen. Dann, mit toternstem Ausdruck und durchdringender Miene durchbohrte sein Blick mich und ohne wegzusehen, legte er die kleine Hand in die meine. Er beugte sich vor, kuesste den Jungen auf die heisse Stirn und warf mir einen warnenden und doch bittenden Blick zu. Unglaublich, was diese Augen alles ausdruecken konnten. Dann war ich ploetzlich allein in der Huette. Ratlos betrachtete ich den Kranken. Erwartete er etwa, dass ich den Kleinen jetzt heilte? Noetig hatte der es schon, er schien schon ziemlich viel Kraft verloren zu haben. Wer weiss, wie lange er schon in diesem Zustand war? Ich empfand Mitleid mit ihm und wenn ich schon mal hier war, konnte ich ihn auch gleich helfen. Seufzend stand ich auf. Was fuer ein seltsamer Tag. Hoffentlich ging das mit dem Jungen gut. Ich war schliesslich auch kein Arzt. Kapitel 2: III -------------- Das Erste was ich tat, war die Bretter von den Fenstern zu nehmen und frische Luft reinzulassen. Schliesslich holte ich mir noch den kleinen Blonden zur Hilfe und liess ihn klares Wasser besorgen. Ich wusste zwar nicht genau, was dem Weisshaarigen fehlte, aber die Grundlegenden Dinge waren immer wichtig. Zum Glueck hatte ich auch, wie jeder Soldat im roemischen Reich, ein paar Heilpillen und einen Kraeutersud zum Staerken bei mir. Als ich dem Kleinen alles eingefloesst hatte, schien es ihm tatsaechlich etwas zu helfen. Der kalte Schweiss war etwas zurueckgegangen und der Gesichtsausdruck des Jungen nicht mehr ganz so leidend. Zufrieden betrachtete ich das Gesicht meines Patienten. Ploetzlich legte sich eine schmale Hand auf meine Schulter. Ich fuhr herum und griff automatisch nach meinem Schwert, was ich dummerweise aber vorher abgelegt hatte. Es war der Germane. Ich hatte ihn nicht kommen gehoert und ihn nicht wahrgenommen. Er sah besorgt auf den Kleinen und reichte mir ein Stueck Brot und etwas Fleisch. Ueberrascht blickte ich zu ihm auf. Mit Gastfreundschaft hatte ich nun wirklich nicht gerechnet. Und wenn man sich die Huette so ansah, konnte ich davon ausgehen, das sie selber nicht viel hatten. “Danke, das ist gut. Ich sterbe fast vor Hunger.” Seine blauen Augen lagen wieder auf dem Jungen und abermals hielt er seine Hand. Nun war ich es, der meine Hand auf seine Schulter legte. “ Keine Sorge, ich denk,e er wird wieder gesund.” Doch er zuckte vor meiner Beruehrung zurueck. Schulterzuckend verliess ich die Huette. Draussen war es inzwischen Abend geworgen und hinter den Baeumen zog sich ein rotes, dumpfes Band durch den Himmel. Waehrend ueber mir schon die ersten Sterne funkelten. Neugierig kam der kleine blonde Junge angelaufen. Er schien juenger als der Andere zu sein, hatte aber die beeindruckenden Haare und Augen des Germanen. Ob beide seine Kinder waren? “Alles in Ordnung, ihm geht es schon besser.” beruhigte ich ihn. “Sagst du mir wie du heisst?” Mit grossen Augen schuettelte er den Kopf und presste fest die Lippen aufeinander. “Mein Gott, kann den hier keiner reden?” Entschuldigend laechelte er mich an. “Was solls.” Versoehnend wuschelte ich ihn durch die blonen Haare. Die Angst und Scheu waren verschwunden. Kinder waren halt natuerlich und offen. Aber was viel wichtiger war: Was wuerde jetzt passieren? War dem Kranken schon genug geholfen und ich nicht mehr von Nutzen? Ich wollte mir lieber nicht vorstellen, was geschehen wuerde, wenn der Germane meine Hilfe nicht mehr brauchte. Er war zwar irgendwie anders, aber man hoerte ja einiges vom “wilden Volk”. Lieber nicht zu schnell in Sicherheit wiegen. Was konnte ich schon tun? Allein wuerde ich den Weg nie durch diesen Wald finden. Es auf gut Glueck zu versuchen war auch mein sicherer Tod. Ich hatte ja nichts ausser meiner Waffe bei mir. Weder Proviant noch Ueberlebensausruestung. Seufzend liess ich mich gegen die Holzwand der Huette sinken und setzte mich auf den Boden. Als sich der Blonde ebenfalls vor mich setzte und mir mit freudigen Augen einen runden Stein entgegenrollte, musste ich unwillkuehrlich lachen. Eine weile Spielten wir dieses simple Spiel und ich fing an, den Kleinen wirklich liebzugewinnen, als dann endlich der Germane heraustrat. Er sah uns einen Moment zu, nahm dann den Jungen auf den Arm und verschwand wieder im Haus. Ich blickte etwas verloren hinterher. Doch er hatte mich guetigerweise nicht vergessen. Als ich keine Anstaende machte ihm zu folgen, kam er zurueck und schob mich ins Innere der Huette. Die Tuer wurde verschlossen und ein Feuer in der Feuerstelle entfacht. Verwirrt stand ich mitten im Raum. Dieser Mann war mir ein Raetsel. Wie auch immer, ich war ziemlich muede und fragte mich, wo ich wohl schlafen sollte. Anscheinend auf dem Heulager, das er in der Ecke ausgebreitet hatte. Der Kleine lag bereits darauf und hatte sich zusammengerollt. Tatsaechlich machte der Germane mir Zeichen, dass dies mein Nachtlager sein sollte. Es war zwar nicht mein bequemes Bett zuhause, aber besser als im Wald auf einer Wurzel. Also liess ich mich kurzerhand ins Heu sinken. Ich nahm meine Ruestung ab und schnaubte erschoepft. Es roch gut nach Heu und die stickige Luft wurde durch Kraeuter und Fleischdaempfe ersetzt. Ich platzierte mich bequem und stellte fest, dass im Heu gar kein Platz mehr fuer ihn war. Doch anscheinend hatte er gar nicht vor zu schlafen. Er sass schon wieder vor dem weisshaarigen Jungen und tupfte ihm, mit einem nassen Stofffetzen, die Stirn ab. “Willst du nicht schlafen?” Traurig laechelnd drehte er sich um und sah mich anverbluehmt an. Diese ploetzliche Direktheit machte mich unsicher. “Dann eben nicht.” nuschelte ich und drehte mich zum Schlafen weg. Kapitel 3: IV ------------- In dieser Nacht traeumte ich das erste mal seit langer Zeit wieder. Dort waren schmale Haende die verloren und einsam in Kaelte und Dunkelheit zitterten. Vorsichtig nahm ich sie in meine eigenen, um ihnen Waerme zu geben. Doch sie waren gar nicht kalt. Ich war es, der kalt war, und sie diejenigen die mich waermten. Sanft strichen die Haende ueber meine Haut. Beruehrten Stirn, Wange und spielten mit meinem Haar. Ein wunderbares Gefuehl durchstroemte mich und ich fuehlte die Haende an meinen Lippen. Sie schmeckten suess. Ein betoerender Geschmack aus herber Waldluft, Wildblumen und Flieder. Als ich meine Lippen dankbar auf die Haende drueckte, fingen sie jedoch wieder an zu zittern und verschwanden gaenzlich. Stattdessen fingen kleine Finger an, in meine Wange zu pieken. Verwirrt schlug ich die Augen auf und blickte in das Gesicht des kleinen, blonden Jungen. Er laechelte als er sah, dass ich erwachte und rueckte etwas beiseite. Ich rappelte mich auf und fischte Heuhalme aus meinen Haaren. “Hey Kleiner, gut geschlafen?” Er nickte leicht, legte aber die Finger auf die Lippen und zeigte hinueber zum Bett. Dort lag der Germane, halb auf die Faelle gesunken und schlief. Ich ging naeher, um zu sehen, wie es meinem Patienten ging. Der Schweiss und die groesste Blaesse waren verschwunden, seine Atmung ging normal. “Hervorragend.” fluesterte ich. Nun fiel meine Aufmerksamkeit auch auf den anderen Schlafenden. In der Hand hielt er noch das nasse Stueck Stoff. Er war wohl fast die ganze Nacht aufgeblieben, bevor er vor Erschoepfung eingeschlafen war. Seine blonden Haare waren ihm ins Gesicht gefallen und breiteten sich wie eine Decke ueber die Faelle aus. Ich laechelte und fasste eine goldene Straehne, um sie durch meine Finger gleiten zu lassen. Germanen waren wirklich erstaunlich. Als ich wieder aufblickte, sah ich direkt in rote, stechende Augen. “Wer bist du?” Erschrocken fuhr ich zurueck. Der Junge hatte rote Augen, das hatte ich noch nie gesehen! “Noch mal: Wer bist du und warum ist so ein dreckiger Roemer hier?” Seine Stimme war leise zischend, aber deutlich hoerte man den Aerger raus. “Nun...aeh?” "Bruder!” Ein kleiner Blitz huschte an mir vorbei und fiel dem Rotaeugigen um den Hals. “Ich bin so froh!” “Ludwig?” “Sei bitte nicht boese, der Onkel hat dich doch gesund gemacht. Er hat ihn extra hergebracht, um dich zu retten.” Die beiden sahen mich an. Der eine dankbar, der andere abschaetzend. Ich blinzelte nur erstaunt. Warum konnte heute auf einmal jeder reden? “Wenn du reden kannst, warum hast du es gestern nicht getan?” “Weil sonst die boesen Geister Gilbert seine Kraft ausgesaugt haetten.” Meine Verwirrtheit stieg. Der Junge namens Gilbert seufzte ungeduldig: “Es ist ein Brauch bei uns. Als ich vergiftet wurde und schwere Krankheit die Folge war, war es denjenigen verboten zu sprechen, die mich lieb haben. Weil unser Volk glaubt, dass sonst boese Geister den Kranken heimsuchen.” Das ergab natuerlich schon mehr Sinn. “Aber jetzt”, der kleine Ludwig umarmte seinen Bruder erneut. “Jetzt wirst du wieder gesund! Da wird er sicherlich sehr froh sein. Er hat sich die ganze Zeit gesorgt und sich um dich gekuemmert. Und ich natuerlich auch.” Gilbert laechelte liebevoll und strich dem schlafenden Germanen sanft ueber den Kopf. “Es ist gut, dass wir ihn haben.” Ein Hustenanfall schuettelte den noch schwachen Koerper. “Ok, Schluss mit Reden und Anstrengen! Dir mag es besser gehen, aber du bist noch nicht vollstaendig gesund. Du solltest ein wenig schlafen.” Gilbert schnaubte veraechtlich, doch tat was ich ihm riet, waehrend Ludwig eifrig nickte. Ich nahm die Hand des kleinen Blonden und ging mit ihm raus. “Wir wollen die beiden doch in Ruhe schlafen lassen, nicht?” Auf Zehenspitzen tippelte er neben mir her. Draussen nahmen wir uns jeder einen Krug und er fuehrte mich zu den nahegelegenen Bach. Als unsere Kruege gefuellt waren, setzte ich mich ans Ufer und streckte meine Fuesse aus. Ludwig dicht neben mir. “Du heisst also Ludwig?” “Hmmhm.” “Und ihr seit Brueder? Das sieht man euch gar nicht an.” “Wir sind aber Brueder, ganz sicher.” Er zog die Knie an und malte Kringel und Kreise mit seinem Finger in die Erde. “Nur weil Gil diese roten Augen und weissen Haare hat. Er muss manchmal so viel aushalten, weil die anderen denken, er ist von einem boesen Geist besessen oder das Kind des Schlechten. Unser grosser Bruder ist der einzige, der uns lieb hat und uns nicht deswegen hasst.” Erstaunt sah ich ihn an. “Er ist nicht euer Vater?” “Nein, er war der Bruder unserer Mama und jetzt ist er unserer. Weil meine Mama doch tot ist.” “Oh, das tut mir leid.” Der kleine war ganz schoen klarsichtig fuer sein Alter. “Es ist nicht schlimm, ich erinnere mich kaum noch an meine Eltern. Ich bin nur sehr froh, das wir jetzt eine Familie sind und unser grosser Bruder so stark ist. Er beschuetzt uns immer wenn...-” Ertappt drehte er den Kopf weg. “Ich soll darueber nicht reden.” Mir wurde gerade einiges klar. Hatte der Germane meine Hilfe gebraucht, weil die Leute in seinem Dorf sie ihm verweigerten? Ueblicherweise hatten die Germanenstaemme doch immer Heiler und Medizinmaenner. “Ist dein Bruder ein grosser Krieger?” Stolz nickte Ludwig. “Ja, ein ganz toller. Aber er kaempft nicht fuer unseren Stamm, nur fuer uns.” Ich verwuschelte ihm die kurzen, blonden Haare und richtete mich wieder auf. “Also schoen, lass uns zurueck gehen, dein Bruder braucht dringend sauberes Wasser, damit das Gift vollkommen ausgespuehlt wird.” Ich hob den Kleinen auf und nahm ihm den schweren Krug ab. “Was hat er eigentlich gegessen, dass er sich so eine lebensgefaehrdende Vergiftung zugezogen hat?” Ich hatte immer gedacht, dass “wilde Volk” wurde sich so gut mit der Natur auskennen, das ihnen so etwas nicht passieren kann. Aber der Junge war ja auch noch ein Kind. “Gil hat nichts falsch gemacht! Das war nicht SEINE Schuld.” Die kleinen Faeuste ballten sich und wuetend starrten die blauen Augen zu Boden. “Er wurde vergiftet?” Ludwig schwieg verbissen. Ich seufzte und strich mir durch die Haare. Ach herrje, da war ich ja in ein richtiges Drama geraten. Als wir die kleine Lichtung mit der Huette erreichten, stand der Germane bereits an der Tuer und schaute uns ungeduldig entgegen. Ludwig rannte sofort zu ihm und wurde in die Arme genommen. Als ich zu ihm trat, sah er mich wieder ernst an. Nichts war auf seinem Gesicht mehr uebrig geblieben von der Friedligkeit des Schlafes. “So Germane, jetzt wo der Kleine wieder fast gesund ist, was hast du nun mit mir vor?” Ich grinste ihn herausvordernd an, doch er schnaubte nur veraechtlich. “Mein Name ist nicht Germane. Ich heisse Germania.” Seine Stimme war fest und klar. Fuer einen Moment wusste ich nicht, was ich sagen sollte. “Ich muss noch einmal ins Dorf. Heute abend werde ich dich zurueckbringen.” Damit drehte er sich um und holte einen kleinen Lederbaeutel aus der Huette. “Germania, bitte geh nicht wieder dort hin. Die Sachen passen noch ganz gut, du brauchst keine neue Kleidung fuer uns holen.” Die Stimme Gilberts war eindringlich, doch Germania liess sich nicht abbringen. “Sei nicht albern und leg dich zurueck ins Bett. Ich bin bald wieder da.” Als er herauskam und an mir vorbei ging, kam ich mir wieder so unnuetz und am falschen Platz vor. “Soll ich-” “Ich weiss, ich bin nicht in der Position um dich um noch etwas zu bitten, aber koenntest du ein Auge auf die beiden haben?” Ich nickte stumm und nahm Ludwig an die Hand, der veraengstigt neben mir stand und Germania traurig nachsah. Dieser ging wortlos. Kapitel 4: V ------------ Es war inzwischen schon laengst nicht mehr Abend. Wir hatten in der Huette schon selbststaendig ein Feuer entfacht und etwas von dem Fleisch von gestern gegessen. Seit einigen Stunden hatte es auch angefangen zu regnen. Erst war der kleine Ludwig begeistert gewesen ein Spiel nach dem anderen mit mir zu spielen. Aber seit die Dunkelheit hereingebrochen war, stand er nur noch an der Tuer und wartete auf die Rueckkehr Germanias. “Ich habe Angst, er ist so spaet.” Gilbert, der immer noch im Bett sass und ein altes schmutziges Buch las, schnaubte nur. “Er ist selber schuld.” Er drehte sich weg, doch ich wusste, dass auch er besorgt war. Seine staendigen Blicke zu Tuer und Fenster waren eindeutig. “Nun habt mal ein bisschen Vertrauen.” Ich zog Ludwig vom Eingang weg, doch dieser sah mich nur aengstlich an und blieb fest stehen. “Du hast doch selbst gesagt, dass dein grosser Bruder ein starker Krieger ist. Er ist bestimmt in Ordnung.” Gutmuetig klopfte ich ihn auf den Ruecken. “Du hast doch keine Ahnung. Du weisst gar nichts ueber uns!” Keifte Gilbert wuetend und sah mich aufgebracht aus seinen roten Augen an. “Du weisst nicht, wie es ist aussgestossen und verachtet zu leben. Jeden Tag zu hoffen, sie lassen uns in Ruhe und sich alles immer erkaempfen zu muessen. Wir alle haben unsere Familie verloren und sind fuer immer allein. Und das ist nur deine Schuld!” “Gilbert nicht!” Mit Traenen in den Augen rutschte Ludwig die Wand runter, zog sich zusammen und guckte elend. Ich verstand nicht recht. “Wieso-” “Weil ihr Roemer denkt, uns unser Land und unsere Ehre wegnehmen zu muessen. Weil meine Eltern und Grosseltern tapfere und mutige Leute waren und ihr dreckigen Roemer sie ermordet habt. Ich kann mich kaum erinnern, aber Germania hat alles mit ansehen muessen, als unser Dorf von euch ueberfallen wurde. Er war damals selbst fast noch ein Kind und Lu noch nicht mal ein halbes Jahr alt. Und dann bringt er auch noch so einen wie dich her, um mich zu heilen. Wenn ich dir nicht mein Leben verdanken wuerde, haette ich dir schon laengst meinen Dolch ins Herz-” “Gil, hoer auf!” Dicke Traenen liefen den Kleinen ueber die Wangen. “Unser Bruder will nicht das wir davon reden. Er will nicht, dass wir hassen und boese werden.” “Tss, ich weiss.” Verbissen sah der Weisshaarige auf seine Haende in seinem Schoss. Ich stand neben Ludwig, der immer noch still weinte und fuehlte mich elend. Die Anschuldigungen waren richtig. Roemer taten so etwas, wir taten so was. Aber ich war nicht laenger einverstanden damit. Deswegen war ich doch davongelaufen. Auch wenn ich jetzt voellig ohne Sinn und Grund im Leben stand. Doch ob ein Kind, mit solchem Hass auf Roemer, das verstand? Diese Wut war berechtigt und ich hatte mich auch schon gefragt, warum Germania aussgerechnet einen Roemer um Hilfe bat. Wo er doch anscheinend den meisten Grund fuer Rache hatte. “Germania hat Onkel Rom zu uns gebracht, weil er uns lieb hat und deswegen sollten wir auch auf ihn hoeren und nicht darueber reden.” “Wenn das nur so einfach waere, du Gurke, dann-” Ploetzlich sprang Ludwig auf und rannte hinaus in die Dunkelheit und den Regen. “Hey!” Eilig spurtete ich hinterher. Die klare, kuehle Nacht tat nach der dicken Luft in der Huette aeusserst gut. Kurz blickte ich mich suchend nach dem Kleinen um. Er stand, nicht weit entfernt, am Waldrand. Neben ihm Germania. Die blonden Haare klebten nass an seinem Kopf, genau wie seine Kleidung. Schwankend lehnte er an einem Baum. “Oh, verdammt!” Als ich ihn erreichte und ihm helfen wollte, stiess er sich ab und ging an mir vorbei in Richtung Huette. Im schwachen Schein, der von drinnen her leuchtete, konnte ich eine blutige Kopfverletzung und einige Kratzer im Gesicht und an den Armen erkennen. Doch das schlimmste war der grosse Blutfleck auf seinem rechten Oberschenkel. Als er wankte, wollte ich ihn stuetzen, doch er wich schwankend aus. “Fass mich nicht an!” Stattdessen kam Gilbert aus dem Haus geeilt und griff besorgt nach seiner Hand. Aengstlich umherflatternd, der besorgte Ludwig. Kapitel 5: VI ------------- Im Licht des Feuers konnte ich dann das ganze Ausmass an Verletzungen sehen. Er war ziemlich mitgenommen, doch liess sich von keinem helfen. Kopfschuettelnd setzte ich mich vor das waermede Feuer. Gilbert redete beschwoerend auf den Verletzten ein, waehrend Ludwig noch immer nervoes um ihn wuselte. “Seid still, beide!” Fuer einen Moment war es ruhig und Germania setzte sich um seine blutige Hose auszuziehen. Automatisch sah ich peinlich beruehrt weg. Er fing an seine Verletzungen zu versorgen. Doch die Stichwunde am Bein war anscheinend ziemlich tief und wollte nicht aufhoeren zu bluten. Der Blonde fluchte. Ich stand auf, griff mir einen Verband und began, ihn mit einer bestimmten Technik um den schmalen Oberschenkel zu binden. Die blauen Augen guckten zwar veraergert, aber unmuetig liess er mich tun. Es war eine seltsame Situation, wie ich so vor ihm hockte und mit leichten Fingern sein Bein abtastete. Beinah fuehlte ich mich versucht, erkundend ueber seine Haut zu streichen. Sie war so blass und weich. Doch ich konnte mich noch zurueckhalten. Das war eine ganz dumme Idee. “Wer hat dir das angetan?”, fragte ich vorsichtig ohne aufzusehen. “Das geht dich nichts an.” Mir war es eigentlich eh schon klar. Nach dem Gespraech mit den Kindern nicht schwer zu erraten. Als ich fertig war und aufstand, murmelte er etwas wie ein danke. Ich nickte und Ludwig reichte ihm ein Becher Wasser. “Morgen frueh werde ich dich zurueckbringen. Eine Nacht musst du noch hier bleiben. Du kannst wieder das Heulager benutzen.” Versoehnend laechelnd nahm er den kleinen Blonden auf seine Arme, der betruebt neben ihm stand. “Du schlaefst wieder im Bett bei Gilbert.” Ludwig laechelte und kuschelte sich brav neben seinen Bruder. Dieser hatte sich schmollen weggedreht und schaute Germania nur anklagend an, als dieser sich ueber ihn beugte und auf die Stirn kuesste. Ich selbst versuchte es mir auch bequem zu machen. Aber zum Schlafen war ich zu aufgeweckt. Also sass ich nur im weichen Heu und sah Germania an, der sich wachend vor das Lager der Kinder gesetzt hatte. Auch er sah mich ungetruebt an und in seinen Augen konnte ich Stolz und Resignation sehen. Dieser Mann war vom Schicksal gebrochen und hatte sich mit den Jungen gegen den Rest der Welt gestellt. Das beeindruckte mich. Ich wollte was sagen und oeffnete den Mund, schloss ihn aber wieder, weil ich keine Worte fand. Was ich auch sagen wuerde, es wuerde ihm nicht helfen. Letzendlich wand ich meinen Blick doch ab. “Egal wie hard dich das Schicksal schleagt, solange du an etwas glaubst, kann es dich nicht am Boden halten.” Erstaunt blickte ich zurueck in seine blauen Augen. Ich wusste nicht recht, wen er jetzt meinte, aber seine Worte ergaben Sinn. Keine Ahnung warum, aber etwas an dem Gesagten brannte sich in meine Seele. Auch mein Leben war nicht leicht. Ich dachte nicht gerne darueber nach und redete schon gar nicht darueber. Ich kam aus einem reichen Haus und hatte nie so was wie Eltern gehabt. Immer nur Erzieher. Von mir wurde erwartet, eine politisch, hohe Karriere einzunehmen und Einfluss und Ehre zu erlangen. Der Druck und die fehlende Freiheit machten mir seit jeher zuschaffen und mit meiner Volljaehrigkeit verliess ich meine Familie. Da ich nicht wusste wohin, ging ich zur Armee. Damals wie heute fragte ich mich, wonach ich streben sollte, was mich antrieb. Oft hatte ich mich aufgegeben, da mir alles so sinnlos vorkam. Aber wenn ich mir jetzt die drei so ansah, die nichts weiter wollten als leben und einander beschuetzen, schaemte ich mich so schwach gewesen zu sein. Wo leben doch so einfach zu beenden war. Etwas zu finden, wofuer sich das Kaempfen und leben lohnt, war auch ein Grund nicht und nichts aufzugeben. Dankbar laechend nickte ich Germania zu, der im immer schwaecher werdende Schein des Feuers schon fast ganz von den Schatten des Raumes verschlungen wurde. Bis sein Gesicht und diese starren, blauen Augen ganz im Schwarz versank. Noch lange gruebelte ich nach, doch umso mueder ich wurde, umso mehr drehten sich meine Gedanken um den Germanen. Bis ich irgendwann nicht mehr wusste, was ich dachte und einschlief. Kapitel 6: VII -------------- Diese Nacht war schrecklich. Dauernd erwachte ich und war voellig irritiert. In der Dunkelheit wusste ich nicht, wo ich war und von draussen drang das prasselnde Geraeusch des Regens herein. Es dauerte immer eine Weile, bis ich mich erinnerte was passiert war und versuchen konnte erneut einzuschlafen. Bis ich das naechste mal erwachte. Als dann die ersten Sonnenstrahlen durch die Fenster fielen, war ich hundemuede und ueberall stach mich das Heu. Germania war dieses mal schon wach und kuemmerte sich gerade um Ludwig und Gilbert. Anscheinend sollten sich die beiden mit einem Krug Wasser waschen, doch die Kinder schienen das nicht so recht zu wollen. Sie quietschten und lachten, Wasser spritzte und der kleine Ludwig rannte, nur in Unterkleidung, vergnuegt durch die Huette. Zu meinem verblueffen sah ich auch Germania, hinter vorgehaltender Hand, lachen. Ich starrte ihn wie gebannt an. “Onkel, willst du auch waschen?” Bevor ich mich abwenden konnte, bekam ich auch schon einen Spritzer Wasser ins Gesicht. Kichernd rannte Ludwig vor mir davon und versteckte sich hinter Germania. Dieser hatte sich zu mir gedreht und das Lachen war verschwunden.Er legte den Lappen beiseite, mit den er die Kinder saeubern wollte und kam langsam auf mich zu. Man sah ihm an, dass das Gehen wegen seiner Wunde im Oberschenkel, nicht einfach fuer ihn war. “Ich werde dich jetzt zurueckbringen.” “Sicher? Was ist mit deinem Bein, du solltest nicht-” “Ich habe dir schon mal gesagt: Das ist nicht deine Sache.” Mit zusammengekniffenen Augen sah ich ihn an und seufzte geschlagen. So ein Dickkopf. “Na schoen.” Ludwig kam mit enttaeuschtem Gesicht angerannt und nahm meine Hand. “Kann Rom denn nicht bei uns bleiben, Bruder?” “Nein, unmoeglich. Wir erregen auch ohne Roemer in unserem Haus schon genug Aufmerksamkeit.” Betruebt liess der Kleine den Kopf sinken, meine Hand hielt er noch immer fest umschlossen. Ich hockte mich laechelnd neben ihn und kniff ihm sanft in die Wange. “Zieh nicht so ein Gesicht, sonst verschwindet dein suesses Laecheln. Ich bin sicher du, wirst einmal ein starker, toller Mann. Also beschuetz Germania und deinen Bruder, ok? Nicht aufgeben.” Laechelnd haengte ich ihm meine Kette mit einem eisernem Baumanhaenger um. “Also vergiss es nicht.” Mit grossen Augen wuchs ein breites Grinsen in seinem Gesicht. Ein letztes Mal sah ich zu Gilbert, der mir leicht zunickte, dann folgte ich Germania, der draussen bereits wartete. Als ich aus der Huette trat, schien die Sonne warm vom Himmel. Kein Anzeichen mehr von den Regenwolken der Nacht. “Komm.” Die Lichtung ein letztes mal betrachtend, folgte ich ihm in den Wald. “Onkel Rom! Wenn ich gross bin, werde ich ein guter Medizinmann und heile Leute, die in Gefahr sind. Genau wie du es getan hast. Und dann sehen wir uns bestimmt wieder. Da bin ich ganz sicher." Wild winkte er und huepfte vor der Huette auf und ab. Ich hob die Hand und grinste zurueck. Der kleine war mir wirklich ins Herz gewachsen. Seine ehrliche, liebe Seele wuerde viele Menschen gluecklich machen. Ich hoffte aufrichtig eines Tages sehen zu duerfen, was fuer ein Mensch er geworden war. Germania legte, trotz Behinderung, ein zackiges Tempo vor. Still liefen wir nebeneinander her. Der Boden war nass und es roch nach feuchter Erde. “In der Naehe ist ein Dorf, dort werde ich dich hinbringen. Dann-” Er strauchelte und knickte mit den verletzten Bein ein. Der rutschige Untergrund half ihm auch nicht wirklich das Unglueck zu vermeiden. Schnell griff ich ein. Mit den Armen konnte ich nur noch unter die seinen greifen und ihn stuetzend auffangen. Ehe ich mich versah, lag er an meiner Brust, meine Arme um ihn geschlungen. Das schien ihn ueberrascht zu haben. Fuer einen Moment hing er an mir und war perplex. Doch ehe ich was sagen konnte, wich er zurueck und sah mich erschrocken an. “Alles klar?” Der Ausdruck in seinen Augen machte mich stutzig. “J-ja...Ja alles ok.” Eilig setzte er seine Schritte fort. Ich wusste ja nicht, was fuer ihn “in der Naehe” war, aber nach einer gefuehlten Ewigkeit erreichten wir tatsaechlich den Waldrand. In der Ferne konnte man die ersten kleinen Daecher der Haeuser sehen. Erleichtert betrachtete ich den schmalen Trampelpfad, der zu meinem ruhigen Leben fuehren wuerde und tat ein paar Schritte in Richtung Zivilisation. “Rom!” Erstaunt blickte ich zurueck. Germania sah mich mit seinen stolzen, ernsten Augen an und griff mit der Hand unter sein Hemd. “Ich haette nie gedacht, dass ich das mal zu einem Roemer sagen wuerde, aber ich muss dir danken.” Er holte eine Kette mit einem ovalen, blau glaenzenden Stein hervor, trat an mich heran und haengte sie mir um. “Es ist ein Gluecksbringer. Er symbolisiert den Weg, den wir zu gehen haben und unser eigenes starkes Herz. Das hat mein Vater jedenfalls gesagt.” Ehrfuerchtig betrachtete ich das Geschenk. “Aber wenn du das von deinem Vater hast, dann kann ich es nicht annehmen, du solltest-” Er legte die Hand flach auf meine Brust und den Anhaenger. “Ich brauche ihn nicht mehr und du hast deine Kette Lu geschenkt, nicht wahr. Du bist anders als die Menschen, die uns verabscheuen, nimm es als Dank.” “Warum hasst du die Roemer nicht? Warum hasst du mich nicht? Ludwig hat mir von eurer Familie und der Vergangenheit erzaehlt. Du haettest jeden Grund zur Rache.” Aufrichtig und unbekuemmert kam die Antwort von ihm: “Weil ich mich um Gilbert und Ludwig kuemmern muss. Da bleibt keine Zeit und kein Platz fuer Hass.” Ich konnte nicht anders als ihn anzustarren. “Ich bin froh, dass ich dich nicht sterben lassen habe. Wir werden uns nie wieder sehen.” Dann drehte er sich um und verschwand ohne Abschied im Wald. Kapitel 7: VIII --------------- Versonnen schlenderte ich den Kiesweg entlang und oeffnete das quietschende Tor. Irgendwann, wenn ich mal Zeit hatte, sollte ich es fuer Marta reparieren. Die alte Frau hatte ja sonst keine Erwartungen fuer mich. Und das, obwohl ich schon seit fast einem Jahr bei ihr wohnen durfte. Da war es natuerlich selbstverstaendlich ihr ab und zu die harte Arbeit abzunehmen. Es war zwar keine endgueltige Loesung fuer mich und ich wollte nicht fuer immer hier bleiben, aber ich durfte natuerlich keinen schlechten Eindruck hinterlassen. Allein um meine Ehre als Roemer in diesem fremden Land zu erhalten. Ich war immer noch in diesem kleinen Dorf, in das mich Germania vor vielen Monaten gebracht hatte. Keine Ahnung was, aber etwas hielt mich davon ab den Waldrand und das Dorf zu verlassen. Langsam beschritt ich den Pfad, der sich immer weiter von den Haeusern entfernte. Fast jeden Tag kam ich hier her. Hier, wo die Baeume begannen und man die Wildnis betrat, verbrachte ich viele Stunden. Ich wusste nicht genau, was ich erwartere oder hoffte. Vielleicht, dass Germania eines Tages wieder hier auftauchen wueder. Nachdenklich lehnte ich mich an einen Baum und fasste unter mein Hemd, wo seit jenem Tag der blaue Stein um meinen Hals hing. Was wuerde ich tun, wenn ich ihn sehen wuerde? Auf ihn zulaufen und ihn froehlich begruessen? Er hatte mich doch sicherlich schon laengst vergessen und wuerde mich als sein Feind umbringen. Ausserdem hatte er selbst gesagt, dass wir uns nie wiedersehenn wuerden. Also warum konnte ich mich nicht damit abfinden? Ich hatte die Drei nur fuer ein paar Tage gekannt, musste aber dauernd an sie und ihr Schicksal denken. Ob der kleine Ludwig wohl wirklich ein Arzt werden wuerde? Ich laechelte bei den Gedanken seines aufgeweckten Abschiedes. Ich konnte es kaum erwarten, sie wiederzusehen. “Von wegen.” Nuschelte ich leise vor mich her. Auch wenn ich ewig hier warten wueder, er kam doch nicht zurueck. Und allein zu der Huette im tiefen Wald, fand ich auch nicht. Das hatte ich schon mehrmals versucht und hatte mich jedesmal klaeglich verlaufen. Es ging wohl nicht anders, ich musste es akzeptieren. Seufzend machte ich mich auf den Weg zurueck. Heute hatte ich nicht die Ausdauer Stunden zu bleiben. Vielleicht sollte ich doch endlich daran denken fort zu gehen und das alles hinter mir zu lassen. Die Luft war warm und trocken. Ich bekam Durst. Ein Nickerchen in Martas Garten wuerde mir jetzt gut tun. Die Strasse, auf der ich lief , wurde hier breiter und war Muendung von noch anderen Wegen, die ins Dorf fuehrten. So konnte ich schon von weitem die glaenzenden Gestalten, mit den auffaelligen Helmen und verziehrten Ruestungen erkennen. Helm und Ruestung, wie ich sie in der Ecke von meinem Zimmer in Martas Haus zu stehen hatte. “Verdammt, Roemer!” All die Tage war ich immer umsonst vorsichtig gewesen. Nie hatte sich einer der alten Bekannten blicken lassen. Meine Sorge, wegen Verrates und eigenstaendigen Verlassens der Armee, bestraft zu werden, war stets umsonst gewesen. Und ausgerechnet heute tauchten sie auf. Moeglichst unauffaellig zwang ich mich ruhig zu bleiben und begab mich auf den kuerzesten Weg zu Martas Haus. Die Roemer kamen schnell naeher und ich musste bangen noch vor ihnen am Tor anzukommen. Fast genau dort, wo ich reinmusste, trafen sich naehmlich die beiden Wege, auf denen wir liefen. Zum Glueck war ich schneller und kehrte ihnen, ohne aufzublicken, den Ruecken zu. Gerade wollte ich die Gartenpforte schliessen, als mich ihr wuetendes Gezehter innehalten liess. “Du verdammter Wilder.” “Halt ihn besser fest, sonst beisst er dich wieder.” “Wenn dieser dreckige Germane noch mal aufsaessig wird, schlage ich ihm die Arme ab. Er wird doch eh hingerichtet. Ob nun mit oder ohne Arme.” Grobes Lachen. Mir lief es kalt den Ruecken herunter. Germane? Meine Hand ruhte noch immer auf dem Tor, nicht in der Lage sich zu bewegen. Die Soldaten waren jetzt nur noch ein paar Meter entfernt. “Wenn ich daran denke, dass dieser Bursche die Anderen und den Hauptmann umgebracht hat, wuergt es mich.” “Es war aber schon lustig, wie der diese Brut von Ratten-” Ein spitzer Schrei, gefolgt von einem dumpfen Schlag. “Scheisse, jetzt reicht es!” Wie vom Blitz getroffen fuhr ich herum. Sechs Roemer standen ueber einer schmalen Gestalt, die kraftlos am Boden lag. Langes goldenes Haar versperrte mir die Sicht auf das Gesicht des Germanen. Dieser versuchte aufzustehen, doch der eine Roemer trat ihn heftig in den Magen und erhob sein Schwert zum Schlag. Ich hatte ein mulmiges Gefuehl. Da erhob der Blonde den Kopf und ich konnte in seine blauen Augen sehen. Mir wurde uebel. Ohne lange zu zoegern sprintete ich los. Bevor der Roemer auch nur reagieren konnte, war ich an seiner Seite, schlug ihn mit einer Hand das Schwert weg und mit der anderen fest in sein Gesicht. Ueberrascht von dem Angriff stuerzte er zu Boden. Sofort wichen die anderen beiseite. Ich kniete neben dem immer noch am Boden liegenden und hob ihn vorsichtig auf. “Germania!” Mit scheuen und erstaunten Augen sah er mich an. Doch uns blieb keine Zeit. “Rom?” Einer der Soldaten betrachtete mich musternd. “Heiliger Dreck, du lebst. Du bist also doch ein verdammter, schwaechlicher Fluechtling.” Ein dreckiges Grinsen huschte ueber sein Gesicht. “Das heisst es wird heute Abend zwei Bestrafungen geben.” Fluchend stellte ich fest, dass ich diese Kerle wirklich aus Armeetagen kannte. “Verdammt!” Schnell zog ich Germania hoch, fasste seine Hand und rannte den Weg, den ich gekommen war, zurueck. Kapitel 8: VIII --------------- Versonnen schlenderte ich den Kiesweg entlang und oeffnete das quietschende Tor. Irgendwann, wenn ich mal Zeit hatte, sollte ich es fuer Marta reparieren. Die alte Frau hatte ja sonst keine Erwartungen fuer mich. Und das, obwohl ich schon seit fast einem Jahr bei ihr wohnen durfte. Da war es natuerlich selbstverstaendlich ihr ab und zu die harte Arbeit abzunehmen. Es war zwar keine endgueltige Loesung fuer mich und ich wollte nicht fuer immer hier bleiben, aber ich durfte natuerlich keinen schlechten Eindruck hinterlassen. Allein um meine Ehre als Roemer in diesem fremden Land zu erhalten. Ich war immer noch in diesem kleinen Dorf, in das mich Germania vor vielen Monaten gebracht hatte. Keine Ahnung was, aber etwas hielt mich davon ab den Waldrand und das Dorf zu verlassen. Langsam beschritt ich den Pfad, der sich immer weiter von den Haeusern entfernte. Fast jeden Tag kam ich hier her. Hier, wo die Baeume begannen und man die Wildnis betrat, verbrachte ich viele Stunden. Ich wusste nicht genau, was ich erwartere oder hoffte. Vielleicht, dass Germania eines Tages wieder hier auftauchen wueder. Nachdenklich lehnte ich mich an einen Baum und fasste unter mein Hemd, wo seit jenem Tag der blaue Stein um meinen Hals hing. Was wuerde ich tun, wenn ich ihn sehen wuerde? Auf ihn zulaufen und ihn froehlich begruessen? Er hatte mich doch sicherlich schon laengst vergessen und wuerde mich als sein Feind umbringen. Ausserdem hatte er selbst gesagt, dass wir uns nie wiedersehenn wuerden. Also warum konnte ich mich nicht damit abfinden? Ich hatte die Drei nur fuer ein paar Tage gekannt, musste aber dauernd an sie und ihr Schicksal denken. Ob der kleine Ludwig wohl wirklich ein Arzt werden wuerde? Ich laechelte bei den Gedanken seines aufgeweckten Abschiedes. Ich konnte es kaum erwarten, sie wiederzusehen. “Von wegen.” Nuschelte ich leise vor mich her. Auch wenn ich ewig hier warten wueder, er kam doch nicht zurueck. Und allein zu der Huette im tiefen Wald, fand ich auch nicht. Das hatte ich schon mehrmals versucht und hatte mich jedesmal klaeglich verlaufen. Es ging wohl nicht anders, ich musste es akzeptieren. Seufzend machte ich mich auf den Weg zurueck. Heute hatte ich nicht die Ausdauer Stunden zu bleiben. Vielleicht sollte ich doch endlich daran denken fort zu gehen und das alles hinter mir zu lassen. Die Luft war warm und trocken. Ich bekam Durst. Ein Nickerchen in Martas Garten wuerde mir jetzt gut tun. Die Strasse, auf der ich lief , wurde hier breiter und war Muendung von noch anderen Wegen, die ins Dorf fuehrten. So konnte ich schon von weitem die glaenzenden Gestalten, mit den auffaelligen Helmen und verziehrten Ruestungen erkennen. Helm und Ruestung, wie ich sie in der Ecke von meinem Zimmer in Martas Haus zu stehen hatte. “Verdammt, Roemer!” All die Tage war ich immer umsonst vorsichtig gewesen. Nie hatte sich einer der alten Bekannten blicken lassen. Meine Sorge, wegen Verrates und eigenstaendigen Verlassens der Armee, bestraft zu werden, war stets umsonst gewesen. Und ausgerechnet heute tauchten sie auf. Moeglichst unauffaellig zwang ich mich ruhig zu bleiben und begab mich auf den kuerzesten Weg zu Martas Haus. Die Roemer kamen schnell naeher und ich musste bangen noch vor ihnen am Tor anzukommen. Fast genau dort, wo ich reinmusste, trafen sich naehmlich die beiden Wege, auf denen wir liefen. Zum Glueck war ich schneller und kehrte ihnen, ohne aufzublicken, den Ruecken zu. Gerade wollte ich die Gartenpforte schliessen, als mich ihr wuetendes Gezehter innehalten liess. “Du verdammter Wilder.” “Halt ihn besser fest, sonst beisst er dich wieder.” “Wenn dieser dreckige Germane noch mal aufsaessig wird, schlage ich ihm die Arme ab. Er wird doch eh hingerichtet. Ob nun mit oder ohne Arme.” Grobes Lachen. Mir lief es kalt den Ruecken herunter. Germane? Meine Hand ruhte noch immer auf dem Tor, nicht in der Lage sich zu bewegen. Die Soldaten waren jetzt nur noch ein paar Meter entfernt. “Wenn ich daran denke, dass dieser Bursche die Anderen und den Hauptmann umgebracht hat, wuergt es mich.” “Es war aber schon lustig, wie der diese Brut von Ratten-” Ein spitzer Schrei, gefolgt von einem dumpfen Schlag. “Scheisse, jetzt reicht es!” Wie vom Blitz getroffen fuhr ich herum. Sechs Roemer standen ueber einer schmalen Gestalt, die kraftlos am Boden lag. Langes goldenes Haar versperrte mir die Sicht auf das Gesicht des Germanen. Dieser versuchte aufzustehen, doch der eine Roemer trat ihn heftig in den Magen und erhob sein Schwert zum Schlag. Ich hatte ein mulmiges Gefuehl. Da erhob der Blonde den Kopf und ich konnte in seine blauen Augen sehen. Mir wurde uebel. Ohne lange zu zoegern sprintete ich los. Bevor der Roemer auch nur reagieren konnte, war ich an seiner Seite, schlug ihn mit einer Hand das Schwert weg und mit der anderen fest in sein Gesicht. Ueberrascht von dem Angriff stuerzte er zu Boden. Sofort wichen die anderen beiseite. Ich kniete neben dem immer noch am Boden liegenden und hob ihn vorsichtig auf. “Germania!” Mit scheuen und erstaunten Augen sah er mich an. Doch uns blieb keine Zeit. “Rom?” Einer der Soldaten betrachtete mich musternd. “Heiliger Dreck, du lebst. Du bist also doch ein verdammter, schwaechlicher Fluechtling.” Ein dreckiges Grinsen huschte ueber sein Gesicht. “Das heisst es wird heute Abend zwei Bestrafungen geben.” Fluchend stellte ich fest, dass ich diese Kerle wirklich aus Armeetagen kannte. “Verdammt!” Schnell zog ich Germania hoch, fasste seine Hand und rannte den Weg, den ich gekommen war, zurueck. Kapitel 9: IX ------------- Einen der Idioten konnte ich noch mit einem kraeftigen Schlag ausschalten. Das gab mir wenigstens ein wenig Zeit und Vorsprung in Richtung Wald zu fliehen. Ich rannte schnell und zog den Germanen hinter mir her. Er sah nicht gut aus und liess sich ganz schoen ziehen. Als wir die ersten Baeume erreichten, schlug ich Haken und lief quer durchs Gestruepp. So, hoffte ich, konnten uns die Verfolger nicht erreichen und wuerden bald unsere Spur verlieren. Es war ein unpassender Moment, doch irgendwie erinnerte mich das ganze an etwas. Es war wie damals vor einem Jahr. Nur dass ich dieses mal derjenige war, der rannte. Und seine Hand war nicht mehr warm, sondern erschreckend kuehl. Erst als ich gewiss war in Sicherheit zu sein, hielt ich an. Lachend lehnte ich mich an einen Baum. “Oh man, so viel Adrealin hatte ich schon lange nicht mehr. Hey Ger-” Abrupt stockte ich. Germania stand immer noch wie versteinert vor mir und sah mich unglaeubig an. “Was ist, was hast du?” Ich streckte meine Hand nach ihm aus und wurde wie damals schon abgewiesen. Kopfschuettelnd stolperte er ein paar Schritte rueckwaerts. “Nein... Wieso hast du sie aufgehalten?” “Was?” “Wieso hast du dich eingemischt?” Seine Haende zitterten. Das Bild kam mir irgendwie bekannt vor. “Die wollten dich umbringen, das waere ohne mich dein... Du wolltest dich toeten lassen!?” Mit verzogenem Gesicht drehte er den Kopf weg. Ich konnte es nicht fassen. Aber ein Blick in seine Augen bestaetigten es. Der Stolz in ihnen war verschwunden und Leere und Schmerz spiegelte sich nun darin. “Du hast ein paar Roemer getoetet und wurdest gefangen genommen. Das ist doch noch lange kein Grund aufzugeben. Denk doch an Ludwig und Gilbert! Was sollen sie denn ohne dich machen? Du kannst sie doch nicht allein la-” “Aber das tue ich doch! Ich denk doch an sie. Nur noch an sie.” Er sah mich anklagend an. In seiner Miene Trauer und Entsetzen. So stark, dass ich es nun war, der zurueckwich. Doch Germania packte meine Schulter und schuettelte sie schwach. Die blauen Augen weit aufgerissen und was mich am meisten ueberraschte: nass vor Traenen. “Was soll ich denn tun, es macht doch alles keinen Sinn mehr!” Er schrie und die Traenen liefen ihm jetzt ueber die bleichen Wangen. Nun bebten auch seine Lippen. “Sie haben Ludwig und Gilbert ermordet...” Mein Atem stockte fuer einen Moment. “Nein.” Leise hauchte ich diese Worte, wie um die Nachricht abzuwehren, die Realitaet zu verleugnen. “Sie haben sie umgebracht! Vor ein paar Tagen standen sie einfach vor der Huette. Und waehrend ich gegen sie kaempfte...” Seine Stimme versagte. Er liess den Kopf sinken und die blassen Haende rutschten von meinen Schultern auf meine Brust, wo sie sich haltsuchend festkrallten. Noch einen Schritt kam er naeher, bevor auch sein Kopf kraftlos gegen mich sackte. Unsicher und selbst von einer seltsamen Taubheit ergriffen, legte ich meine Arme um ihn und hielt ihn beschuetzend. Schluchzer schuettelten seinen Koerper und leise weinte er an meiner Brust. Ein schwacher Geruch von herber Waldluft, Wildblumen und Flieder stieg mir in die Nase. Und fuer einen Augenblick fragte ich mich, woher ich ihn kannte. Ich fuehlte mich elend. Dieses stolze Geschoepf so gebrochen zu sehen und zu wissen, dass man ihm alles genommen hatte. Ich konnte es immer noch nicht glauben. Ludwig, Gilbert! Vor meinem inneren Auge sah ich Gilbert versunken sein Buch lesen und den kleinen Blonden froehlig lachend und nur in Unterkleidung durch die Huette rennen. Er hatte doch versprochen Arzt zu werden. Das wollte er mir doch eines Tages zeigen. Warum mussten diese Traeume umsonst gewesen sein? Auch mir stiegen langsam Traenen in die Augen. Fest drueckte ich den Weinenden an mich. Dieses Leben war schmerzhaft. Kapitel 10: X ------------- Irgendwann hatte sich Germania wieder einigermassen beruhigt und schob sich beschaemt von mir. Er war noch immer aufgeloest und so fasste ich ihn am Arm und half ihm sich auf den Boden zu setzen. Sofort zog er die Knie an, legte die Arme darauf und versenkte den Kopf darin. Eine Geste, die ich oft bei Ludwig beobachtet hatte. Ich setzte mich neben ihn und besah betruebt die nun ploetzlich so verletzlich wirkende Gestalt. Tief durchatmend fasste ich mir ein Herz. “Ich lass nicht zu, dass du stirbst.” Entschlossen blickte ich zum Himmel auf, der blau durch die Baeume ueber uns leuchtete. “Ich weiss, dass muss jetzt komisch fuer dich klingen, aber damals hast du mich wirklich gerettet. Nicht nur auf dem Schlachtfeld vor dem Pfeil, sondern vor meiner eigenen Leere in mir. Ich hatte keinen Platz und sah keinen Grund fuer ein Leben in dieser grausamen Welt. Die Worte, die du mir an diesem einen Abend sagtest, haben mich aufgeruettelt und mir einiges klar gemacht.” Wie ganz beilaeufig erzaehlte ich ihm dies und laechelte ihn ehrlich an. “Nun kann, nun will ich nicht sehen, wie du deinen eigenen Worten untreu wirst und dich selbst aufgibst.” “Aber sie sind fort! Der einzige Grund, warum ich lebte, warum ich gegen all das kaempfte, was uns angetan wurde, wurde mir genommen.” Noch immer durchlief ein Beben seine schwache Stimme. “Dann fordere ich dich hier mit auf einen neuen Grund zu finden. Fuer die beiden. Wenn sie ihr Leben schon nicht leben durften, musst du es wenigstens fuer sie tun.” Er schniefte und wischte sich mit dem Arm ueber die Augen. Duenne Wangen und dicke schwarze Augenringe liessen mich fragen, wie lange es wohl schon her war, seit die Kleinen ermordet wurden. Hatte er seit dem ueberhaupt etwas gegessen oder geschlafen? “Komm”, Wieder fasste ich seinen Arm und zog ihn hoch. “Ich bringe dich erst einmal an einen sicheren Ort, wo du dich ausruhen kannst.” Widerstandslos trottete er hinter mir her. Zum Glueck fand ich den Weg zurueck. Von den Roemern war nichts mehr zu sehen. Es war schon seltsam, wie ich mich selbst nicht mehr als Roemer sah. Aber mit diesen Menschen wollte ich nicht mehr in einen Topf geworfen werden. “Leg deinen Mantel so ueber deinen Kopf, dass man dein Gesicht und deine hellen Haare nicht mehr sieht.” Sicher war sicher. Wie zwei Gauner schlichen wir durch das Dorf und behutsam fuehrte ich ihn zu Martas Haus. Nach dreimaligen anklopfen, oeffnete die aeltere Frau auch verwundert. “Rom? Warum klopfst du denn an?” Wortlos legte ich die Finger an die Lippen und draengte ins Haus. “Marta, meine Gute, ich weiss, ich habe dir schon genug Schwierigkeiten beschehrt, aber ich muss dich noch einmal um etwas bitten.” Sacht streifte ich Germanias Mantel ab. “Oh, wen hast du denn da mitgebracht, mein Lieber?” Besorgt legte sie die faltigen Haende auf die Wange des Blonden. Dieser schaute sie nur seltsam an. “Du bist ja ganz ausgemergelt. Warte, ich mach dir was zu essen, Schaetzchen.” Laechelnd beobachtete ich, wie sich die gute, alte Marta sofort wie eine Glucke um Germania kuemmerte und den Armen mit Fuersorge foermlich ueberrannte. Sie brachte ihn nicht nur dazu ein wenig zu essen und neue saubere Kleidung anzuziehen, sondern auch hier zu bleiben und etwas zu schlafen. Ohne auf mich zu achten, quartierte sie ihn einfach bei mir im Zimmer ein. So sassen wir dann spaeter beide auf meinem grossen Bett mit den groben Laken. Die Nacht war schwuel und hell. Die Sterne schienen heute besonders hell. Ruecken an Ruecken hockten wir auf der Matratze, schon seit einer Weile in Schweigen gehuellt. Inzwischen sah er schon wesentlich besser aus, aber seine Augen waren noch immer trueb. “Was willst du jetzt tun?” Die schmalen Schultern zuckten bloss. “Wir muessen auf jedenfall von hier weg. Die Typen werden sich sicherlich nicht lange beirren lassen und bald alles im Dorf nach uns durchsuchen. Ich will Marta nicht noch mehr Schwierigkeiten verursachen.” “Wir?” Mit hochgezogenen Augenbrauen drehte sich Germania zu mir um. Auch ich wandt mich ihm zu, so dass wir uns endlich ansahen. “Natuerlich! Denkst du, ich lasse dich in deinem Zustand allein rumlaufen? Ausserdem wird es fuer mich auch endlich Zeit zu gehen. Ich bin schon viel zu lange hier.” Verstohlen blickte ich zu ihm, als koennte er herausfinden, warum ich “schon viel zu lange” hier war. “Aber”, verwirrt schuettelte er den Kopf. “Warum tust du das alles fuer mich?” Zoegerlich fuhr ich mit der Hand durch mein Haar. Ich glaube ich war noch nicht bereit mit ihm darueber zu reden. Ich wusste es selbst nicht genau. “Aehm...das ist nicht deine Sache!” Ernst nickte ich, brach dann aber in lachen aus. Es war zu verrueuckt, das alles erinnerte mich zu sehr an damals. Das waren genau seine Worte gewesen. Nur dass er es war, der nun verwirrt blinzelte. “Du solltest jetzt schlafen, sonst brichst du mir noch zusammen.” In Wahrheit war ich derjenige der muede war. Auch wenn ich jetzt kein Bett mehr hatte, der Schaukelstuhl wuerde es auch tun. Ein Gaehnen unterdrueckend erhob ich mich und ging zu meiner Kleiderkiste, um meine Sachen zu wechseln. Ich zog mein Hemd ueber den Kopf und legte es ueber die Lehne des Schaukelstuhls. Neben mir stand ploetzlich Germania und beruehrte mit grossen Augen den Anhaenger um meinen Hals. “Du hast ihn noch immer?” “N-natuerlich.” Bei der versehendlichen Beruehrung seiner kalten Finger auf meiner Haut zuckte ich zusammen. Er sah gebannt auf die Kette und fasste sich, wieder so verletzlich wirkend, an die eigene Brust. Er zog mit zitternden Fingern einen kleinen Beutel unter dem Hemd vor, den er um den Hals trug. Eine silberne Kette kam zum vorschein, als er den Baeutel oeffnete. Er legte sie mir in die Haende. Es war meine Kette. Der silberne Baum, den ich einst Ludwig gegeben hatte. Auf dem glaenzenden Metall klebte eine braune Schicht, die sich fast ueber den ganzen Anhaenger erstreckte. Getrocknetes Blut, Ludwigs Blut, wie ich vermutete. Ich froestelte. “Er hatte sie doch von dir, nicht wahr.” Ich befeuchtete meinen Finger und fuhr ueber die Oberflaeche. Das Blut verwischte langsam und verschwand. “Weisst du, was ich damals zu Ludwig sagte, gilt auch fuer dich. Lachen steht dir besser als diese Traurigkeit. Und ich bin mir sicher, dass das Leben noch viel fuer dich bereithaelt.” Laechelnd haengte ich ihm die saubere Kette um. “Behalte sie als Andenken an die beiden.” Still nickte er und umschloss das Geschenk mit beiden Haenden. Ohne es loszulassen trat er zurueck und legte sich ins Bett. Er musste ebenfalls sehr erschoepft sein. Kurz nachdem er sein Kopf auf das Kissen gebettet hatte, schien er auch schon einzuschlafen. Ich loeschte die Kerze und setzte mich auf den Schaukelstuhl. In der Dunkelheit konnte ich schemenhaft Germanias Gestalt auf dem Bett erkennen. Ich schloss die Augen und versuchte meine Gedanken zu beruhigen. War ich nun froh, dass er wieder da war oder erschuettert ueber das Geschehene? Das war alles verdammt verwirrend. Kapitel 11: XI -------------- Herbe Waldluft, Wildblumen und Flieder, strichen betoerend um meine Nase. Es schien direkt vor mir auszustroehmen und war genau das Richtige um meine Sinne zum Kribbeln zu bringen. Irgendwo hatte ich es auch schon mal gerochen. Aber wo? Was war das nur? Ich war ganz sicher es zu kennen. Egal was es war, es fuehlte sich unglaublich gut an. Ich wollte mehr davon. Ich oeffnete meine Augen und sah den weinenden Germania in meinen Armen. Es durchfuhr mich wie ein Blitz. Daher kannte ich es, jetzt fiel es mir wieder ein. Es war sein Geruch und ich vernahm ihn auch nicht zum ersten Mal. Ich hatte schon einmal so einen Traum. Jedoch waren damals nur diese Haende gewesen, waehrend ich jetzt den ganzen Germania in den Armen hielt. Ach du lieber Himmel, es war sein Geruch der mich so umgarnte? Wie konnte das sein, ich- Bevor ich mir weiter Gedanken um diese Tatsache machen konnte, blickte der Blonde ploetzlich flehend und traenenueberschwemmt zu mir auf. Blut sickerte aus seinem Mund und die nassen Spuren auf seinen Wangen faerbten sich ebenfalls rot. Erschrocken sprang ich auf...und fiel schmerzhaft vom Schaukelstuhl. Die Kufen schwangen vor und zurueck und jedesmal stiess das Holz gegen meinen Hinterkopf. Meine Glieder waren steif und schmerzten. Was fuer ein Traum. Stoehnend rieb ich meinen Ruecken. Das naechste Mal wuerde ich nicht in diesem Stuhl schlafen. Sollte Germania sich halt ein Bett mit mir teilen. Schmollend warf ich einen verstohlenen Blick zu den Schlafenden in meinem Bett. Er hatte sich zusammengerollt und sein Leib schuetzend mit den Armen umschlungen. “Ach verdammt.” Er sah so schutzbeduerftig und hilflos aus. Waere ich eine Frau wie Marta, haette ich gesagt, dass in mir gerade regelrecht Mutter und Beschuetzerinstinkte erwachten. Ich trat naeher ans Bett und liess eine goldene Straehne seines Haares durch meine Finger gleiten. Ich mochte dieses Gefuehl. Es hatte sich in dem Jahr nicht veraendert. Er war noch immer so schoe- Unruhig drehte Germania sich im Schlaf, wobei ihm die Decke vom Bett rutschte. Eilig machte ich, dass ich aus diesem Raum kam. Ein paar Minuten spaeter sass ich in Martas Kueche und ass ihr herrliches, selbstgebackenes Brot.”Du siehst heute morgen nicht gut aus, mein Lieber. Hast du schlecht geschlafen?” Ironisch schnaubte ich auf. “Kann man wohl so sagen.” Sie stellte mir eine Tasse warmer Milch mit Honig hin. “Wie geht es deinem Freund?” “Ich denke besser.” Stilles nicken. Geschaeftig setzte sie ihre Arbeit fort und schaelte Kartoffeln. Geniessend trank ich die warme, guttuende Milch. “Vergiss nicht genug Kleidung und Essen mitzunehmen, wenn ich geht. Ich habe euch im Stall einen Beutel mich Sachen vorbereitet.” “Marta?” Sie drehte sich zu mir um und laechelte traurig. “Ich mag zwar eine alte Frau sein, aber ich habe in meinem Leben genug erlebt um zu erkennen wenn Menschen aufbrechen.” Ich seufzte wieder. “Marta, es-” “Ist schon gut, Schaetzchen. Du sagtest doch von anfang an, dass du nur eine Weile bleiben kannst. Ich bin froh das es doch so lange geworden ist. Das Haus wird schrecklich still sein, wenn du fort bist.” Fest zog ich die alte Dame in eine Umarmung. “Danke Marta, fuer alles.” “Ach herrje, nicht so fest Rom. Denk an meine alten Knochen.” Ihre Waerme und Froehligkeit, schmolzen die Kaelte ein wenig, die mein Inneres seit gestern ausfuellte. “Rom!” Germania stand, gegen den Tuerrahmen gesunken und heftig zitternd, ploetzlich im Raum. Er atmete schwer und rutschte am Holz zu Boden. Marta und ich waren sofort bei ihm. “Ich hole ein Glas Wasser.” Aufgeregt huschte die alte Dame davon. Ich legte beruhigend meinen Arm um ihn uns strich mit der Hand ueber seinen Ruecken. “Verzeih.” “Soll Marta den Dorfarzt nach etwas fuer dich fragen?” “Nein, es war nur ein Traum, mir fehlt nichts.” Abwehrend erhob er sich, jedoch immer noch am Tuerrahmen und von mir gestuetzt. “Nur ein Traum?” “Das ist nicht deine Sa-...Tschuldige.” Ich verfrachtete ihn auf einen Stuhl am Tisch und gab ihn meine restliche Milch. Zoegerlich trank er das inzwischen nur noch lauwarme Getraenk. “Ich moechte nicht darueber reden.” Ich laechelte schwach. Immerhin wies er mich nicht mehr so grob zurueck, Inzwischen kam auch Marta wieder und auch das Wasser trank er wiederstandslos. “Also ihr beiden, was habt ihr nun vor? Denkst du er wird es in seinem Zustand schaffen zu reisen? Wo wollt ihr ueberhaupt hin?” Ueberfordert schaute ich zu Germania, doch dieser blickte nur abwesend in sein Glas. “Ich denke”, gruebelnd spielte ich mit den Kruemeln auf der Tischplatte. “Also vielleicht gehen wir erstmal zurueck zu Germanias Dorf und-” “Nein!” Wasser schwappte ueber und lief ueber seinen Arm. “Diesen Ort werde ich nie wieder betreten, nicht mal in die Naehe.” “Wenn ihr nicht wisst was ihr wollt, dann haette ich eventuell eine voruebergehende Bleibe fuer euch.” “Marta, du kannst nicht noch mehr fuer uns tun. Du hast schon zu viel riskiert.” “Ach sei still Rom. Lass mich wenigstens das noch fuer euch tun.” Geschlagen zuckte ich mit den Schultern. “Meine Schwester wohnt nicht weit von hier, etwas abgelegen in ihrem Dorf. Das sollte gut sein. Sie ist eine nette Frau, nur manchmal zu energisch. Ich gebe euch am besten einen Brief von euch mit, damit sie bescheid weiss.” Skeptisch runzelte ich die Stirn. “Wie weit ist 'nicht weit von hier'?” “Ach nur ein Tagesmarsch, oder so.” Und wieder war sie verschwunden. “Sie hat recht, wir sollten und beeilen irgendwo unter zu kommen. Wenn du denkst, dass du es schaffst.” “Ich sagte doch es geht mir gut.” “Ok ok, ich verstehe.” Mein Nicken sah er nicht mehr. Er war ans Fester getreten und betrachtete den Garten. Auch wenn bestimmt nicht Baeume und Blumen in seinem Kopf spukten. Seine Augen waren wieder so tief ausdruckslos und er war sicherlich weit weg von hier, an einem anderen Ort. Es war schrecklich! Ich kam mir schon wieder so nutzlos und untaetig vor. Doch wie holt man jemanden aus der Dunkelheit? Wenn man doch selbst gerade erst Licht gefunden hat. Ein flackerndes, schwaches Licht. “Rom! Ihr muesst gehen, schnell.” Aufgeschreckt stuerzte Marta zur Kueche herein. “Roemische Soldaten durchsuchen das Dorf. Sie sind schon bei den Marenellies.” Kapitel 12: XII --------------- Dieses mal waren wir beide in Umhaenge gewickelt. Jeder mit einem Beutel Proviant und Kleidung ausgeruestet, hatten wir in Hektik und Vorsicht das Dorf verlassen. Fuer lange Abschiede blieb nicht viel Zeit, weswegen es bei einer Umarmung und einem dankbaren Kuss auf die faltige doch liebevolle Stirn blieb. Marta nahm sogar den verdutzten Germania in den Arm und taetschelte ihm die Wange. Die Frau war einfach wunderbar und schien einen siebten Sinn fuer den Zustand eines Menschen zu besitzen. Das war damals, als ich ratlos, ohne Geld und Unterkunft im Dorf herumirrte, auch schon so gewesen. Sie hatte uns wirklich gerettet mit ihrer Warnung und dem Brief an ihre Schwester. Nun lag nur noch ein Tagesmarsch vor uns, bis wir das beschriebenen Haus erreichten. Ich hoffte nur, dass ich mir den Weg, den Marta mir erklaerte, richtig gemerkt hatte. “Also nach der Weggabelung nach links, sollten wir die naechste Abzweigung rechts nehmen.” “Nein, wir gehen durch den Wald und nicht um ihn.” Verdutzt blieb ich stehen. Germania schritt taff an mir vorbei. “Ich kenne das Haus. Nicht die Bewohner, aber das Haus vom Sehen her. Glaub mir, ich weiss, wo es langgeht.” Folgsam lief ich ihm nach, als er den Wald betrat, der parallel zum Weg verlief. Wenn es um Waelder geht, sollte man sich auf einen Germanen verlassen. Wir stiefelten ohne einen Pfad oder Hinweis zu haben durch Baeume, Buesche und Farne. Ich dachte schon daran den ehemaligen Weg wieder zufinden und eine laengere Strecke in kauf zu nehmen, auch wenn wir dann noch nachts unterwegs sein wuerden. Es war schon ziemlich viel Zeit vergangen, seit wir in der Wildnis liefen. Doch bevor die Sonne die Baumspitzen erreichte oder ich meinen Unmut aeussern konne, tat sich vor uns der Wald auf und eine weite Wiese erstreckte sich. In der Mitte nur ein grosser Baum, daneben ein Haus. Es war groesser als Martas und sah weit aelter aus. In entgegengesetzter Richtung schlaengelte sich der Weg zum Haus, den wir hinter uns gelassen hatten. “Dann los. Mal sehen, wo Marta und hingeschickt hat.” Durch hohes Gras und einer Menge Wildblumen stiefelten wir zum Haus. Eine stabile Eichentuer, verziehrt mit Zweigen und Kraenzen empfing uns. “Nett.” Fest klopfte ich an. Fuer Sekunden tat sich nichts, dann hoerte man kleine, tippelnde Schritte und die Tuer wurde vorsichtig einen spaltbreit geoeffnet. “Ja bitte?” Tiefbraune, grosse Augen lugten neugierig zu uns auf. Als sie uns sahen, wurde ganz geoeffnet und ein kleines Maedchen stand grinsend vor uns. Ganz im Kontrast zu ihren warmen, braunen Augen kringelten sich blonde Locken um ihr schmales Gesicht. “Seit ihr Waldgoetter?” fragte sie mit einem begeisterten Funkeln. Wir blickten uns fragen an und ich begann zu lachen. “Ich denke nicht, meine Kleine. Sag mal, ist denn ein Erwachsener da?” Ich hockte mich vor sie. “Wir haben eine ganz wichtige Sache mit dem Besitzer dieses Hauses zu bereden. Meinst du, du kannst uns bei dieser wichtigen Sache helfen?” Aufgeregt nickte sie. Ich war mir nicht sicher, ob wir wirklich richtig waren. Marta hatte nichts ueber ein Kind gesagt. “Aber meine Mama hat gesagt, ich darf keine Fremden ins Haus lassen oder ihnen die Tuer oeffnen.” “Du hast uns aber schon die Tuer geoeffnet.” Stellte Germania schlicht fest. Die Kleine wurde blass, als haette sie das auch gerade gemerkt. “Ann? Was tust du da am Eingang?” Eine eindringliche, weibliche Stimme liess das Maedchen zusammen zucken. “Nichts Mama.” Kurz darauf erschien auch schon eine Frau hinter Ann. “Was zum...? Ann, du sollst doch niemanden aufmachen und schon gar nicht mit ihnen reden.” Aergerlich wandt sie sich an uns, als waeren wir die Boesen. “Bitte gehen Sie sofort. Wir wollen nichts mit Ihnen oder den anderen Leuten aus dem Dorf zu tun haben.” Gerade wollte sie die Tuer vor unserer Nase zuschlagen, als Germanias Fuss vorschnellte und einen Spalt offenhielt. Er drueckte mit einem Arm die Tuer wieder auf und stuetzte den anderen dicht neben den Kopf der Frau. Gefaehrlich nah war er ihr so und sah ihr direkt in die Augen. “Wir sind aber nicht aus dem Dorf.” “Genau Mama, sie sind Waldgoetter.” Die Frau erroetete etwas unter Germanias Bedraengen und wich zurueck. Nicht ohne ihre Tochter mit sich zu ziehen. “Was wollt ihr dann?” Ich ueberreichte ihr den Brief und ueberrascht las sie den Absender. “Meine Schwester?” Sorgsam ueberflog sie das Geschriebene. Als sie wieder vom Papier aufsah, laechelte sie ein wenig. “Entschuldigt mein raues Benehmen. Wenn das so ist, dann tretet ein. Mein Name ist Deb und das ist meine Tochter Ann.” Ich nickte Germania anerkennend zu und betrat mit ihm das Haus. Ann rannte kichernd neben uns her und schien sich noch mehr zu freuen als wir. Besonders den Germanen schien sie ins Auge gefasst zu haben. Bei der guenstigsten Gelegenheit griff sie seine Hand und laechelte ihn seelig an. “Bist du eine Elfe?” Germania entglitt die ernste Miene und ich konnte mir ein lautes Auflachen nicht verkneifen. Kapitel 13: XIII ---------------- Die Frau des Hauses hatte sofort etwas Tee aufgekocht und frischen Kuchen auf den Tisch gestellt. Hungrig und erschoepft liess ich mich auf den Stuhl sinken und langte dankend zu. “Also hast du fuer ein Jahr bei meiner Schwester gelebt?” Mit vollen Mund nickte ich. “Sie ist wirklich deine Schwester? Du bist doch noch so jung.” Deb hatte lange, braune Haare, ein huebsches Gesicht und war sicherlich gerade mal 30. “Ja, wir sind Geschwister. Du musst wissen, dass mein Vater ein roemischer Soldat war und meine Mutter aus einem Germanenstamm kommt.” Sie warf Germania einen vielsagenden Blick zu. “Marta war ein geplantes Kind. Sie machte meine Eltern zu einer richtigen Familie, nachdem mein Vater meine Mutter aus ihrem Stamm geholt hat. Doch Jahre spaeter wurde er nach Rom zurueckbeordert und hinterliess mich als ein Abschiedsgeschenk.” Das hoerte man oft, das Soldaten waehrend ihres Aufenthaltes in fremden Laendern Frauen schwaengerten. Aber noch nie hatte ich ueber eine germanisch-roemische Liebe gehoert. Das musste ich mir spaeter einmal genauer erzaehlen lassen. “Hat Ann deswegen blonde Haare und braune Augen?” “Verschiedene Gene ueberspringen oft eine Generation. Marta und ich sehen eher aus wie aus dem Sueden, waehrend Ann diese unnormalen Haare hat. Aber es ist nicht immer so. Wilm war seiner Mutter ziemlich aehnlich. Er war ein huebscher, netter Junge. Ein bisschen erinnerte er mich an dich, Rom.” Ich langte nach einem weiterem Stueck Kuchen. “Wer ist Wilm?” Erstaunt blickte Deb auf. “Hat Marta dir nicht von ihm erzaehlt? Wilm ist ihr verstorbener Sohn. Er wurde genau wie sein Vater in einer der Schlachten getoetet.” Ich schlugte hart. Marta hatte einen Sohn, der mir aehnlich sah? Das musste schrecklich gewesen sein. Das ganze Jahr ueber an den Verstorbenen erinnert zu werden. Oder war das der Grund, warum sie mich ueberhaupt erst aufgenommen hatte? “Ist ja auch egal, sie wird schon einen Grund gehabt haben es zu verschweigen. Ich will mich da nicht einmischen. Jetzt mal was wichtiges. Marta schrieb, dass ihr beide fuer eine Weile eine Unterkunft braucht und dass ich mit keinem ueber euch reden soll. Wenn ihr beide bei mir wohnen wollt, habe ich wenigstens das Recht die Wahrheit zu erfahren um zu wissen worauf ich mich einlasse. Warum sind ein Roemer und ein Germane zusammen unterwegs und was ist passiert, dass meine Schwester sich solche Sorgen macht?” Diese Frau war ganz schoen direkt. “Also wir...weisst du...wir sind-” “Das hat dich nicht zu interessieren!” Ruckartig stand Germania auf. Meine Teetasse schwankte gefaehrlich. “Wir sind dir dankbar fuer deine Gastfreundschaft, aber das hat dich nicht zu interessieren.” Er drehte auf den Fersen um und ging zur Hintertuer in den Garten raus. Ann, die die ganze Zeit neben ihm gestanden hatte, wich erschrocken zurueck und sah ihm nun schmollend nach. “Mama, was hat der Elfenprinz denn?” Deb seufzte und begann den Kuechentisch abzuraeumen. “Geh bitte in dein Zimmer spielen Schatz.” “Aber-” Ein strenger Blick liess die Kleine verstummen und mit haengenden Schultern trabte sie aus dem Raum. “Es tut mir leid, Deb.” Meine Augen suchten draussen nach dem Germanen, aber er war nirgends zu sehen. “Er hat eine schwere Zeit hinter sich und momentan verspricht es nicht besser zu werden.Wir sind beide auf der Flucht und zur Zeit ziemlich planlos." Still nickte sie. “Ihr koennt so lange bleiben, wie ihr wollt, das Haus ist gross genug. Ann wird sich freuen, wenn jemand da ist, der mit ihr spielt. Das Kind hat eine bluehende Fantasie.” “Erzaehl das dem Elfenprinzen.” Lachend stand ich auf und half ihr bei der Kuechenarbeit. Ab und zu warf ich immer mal einen Blick nach draussen doch Germania blieb verschwunden. Ich wuede heute noch mal mit ihm reden. Kapitel 14: XIV --------------- “So und das Zimmer koennt ihr benutzen. Dort die Tuer fuehrt gleich zu einem Klo und einer Wanne. Wenn ihr mir vorher Bescheid gebt, kann ich Wasser aufsetzen und ihr koennt baden.” Stirnrunzelnd sah ich auf das grosse Doppelbett in der Mitte des Raumes. Das konnte ja lustig werden. Immerhin kein Schaukelstuhl mehr. “Und in der Kiste duerften noch alte Sachen von meinem Mann sein. Nehmt euch nur, die Groesse duerfte ungefaehr stimmen.” Knarrend oeffnete sich der Deckel und Deb wuehlte pruefend in den Sachen. “Entschuldige die Direktheit, aber was ist mit deinem Mann?” “Er ist fortgegangen. Gleich nach Anns Geburt.” Unglaeubig schuettelte ich den Kopf. Was war nur mit den Menschen auf dieser Welt los. Gab es heutzutage keine Liebe und Verbundenheit mehr. Warum musste ueberall etwas Schmerz schlummern. “Danke, dass du uns so offen empfaengst. Es gibt nicht viele, die so etwas Selbstloses fuer Fremde tun wuerden. Das werden wir euch nicht vergessen.” Sie schloss die alte Kiste und nickte mir nur abwinkend zu. “Ich geh jetzt Ann ins Bett bringen. Du solltest mal nach deinem Freund sehen. Es wird langsam dunkel.” Tatsaechlich machte ich mir auch schon etwas Sorgen. “Ich werde sehen, was ich tun kann.” Draussen hinterm Haus standen die Wildblumen besonders hoch und der Wind wehte eine warme Briese aus dem Sueden. Im Sueden, wo meine Heimat lag. Wie lange ich schon nicht mehr in meinem heissen, staubigen Rom gewesen war. Seit ich zum Kreuzzug gegen die Germanen geschickt wurde. Aber wenn ich ehrlich war, vermisste ich die laute stinkende Stadt nicht wirklich. Stinkend und triefend vor Verrat, Luege, Betrug und dem Blut von tausenden Unschuldigen. Hier zog die schwarze Erde das Blut der Schlachtfelder wenigstens noch auf. Ein schwacher Mond ging hinter dem Dach des Hauses auf und ich sah weiter nach Germania. Ich fand ihn angelehnt an den Baum, neben dem Haus, sitzend. Augen geschlossen und Haende im Gras verkrampft. “Hey.” Langsam liess ich mich neben ihm nieder. Ich wollte irgendwas sagen, ihn aufheitern oder troesten, hatte aber Angst, dass er mich wieder zurueckweisen wuerde. Es tat irgendwie jedesmal weh, wenn er mich auf seine eingeigelte Weise wegstiess. So sassen wir beide einfach nur da und betrachteten, wie am Himmel immer mehr Sterne auftauchten. Ploetzlich sank Germanias Kopf auf meine Schulter. Ueberrascht fuehlte ich die die weichen, blonden Haare an meiner Wange. “Nur dieses eine Mal. Das ist eine Ausnahme.” Beschwichtigen nickte ich. “Ich weiss nicht wieso du? Aber du hast mich nicht sterben lassen und ich hoffe, das hat einen Grund. Waere ich tot, muesste ich diesen Schmerz jetzt nicht ertragen.” Behutsam legte ich meine Hand auf seinen Kopf und drueckte ihn an mich. Er liess es zu und nach einer Weile fuehlte ich die Naesse an meiner Schulter. Aus dem Haus klag gedaempft ein Schlaflied. Die Melodie und Debs Stimme erfuellten die Nachtluft und liess mein Herz noch tiefer schlagen. “Wir werden das beide durchstehen. Es wir irgendwann nicht mehr so sehr wehtun, dann kannst du das Leben wieder sehen.” “Ich will die beiden nicht vergessen.” Mir viel nichts mehr ein. Ich konnte mir nicht vorstellen etwas so geliebtes zu verlieren, die klaffende Leere wieder mit etwas fuellen zu koennen. “Es tut mir leid.” Harsch wischte sich der Blonde uebers Gesicht und rappelte sich auf. Debs Stimme war verstummt und nur noch das Grillenzirpen hallte ueber der Wiese. “Nein, mir tut es leid.” Ich folgte ihm langsam, als er ins Haus ging. Er war wie ein verletzliches Kind, auf das man aufpassen musste. Und das wuerde ich auch tun. Auf ihn aufpassen. Ich wuerde dafuer sorgen, dass er nicht zerbrach und lebte. In unserem Zimmer entkleidete sich Germania sofort und rollte sich im Bett zusammen. Er hatte nicht wegen dem Doppelbett gesagt, also schien er kein Problem damit zu haben neben mir zu schlafen. Mir war es allerdings schon etwas komisch. Nicht dass ich es abstossend fand. Es war eher... Unbehaglich legte ich mich auf die andere Seite, neben den Blonden. Der Mond war inzwischen ueber das Dach gewandert und erhellte das Zimmer. Germanias Haare schimmerten leicht in dem Licht. Mit diesem Schimmern schlief ich ein. Kapitel 15: XV -------------- Es war wieder ein Traum. Das wusste ich sofort, als ich die beiden Kleinen vor unserer Huette spielen sah. Ludwig hatte einen Stock in der Hand und durfte der tapferen Germanen sein, der den boesen Roemer besiegte. In diesem Fall nur Gilbert mit einem Topf auf dem Kopf und ebenfalls einem Stock in der Hand. Die Jungen rannten und lachten, wie sie es immer getan hatten, wenn sie zusammen tobten. Ich ging ins Haus, um etwas Reh zu kochen, welches ich heute morgen gejagt hatte. Es war ein schoener Tag. Spaeter wuerden wir vielleicht schwimmen gehen und am Abend wollte Gilbert mit mir aus dem alten Buch unserer Grosseltern lesen. Ich fasste meine langen Haare mit einem Band zusammen und entfachte Feuer. Ruhig flackerte die Flamme waehrend das Wasser nach einer Weile zu brodeln begann. Ploetzlich ertoente ein gellender Schrei. Ludwigs Stimme, die voller Entsetzen und Angst meinen Namen schrie. Ich schreckte hoch und stuerzte sofort nach draussen. Dort erwartete mich ein Bild wie aus meinen Alptraeumen. Acht bewaffnete roemische Soldaten standen auf der Lichtung. Der eine hatte Gilbert an den Haaren und liess den strampelnden und sich wehrenden Jungen seine Faust in den Magen fahren. Ludwig versuchte mit Traenen in den Augen in Richtung Huette zu fliehen. Doch einer der Maenner packte ihn und schloss seine Hand fest um den duennen Hals. Seine junge, hohe Stimme versagte zu einem Roecheln. Eisige Kaelte und schreckliche Leere umfing mich, bevor alles von einer Welle aus Wut davongeschwaemmt wurde. Mit unterdruecktem Knurren, griff ich nach dem Schwert, das neben der Tuer stand. Es war das von Rom, welches er damals dagelassen hatte. Bevor die Soldaten mich bemerkten, hatte ich den Ersten schon mit einem Schwertstreich niedergestreckt. Sofort waren Sechs von ihnen um mich und ich hatte Muehe nicht zu sterben. Wie aus weiter Ferne vernahm ich Gilberts Schreie. Er war noch immer in den Haenden des Soldaten und rief lautstark meinen Namen: “Germania!” Ich verstaerkte meine Schlaege, um ihm zur Hilfe zu eilen. Doch auch Ludwig war gefaehrlich nahe dem Tod. Er zappelte, mit der festen Hand um seinen Hals, die ihn in der Luft hielt, nur noch wenig. Ich wusste nicht, wen ich als erstes befreien sollte. Auf schmerzhafte Weise wurde mir diese Entscheidung abgenommen. Der Soldat, der Gilbert in der Mangel hatte, laechelte hoehnisch ueber die Fluchtversuche des Weisshaarigen und zog ihm langsam seine Klinge durch die Kehle. “Du Teufelsbrut.” Mein Koerper erstarrte fuer einen Moment. Blut spritzte auf die blasse Haut und leblos sackte er zu Boden, als der Soldat ihn lachend losliess. “Gil!” Ludwig hatte alles mit ansehen muessen und neue Kraft aus dem Entsetzen gezogen. Er biss der Hand um seine Hals ins Fleisch, so dass der Mann ihn fluchend losliess.Schwach fiel der Blonde zur Erde und hustete und spuckte fremdes Blut. Schnell rappelte er sich auf und lief zu Gilbert. “Ludwig, nicht!” In dem kleinen Jungen, der weinend zu seinem Bruder lief, sah ich die letzte Chance. Ich schrie auf und sachlug mit aller Kraft um mich. “Hauptmann, die kleine Ratte hat sie erwischt.” Scherzte der eine und wehrte gekonnt meine unkontrollierten Schlaege ab. Der Hauptmann grinste nur boese und mit schnellen Schritten stand er vor Ludwig. Er packte ihn am Kopf und quetschte ihn, bis der Kleine aufschrie. Wegen den restlichen Soldaten kam ich ihm aber einfach nicht naeher. Egal wie sehr ich es auch versuchte. Voller Wut und Verzweiflung schlug ich auf sie ein. Von hier aus konnte ich die Augen meines Bruders sehen, die mich um Hilfe anflehten. Dann hob der Hauptmann sein Schwert und rammte es in den kleinen Leib. Ludwig schluchzte und spuckte Blut. Wertlos wurde er ins Gras geworfen. Ich sackte kraftlos auf die Knie. In dem Augenblick versagte mein Verstand. Als ich zu mir kam, stand ich in einem Blutbad. Die Roemer waren verschwunden, um mich Sechs fremde Leichen. Mit schwerem und droehnenden Kopf ging ich zu den beiden Kleinen und nahm sie auf den Arm. Ihre leblosen Koerper tat ich ins Bett. Schlafend und entspannt lagen sie nebeneinander. Die Faelle traenkten sich rot. Ich kniete vor ihnen, alles in mir war gegangen. Sie waren gegangen. Fort, blutend, tot! Ich hatte versagt, alles verloren. Schmerzlich schrie ich auf. Kapitel 16: XVI --------------- Es war noch frueh am Morgen, als ich erwachte. Dichter Nebel lag ueber der Wise und schlaengelte zwischen den Baeumen, die Sonne noch hinterm Wald. Ich war von Germanias unruhigen Schlaf erwacht. Als ich mich in eine sitzende Position aufrichtete und gaehnend die Augen rieb, erkannte ich jedoch, dass Germania gar nicht schlief. Er hockte zusammengekauert, seine Knie an seinen Koerper gezogen, die Arme auf diesen aufgestuetzt und die Haende ueber seinen Augen. Sein ganzer Koerper bebte und leise Schluchzer drangen gedaempft aus seinen zitternden Lippen. Auch im dunkeln sah ich die Traenen zwischen seinen Fingern hervorquellen. “Gott, Germania!” Fluesterte ich leise, erschrocken von dem Elend vor mir. Er sah so zerbrochen und leidend aus, dass ich nicht anders konnte. Ich rueckte zu ihm, lehnte mich vor und presste ihn fest an mich. Zuerst erschrak er fuerchterlich, doch ich hielt ihn sicher in meinen Armen. Da er nun fast auf meinem Schoss sass, lehnte ich ihn sanft an mich an. Dieser Mann war einst so stark und stolz. Niemals haette ich ihn so kaputt gesehen. Es tat mir weh seinen Willen so am Boden zu wissen. Ich wollte den herabblickenden, kalten Blick in den erstaunlich blauen Augen wiederhaben. Am besten dieses Lachen, das ich nur einmal sehen durfte. “Warum hast du mich nicht sterben lassen?” Es war nur ein Fluestern, ein Klagen. Voller ueberzeugen, der Wille zu sterben. Ein Schmerz zuckte durch mein Herz. Kurz erinnerte ich mich an die zitternden, hilflosen Haende, einsam in der Dunkelheit, die ich damals in meinem Traum gesehen hatte. Ich war fest ueberzeugt, sie ins Leben, ins Sonnenlicht zurueckzubringen. Und wenn ich selbst die Sonne sein wuerde. Ehe ich mich aufhalten konnte, packte ich seinen Kopf, loeste ihn von seinen Haenden und zog ihn an meine Lippen. Er schmeckte suess. Den Geschmack, den ich oft in meinen Traeumen erlebt hatte. Aber etwas salziges mischte sich darunter. Am Ruecken hielt ich ihn gestuetzt und selbst hier spuerte ich seinen Herzschlag. Oder kam dieses Pochen von mir? Nach einigen Sekunden liess ich ihn los. Er sackte zurueck an meine Brust. Das Schluchzen hatte aufgehoert. Ich lehnte mich zurueck und stuetzte mit einem Arm auf dem Bett, der andere hielt immer noch den Blonden. So sassen wir eine ganze Weile. Meine Blicke waren zur Decke gerichtet. Haemmernd ueberlegte ich, was hier gerade geschehen war. Bis zum Morgengrauen ruehrte ich mich nicht. Irgendwann bemerkte ich, dass Germania eingeschlafen war. Als wir spaeter am Tisch mit Ann und Deb sassen, erwaehnte keine von uns ein Wort von der Nacht. Auch so hatten wir nicht davon gesprochen. Deb servierte koestliches Fruehstueck, doch Germania ruehrte nichts an. Waehrenddessen ich kraftig zulangte. Wer isst, muss nicht denken. Ann wuselte wie am Vortag um den Blonden und er liess sie sogar auf seinem Schoss sitzen. Gluecklich spielte sie mit seinen Haaren. Spaeter gab es zum Glueck viel zu tun. Wenn wir hier leben durften, war es nur verstaendlich, mit anzufassen. Ich half Deb mit einigen Reperaturen und schweren Arbeiten. Germania verorderte ich Ruhe. Er war noch nicht wirklich kraeftig genug und unter seinen Augen prankten noch immer dunkle Schatten. Deb bestaetigte das und so verbrachte er den Vormittag unter dem Baum neben dem Haus. Als ich nach einer halben Stunde Holzhacken, von weitem einen Blick auf ihn warf, war Ann gerade bei ihm. Die Kleine hatte sich anscheinend vor der Kuechenarbeit gedrueckt und ueberreichte Germania grinsend einen selbstgemachten Blumenkranz. Vor Staunen liess ich die Axt fallen, als ich ein schmales Laecheln auf seinen Gesichtszuegen erkannte. Erleichterung machte sich in mir breit und mein Herz fing an zu klopfen. Solange er noch ein wenig laechelte, war nicht alles verloren. Ich war ploetzlich unglaublich gluecklich und erleichtert. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ das passt so gut, selbst der Text stellenweise T.T >schnief< http://www.youtube.com/watch?v=pjl2R5XVPjw&feature=channel_video_title Kapitel 17: XVII ---------------- Den restlichen Tag zerbrach ich mir den Kopf, wie ich Germania erneut zum Laecheln bringen konnte. Nicht nur, dass es gut fuer ihn war und ihn etwas ablenkte, ich wollte es unbedingt noch einmal sehen. Als ich ihn am Mittagstisch gegenuebersass, starrte ich ihn so intensiev an, dass selbst Deb schon nervoes huestelte. Mir war bewusst, dass dieses Laecheln nicht von allein wiederkam, aber das Bild hatte sich tief in meinen Kopf gebrannt. “Was ist?” “Nichts, schon gut.” Ruckartig wand ich die Augen ab. Als waere nichts geschehen, schaufelte ich die dampfende Suppe in mich und redete plaudernd mit Deb ueber die anstehende Arbeit. Es war lange kein Mann mehr im Haus gewesen und deswegen viel zu tun. Ich versuchte die eindringlichen Blicke zu ignorieren, die Germania mir nun zuwarf. Das Blau in seinen Augen schien ein bisschen dunkler zu werden. Mit langsamen Bewegungen trank er seinen Tee. Meine Haende wurden feucht und ich immer nervoeser. Was dachte ich mir nur dabei? “Ich-ich muss noch einmal raus. Danke fuer das Essen Deb. Du bist eine gute Koechin.” Ueberstuerzt verliess ich den Raum. “Aber Rom, du hast doch gerade mal ein Teller davon gegessen.” Den Rest von ihren Beschwerden hoerte ich nicht mehr. Hinter mir fiel die Tuer ins Schloss und die warme Luft des Spaetsommertages schwirrte mir um die Nase. In mir rumorte es. Entschlossen nahm ich mir die Axt und begann, die grossen Holzstaemme zu zerhacken. Ich legte Kraft und Konzentration in die Schlaege. Das half tatsaechlich mich etwas abzureagieren und wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Eine Weile hatte ich Ruhe. In meinen Gedanken spukte noch immer das Bild des laechelnden Germanias. “Rom?” Mitten beim Schwungholen stoppte ich, nur um dann doppelt so kraeftig die Axt ins Holz zu rammen. Ein uebertriebenes Grinsen auf meine Lippen zaubernd, versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen. Das wuerde jetzt noch fehlen. “Alles in Ordnung?” “Sag bloss, du machst dir jetzt Sorgen um mich?” Tatsaechlich erroetete der Blonde und verschrenkte die Arme. “Das-das habe ich nicht gesagt.” Wieder zerschlug ich ein Stueck Holz entzwei. “Na also.” “Aber-” “Du solltest dir nicht um andere Gedanken machen, wenn du sie selbst aus deinem Leben haelst.” Betroffen biss sich der Blonde auf die Lippen. Ich steigerte mich da gerade in etwas hinein. “Ich wollte nur-” “Du machst es mir nicht gerade einfach dir zu helfen.” “Aber-” “Ich will dich doch nur ins Leben zurueckbringen.” Mit viel Schwung holte ich aus, mein Gesicht hatte sich aufgebracht leicht rot gefaerbt. “Rom! Hoer mich doch-” Die Axt liess das Holz splittern und Germania zuckte zurueck. Er hielt sich die Wange und zwischen seinen Fingern quoll Blut. “Oh, verdammt!” Ich liess alles fallen und trat schnell zu ihm. “Verzeih, das wollte ich nicht.” Hektisch zog ich seine Haende weg und betrachtete den Riss in seiner Haut. Behutsam strich ich ueber seine Wange.“Es tut mir wirklich leid. Glaub mir ich wollte-” Als ich in seine Augen sah, die mich direkt anstarrten, verstummte ich. “Ist schon gut, wirklich.” Schwer schluckend nickte ich. Er war verdammt nah und meine Haende lagen immer noch auf seinem Gesicht. Schnell zog ich sie weg, doch er hielt meine Arme fest, damit ich nicht ausweichen konnte. “Ich will nur wissen, wieso du das alles tust? Warum hilfst du mir so sehr und stehst mir bei? Wir kennen uns doch insgesamt erst ein paar Tage.” Unschluessig oeffnete ich meinen Mund und schloss ihn gleich wieder. Wie sollte ich das jetzt erklaeren? Seufzend setzte ich mich auf einen Holzstapel. Germania neben mich. “Ann ist ganz schoen aufgeweckt, nicht?” Er zoegerte erst, liess sich dann aber auf das ausschweifende Gespraech ein. “Ja, sie erinnert mich sehr an Ludwig. Sie haben irgendwie das gleiche Wesen.” “So ist das.” Ich stuetzte mein Kinn auf meine Haende. “Kann ich dich also nur mit der Vergangenheit zum Laecheln bringen?” “Bitte?” “Erinnerst du dich noch an den zweiten Morgen, den ich in deiner Huette verbracht habe?” Unsicheres nicken. "Du hast mir am Abend zuvor gesagt gehabt, dass man mit einem Grund zum Leben, alles ueberstehen kann. Also habe ich einen Grund gesucht. Es war nicht geplant, aber seit dem ersten Moment, als ich dich damals lachen sah, wusste ich, was mein Sinn im Leben sein wuerde. Ich wollte dieses Laecheln auf deinen Lippen sehen. Immer. Ich wollte derjenige sein, der es auf deine Lippen zaubert. Und das hat sich bis heute nicht geaendert.” Nun war er es, der seinen Mund ueberrascht oeffnete. “Jetzt frag bloss nicht warum. Ich weiss es doch selber nicht. Oder was glaubst du, ist der Grund dafuer, dass ich hier diese armen Hoelzer zerstueckel?” Das leichte Lachen tat gut. Es fuehlte sich irgendwie befreit an. Jetzt, wo ich all das erzaehlt hatte. Doch Germania runzelte noch immer die Stirn. Tja, was durfte ich erwarten. Ich war immerhin froh, dass er den Kuss letzte Nacht nicht erwaehnte. Wenn er sich ueberhaupt daran erinnern konnte. Es war ja noch ziemlich frueh gewesen und er nicht gerade in der klarsten Verfassung. Das war eine Sache, die mir noch mehr Sorgen bereitete. “Was bedeutet das jetzt?” “Nichts. Nur, dass alles weitergeht. Irgendwie. Mach dir keine Gedanken, wir schaffen das schon.” Noch einmal strich ich ihm das letzte Blut von seiner Wange. Kapitel 18: XVIII ----------------- Es wurde nun schon recht frueh dunkel. Als wir mit dem Abendessen fertig waren, blieben nur noch ein paar Minuten Tageslicht. “Koennt ihr bitte auf das Haus aufpassen, solange ich weg bin? Ich muss mit Ann heute noch zum Doktor im Dorf” Deb holte Anns Mantel und drueckte ihn ihr in die Hand. “Och nein, Mama, ich will nich! Kein Doktor, nicht ins Dorf. Das ist langweilig.” “Keine Widerrede! Herr Storbach ist der einzige im Dorf, den wir brauchen und dem wir vertrauen koennen. Er will doch nur gucken, ob du gesund bist.” “Aber ich war doch schon letztes Jahr.” Deb scheuchte die Kleine raus. “Viel Spass euch beiden, wir sind bald zurueck.” Bildete ich mir das nur ein oder hatte sie mir gerade zugezwinkert. Germania nickte nur. Als die Tuer ins Schloss fiel, machten wir uns beide daran die Kueche in Ordnung zu bringen. Dicht an dicht standen wir nebeneinander. Unsere Schultern beruehrten sich, waehrend wir das abgenutzte Geschirr im warmen Wasser abspuehlten. Verstohlen spaehte ich zu ihm und tauchten den Krug in meiner Hand bereits zum fuenf Mal ins Wasser.Ich musste schnell etwas Ablenkung finden, die Stille drohte ueber meinen Kopf zusammenzubrechen. “Ich habe nachgedacht. Wo wir jetzt schon mal Zeit und Ruhe haben, koennen wir ja darueber reden, was als naechstes passieren soll. Deb ist immerhin keine endgueltige Loesung. Auch wenn ich wirklich gern bei den beiden bin.” Sein Schweigen deutete ich als Aufmerksamkeit und fuhr fort mit meinen Ueberlegungen. “Uns immer bei fremden Leuten durchzuschlagen, ist auch keine elegante Lebnesart. Aber zumindest bis zum Winter sollten wir warten und im Warmen und Trockenen bleiben. Danach koennte-” Ich hielt apprupt inne, als Germania bedrohlich nahe kam und mit seinen Finger ueber meinen Wangenknochen strich. “Du hast da Sosse.” Er leckte den roten Klecks ab, der nun an seinem Finger klebte. Ich wich perplex zurueck. “Was?” Meine Hand fuhr ueber die Stelle die er gerade beruehrt hatte und Waerme schoss mir ins Gesicht. “Tschuldige. Was wolltest du gerade sagen?” Verwirrt starrte ich ihn an, nicht in der Lage meine Gedanken zu ordnen. “Aeh, ich...k-keine Ahnung.” “Achso.” Mit diesen Worten beendete er unsere Arbeit und stellte den letzten Teller weg. “Lass uns im Wohnraum Feuer machen.” Da es nun eh nichts anderes mehr zu tun gab und ich es aufgegeben hatte ueber unsere Plaene nachzudenken, folgte ich ihm. Er mochte den 'Wohnraum', wie er ihn nannte, ziemlich gern. Ich schaetzte es lag daran, dass er es einfach nicht gewoehnt war, in einem Haus zu leben, das mehr als nur ein Zimmer hatte. Oder einfach, weil es wirklich ein gemuetlicher Ort war. Ein grosser Kamin, davor ein weiches Fell und eine Art Schaukelstuehle. An den Waenden hingen alte Oelgemaelde und ein haufen Jagttrophaeen. Dieses Haus schien seine eigene Geschichte zu haben und in allen Ecken dieses Zimmers konnte man die Vergangenheit foermlich riechen. Nachdem ich das Feuer entfacht hatte und gemuetlich in einem der Stuehle sass, kehrte wieder das bekannte Schweigen zurueck. Germania sass auf dem Fell, angelehnt an einen niedrigen Tisch hinter ihm. Unsere Augen hingen an den Flammen und das Knacken und Zischen des Holzes erfuellte den Raum. Es war draussen inzwischen vollkommen dunkel geworden und das Feuer warf schummriges Licht auf unsere Gesichter. Ich fragte mich, ob bei Deb und Ann alles in Ordnung war. Im Finstern sollte sich in dieser Gegend, so nah am Wald, niemand mehr aufhalten. Erst recht keine Frau mit Kind. Aber Deb war nicht dumm, sie wusste, was sie tat. Die knisternden Flammen und das gleichmaessige Flackern machten meinen Kopf und Verstand traege. Die Muedigkeit liess sich nicht mehr aus meinen Gliedern schuetteln und ich sank tiefer in den Stuhl. “Rom?” Ich zuckte leicht zusammen und richtete mich wieder einigermassen auf. “Hmm?” Germanias Augen starrten immer noch ins Feuer. Er schien zu zoegern. “Ich habe auch nachgedacht.” Vergeblich versuchte ich aus seinem Gesicht schlau zu werden, aber tiefe Schatten verdeckten seine Augen. “Du sprichst von einer Loesung, von unserer Zukunft, einem Wir. Bist du dir sicher? Es klingt, als wuerdest du fuer uns beide ein Leben planen.” Aerger schwang in mir auf. Ich stand, die Haende in die Hueften gestaemmt, vor ihm, bevor ich wusste, was ich sagen sollte. “Ich-du..dass...Das hatten wir doch schon besprochen. Ich lass mich nicht mehr aus deinem Leben raushalten.Wir werden zusammen etwas zum Leben finden. Ein Leben finden. Und du wirst wieder gluecklich. Das sagte ich doch bereits.” Ich zog die Augenbrauen zusammen und schaute angesaeuert auf ihn herab. Doch Germania sah mich nur ruhig an und winkte mich zu sich runter. Mein Temperament verflog etwas und ich hockte mich fragend vor ihn. Zu spaet sah ich seine Augenbrauen zucken und die schmale Hand vorschnellen. Hard und fest zog er mich zu sich, so dass ich beinah auf ihn gefallen waere. Gerade noch rechtzeitig stuetzte ich meine Haende rechts und links neben seinen Kopf an dem Tisch ab und blickte verwundert in seine eisblauen Augen. “Versprichst du mir, dass du nie fortgehen wirst? Versprich mir, nicht zu sterben und mich allein zu lassen. Fuer immer? Versprich es!” Ich schluckte. Das schien er ziemlich ernst zu meinen. Seine Stimme war ungewoehnlich eindringlich und der Blick, mit dem er mich durchbohrte, hatte ein wenig von dem Stolz zurueck, den er damals bessen hatte. Nur war er etwas weicher. Aber wie auch immer, er schien eine Entscheidung getroffen zu haben und diese bezog mich anscheinend mit ein. Das liess einen leichten Gluecksschauer durch meinen Koerper rieseln. Mit einer Hand holte er seinen Anhaenger hervor und mit der anderen den meinen. Als seine Hand unter mein Hemd fuhr, stellten sich meine Nackenhaare auf. Ich legte meine Hand auf seine und drueckte sie gegen meinen Oberkoerper. Sie war so kalt, da konnte ich nicht anders. Fuer einen Augenblick sahen wir uns einfach nur an. “Rom, dein Herz klopft.” “Natuerlich tut es das, sonst waere ich ja tot.” Aber ich wusste genau, was er meinte. Es klopfte naehmlich nicht nur, es raste. Schnell liess ich ihn los und seine Hand verschwand auf meiner Haut. “Egal was ab jetzt kommt, ich werde nicht mehr meine Augen davor verschliessen. Unsere Schicksale haengen eh schon zusammen.” Er kam mit seinem Anhaenger nah an meinen und die beiden Ketten pendelten ineinander und verhedderten sich. “Bist du dir sicher?” Ich hatte keine Lust mehr mir weiterhin ueber diese Sache gedanken zu machen. Warum war er ploeztlich so entschlossen? “Beweise es.” Keine Ahnung, was ich erwartete, aber nicht das was folgte. Germania schien kurz zu hadern. Doch er schloss schliesslich die Augen, entspannte seinen Koerper und holte tief Luft. Dann oeffnete er die Augen wieder und erwiederte meinen Blick mit einem zoegerlichen Laecheln. Das war das erste Mal, dass er mir sein Lachen schenkte, und nur mir allein. “Ich bin sicher.” Ich bekam vor Verblueffen meinen Mund nicht mehr zu. Kapitel 19: XIX --------------- “...und dann hat Thorin sein Auge den Waechterraben gegeben und durfte aus dem Brunnen der Weisheit trinken. Seitdem hat er zwar nur noch ein Auge, dafuer aber das gesamte Wissen der Welt. Ist das nicht total unglaublich, Mama?!” “Hat dir das auch Germania erzaehlt?” Aufgeregt huepfte das Maedchen an der Hand ihrer Mutter. “Er weiss so viele Geschichten und kann dir alles ueber die Kraeuter und Wildblumen sagen. Und wenn du krank bist, kann er dich damit gesund machen.” “Dann ist er bestimmt ein Zauberer.” Deb pieckste die kichernde Ann nekisch in die Seite. “Nein, Mama, du weisst doch, er ist ein Elfenprinz.” “Ja klar, ich vergass, Elfenprinz. Aber es muss wirklich sehr nuetzlich sein alle Krankheiten heilen zu koennen.” Die Dunkelheit der Nacht senkte sich langsam ueber den Sandweg und die beiden gingen einen Schritt schneller. Bis zum Doktor Storbach war es noch ein Stueck. Sie wuerden heute wohl besser bei ihm die Nacht verbringen. Im Dunkeln war es zu gefaehrlich den Weg zu ihrem Haus zu gehen. ”Aber er kann leider nicht alles heilen. Ludwig und Gilbert konnte er nicht wieder ganzmachen, hat er gesagt.” “Wen? Ludwig und Gilbert?” “Ja, die beiden waren zwei Engel, aber er konnte sie nicht retten.” “Das hatte er dir alles erzaehlt?” “Hmhm.” Die kleinen Wangen erroeteten vor Stolz. “Und er hat gesagt, dass ich auch ein Engel bin und ein guter Mensch werde.” “Hat er das.” Deb laechelte dankbar. “Ich werde mir ganz viel Muehe geben und schnell ein guter Mensch werden, damit Germania sich freut. Ich mag es, wenn er lacht, genau wie Rom. Aber ich werde Germania als erstes heiraten. Und dann kann ich fuer immer bei ihm sein und er mir ganz viel Geschichten erzaehlen.” Debs Schritte stoppten und ihre Augenbrauen wandeten in die Hoehe. “Heiraten? Wo hast du das denn auchgeschnappt?” “Rom hat gesagt, er will fuer immer bei Germania bleiben und ihm Licht bringen, egal was kommt. Das ist doch heiraten, oder? Wenn man fuer immer zusammen bleibt.” “Er hat das zu Germania gesagt?” “Nein, nur zu sich selbst, aber ich habe ihn gehoert.” “Du hast gelauscht, du kleiner Frechdachs.” Ann kicherte. “Ich bin nur aufmerksam.” Dann zog sie eine Schnute und kickte einen Stein ueber den Weg. “Aber als ich Germania dann Licht bringen wollte, hat er die Gluehwuermchen wieder freigelassen." Nun war Deb es die laut auflachte. Ann blaehte die Wangen auf. “Das ist nicht witzig Mama, ich meine es ernst! Ich verstehe euch Erwachsene nicht. Als ich Germania das mit Rom erzaehlt habe, hat er auch ploetzlich gelaechelt. Das versteh ich nicht.” “Schon gut, das wirst du spaeter schon.” “Aber ich will nicht, dass Germania nur noch mit Rom beschaeftigt ist und keine Zeit mehr fuer mich hat.” Debs Wangen faerbten sich Rot. “Mit ihm beschaeftigt...” murmelte sie. “Hae?” “Schon gut, komm jetzt.” Das Haus des Doktors tauchte langsam vor ihnen auf und sie eilten darauf zu. “Sag es mir, komm schon.” “Wenn du aelter bist...vielleicht.” Ann schmollte. Immer diese Erwachsenengeheimnisse. Kapitel 20: XX -------------- Das Feuer war fast heruntergebrannt. Die gluehenden Kohlen warfen gespenstige Schatten in den Raum. Draussen hatte es zu regnen begonnen. Deb und Ann wuerden heute bestimmt nicht mehr wiederkommen. Das war auch besser so. Ich beobachtete das friedlich schlafende Gesicht auf meinem Schoss. Nach unserem interessanten Gespraech, war ich neben Germania auf dem Boden sitzengeblieben. Das Schweigen war wiedergekommen, aber es war nicht laenger unangenehm. Irgendwann war der Blonde dann eingeschlafen. Sein Koerper gegen den Tisch hinter ihm gelehnt und sein Kopf auf seine Brust gesunken. Eine ganze Weile hatte ich ihn so betrachtet. Dann hatten sich meine Haende wieder selbststaendig gemacht. Zoegerlich und sacht, um ihn nicht aufzuwecken, zog ich ihn zur Seite und legte seinen Kopf auf meinen Schoss. Diese Nacht schien er einen ruhigen Schlaf zu haben. Sein warmer Atem kitzelte meinen Arm, den ich um seine Schulter und seinen Kopf geschlungen hatte. So koennte es immer sein. Warm, sicher und meinen Germanen auf dem Schoss. Roete schoss mir bei den Gedanken ins Gesicht. Mein Germane? Ja... er war mein. Ich lehnte mich ueber ihn und betrachtete verbissen seine bleichen Wangen, seine goldenen Haare und seinen weichen Mund. Schon einmal hatte ich diesen gekostet. Und jetzt wollte ich seine Lippen wieder schmecken. Ich hatte mir zwar geschworen ihn nicht mit meinen Problemen zu verwirren oder zu belasten, aber solange er nichts bemerkte, duerfte das in Ordnung sein. Ich konnte mir einfach nicht helfen. Immer tiefer wanderte mein Kopf und nur noch wenig trennte unsere Lippen. Meine Augen schlossen sich fuer einen Moment, um mich zu sammeln. “Du quetscht meinen Arm.” Seine Lieder oeffneten sich und das klare Blau starrte mich an. Ich schnellte zurueck. Doch zu heftig und zu weit. Hart stiess ich mit dem Kopf gegen den Tisch und zischte schmerzhaft. Germania richtete seinen Oberkoerper auf und sah mich durchdringend an. Hatte er gemerkt, was ich im Begriff war zu tun? “Was machst du?” Anscheinend nicht. “Ich wollte nur fuehlen, ob du fiebrig bist. Du sahst so warm aus.” “Um mich dann wieder ans Bett zu fesseln und Ruhe zu beordern?”Er schnaubte ironisch. “Weisst du, wir Germanen lassen uns nicht gerne baendigen.” “Ach? Aber wir Roemer bekommen immer, was wir wollen.” Scherzte ich und stuerzte mich auf ihn. Wendig wich er zurueck und sprang auf. “Von wegen.” Rechtzeitig fing ich mich am Tisch ab, bevor ich peinlich stuerzen konnte. So standen wir uns also gegenueber und ich warf ihm ein belustigtes Laecheln zu. “Na warte!” Bevor ich nach ihm langen konnte, stuerzte er schon davon. Ich dicht hinter ihm. Im Flur bekam ich seinen Arm zu fassen und zog ihn zu mir, um ihn festzuhalten. Doch er drehte sich geschickt unter meinen Arm hindurch, entwich meiner anderen Hand und fluechtete die Treppe hoch. Kurz konnte ich ein schmales Laecheln auf seinen Lippen ausmachen. Ich grinste. Solche Spielchen hatte ich nicht mehr gespielt, seit ich ein kleiner Junge war. Und Germania hatte anscheinend auch seinen Spass dabei. Oben in unseren Schlafzimmer holte ich ihn ein. Mit angespannten Muskeln und fluchtbereit, stand er vorm Bett. Langsam, bedrohend, wie ein Raubtier vor dem Sprung, kam ich naeher. Doch er war kein normales Beutetier. Kurz bevor ich ihn erreichen konnte, machte er einen Satz nach rechts. Damit hatte ich gerachnet. Meine Arme versperrten ihm den Weg nach beiden Seiten. Ihm blieb nichts anderes uebrig als die Flucht nach hinten. Wo allerdings das Bett stand. Siegessicher zwinkerte ich ihm zu... und blinzelte verwirrt als er schelmisch zurueckgrinste. Ehe ich mich versah, befand ich mich in einem komischen Griff, wurde aufs Bett gedrueckt und lag gefangen auf dem Ruecken in den Laken. Germania ueber mir, mit seinen Haenden meine Arme neben mich gepinnt. “Angriff ist die beste Verteidigung. Unterschaetze niemals einen Germanen.” Wisperte er mit einer Mischung aus Belustigung und Drohung in mein Ohr. Ich wehrte und versuchte mich lachend zu befreien. “Ok,ok du hast mich. Was willst du jetzt mit mir machen, du wilder Germane? Mich essen?” Etwas gefaehrliches blitzte in Germanias Augen auf und ruckartig schnellte er vor, um mir tatsaechlich in den Hals zu beissen. Ich keuchte auf. Es tat nicht weh, aber mit dem Gefuehl von seinen Zaehnen auf meiner empfindlichen Haut, wurde mir ploetzlich seine Naehe bewusst. Er richtete sich auf und sass nun ganz auf meiner Huefte. Ein triumphierender Ausdruck auf seinem Gesicht. Auch ich richtete mich halb auf, die Wangen heiss gefaerbt. Er sass da gerade ganz unpraktisch auf mir. Zu meinem Glueck schwang er sich schon von ganz alleine von mir und hockte sich auf die Bettkante. “Das-” Er wollte etwas sagen, aber ein leichter Hustenanfall schuettelte ihn. Mit einem Mal veraenderte sich die Situation. Besorgt lehnte ich mich zu ihm. War er etwa wirklich krank? Hatte er Schmerzen? “Du solltest dich nicht so sehr anstrengen. Vielleicht sollten wir auch langsam waermere Kleidung raussuchen. Es ist nicht mehr Sommer. In deinem Zustand-” “In meinem Zustand was?” Seine Augenbrauen sanken tiefer. “Wir werden in Zukunft doch eine Menge Zeit zusammen verbringen. Also hoer damit auf. Hoer auf mich wie ein verletztes Reh zu behandeln. Ich bin nach allem immer noch ein Germane.” “Ich will dir nur Schmerzen ersparen.” Er sah mich traurig an. “Dafuer ist es zu spaet.” Kapitel 21: XXI --------------- Der Regen hatte sich verstaerkt und dicke Tropfen haemmerten gegen die Fensterscheibe. Germania schlief neben mir tief und fest. Viel war nach unserem kleinen “Kampf” nicht mehr geschehen und nicht lange danach entschieden wir beide uns schlafen zu legen. Er war sofort eingeschlafen, doch ich bekam selbst Stunden spaeter kein Auge zu. Viel zu aufgewuehlt. Hellwach betrachtete ich den Blonden beim schlafen. Ein Hobby, welches ich mir in letzter Zeit angewoehnt hatte. Er sah so friedlich aus. Entspannte Gesichtszuege und nur manchmal flatterten seine Lieder ein wenig, als traeumte etwas Unruhiges. Im Schlaf hatte er sich zur Seite gedreht und lag nun dicht bei mir. Ich konnte seinen Atem auf meinem Gesicht fuehlen. Seine Hand lag locker neben seinem Kopf, die Haare leicht ins Gesicht fallend. Ich traute mich nicht mich zu bewegen, aus Angst diesen Moment vergehen zu lassen. Mit seltsamen Gefuehl im Bauch streckte ich die Hand aus und fuhr leicht ueber die blasse Wange. Federleicht beruehrte ich mit den Fingerkuppen seine Lippen. Warum wurde ich das Gefuehlt nicht los gleich einen Fehler zu begehen. Germania seufzte leicht auf, als ich ueber seinen blossen Hals strich. Wie gern wuerde ich es ihm gleichtun und meine Zaehne in die weiche Haut schlagen. Nicht aus Rache... Nur mit viel Willen und meinen Zaehnen, die sich an der Innenseite meiner Wange festbissen, konnte ich mich von dem Anblick loesen. Vorsichtig stand ich auf und schritt zum Fenster. Die kalte Scheibe tat gut auf an meiner viel zu warmen Stirn. Nur schemenhaft konnte man die Welt draussen erkennen. Der Wald blaehte sich im stuermischen Wind des Unwetters duester und bedrohlich auf. Wi e musste es wohl sein dort zu leben. Zu jeder Jahreszeit. Und jedem Wetter. Germania hatte es vor kurzem noch getan und es bestand die Moeglichkeit, dass dies auch bald unsere Entscheidung fuer die Zukunft sein wuerde. In meiner Vorstellung schliefen wir zusammen auf einem Lager, aehnlich Germanias alter Huette. Wir jagten unser Essen, arbeiteten hart um in der Wildnis zu ueberleben. Und dennoch es wuerde friedlich und erfuellt von Zweisamkeit sein. Der Gedanke gefiel mir. Andererseits, wenn ich hier unter den Augen von zwei anderen Menschen schon Schwierigkeiten hatte ihn nicht... wie wuerde es dann erst allein in der Wildnis werden. Aber was blieb uns schon anderes uebrig. Ich wuerde mein Inneres einfach ein wenig beruhigen muessen. So ein hormongesteuertes Verhalten war mir ja fast schon peinlich. Germania, hinter mir im Bett, bewegte sich verschlafen. “Findest du keinen Schlaf, Rom?” Ich schenkte ihm ein beruhigendes Laecheln. “Hab nur ein wenig zu viel im Kopf.” Er rieb sich die Augen um wach zu werden. Wie suess! Naeher trat ich zu ihm und strich ueber sein wirrtes Haar. “Nicht, schlaf weiter.” “Wieso? Hast du Angst, dass ich merke, dass du auch mal Schwaeche zeigst?” “Ich-” “Du bist ein Idiot”, nuschelte er und gaehnte herzlich. “Ich bin zwar Germane, aber nicht dumm.” Mit diesen Worten sank er zurueck in die Kissen und liess mich mit vielen Worten auf der Zunge stehen. Nach einer Weile fand ich mein Laecheln wieder und auch, wenn er es nicht mehr sehen konnte, formte ich lautlos die Worte: “Danke.” Meine Schwaeche... Darueber hatte ich noch gar nicht nachgedacht. In der Vergangenheit hatte ich nie Gelegenheit gehabt mir ueber meine eigene Schwaeche oder meinen Schmerz gedanken zu machen oder sie gar mit jemanden anderen zu teilen. Der Gedanke hatte etwas Befluegelndes. Nach Minuten im Dunkeln legte ich mich zurueck ins Bett. Im Schwarz der Nach konnte ich seine Augen auf mir ruhen sehen. Er schlief also doch nicht. Wortlos nahm er meine Hand und drueckte sie leicht. “Das hat manchmal geholfen, als...als... als die beiden nicht schlafen konnten.” Ich laechelte dankbar und schloss die Augen. Ich glaube ich habe meine Schwaeche gefunden. Eine Schwaeche, die auch gleichzeitig meine staerkste Verbindung zur Welt war. Was fuer eine schoene Nacht. In meinen formlosen Traeumen spuehrte ich all die Zeit ueber seine warme Hand in meiner und diesen speziellen Geruch, den ich an ihm so mochte. “Germaniaaa!!!” Das naechste was ich fuhlte, war ein Schmerz in meinem Magen und in meinem Gesicht. Ein Aufkeuchen entwich meiner gepressten Lunge und ich schoss hoch. “Bei Zeus!” Ann kniete auf mir und taetschelte Germanias Gesicht zaertlich. “Auuufwachen. Komm schon, aufwachen.” Mich ignorierte sie gekonnt. Sacht hiefte ich sie von mir. “Entschuldige mich, junge Dame.” Ein Roemer liess sich nicht als Fussmatte benutzen. Auch nicht von einem kleinen Maedchen. Inzwischen war auch unser blondes Dornroeschen erwacht. Er muss wirklich ziemlich fest geschlafen haben. “Germania, schau was ich gefunden habe.” Begeistert hielt sie ihm ein laenglichen, spitzen Gegenstand hin. Dass ich noch immer seine Hand hielt, merkte ich erst, als er sie losliess um Anns Schatz zu betrachten. “Das ist ein Stueck von einem Hirschgeweih. Das Tier muss es bei einem Kampf verloren haben. Eigentlich ungewoehnlich fuer diese Jahreszeit. Muss ein grosser Hirsch sein.” Stolz nahm Ann das Horn wieder an sich. Der Germane sah ihr versunken nach, als sie ueber mich vom Bett sprang. Nun kam auch Deb ins Zimmer gestuertzt. “Ann! Raus hier. Du sollst die beiden doch nicht unterb- du sollst sie doch schlafen lassen.” Sie schnappte sich das kichernde Maedchen und sah uns entschuldigend an. “Tut mir leid, ich konnte sie nicht aufhalten. Sie war ganz begeistert von dem Geweih.” “Deb, haben deine Vorfahren in diesem Haus zufaellig Pfeil und Bogen zum Jagen benutzt? Ich wuerde gern jagen gehen, das letzte Mal ist viel zu lang her.” Drei Augenpaare starrten ihn an. “Du willst jagen gehen?” “Aber-” “Ich koennte mal gucken, ich glaube schon. Irgendwo muesste ich auch noch ein altes Wildrezept haben. Dann koennten wir einen Braten machen, fuer heute Abend.” “Perfekt, danke.” Deb mit Ann unterm Arm und Germania standen an der Tuer und schienen bereits den Tag zu planen. “Hey!” Keine Reaktion. Ich kam mir ein bisschen umgangen vor. Natuerlich war der Wald Germanias Heimat und keiner kannte sich darin besser aus als er. Doch die Vorstellung, dass er allein jagen ging und wer weiss, was alles passieren koennte. Zwar war ich nicht gerade in Abenteuerstimmung, aber mir blieb keine andere Wahl. “Ich komme mit dir.” Nun sahen alle auf mich. “Brauchst du nicht, Rom. Ich werde nur ein paar Tiere erlegen die ganze Zeit im Wald unterwegs sein.” “Germania geht sein Koenigreich besuchen!”, quiekte Ann. “Und wenn du nackt auf Baeume klettern wuerdest, ich kommer mit.” Wahrscheinlich gerade dann. Kapitel 22: XXII ---------------- Einen Bogen ueber der Schulter, einen Koecher mit Pfeilen und alten Sachen am Leib pirschten wir durch den Wald. Der Leinenstoff meines Hemdes kratzte auf meiner Haut und kalter Wind zog an meinen Beinen, die die Hose bis zum Knie freiliess. Viel zu kalt fuer den nun bereits lauernden Herbst. Aber perfekt zum Jagen, behauptete jedenfalls Germania. Der schritt auch eillig und fast geraeuschlos durch das bunte Laub, waehrend ich eher schluerfend und raschelnd hinter ihm hertrottete. Was hatte ich mir dabei nur gedacht? Wir Roemer hielten um die Mittagszeit lieber ein Schlaefchen und gerade nach Wochen Arbeit wollte ich mehr dennje einfach nur vor dem Kamin sitzen und doesen. Aber stattdessen latschte ich hier schon seit Minuten hinter Germania durchs Gebuesch. Seine Haare hatte er sich hochgesteckt und sie liessen nun ein Stueck Nacken frei. Ich schluckte. Von wegen “einfach mein Inneres beruhigen”, es wurde eher schlimmer. Vor allem, wenn ich all die Zeit hinter ihm hergehen musste und seine knackige Rueckseite... ach, verdammt! Ausserdem kam mir die ganze Situation schon wieder mehr als bekannt vor. Wie oft ich ihm wohl noch so folgen wuerde? Darauf bedacht ihm den Ruecken freizuhalten, ihn notfalls zu beschuetzen und aufzufangen, wenn er wieder faellt. Es war keine Frage, ich wuerde ihm immer folgen. Wenn noetig bis zum Ende der Welt. Man, das waren ja gute Aussichten. Ich stampfte einen Ast vor meinen Fuessen nieder, der laut zerbrach. Stoehnend hielt Germania inne und wand sich genervt zu mir um. “Wenn du weiterhin so rumlaermst wie eine werfende Elchkuh, werden wir nie auf Wild stossen.” Schuldig zog ich die Schultern hoch. “Ich bin nun mal Roemer und kein Germane.” Der Blonde massierte sich nachdenkend die Schlaefe. “Richtig, ihr habt die Natur ja lieber unterworfen, als in ihr zu leben.” “Ich habe bis jetzt eben noch nie fuer mein Essen jagen muessen.” Resigniert schob er mich zu einem dichten, hohen Busch. “Ich werde es dir spaeter beibringen. Jetzt kannst du ja inzwischen erst mal ein paar Beeren pfluecken. Ich bin gleich wieder da.” Bevor ich protestieren konnte, hatte er mir die Pfeile aus dem Koecher und meinen Bogen genommen. Lautlos und mit fluessigen Bewegungen, wie die Schatten der Baeume, verschwand er im Wald. Allein und ratlos blieb ich mal wieder zurueck. Und jetzt? Tatsaechlich begann ich in meinen nun leeren Koecher die dunklen Beeren zu pfluecken. Warum war ich noch mal hier? Ach ja, der Grund war gerade davongelaufen und im Wald verschwunden. Gaehnend setzte ich mich an eine alte Eiche, die anscheinend auch schon eine Menge Laub verloren hatte. Wie ein Polster unter meinen Gliedern war es weich und bequem. Die Blaetter rochen gut und es knisterte unter meinen Haenden. Die warme Herbstsonne blendete und so schloss ich kurz die Augen. Als ich sie wieder oeffnete war sie hinter dem blonden Schopf eines Elfenprinzen verschwunden. Muede rieb ich mir ueber das Gesicht. “Ein Elfenprinz.” nuschelte ich, noch leicht neben mir. “Von wegen Elfenprinz. Die Beeren haben es ja nicht gerade weit geschaft. Dabei haettest du in den Stunden den ganzen Busch leeren koennen.” “Stunden?” Sofort war ich auf den Beinen. Ach herrje, ich war eingeschlafen und dann auch noch so lange. Germania hatte inzwischen nur noch die Haelfte der Pfeile im Koecher, der Rest steckte in einem grossen, borstigen Schwein, das ueber seiner Schulter hing. “Wow, nicht schlecht der Brummer. Da wird Deb-” Ich stutzte. An seinem Leinenhemd vernahm ich verdaechtig dunkle Flecken. Er bemerkte meine Blicke und verschraenkte die Arme hastig davor. Doch ich hatte schon gesehen, was ich sehen musste, um zu wissen, dass das was da an seinem Arm und Hemd klebte, Blut war. “Du bist verletzt?” Ich zerrte seinen Arm zu mir um ihn zu betrachten. Ein handbreiter Riss verlief auf der Haut seinen Arm entlang. “Der Eber war etwas wild, keine grosse Sache”, gab er kalt von sich. Ich fand das gar nicht so unbedenklich. “Wir gehen sofort zurueck. Deb muss sich das mal ansehen.” Ohne zu zoegern oder den Koecher Beeren zu beachten, der immer noch am Boden lag, zerrte ich ihn in Richtung Haus. Ungeachtet der Aeste, die im Weg waren oder Germanias Widerstand, stapfte ich einfach gerade aus. “Las mich los, sofort!” Schimpfte der Blonde hinter mir, doch ich hielt nicht an und liess ihn schon gar nicht gehen. Ich hatte es satt, dass er so achtlos mit sich umging. Dachte er, er konnte hier einen auf tapfer machen und die Wunde unbehandelt lassen. In seinem alten Waldleben ging das vielleicht, aber nicht solange mir was an ihm lag. Zu spaet bemerkte ich den tiefhaengenden Zweig mit den Dornen. Ich konnte ihn gerade noch mit der Schulter abwehren, doch Germania hinter mir, schabte er direkt ueber die Brust. “Verdammt!”, schimpfte dieser und riss sich nun doch los, um das Unglueck zu betrachten. Der kraeftige Zeig hatte ihm das duenne Hemd zerrissen und weitere duenne, rote Linien auf seiner Brust hinterlassen. Ich starrte ihn an. Irgendetwas in mir schaltete sich gerade aus, oder ein, jenachdem wie man es sah. Zwar schliefen wir in einem Bett und unsere Wege waren schon seit einer Weile die gleichen, aber ich hatte ihn noch nie so genau betrachtet. Vielleicht hatte ich immer mit Absicht weggesehen, wenn er sich umzog und mich bewusst auf seine Augen und sein Gesicht konzentiert, wenn ich ihn beobachtete und ansah. Wahrscheinlich hatte ich irgendwie gewusst, was passieren wuerde. Wie zum ersten Mal betrachtete ich seinen Koerper. Seine Haut war blass wie immer und sah unnatuerlich weich aus. Sein Koerperbau war zierlich und schmal, aber nicht gaenzlich ohne Muskeln. Er schien fast Knabenhaft. Jung und...unberuehrt. Ein kleiner Blutstropfen bahnte sich seinen Weg ueber das hervorstehende Schluesselbein. In meinen Kopf bildeten sich Bilder und Visionen, in denen er keine kleine Rolle spielte. Gebannt starrte ich auf den Kontrast zwischen rot und fast weiss. Ich fuhr mir mit der Zunge ueber meine trockenen Lippen. Seine Haut konnte ich foermlich unter meinen Fingern spueren, seinen Koerper fuehlen, ihn hoeren wie er- Er stoehnte erschrocken auf, als ich ihn gegen einen der Baeume presste. Seine Haende mit den meinen ueber den Kopf gepinnt, mit der anderen seinen Oberkoerper gegen das Holz gedrueckt. Diesesmal entkam die Gazelle dem Loewen nicht. Mein Mund landete hart auf seinem, bevor er etwas entgegnen bringen konnte. Gewaltsam drang meine Zunge zwischen seine suessen und von mir oft umdachten Lippen. Das roemische Feuer begann in meinen Adern zu brennen. Unruhig und ungestuehm wanderte meine Hand ueber seine Brust zu seinem festen Bauch, spuerte die Muskeln am Ruecken und kam zurueck zu seiner schmalen Huefte. Dann fuhr ich ungeduldig unter den Bund seiner Hose, noch immer an ihn gepresst. Noch immer in unkontrollierbarer Leidenschaft. Kurz loeste ich meinen Mund von seinem, beugte mich etwas runter und leckte den Blutstropfen ab, der noch an seiner Haut hing. Das war der Moment in dem Germania anscheinend erwachte. Sein kraeftiger Faustschlag traf mich hart im Gesicht und liess mich ueberrumpelt zuruecktaumeln. Im ersten Moment realisierte ich nicht, was gerade passiert war. Er anscheinend schon. Mit entsetztem, wuetendem Blick wischte er sich ueber den Mund und sah mich boese an. Seine zitternden Finger hielten das zerrissene Hemd zu und verdeckten so viel Haut wie moeglich. Ich konnte fuehlen, wie mein linkes Auge anfing anzuschwellen, doch viel mehr tat das Entsetzen in seinem Gesicht weh. Was hatte ich nur getan? Das wollte ich nicht. Nicht so, nicht fuer ihn. Ich zischte fluchend auf. “Germania, ich...” “Fass mich nicht an. Ich bin nicht deine roemische Hure.” Etwas Verletztes lag in seinem Blick. Diesesmal hatte ich es zuweit getrieben. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und fluechtete foermlich vor mir. Seine Arme fest um den Bogen gelegt, nicht einmal zurueckblickend. “Scheisse!” Wuetend schlug ich gegen den Baum. Meine Hand brannte und meine Fingerknoechel begannen zu bluten. Rote Spuren zogen sich ueber die angespannte, fast weisse Haut. Kapitel 23: XXIII ----------------- Als ich irgendwann auch entschloss zurueckzugehen, wollten meine Fuesse nicht den Weg zum Haus einschlagen. Immer wieder blieb ich stehen. Sollte ich lieber nicht dorthingehen? War es besser einfach fortzugehen? Ich hatte es vermasselt. Das, was mein neues Fundament geworden war, hatte ich mit einer unkontrollierbaren Laune wieder eingerissen. Ich fuehlte mich hundeelend und vor den Kopf gestossen. Als haette ich aufs neue alles verloren. Aber wie hart es auch zu sein schien, ich brachte es einfach nicht fertig ihn loszulassen. Wie koennte ich einfach gehen, wenn ich doch gestern erst versprochen hatte, fuer immer zu bleiben. Wenn er das jetzt noch wollte. Den Rest der Strecke schaffte ich ohne weitere Umwege. Schon von weitem konnte ich Debs unruhige Gestalt an der Tuer erkennen und meine Schritte verlangsamten sich wieder. Von Germania nichts zu sehen. “Rom! Was ist passiert? Germania war ganz aufgebracht und ist sofort ins Zimmer gegangen. Er hat abgesperrt und laesst niemanden rein. Selbst Ann nicht. Sie ist schon ganz verzweifelt.” Zerknischt schaute ich zu Boden. “Rom? Ist dein Auge angeschwollen?” “Ich habe grossen Mist gebaut. Ich gehe Holz hacken.” Ohne auf weitere Fragen oder Argumente zu hoeren strebte ich den grossen Holzhaufen an. Ich hoffte der Winter wuerde sehr kalt werden. Wir wuerden eine Menge Holz zum Heizen haben, wenn ich fertig war. Angespannt und frustriert schlug ich mit der Axt das Holz entzwei. Die Anderen liessen mich zum Glueck fuer eine Weile in Ruhe. Dafuer war ich ihnen ziemlich dankbar. Es war inzwischen spaeter Nachmittag und mein Bauch knurrte aufdringlich. Aber ich konnte jetzt nichts essen, niemanden in die fragenden Augen gucken. Immer wieder spielte sich die Szene im Wald vor mir ab. Mir lief es heiss und kalt den Ruecken runter. Was war in mich gefahren? Nicht, dass ich es an sich bereute, seine Haut brannte immernoch auf meinen Fingern, aber ich mich verhalten wie ein Tier. Weiterfuehrende Gedanken an Germania, was er jetzt von mir hielt und wie es mit uns weitergehen wuerde, versuchte ich zu vermeiden. Minuten oder Stunden vergingen. Der Holzhaufen wurde kleiner und kleiner, bis er ganz verschwunden war. Am liebsten wuerde ich mich ins Gras schmeissen, die Augen schliessen und erst aufwachen, wenn alles wieder gut oder wie vorher war. Stattdessen tat ich die Axt beiseite und ging zum grossen Baum neben dem Haus. Wie so oft mit Germania, liess ich mich nun allein darunter nieder. Doch egal wie lange ich auch wartete, an Entspannung oder Vergessen war nicht zu denken. Zerknirscht raufte ich mir die Haare. “Meine Mama sagt, du bist hoffnungslos, aber ich glaube du bist einfach nur dumm.” Ueber mir raschelte es und Anns kleiner Lockenkopf tauchte zwischen den gruen-braunen Blaettern auf. Beinebaumelnd sass sie auf einem der Aeste und sah auf mich herab. Sie musste schon die ganze Zeit dort oben gewesen sein. “Wahrscheinlich hast du sogar Recht.” gab ich laechelnd zurueck. Ihre braunen Augen musterten mich lange. Laub fiel auf mich herab, als sie auf den Ast ueber mich kletterte. Ich schaute skeptisch zu ihr hoch. “Onkel Rom, ich habe laaange nachgedacht. Ich lasse dich Germania heiraten. Er kann ja auch mein Papa sein, solange er mich nicht vergisst wie mein richtiger Vater.” verkuendete sie groesszuegig. Heiraten, wovon redete sie? “Dann brauchst du nicht mehr traurig sein.” “Ich bin traurig?” Stuermisches nicken. “Ja und Germania auch. Ihr seid beide traurig. Dabei habt ihr doch einander. Und ich und meine Mama sind doch auch noch da.” “Natuerlich, danke Ann.” winkte ich laechelnd ab. Was verstand ein kleines Maedchen schon. Mit einem Plumps liess sie sich vom Baum auf meinen Schoss fallen. Erschrocken und reflexartig schloss ich meine Arme beschuetzend um sie, um sie aufzufangen. Ernst sah sie mir in die Augen. “Weisst du, dass ich dich auch lieb habe? Du bist zwar kein Elfenprinz, aber dafuer so lustig, und immer froehlich und...Rom eben. Ich bin sehr gluecklich, dass ihr bei uns seit.” Mein Laecheln wurde aufrichtig und vorsichtig legte ich meine Arme wieder in einer Umarmung um sie. Es tat gut seine Gefuehle ehrlich und unbedacht aeussern zu koennen. “Das bin ich auch, Kleine.” “Dann ist ja ales gut. Dann kannst du ja jetzt zu ihm gehen und Entschuldigung sagen.” Langsam schuettelte ich den Kopf. “Nein,weisst du, so einfach ist das leider nicht.” “Wieso nicht?” aufgebracht sprang sie von meinen Beinen. Von einer Sekunde auf die andere war ihre Stimmung aufgekocht. “Ach man! Was wisst ihr Erwachsenen denn schon von einfach? Ihr seit es doch, die es immer so schwer machen.” Ihre Hand deutete zum Haus. “Du gehst zu ihm, sagst, dass es dir Leid tut und dann kann Germania wieder rauskommen und aufhoeren zu weinen.” Entsetzt merkte ich auf. “Er weint?” “Weiss ich nicht, aber ich wuerde es.” Die Zunge rausgestreckt rannte sie davon. Weinen. Ob er wirklich wegen mir weinen wuerde? Er hatte geweint, als das mit Ludwig und Gilbert passiert war. Jedoch hatte er da seine Familie verloren. Aber war ich jetzt nicht auch so was wie seine Familie geworden? Ich dachte daran, dass es mich auch ein wenig gluecklich machen wuerde, wenn er meinetwegen weinte. Das zeigte immerhin, dass ich ihm nicht egal war. Allerdings konnte ich mir nicht vorstellen, dass er tatsaechlich wegen mir eine Traene verschwenden wuerde. Wohl eher liess er seine Wut gerade an irgendetwas unschuldigen aus. Wie dumm, dass ich schon das ganze Holz zerhackt hatte. Tausend Ideen schossen mir durch den Kopf, was ich nun tun sollte, was passieren wuerde. Umso laenger ich so dasass und gruebelte, umso mehr wurde mir bewusst, dass ich Germania wirklich nicht hinter mir lassen konnte. Auch wenn er mich jetzt wahrscheinlich hasste. Das machte es wenigstens einfacher sich von ihm, in dieser gewissen Art, fernzuhalten. Immer noch ratlos, aber nicht mehr ganz so aufgewuehlt, richtete ich mich schwermuetig auf und ging zum Haus. Ich wuerde das ganze jetzt gleich klaeren. Kein Rueckzug oder Schwanz einziehen. Erhobenen Hauptes und zum “Kampf” bereit erklomm ich die Treppen zu unserem Zimmer. Die Zukunft war noch nicht abgehackt. Kapitel 24: XXIV ---------------- Schon seit Fuenf Minuten stand ich vor unserer Tuer. Meine Hand ausgestreckt, zum Klopfen bereit. Schweisstropfen bildeten sich auf meiner Stirn. Klopf Rom, klopf doch endlich. Langsam liess ich meinen Arm wieder sinken. Vielleicht sollte ich doch noch etwas warten. Mit einem dumpfen Pochen sank mein Kopf gegen die Wand. Warum musste das alles nur so kompliziert sein. 'Ihr seid es doch, die es immer so schwer machen.' Wahrscheinlich hatte Ann recht. Das ganze musste schrecklich dumm aussehen in den Augen eines Kindes. “Genug in Selbstmitleid gebadet?” Deb lehnte mit verschreckten Armen hinter mir an der Wand. “Ich bade nicht in Selbstmitleid, ich denke.” “Dann denk schneller. Eure Unbeholfenheit kann man ja nicht mit ansehen.” “Entschuldige, dass ich gerade versuche, meine Fehler wieder glattzubuegeln.” schnappten ich empfindlich. Sie lachte nur und zerrte mich runter in die Kueche. “Komm, ich mach dir erst einmal eine Tasse Tee.” Das heisse Getraenk tat unglaublich gut und langsam hoerten meine Haende auf zu zittern. Knapp und nur mit den noetigsten Informationen erzaehlte ich ihr, was passiert war. “Ich bin ein Trottel. Er ist hier das Opfer, aber ich benehme mich, als haette er mir Leid angetan.” Deb seufzte. “Ok, lass mir dir einen Rat von einer Frau geben.” “Ich haette lieber einen Rat von einer Freundin.” Laecheln wurde ausgetauscht und das Vertrauen zwischen uns stieg in einen warmen Bereich. Ihre warme Hand taetschelte meine. “Sei ehrlich zu dir.” “Hae? Das hat doch jetzt gar nichts mit Ehrlichkeit zu tun?” “Sicher? Warum hast du ihn denn... ahe...angefallen?” “Nun weil...naja, weil ich ihn anziehend fand.” Das war sehr milde ausgedrueckt. Ich raeusperte mich verlegen. “Du findest ihn also attraktiv. Was an ihm?” Was sollten diese peinlichen Fragen. “Seinen Koerper halt. Seine Blaesse, seine Zierlichkeit, seine blauen Augen und sein ganzes Gesicht.” Seine Rueckseite, seinen Bauch, seinen Nacken und seinen Hintern, zaehlte ich in Gedanken auf. Aber das brauchte sie nicht zu wissen. Ich ueberlegte weiter und dachte an Germania.Sein Bild tauchte vor mir auf. Sein tiefer Blick, seine stolzen Bewegungen, seine geheimnisvolle Aura. “Ich mag eben seine natuerliche Freundlichkeit, auch wenn er diese meist verbirgt. Wie er mit Kindern umgeht, seine dickkoepfigkeit, seine innere Staerke und... und sein Laecheln.” “Das klingt mir aber nicht danach, als ob du nur seinen Koerper begehren wuerdest.” ”He?” “Ich denke du magst ihn ganz. Ich denke du liebst ihn.”Ich schluckte. Jetzt wo sie es erwaehnte. “Du meinst also...” “Du liebst ihn.” Ich schluckte abermals. Ich liebte... War das ihr ernst? Konnte es sein, dass ich ihn wirklich, richtig ehrlich...liebte? Sie kicherte ueber meine skeptische, nachdenkliche Miene. “Gut, lass uns zusammenfassen.” Nun fuehlte ich mich in meine Schulzeit zurueckversetzt. “Was fuehlst du, wenn er in Gefahr ist?” Das war einfach. ”Angst.” Deb nickte zufrieden. “Moechtest du bei ihm bleiben, fuer so lange wie es nur geht?” Nun nickte ich. “Was fuehlst du, wenn ihr in einer Streitsituation wie jetzt gerade seid?” “Den Drang Holz zu hacken.” Ich erntete einen leichten Klapps auf meine Hand. “Bleib ernst.” “Bin ich.” “Und was spuerst du, wenn du ihn laecheln siehst.” Ihr Blick durchbohrte mich und ihre Stimme klang beschwoerend. “Ich sah auf meine Haende. “Glueck und Waerme.” fluesterte ich. Ein dickes Laecheln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. “Was brauchst du noch als Beweis? Was haelt dich davon ab, es einzusehen?” “Ich glaube nicht, dass es gut geht, ob so was klappen kann.” “An wem zweifelst du? An ihm? An dir? Rom, du denkst zu viel nach. Tu es doch einfach, versuche es. Wenn du dich weiterhin zusammenreisst, kommt nur so was wie heute dabei raus. Du bist nicht gerade gut in Zurueckhaltung.” "Ja, von meiner Seite mag es vielleicht das Beste sein, aber was ist mit ihm? Er hat gerade erst alles verloren und hat noch immer mit seiner Trauer zu kaempfen. Das Letzte was er gebrauchen kann, ist Liebe.” Ich schnaubte voller Ironie und bitterer Einsicht. “Idiot, das einzige, was er jetzt braucht, ist Liebe. Er braucht dich Rom!” Hart schlug sie auf den Tisch. “Mit deiner egoistischen Aktion hast du sein Vertrauen verletzt und wahrscheinlich fuehlt er seine Wuerde mit Fuessen getreten. Er ist immer noch Germane. Da laeuft das nun mal anders als in deiner, als in unserer Kultur.” Da koennte sie recht haben, das leuchtete ein. 'Ich bin nicht deine roemische Hure' hatte er mir an den Kopf geworfen. In meiner Heimatstadt konnte man sich gewisse Frauen oder Maenner tatsaechlich einfach nehmen, wenn man das Verlangen dafuer verspuerte. Das waren dann meistens Sklaven, Prostituierte oder anderes verabschaeutes Volk. War er nicht schon damals von seinem eigenen Dorf abgestossen worden? Kein Wunder, dass er so reagiert hatte. Ich Idiot hatte direkt in die Wunde gefasst. “Ich gehe sofort zu ihm.” Aufgeregt sprang ich auf. “Nein, wirst du nicht.” Und wurde gleich wieder auf den Stuhl zurueckgedrueckt. “Lass ihn sich erst einmal beruhigen und denk darueber nach, wie du es anstellst. Keine unueberlegten Situationen mehr.” Schnell stimmte ich zu. “Gut, braver Rom, und jetzt trink deinen Tee zuende.” Fest schloss ich meine Arme um sie. “Danke Deb.” “Ich hoffe der Rat war diesesmal mehr hilfreich.” “Ich wuenschte, es gaebe einen einfacheren Weg, aber ich weiss deine Hilfe diesesmal zu schaetzen.” Ich kuesste ihr leicht auf die Wange. Wie gut, dass ich diese Menschen in meinem Leben hatte. “Ann und du, ihr habt beide das Talent zu Helfen.” Kapitel 25: XXV --------------- Als es Abend wurde, kam Germania nicht zum Essen. Deb briet das Wildschwein und kochte eine herrliche Suppe daraus. Aber selbst der koestliche Geruch seines selbstgefangenen Wildes, lockte ihn nicht aus dem Zimmer. Dabei konnte ich es kaum erwarten ihn zu sehen und mit ihm zu sprechen. So viele Sachen, die wir klaeren mussten, so viele Dinge zu sagen. Spaeter brachte Deb Germania etwas Suppe hoch und zu meiner Erleichterung liess er sie sogar zu sich. Sie blieb so lange im Zimmer, dass ich schon begann unruhig zu werden. Sofort, als sie wieder in die Kueche kam, belagerten Ann und ich sie. “Wann kommt Germania wieder raus?” “Was hast du zu ihm gesagt?” Uninteressiert spuehlte sie das Geschirr. “Nichts, nur so dies und das.” “Mama!” “Deb!” protestierten wir. Die Braunhaarige laechelte und drueckte uns beiden einen Apfel in die Hand. “Wenn du unbedingt Geschichten hoeren moechtest, Ann, warum laesst du dir dann von Rom nicht mal was erzaehlen. Die Sachen aus der Hauptstadt interessieren dich bestimmt auch.” Mit grossen Augen, als waere ihr die Idee auch gerade gekommen, sah mich die Kleine bettelnd an. “Wirklich? Kannst du mir eine Geschichte erzaehlen?” Ich zuckte mit den Schultern und kratzte mir am Kopf. “Naja, wenn du moechtest.” “Jahh!” Vorfreudig schnappte sie sich meine Hand und zog mich huepfend ins Wohnzimmer vor den Kamin. Ich musste mich setzen und ein zweites Mal am heutigen Tag, machte sie sich auf meinem Schoss bequem. Ich entspannte einen Moment und liess die Waerme auf mich wirken. Ann wartete geduldig, bis ich anfing. Mit der Hand auf ihrem Kopf und einer Erzaehlerstimme, die ich selbst nicht von mir kannte, begann ich: “Romulos und Remus. Wusstest du, dass die Gruender Rom von einem Wolf grossgezogen wurden?” “Wirklich?” “Ja und als sie aufwuchsen, war nichts ausser praechtiges Land um sie. Eines Tages, beschlossen sie eine Stadt zu gruenden, die einst gross, maechtig und angesehen werden sollte. Aber die Brueder waren sich alles andere als einig und es gab viel Streit und Probleme. Deshalb liessen sie die Goetter entscheiden.” “Thor?” “Nein, nicht die germanischen Goetter, die roemischen. Maechtige Goetter wie Jupiter, Fortuna oder Venus.” “Es gibt noch mehr Goetter?” Ich laechelte verstaendnissvoll. “Es gibt noch viel mehr. Jede Kultur, jedes Volk hat seine eigenen Goetter und seinen eigenen Glauben.” “Warum?” “Naja, ich denke weil wir alle einfach unterschiedlich sind und in verschiedenen Gebieten aufwachsen.” Aber dann kann man ja gar nicht zusammen spielen.” “Das wollen die meisten auch gar nicht. Manche Menschen glauben, nur ihre Kultur allein ist die einzig richtige und verabscheuen jede andere Meinung.” Ann schnaubte. “Das ist ja dumm. Ich meine fremde Goetter, Menschen und das alles sind doch so interessant. Ich mag Germanias Goetter, aber auch deine klingen so spannend. Wie kann man das denn verabschaeuen? Das ist dumm.”Verstaendnisslos schuettelte sie ihren Lockenkopf. “Bist du auch einer von den dummen Menschen, Rom?” “Wuerde ich dann hier am Rande eines fremden Landes sein und Germania bei mir dulden?” “Das heisst, du bist anders?” “Scheint so.” “Und Germania ist auch anders, nicht wahr. Wie gut, dass ihr euch getroffen habt. Das hat bestimmt Thor so gemacht, oder Jupiter.” “Oder Venus!” rief Deb lachend aus der Kueche aber ich ignorierte das einfach mal. “Die Goetter sollen uns zusammengefuehrt haben?” Warum eigentlich nicht. Welcher Gott es auch immer war, ich hatte kein Problem damit, auch mal vom himmlischen Licht eines Gottes erhellt zu werden. In der Vergangenheit hatte ich genug Probleme und Pech gehabt. Trotztem: “Ich verlasse mich lieber auf meine eigenen Faehig- und Moeglichkeiten, als auf die Hilfe von irgendwelchen Goettern zu warten.” Wild nickte Ann. “Hmhm, ich auch. Es waere viel zu langweilig, wenn jemand anderes alles fuer dich entscheiden und machen wuerde.” Dann wollte sie mehr hoeren. Ich erzaehlte ihr die Legenden unserer Goetter, vom Alltag in der Hauptstadt, den Gladiatorkaempfen und Termalbaedern, von schoenen Frauen in duennen Seidengewaendern, starken Soldaten und verrueckten Kaisern. Man konnte in Anns Augen die Begeisterung funkeln sehen und anscheinend war sie jetzt nicht mehr nur an den Geschichten aus dem Wald interessiert. Langsam begann ich zu verstehen, warum Germania ihr so viel aus seiner Heimat berichtete. Es tat gut von Zuhause zu reden und manch schoene Erinnerung tauchte zwischen den dunklen Stellen meiner Vergangenheit auf. Als ich irgendwann begann von Palastgaerten zu schwaermen, vermisste ich die neugierigen und ungeduldigen Fragen, die mich zu unterbrechen gewohnt waren. Ann war auf meinem Schoss eingeschlafen. Ein Blick auf das Feuer verriet mir, dass inzwischen eine Menge Zeit vergangen war. Es musste mitten in der Nacht sein. Ich nahm das schlafende Maedchen auf meine Arme und uebergab sie der laechelnden Deb, die sie gleich ins Bett steckte. “Danke”, fluesterte sie lautlos und ich nickte grinsend. So aehnlich musste es sich anfuehlen, wenn man eine Tochter oder ein juengeres Geschwisterchen hat. Ich musste an Ludwig und Gilbert denken, daran, dass Germania so Gefuehlt haben muss, bevor... Traurig schuettelte ich den Kopf. Ob so ein Loch in der Seele je heilte? 'Das Einzige, was er jetzt braucht, ist Liebe!' hatte Deb gesagt. Wenn es nur das war, konnte ich, glaube ich, mehr als nur helfen. Aber nachdem was heute... Ach, wir wuerden ja sehen. Jetzt war ich zu muede, um darueber zu gruebeln. In unserem Bett wuerde ich heute wohl nicht schlafen koennen. Also machte ich mich auf einem der gepolsterten Stuehle vor dem Kamin breit. Erinnerte ja ein bisschen an die Nacht in Martas Schaukelstuhl. Hoffentlich wuerde es dieses Mal etwas entspannter werden. So erschoepft wie ich mich fuehlte, fiel ich gleich in einen tiefen Schlaf. In der Dunkelheit meiner geschlossenen Augenlieder, glaubte ich noch immer das Gluehen der Flammen zu sehen. Leises Knistern und Flackern umgab mich, aber ich war sicher zu schlafen. Dann sah ich irgendwann Germania ueber mir stehen. Er sah mich einfach nur an, nicht boese, nur ausdruckslos, nachdenklich und ein wenig traurig. Ich versuchte zu laecheln, doch fuehlte mich schuldig. “Es tut mir leid.” fluesterte ich bedaechtig. Er nickte und war verschwunden. Ich wollte aufspringen und hinterherlaufen, aber ich befand mich ploetzlich nicht mehr schlafend vor dem Kamin, sondern stand unter einem riesigen Baum, auf dem ein Haufen Raben sassen. Jeder der nachtschwarzen Tiere, hatte nur ein Auge. Es raschelte und Ann fiel vom Baum in meine Arme. “Die Goetter haben dich gerufen.” Kreischend stiegen die Raben in einer dichten, dunklen Wolke aus Federn in den Himmel. Ihre Augen leuchteten uebernatuerlich rot. Erschrocken schreckte ich aus dem Schlaf auf. Leichte Daemmerung am entfernten Himmel. Es war kurz vor Sonnenaufgang. Das waren verdammt seltsame Traeume. Ich war nicht mehr sicher, welcher Teil davon real war und welcher fantasiert. Hatte ich das alles nur getraeumt? Die Luft und der Raum um mich waren warm und im Kamin flackerte ein kraeftiges Feuer. Das Haus hatte zwar dicke Mauern, aber selbst das konnte die naechtliche Kaelte eigentlich nicht aufhalten. Waere das Feuer nicht, haette ich in der Nacht sicherlich gefrohren. Ich sollte Deb dafuer denken. Noch immer muede, aber nicht mehr in der Lage zu schlafen, stapfte ich in die Kueche. Wenn Deb schon wach war und Holz aufs Feuer nachgelegt hatte, wuerde sie vielleicht schon Tee gemacht haben. Doch die Kueche war kalt und leer. Ich stutzte und heizte schliesslich den Herd selbst. Umso schneller wuerde es Fruehstueck geben. Dann setzte ich mich an den Tisch und wartete. Ich versuchte an nichts zu denken und daemmerte vor mich hin. Irgendwann, nach einer Ewigkeit, kam eine verschlafene Deb zur Tuer reingeschluerft. “Morgen.” brummte sie. “Ich wusste ja nicht, dass du ein Morgenmuffel bist.” lachend stellte ich ihr eine Tasse warmer Milch vor die Nase. “Danke”, murmelnd strich sie sich die wirren Haare aus dem Gesicht. “Lass mir dir noch einen Rat als Freundin geben: Aergere nie eine Frau am Morgen.” Ich nickte schmunzelnd. Eine Weile sassen wir uns schweigend gegenueber. Der Morgen brach gemuetlich an und Deb begann Eier und Speck anzubraten. Der Geruch verbreitete sich im ganzen Haus. Es wuerde nicht mehr lange dauern und die anderen beiden wuerden aufstehen. “Wie hast du geschlafen, Rom? Ging der Stuhl?” “Ja, ganz gut glaube ich. Ich hatte einen seltsamen Traum. Seit einer Weile traeume ich irgendwie wieder.” “Seit Germania wieder da ist?” “Hm, ja irgendwie schon. Woher weisst du?” “Mit Traeumen verarbeitet dein Koerper, was passiert und all deine Probleme und Gedanken.” Deshalb hatte ich also von Germania getraeumt. Kein wunder. “Oder die Goetter haben mich gerufen.” Deb lachte auf, aber mir war das ernst. Die Worte, die Ann im Traum gesagt hatte, liessen mich nicht mehr los. Die Braunhaarige huestelte ironisch. “Aber sicher.” Die Tuer ging langsam auf und wie gerufen trat Anm in ihrem weissen Nachthemd ein. Ihre Lippen zitterten verdaechtig und Feuchtigkeit glitzerte gefaehrlich in ihren Augen. “Mama?” Deb stand schnell auf und eilte zu der Kleinen. “Mama, Germania ist fort...” Sie stuerzte in die Arme ihrer Mutter. Kapitel 26: XXVI ---------------- Der Wind wurde immer schneidender. Umso weiter ich nord-oestlicher ging, desto kaelter wurde die Luft. Dieses Jahr wuerde es einen ploetzlichen, fruehen Wintereinfall geben. Ich erwartete schon bald den ersten Schnee. Anzeichen dafuer waren schon zu sehen. Der dicke Mantel, den ich mir aus der Kiste mit den Sachen von Debs Mann geliehen hatte, drueckte schwer auf meinen Schultern. Aber er hielt mich warm. Die Wunde am Arm juckte unter dem Verband, den Deb mir gestern noch umgelegt hatte. Die Kratzer auf meiner Brust spuerte ich schon gar nicht mehr. Dafuer etwas anderes. Unruhe, Zweifel, Unsicherheit. Gefuehle, die beschaemend und ungewohnt fuer mich waren. Ich beschlaeunigte meine Schritte. Bald muesste ich da sein. Mein Bauch knurrte. Er war schon seit vielen Stunden leer. Aber jetzt war keine Zeit zum Essen. Rom kam mir in den Sinn. Wie er mich davon ueberzeugen wuerde etwas zu mir zu nehmen. Meine Faeuste ballten sich. Das letzte mal als ich ihn gesehen hatte, halb schlafen und einen Gesichtsausdruck voller Reue und Traurigkeit. 'Es tut mir leid', hatte er gefluestert. In einer Tonlage, die kein Zweifel liess, dass er es auch so meinte. Aus tiefer Ueberzeugung, als wuerde er verstehen. Rom ohne sein sorgloses und glueckliches Laecheln, war nicht Rom. War nicht der gleiche Mensch, dem ich beschlossen hatte zu folgen. Aber andererseits... In diesen Moment, jedenfalls, hatte ich nicht gewusst, was ich tun sollte. Aber ich hatte beschlossen, was ich als naechstes tun musste. Eine heftige Briese wehte auf und ich schlang den Mantel enger um mich. Schwere Wolken woelbten sich der Erde entgegen. Noch einmal aenderte ich die Richtung, in der ich ging. Schon lange war ich in bekanntes Gebiet gekommen und wusste, dass ich bald da war. Mein Herz sank und es schmerzte tief in meiner Brust. Ich trat auf eine kleine Lichtung. Geschuetzt von hohen Bueschen und dichten Baumkronen, stand unberuehrt ein schmaler, senkrechter Stein. Langsam und bedacht naeherte ich mich. Die Blumen, die ich damals davorgelegt hatte, waren verwelkt und ich warf sie achtlos in die Buesche. Neben dem kleinen Fels steckte das breite, roemische Schwert, an dem an manchen Stellen noch immer dunkle Flecken klebten. Lange stand ich einfach nur da und sah herab. Nicht in der Lage zu denken oder mich zu bewegen. Irgendwann loeste ich mich. “Hey ihr beiden. Tut mir leid, dass ich jetzt erst komme.” Ich versuchte ein wenig zu laecheln, was mir aber klaeglich misslang. “Mir geht es recht gut. Ich bin noch am Leben. Dank Rom. Er...er haette euch gern wiedergesehen.” Die Wolken ueber mir sammelten sich und der Wald wurde still. “Ich vermiss euch Kleinen.” Meine Stimme wurde kratzig und mein Hals trocken. Lange hatte ich mich hiervor gedrueckt. Angst ueberkam mich jedesmal, wenn ich daran gedacht hatte, ihrem Grab gegenueberzustehen. Die Schuld an ihrem Tod, mein Versagen und ihre letzten Qualen lasteten schwer auf meiner Seele. “Es tut mir leid, es tut mir so leid.” Brennen in meinen Augen, der graue Fels verschwamm vor mir. Es war schrecklich kalt und nun half auch der dicke Mantel nicht mehr. Mit schwachen Beinen sackte ich vor ihrem Grab auf die Knie. Ich bohrte meine Finger haltsuchend in die feste Erde und die ersten Traenen fielen zu Boden. Die Wolken brachen lautlos und dicke Flocken begannen den Wald weiss zu faerben. 'Germania sieh nur, da ist Wolle auf der Erde und den Baeumen.' 'Quatsch du Kleinkind, dass ist Schnee, nicht wahr Bruder?!' 'Ihks, das ist ja kalt...Hoer auf mich auszulachen Gil!' Ihre Stimmen hallten in meinem Kopf, als waeren sie noch immer hier. Frisch und lebendig waren die Erinnerungen. Wie hatte ich sie nur sterben lassen koennen? Warum war das alles nur passiert? Ich hasste mich dafuer. Ich hasste die Roemer, ich hasste diese grausame Welt, die zwei unschuldige Jungen in die blutruenstigen Haende dieser Maenner grtrieben hatte. Mir war so schrecklich kalt und ploetzlich wuenschte ich mir zwei Arme, die mich hielten. Nur fuer einen Moment, die warmen, starken Arme, die es nicht zuliessen, dass ich auseinanderfiel. Vorsichtig blickte ich auf. “Ich wuerde mich fuer euch aufgeben und euch folgen, aber er laesst das nicht zu. Ich denke ich kann noch nicht gleich kommen. Wartet noch ein wenig, ich kann das Leben noch nicht aufgeben.” Der graue, moosbewachsene Stein war kalt und rau unter meiner Haut. Mit traegen Bewegungen wischte ich den Schnee von ihm. “Verzeiht ihr mir, wenn ich fuer eine Weile fortgehe?” 'Rom ist doch so ein guter Mensch. Ich bin sicher, er wird wiederkommen und noch mal mit uns spielen. Du solltest nicht so skeptisch ueber ihn denken, Bruder.' Das waren grosse Worte fuer einen kleinen Jungen wie Ludwig gewesen. Doch ich hatte ihm damals kein Gehoer geschenkt. Jetzt gab es mir die Hoffnung, dass die beiden mit meiner Entscheidung einverstanden waren. Mir war als legten sich kleine, warme Kinderhaende auf meine Wange und liessen die eisigen Traenen verschwinden. Gilberts misstrauischer, aber zustimmender Blick und Ludwigs herzliches Laecheln. Ich musste einfach daran glauben, dass sie noch bei mir waren. Meine Haende, immer noch am Boden, beruehrten etwas weiches, zierliches. Ich schob die modrigen Blaetter beiseite. Ein kleines, einsames Gaensebluemchen wuchs auf der kalten, kahlen Erde. Eigentlich viel zu spaet und voellig fremd in der falschen Jahreszeit. Eine unscheinbare Lebensform unter Schnee und toten Blaettern. Gaensebluemchen, Zeichen des Fruehlings, Zeichen eines neuen Anfangs. Ich musste mir keine Sorgen machen. Ich konnte weitergehen ohne Angst haben zu muessen Ludwig und Gilbert zu vergessen. Seit ihrem Tod hatte ich sie nicht loslassen koennen, aber Roms Leidenschaft im Wald hatte mir gezeigt, dass das Leben weiterging. Und ich durfte nicht stehen bleiben. Dazu hatte diese warme, starke Hand sich zu fest um meine geschlossen. “Danke”, fluessterte ich und schloss leicht laechelnd die Augen. “Ich habe euch lieb.” Die weichen Schneeflocken schmolzen auf meinem Gesicht und spuehlten die salzigen Spuren darauf davon. Kapitel 27: XXVII ----------------- “Ist er schon wieder da?” Das kleine Gesicht drueckte sich die Nase an der kalten Scheibe platt. “Nein.” Auch ich sah zum 30 Mal an diesem Morgen aus dem Fenster. Germania war seit zwei Tagen verschwunden. Erst dachten wir noch, er wuerde nur einen Spaziergang machen, um den Kopf freizubekommen, aber als es dann schon dunkel wurde und er noch immer nicht aufgetaucht war, machte sich Panik in mir breit. Ich haette mich sofort aufgemach, um ihn hinterherzugehen, wenn Deb mich nicht zurueckgehalten haette: “Bleib hier Rom. Das bringt doch nichts. Du wuerdest ihn nie ein holen. Er hat mindestens einen Tag vorsprung und du kennst den Wald nicht. Zum Schluss bist du noch weg und wir muessten dich suchen. Hab Vertraun, er wird schon wiederkommen. Er wuerde dich nicht hier zuruecklassen. Ausserdem hat er kaum Sachen oder Proviant mitgenommen. Er kommt schon nach Hause.” Ich war mir da irgendwie nicht so sicher. Er wuerde mich nicht zuruecklassen? Vielleicht versuchte er auch einfach nur so viel Abstand wie nur moeglich zwischen uns zu bringen. Seit es auch noch angefangen hatte zu schnein, kuemmerte mich das alles nicht mehr. Dunkle Gedanken, Sorgen ueber Sorgen und schlimme Ahnungen breiteten sich wie eine ansteckende Krankheit in meinem Kopf aus. Seit den fruehen Morgenstunden pirschte ich durchs Haus, nicht in der Lage nicht an ihn zu denken. Ich wollte nur noch, dass er gesund und heil wiederkam. Hundert mal wollte ich aufbrechen, um ihn zu suchen, tausend mal sah ich aus dem Fenster und millionen mal raufte ich mir seufzend die Haare. Irgendwann drueckte mir Deb einen Sack Kartoffeln und ein Messer in die Hand. 'Damit du was zu tun hast', meinte sie leicht angenervt. Doch sie verstand, wie ich fuehlte und taetschelte aufmunternd meine Schulter. So sass ich jetzt noch in der Kueche und schaelte Kartoffeln. Manchmal fragte ich mich, was aus dem starken und stolzen roemischen Soldaten geworden war, der einst in dieser Haut steckte. Aber ich schaetzte, dass ich den ruhige und friedliche Mann, der hier seit einer Weile lebte, lieber mochte. Ann sass treu neben mir am Fenster und hielt aufmerksam Ausschau. Auch ihr kleines Gesicht war vor Sorge gerunzelt und gelangweilt brachte sie mich dazu ihr noch mehr Geschichten aus der Hauptstadt zu erzaehlen. Ich wusste schon nicht mehr, womit ich ihr Maeulchen noch stopfen sollte. Zum Glueck war die Arbeit bald getan. Deb kochte das Mittagessen und Ann und ich deckten den Tisch. Als die Braunhaarige dann mit einem heissen, dampfenden Topf zum Tisch kam, hielt sie verwundert inne. “Ihr habt euch vertan. Dort sind 4 Gedecke auf dem Tisch.” “Es ist genau richtig, Deb.” Ann und ich nickten einig und Deb seufzte. Die Mahlzeit verlief schweigend. Nur Ann rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her und reckte das Koepfchen zum Fenster. Deb guckte streng und die Stimmung sank wie die Temperatur draussen. Ich fuehlte mich mehr und mehr unwohl. Gefangen zwischen Sorgen und ungeduldigem Warten. Sobald ich meinen Teller leergegessen hatte, stand ich auf und entschuldigte mich fuer ein Schlaefchen. Seit Germania nicht mehr da war, war das Schlafen in dem grossen, weichen Bett zwar aeusserst bequem, aber ich erwischte mich immer wieder dabei, nachts wach und aufrecht zu sitzen und auf den leeren Platz neben mir zu starren. Und dann roch das Laken und das Kissen auch noch so nach ihm. Das machte das ganze nicht gerade einfacher fuer mich. Zumindestens steigerte es meine Lust auf ein oder zwei Schlaefchen am Tag. Ich stieg gerade die ersten Treppenstufen hoch, als es mir ohne Grund und Anlass eiskalt den Ruecken runterlief. Die Haerchen in meinem Nacken stellte sich auf und in meinem Bauch begann es zu Kribbeln. Es schuettelte mich bei dem komischen Gefuehl. Ich rieb meine Arme, um die Kaelte loszuwerden und versuchte rauszufinden, was gerade passierte. Ploetzlich durchzuckte es mich. Auf der Stelle drehte ich mich um, stuerzte die paar Stufen herab, war in Sekunden an der Tuer und riss diese auf. Draussen stand Germania. Seine Haare voller Schnee, sein Gesicht von der Kaelte geroetet, in einem dicken Mantel gehuellt. Er atmete schwer, als waere er gerannt und duenne Wolken stiegen von seinem Mund in den grauen Himmel auf. Einen Moment starrten wir uns an. Ich suchte nach Ablehnung oder Abscheu in seinen Augen und entschied dann, dass mir das gerade egal war. Eine Welle des Glueckes ueberflutete mich. Ich zog ihn herein, knallte die Tuer ins Schloss und schloss ihn fest in meine Arme. “Mach das nicht noch einmal. Verdammt, tu das ja nie, nie wieder!” Ich spuerte die Kaelte durch meine leichte Kleidung und wischte den Schnee aus seinem nassen Haar. Er roch und fuehlte sich noch genauso an wie immer. Die zwei Tage waren mir vorgekommen, wie eine Ewigkeit. Zu meiner Ueberraschung legte auch er seine Arme zoegerlich um mich. Mir blieb der Atem stehen. Dieser Moment war magisch. Es war wie eine stille, wortlose Versoehnung. Die Sache war noch nicht aus der Welt, aber eine grosse Last fiel von meinen Schultern. Was immer er getan hatte, was auch immer in seiner Abwesenheit passiert war, er hatte sich veraendert. Etwas hatte ihn veraendert. Ich presste mein Gesicht in seine Haare und roch Schnee und Wald an ihm. Fuer einen Moment blieb alles stehen und ich spuerte den Drueck seiner Arme sich verstaerken. Dann wurde der Augenblick je unterbrochen. “Germania!” Eine ueberglueckliche Ann rannte auf uns zu und der Blonde loeste sich von mir, um sie in seine Arme zu nehmen. “Du bist wieder da”, nuschelte sie und er fuhr ihr ueber den Kopf. Dann kam auch Deb aus der Kueche. Sie laechelte nur und warf mir einen “Siehst du, ich habe es dir doch gesagt”-Blick zu. Dann nahm sie auch ihre Umarmunf von dem lang Erwarteten entgegen. “Es ist noch etwas Kartoffelsuppe uebrig und der Tisch ist noch gedeckt. Du musst hungrig sein.” So zogen wir alle in die warme Kueche und sahen zu, wie Germania den schneenassen Mantel ablegte und dankend eine Schuessel Suppe entgegennahm. Deb schickte Ann ins Wohnzimmer, Holz auf das Feuer legen, damit Germania etwas ausruhen konnte. Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurueck und beobachtete ihn beim Essen. Warum mussten ausgerechnet jetzt alle um uns rumlauern. Wenn ich ihn nur betrachte, wurde ich ganz hibbelig und unruhig im Bauch. Es gab so viel... ich wollte doch... endlich war er da! Nach wenigen Minuten inneren Ringens entschuldigte ich mich fuer mein laengst ueberfaelliges Schlaefchen. Ohne grossartig auf Germania zu gucken, ging ich in unser Zimmer. Ich wusste, dass er wusste, dass ich dort auf ihn warten wuerde. Einige Zeit stand ich still am Fenster und beobachtete, wie die Schneedecke draussen immer hoeher wuchs. Doch lange hielt ich es nicht aus und begann nervoes im Zimmer herumzutiegern. Gefuehlte Stunden spaeter oeffnete sich leise die Tuer und Germania stand im Raum. Wir waren endlich allein. Wieder wusste ich mir nicht anders zu helfen und tat das erste, was mir in den Sinn kam. Erneut riss ich ihn an mich und umarmte ihn fest. Und auch diesesmal liess er es zu. Es tat so gut ihn sicher zu wissen. “Germania, es tut mir leid. Ich schwoere, es war nicht meine Absicht dich zu kraenken.” Er loeste sich von mir und sah mir ausweichend in die Augen. “Ich weiss.” “Dann hast du ja keinen Grund mehr wegzulaufen. Gehe nie wieder fort, ohne vorher irgendwie bescheidzusagen. Ich-ich- ich habe mir sonst was gedacht. Du-” “Ich war an ihrem Grab, Rom.” “Du wirst mich eines Tages vor lauter So- Was?” Verdutzt hielt ich inne. “Ich war an Ludwigs und Gilberts Grab und habe mich verabschiedet.” “Verabschiedet?” “Wo auch immer wir in Zukunft hingehen, ich bin jetzt bereit.” Ich verstand noch nicht ganz, aber spuerte, dass es ihm ziemlich wichtig gewesen war. Anscheinend so wichtig, allein und ohne jemandem davon erzaehlen zu koennen, diese Reise antreten zu koennen. “Das bedeutet, du bist nicht sauer auf mich?” Germania seufzte. “Nein, bin ich nicht.” Erleichtertes Lachen sprudelte aus meiner Kehle. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie schwer das ganze auf mir gelastet hatte. Mein Koerper fuehlte sich nun so unglaublich leicht an. Gluecklich umfasste ich sein Gesicht und sah tief in die blauen, stechenden Augen. Mein Germane, mein Schicksal. Doch der Blonde machte meinem Schwaermen einen Strich durch die Rechnung. Er griff hart nach meinen Handgelenken und schob sie bestimmt beiseite. “Das heisst nicht, dass du jetzt deine Lust und Beduerfnisse an mir auslassen darfst. Es gibt genug Frauen in der Gegend. Nur wegen deiner Leidenschaft werde ich meinen Stolz nicht vergessen.” Lachend schuettelte ich den Kopf. Hatte er es immer noch nicht begriffen? Wie erklaerte ich ihm das jetzt bloss? “Es ist nicht wegen deiner Leidenschaft.” Skeptisch runzelte er die Stirn. “Es ist wegen dir.” Seine Miene entglitt und Ratlosigkeit spiegelte sich in ihr. Ich lachte abermals auf. Er war einfach zu suess. “Es ist nur wegen dir. Alles ist nur wegen dir. Verstehst du das nicht? Du bist der Grund, fuer alles was ich tue.” Meine Stimme war weich, vorsichtig. Diesesmal ganz langsam, um ihn Zeit zu geben zu reagieren, legte ich meine Haende wieder um sein Gesicht und fuehrte unsere Lippen zusammen. Ganz sanft und forschend war der Druck auf unserer Haut. Er schmeckt herrlich und verlangend strich ich mit der Zunge ueber seine Lippen. Sie waren noch ein bisschen kalt aber unglaublich weich. Doch ich beherrschte mich und hielt ihn nur an mich gedrueckt, noch immer im Kuss vertieft. Ein letztes mal biss ich sacht in seine Lippe und strich ueber sein feuchtes Haar. Dann liess ich ihn los und sah ihn forschend an. Er schien als erstes einfach nur ueberrumpelt. Das war, so gesehen, unser erster Kuss. Ein Kuss, wo beide bei vollem Bewusstsein waren und hinterher kein blaues Auge geschlagen wurde. So gern wuerde ich mir mehr nehmen, aber Deb hatte recht. Langsam und bedacht: So wurde ein Schuh daraus. “Das bedeutet...” Hilflos verstummte er wieder. Ich hatte ihn anscheinend sprachlos gemacht. Das war doch schon mal ein Anfang. “Schon gut, du brauchst nichts zu sagen. Du musst schrecklich muede sein, geh ins Bett.” Dass ich es eigentlich gewesen war, der schlafen wollte, hatte ich so ziemlich vergessen. Ich wuerde ihm ein wenig Zeit zum Nachdenken geben. Morgen wuerden wir ja sehen. Ich wuerde Deb sagen, sie solle noch ein bisschen Suppe fuer ihn bereithalten, falls er noch mal hungrig werden wuerde. Er schien wenig gegessen und schon wieder abgenommen zu haben. Bevor ich mich jedoch umdrehen und gehen konnte, hatte Germania mich schon am Aermel gepackt. Grob zog er mich zu sich runter und kuesste mich. Es ging schnell und bevor ich irgendetwas denken oder unternehmen konnte, hatte er sich schon von mir entfernt. Er liess sich einfach aufs Bett fallen und schien schon eingeschlafen. Ich laechelte gluecklich. Mein kleiner Wilder. Das mochte nichts heissen, aber es fuehlte sich gut an. Leise legte ich mich neben ihn. Jetzt hatte ich wieder genug Zeit ihn zu betrachten. Die Luecke neben mir hatte sich geschlossen. Ohne fuerchten zu muessen oder Scham und Bedenken zu fuehlen, legte ich meinen Arm um ihn und strich ueber seinen Hals. Kein Zoegern, keine Aengste. Ich wusste, ich tat das Richtige. Kapitel 28: XXVIII ------------------ Das naechste mal, als ich erwachte, war es mal wieder dunkel. Anscheinend waren wir beide so muede gewesen, bis zur Nacht zu verschlafen. Ich froestelte ein wenig, da ich ohne Decke schlief. Nur meine Hand schien zu brennen. Mein ganzer Arm war furchtbar heiss. Ruckartig fuhr ich hoch. Es war der Arm, den ich um Germania gelegt hatte. In der Dunkelheit versuche ich ihn auszumachen, doch es dauerte, ehe sich meine Augen an die Schwaerze gewoehnt hatten. In der Hoffnung mich getaeuscht zu haben, fuehlte ich noch mal seine Stirn. Doch es war eindeutig: Germania gluehte. Er musste hohes Fieber haben. Oder es kam mir nur so vor, weil ich selbst so kalt war. Aber wie auch immer, Germania war krank. Vorsichtig ruettelte ich ihn ein wenig. Mehr als ein schwaches Stoehnen brachte das nicht. Ratlos schlug ich die Decke zurueck, um seinen heissen Koerper etwas abzukuehlen. Aber irgendwie kam mir das etwas plumt und sinnlos vor. Schnell eilte ich in Debs Zimmer und klopfte laut. Als sich nichts tat, haemmerte ich weiter gegen das Holz, bis eine wuetende, verschlafene Deb, mit den Armen in die Huefte gestaemmt, vor mir stand. “Es ist lieber verdammt wichtig, mein Lieber”, fauchte sie. Viel konnte sie nicht zetern. Ich nahm sie an der Hand und zog sie in unser Zimmer. “Mit Germania stimmt etwas nicht.” Sofort verschwand ihr Aerger und eine Art Professionellitaet taucht in ihrer Miene auf. Auch sie fuehlte seine Stirn und ihr Mund verzog sich zu einem schmalen Strich. “Das musste ja so kommen. Was treibt der Kerl sich auch tagelang bei Eis und Kaelte draussen rum. Und das in seiner Verfassung. Er hat ja kaum noch Fleisch auf den Rippen.” “Das heisst jetzt? Weisst du, was zu tun ist?” Sie laechelte milde, was meine Angst ein wenig linderte. “Mach dir nicht ins Hemd, Roemer, wir kriegen deinen Germanen schon wieder hin. Vergiss nicht, ich bin eine Mutter.” Dann begann sie mir Anweisungen zu geben und ich hatte keine Gelegenheit mehr mir Gedanken zu machen. Wir gaben ihm viel zu trinken, Deb wickelte ihm feuchte Tuecher um die Waden und ich kuehlte ihm, mit einem kalten Lappen, die Stirn. Nach Stunden, legte die Braunhaarige die Arbei nieder. Ihre Augen blickten muede und dunkle Schatten zierten ihr Gesicht. “Wir haben alles getan, was wir tun konnten, um ihm zu helfen. Wenn es morgen nicht besser wird, hole ich Tiem, damit er nach ihm sieht.” “Wer ist Tiem?” “Doktor Tiem Storbach. Er ist der Arzt im Dorf.” Einverstanden nickte ich. Dann war ich mit Germania wieder allein. Deb war zurueck ins Bett gegangen, um wenigstens noch ein wenig Schlaf zu bekommen. Wenn etwas war, sollten ich sie rufen. Der Blonde schlief noch immer und ich tupfte ihm weiterhin die Stirn ab. Seine Wangen waren geroetet und er strahlte unnatuerliche Waerme aus. Aber sein Gesicht wies nicht mehr die schmerzverzogenen Zuege auf, die mich so schaudern liessen. In dieser Nacht passierte nicht mehr viel. Ich blieb fast durchgehend wach und versuchte ihm mit Wasser und kuehlen Tuechern zu helfen. Nur manchmal schlief ich ein, um dann aus nervoesen Traeumen zu erwachen und mich wieder um den Patienten zu kuemmern. Irgendwann am morgen schlug dieser dann die Lieder auf und sah mich aus glasigen Augen an. Wenn er nicht so krank waere, haetten mich schon wieder bestimmte Gedanken hingerissen. Aber so laechelte ich nur schwach und rieb mir den Schlaf aus dem Gesicht. “Hey, wie fuehlst du dich?” “Miserabel”, Kraechzte er, versuchte aber sich aufzusetzen. Ich stuetzte und half ihm etwas zu trinken. Er nahm den nassen Lappen von der Stirn und betrachtete ihn lange. “Du warst das, der die ganze Zeit bei mir war, oder?!” Seufzend liess er sich zurueck ins Kissen sinken. “Danke. Ich glaube ich fuehle mich schon etwas besser.” “Schoen.” Erleichtert plumste auch ich in die Laken. So muede. Es war noch ein wenig dunkel und so blieben wir einfach nebeneinander liegen. Sogar von hier konnte ich seine Hitze spueren. Ich war froh, dass er wenigstens wieder bei Bewustsein war. Als die Sonne irgendwann durch den Schnee, der sich am Fenster haeufte, glitzernd hereinfiel, drehte sich Germania zu mir. Ich hatte ein wenig gedoest und sah ihn verschlafen an. “Rom?” “Hmm?” “Das gestern Abend, der Kuss und... das ganze halt. Dieses Gefuehl war seltsam.” Er schaute mich nicht an, nur an mir vorbei. “Ich will mehr davon.” Ich konnte ein kurzes Auflachen nicht verkneifen. Er blinzelte wuetend. “Scheint so, als haette unser Germane seine Leidenschaft entdeckt.” Ganz nah kam ich seinem Gesicht. “Oder sogar sein Verlangen?” Mit dem Daumen fuhr ich ueber seine Lippen. “Ich werde dir alles geben, was du willst, mein Lieber. Alles.” Es war wohl der Unterton in meiner Stimme, der ihn erroeten liess. Das stand ihm unheimlich gut. Ob er wohl schon Erfahrungen mit Maennern hatte? Wie ich vermutete ja nicht. Hoffentlich nicht. Allein schon der Gedanke daran, wie ein fremder Mann ihn anfasste, liess mein Blut leicht kochen und schuerte ungeahnte Wut in meinem Bauch. Wahrscheinlich noch so ein baertiger Barbarenhauptmann. Ich knirschte mit den Zaehnen. Aber hatte Ludwig mir damals nicht erzaehlt, dass Germania seit er jung war auf die beiden aufgepasst hatte und dass sie seit dieser Zeit von den anderen Stammesmitgliedern gemieden wurden. Also koennte es sein...? Aufgeregt setzte ich mich auf und sah auf ihn herab. “Germania, bist du noch Jungfrau?” Prompt wurde er nicht nur rot, sondern knallrot. “Was geht dich das an?”, fauchte er gedaempft und versenkte sein Gesicht im Kissen. Ich grinste, zog ihm vom Kissen weg und beugte mich ueber ihn. “Eine Menge, eine grosse, grosse Menge.” Dann strich ich ein paar verklebte Haarstraehnen aus seinem Gesicht und kuesste ihn zaertlich. Sofort erstarrte er und schloss die Augen. Neckend beruehrten sich unsere Zungen. Jungfrau! Viele Gedanken und Ideen schossen mir durch den Kopf. Es gab viel, was ich ihm zeigen wollte, das ihm wieder diese niedliche Roete ins Gesicht schiessen lassen wuerde. Als ich mich loeste und ein wenig entfernte, hielt er mich fest. “Nein, nicht aufhoeren”, maulte er wie ein kleines Kind. “Was immer du willst.” Das war mir nur recht. Rechts und links neben seinem Kopf, stuetzte ich meine Unterarme auf und fuehrte unsere Lippen erneut zusammen. Seine Finger verfingen sich hilflos in meinem Hemd. Es blieb auch nicht nur bei seinen Lippen. Vorsichtig und mit viel Einsatz meiner Haende, kuesste ich seine Stirn, seine Wangen, herab zu seinem Hals und dem oberen Ansatz seiner Brust. Doch ich ermahnte mich, dass er krank war und ging nicht weiter. Ich habe keine Ahnung, wie lange wir unser kleines Spiel fortsetzten. Seine Hitze, der salzige Geschmack seiner Haut und das Gefuehl unter meinen forschenden Fingerspitzen, liessen mich alles vergessen. Und ihn anscheinend auch. Wir fuhren erst hoch, als Deb kraeftig und lang an unsere Tuer klopfte. Ich lag nocht zur Haelfte auf ihm und schrak schnell zurueck. Unschuldig laechelnd oeffnete ich der Freundin die Tuer. Sie hatte frische Tuecher und zwei Schuesseln Suppe in der Hand. Forschend blickte sie mir in die Augen und auch wenn ich ihr auszuweichen versuchte, huschte ein wissendes Grinsen ueber ihr Gesicht. “Guten Morgen ihr beiden.” Zum Glueck war Germania wegen des Fiebers eh schon rot und heiss. Aber das Auge einer Frau konnte wahrscheinlich nichts taeuschen. Pruefend fuehlte sie Germanias Temperatur und brachte ihn dazu etwas zu sich zu nehmen. “Das ist nicht gut, du bist noch immer viel zu warm. Ich gehe los und hole Tiem... ich meine Doktor Storbach.” Germania horchte auf. “Ich bin in Ordnung, wir brauchen keinen fremden Doktor.” Doch wir wussten alle drei, dass mit Fieber nicht zu spassen war. Selbst eine am Anfang kleine Krankheit konnte mit unzureichender Versorgung toetlich enden. “Koennen wir dem Arzt vertrauen? Vergiss nicht, wir sind keine gewoehnlichen Mitbewohner oder Fremde.” Deb nickte. “Ich weiss, aber Doktor Storbach hat mein vollstes Vertrauen. Er ist ein guter, intelligenter Mensch.” “Gut, dann ist es wohl das Beste.” Germania knurrte leise, aber Deb hatte sich schon auf den Weg ins Dorf gemacht. Kapitel 29: XXIX ---------------- Nur wenige Stunden spaeter, stand Doktor Storbach an unserem Bett und betrachtete durch eine schmale, krumme Brille, den kranken Germanen. Dieser blickte nicht gerade gluecklich drein, doch durch Debs Bitten, liess er den Mann seine Arbeit machen. Doktor Storbach oder Tiem, wie ihn Deb ansprach, war entgegen meiner Erwartung ein junger tuechtiger Mann. Ich hatte mir einen alten, kahlkoepfigen Grossvater mit Gehstock und einem verstaubten Laecheln vorgestellt. Doch seine Haare waren kraeftig und dunkel und zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden. Er kam wahrscheinlich, genauso wie ich, aus dem Sueden. Seine Haut hatte einen dunklen Olivton und wenn er laechelte zeigte er perfekte weisse Zaehne. Als Deb mit ihm hereinkam und er mich zur Begruessung herzlich umarmte, sah ich die Braunhaarige mit hochgezogenen Augenbrauen an. Zum ersten mal seit ich die sie kannte, sah ich Deb auf diese Art erroeten und nun war ich es, der wissend grinste. Doktor Storbach sah aber auch wirklich nicht schlecht aus. Ann, die ins Zimmer gestuermt kam, den Doktor begruesste und sich eine leichte und besorgte Umarmung von Germania holte, unterbrach unsere stumme Unterhaltung. “Mama, kann ich raus spielen gehen?” “Nicht allein, Schatz, das weisst du doch.” Sie guckte sich suchend um und packte schliesslich meinen Arm. “Und wenn Rom mitkommt?” “Ha?” Wurde ich eigentlich ueberhaupt noch gefragt? Anscheinend nicht. Deb nickte nur einverstanden und ich gab klein bei. Wer konnte diesen lieben Kinderaugen schon widerstehen? Ich warf einen letzten Blick auf Germania, doch der wurde gerade von Doktor Storbach abgehoert und sass Oberkoerperfrei mit dem Ruecken zu mir. Man konnte eine leichte rote Stellen auf der blassen Haut am Hals undauf der Brust erkennen. Eindeutig mein Verdienst. Ich sah wie Germania etwas Braunes zu trinken gegeben wurde und wollte noch was rufen, aber Ann zog mich schon raus und die Tuer fiel hinter mir zu. Wir zogen uns warme Sachen drueber und wickelten Stofflappen um unsere Haende. Im Freien war die Kaelte etwas zurueckgegangen und hinter einzelnen Wolken schien einem die Sonne warm ins Gesicht. Der Schnee war weich und hier in der Einoede fast unberuehrt. Im roemischen Reich gab es natuerlich nie Schnee, da es nie sonderlich kalt war. Da kann man sich natuerlich vorstellen, wie gross meine Augen wurden, als ich in meinen Soldatenjahren im Norden, den ersten Schnee erlebt hatte. Aber den weiss-braunen Matsch von damals konnte man nicht mit der watteweichen Schoenheit von heute vergleichen. Jauchzend rollte Ann sich durch den Schnee und versuchte so viel davon in den Mund zu bekommen, wie sie es vor Kaelte nur aushielt. Ich musste lachen und wurde dann gleich gezwungen es ebenfalls zu probieren. Ich glaube Ann war die einzige Frau, die mich mit nur wenigen Worten zu so etwas verruecktem bringen konnten. Im Endeffekt hatten wir ziemlich viel Spass hier draussen. Wir bildeten Schneefiguren und verzierten sie mit Stoeckern, Steinen, Beeren und allem was wir finden konnten. Als Ann anfing Fragen ueber die Rundungen meiner Schneefrau zu stellen, beschloss ich, dass es Zeit wurde reinzugehen. Laenger hielt ich es in der Kaelte auch nicht mehr aus. Meine Haende brannten und ich wollte wissen, wie es Germania inzwischen ging. Ob Doktor Steinbach ihn schnell heilen konnte? Als wir das Haus betraten, schlug mir ein intensiver Kraeutergeruch entgegen. Eigentlich brauchte ich etwas zum Aufwaermen, aber ich konnte nicht warten und stieg schnell die Treppe raus. Bevor ich oben ankam, sah ich schon die beiden Gestalten eng beieinander stehen und fluester. “Es sollte alles in Ordnung sein, mach dir keine Sogen.” “Danke Tiem, du hast uns wirklich geholfen, ich stehe in deiner Schuld.” “Nicht doch, das ist meine Pflicht als Arzt. Aber wenn du die Schuld einmal ausgleichen willst, komm doch zu einem Abendessen vorbei. Jetzt gehe ich aber lieber. Antonio wird schon warten. Der kleine Racker meckert schon immer, dass ich zu wenig Zeit mit ihm verbringe und zu viel Arbeite. Denk noch mal ueber mein Angebot nach, ja.” Deb nickte und der Schwarzhaarige umarmte sie laechelnd. Er wand sich um und kam mir auf der letzten Treppenstufe entgegen. Wir nickten uns zu, respektierend und dankend. Deb war in ihrem Zimmer verschwunden ohne mich zu sehen. Angebot? Musste ich mir Sorgen machen? Sie schien diesen Tiem ziemlich gern zu moegen und man konnte es ihr ja nur mehr als goennen. Aber es stoerte mich ein wenig, dass nun ein Fremder ueber uns bescheid wusste. Heutzutage konnte man nur noch den wenigsten vertrauen. Doch Doktor Storbach schien ein sympatischer Mensch zu sein und hatte Germania geholfen ohne etwas zu verlangen oder es zu hinterfragen. Genau wie Marta und Deb. Also ueberliess ich es der Freundin zu urteilen ob der Doktor gut fuer uns war...und gut fuer sie. Falls er uns verraten sollte, oder Deb verletzen, wuerde ich ihm einfach mal einen vielsagenden Besuch abstatten. Zufrieden betrat ich unser Zimmer. Auf Zehenspitzen schlich ich zum Bett in dem Germania zu schliefen schien. Mehrere Minuten stand ich an der Bettkante und blickte auf ihn herab. Allein ihn zu beobachten, brachte mein Blut zum Wallen. Als ich meine Hand nach ihm ausstreckte, oeffnete er ploetzlich die Augen und griff nach meinem Handgelenk. Ich verlor ueberrascht das Gleichgewicht und fiel neben ihn. Noch ueberraschter war ich jedoch, als er sich eng an mich drueckte und seine Wange meine noch schneekalte Hand suchte. “Du bist so schoen kuehl”, murmelte er und schloss wieder die Augen. “Nur dieses eine Mal, das ist eine Ausnahme.” “Natuerlich.” Er sollte ruhig Schwaeche zeigen. Ich wuerde sie vor den anderen verdecken und sie mit mir ausgleichen. “Schlaf”, fluesterte ich und strich ueber seine heisse Wange. Germania nickte schwach, er war schon fast nicht mehr wach. “Ich glaube, ich mache das auch alles wegen dir. Alles fuer dich. Leben, weiterlaufen, dir folgen. Alles wegen dir.” Gluecklich kuesste ich seine Stirn. Mochte der Rest der Welt auch gegen uns sein, jetzt machte es nichts mehr aus. Das war zwar keine Liebeserklaerung, aber doch das meiste, was ich mir von meinem wilden Germanen erhoffen konnte. Kapitel 30: XXX --------------- Zwei Tage und etliche Stunden Schlaf und Kraeutergetraenke spaeter, konnte Germania schon wieder aufstehen und dem Bett entfliehen. Seine Wangen waren gesund geroetet, seine Augen hatten einen starken Glanz. Es war Ende Herbst und der Schnee hatte sich zum groessten Teil wieder verzogen. Eines besonders wolkigen Morgens, wir drei Erwachsenen sassen in der Kueche und Deb hatte suesses Geback gebacken, welches sie Germnaia zwang zu essen damit er etwas Fleisch auf die Rippen bekam, betrat Ann ungewoehnlich leise den Raum. Sie schlich um den Tisch herum, setzte sich vorsichtig auf ihren Stuhl und trank schweigend ihre Milch. Ich hob verwundert die Augenbrauen. Kein Umarmen, kein ueberschwingliches 'guten Morgen'? “Guten Morgen, Schatz.” “Morgen Mama”, nuschelte sie und steckte den Kopf tief in die Schuessel mit Haferbrei, die vor ihr stand. Deb seufzte. Dann holte sie, aus einem der Schraenke neben der Tuer, einen braunen, selbstgenaehten Stoffhasen. “Alles Gute zum Geburtstag, Kleines.” Deb wackelte mit dem Tier vor Anns Gesicht und stupste sie neckisch damit an. Die braunen Augen des Maedchens weiteten sich, doch nicht vor Freude. “Ann hat Geburtstag?”, fragte Germania und blickte verwirrt von einer zur anderen. Richtig, warum hatte uns keiner davon erzaehlt? “Mama, du sollst das doch nicht! Ich-ich will das nicht!” “Komm schon Maeuschen, es ist dein Tag, geniesse ihn, wenigstens dieses Jahr.” “Nein!” Wuetend sprang die Kleine auf und schlug Deb den Hasen aus der Hand. “Ich hasse diesen Tag!” Dann rannte sie raus und ich glaubte eine Spur von Traenen auf ihrer Wange glitzern zu sehen. Als die Tuer scheppernd zuknallte, breitete sich schweres Schweigen im Raum aus. “Tut mir leid, dass ihr das mit ansehen musstet. Wie unschoen. Ich dachte, wo ihr doch jetzt da seid, wuerde sie anders reagieren.” Mit den traurigen Augen einer besorgten Mutter hob sie den Hasem vom Boden auf. “Ich verstehe nicht, Deb.” Die Braunhaarige setzte sich und lehnte den Kopf zurueck. “Ann hasst ihren Geburtstag ueber alles. An diesem Tag versucht sie immer so unsichtbar wie moeglich zu sein und moeglichst zu verschwinden.” “Unschwer zu erkennen”, gab Germania bei und sah besorgt zur Tuer. “Freuen die meisten Kinder sich nicht ueber ihren Geburtstag?” Ich wusste noch, wie ich als kleiner Junge immer schon Stunden vor Sonnenaufgang wach im Bett gelegen hatte und vor lauter Aufregung und Freude keinen Schlaf mehr fand. Wieso sollte so ein aufgewecktes Kind wie Ann, ihren Geburtstag hassen? Deb strich dem Kuscheltier ueber den Kopf. Eine Naht am Ohr hatte sich geloest und ein wenig Wolle quoll heraus. “Anns Vater verliess uns an dem Tag, als sie geboren wurde. Ich hatte es ihr nie erzaehlt, doch eines Tages kam er zurueck, um sich Geld zu holen. Ann war noch jung, aber sie verstand es, als er ihr sagte, dasss er uns nur wegen ihr verlassen hatte, das es alles ihre Schuld war und dass er uns verabscheute. Er wollte nie Kinder und schon gar nicht eines, was anders war. Wegen Anns blonden, Germanenhaar, dachte er, sie sei nicht von ihm und wollte nichts anderes glauben. Ann denkt, dass es wirklich ihre Schuld sei und seither hasst sie ihren Geburtstag.” Sie guckte immer ungluecklicher. “Einmal sagte sie, dass sie sich wuenscht, nie geboren worden zu sein. Ich weiss wirklich nicht, was ich machen soll.” Ich sah betreten zu Boden. Das sogar an so gluecklichen Orten wie hier, Dunkelheit in den tiefen Rissen herrschte. “Lass uns mit ihr reden.” Germania nahm das Haeschen an sich, stopfte die Wolle zurueck und knotete die Naht, mit geschickten Fingern, wieder zusammen. Zustimmend nickte ich und legte die Hand auf Debs Schulter. Es war eine Schande, dass es solche Maenner gab, die ihrer Frau und ihrem Kind soetwas antaten. “Lass den Kopf nicht haengen, du bist eine gute Mutter.” Wir fanden das Maedchen in unserem Zimmer, in der Kiste mit den Sachen ihres Vaters, hocken. In ihren kleinen Haenden hielt sie fest ein grob gestricktes Oberteil aus brauner Wolle. Ohne Worte oder Absprechen setzten Germania und ich uns zu beiden Seiten der Kiste. Ann hielt den Kopf in den Sachen versteckt und sah nicht auf. “Hat euch meine Mama geschickt? Ich werde nicht feiern und auch nicht gluecklich sein.” “Eigentlich wollten wir nur Loki zu dir bringen. Er wollte nicht unten bei uns Erwachsenen bleiben.” Der Blonde legte den Hasen neben das Maedchen. Neugierig hob sie den Kopf. “Loki? Wie der Gott?” Germania nickte wichtig. “Genau der. Schau nur, hat er nicht genauso schlaue Augen?” Ann nahm das Tier in die Haende und betrachtete es genau. “Ich finde, er hat ziemlich traurige Augen.” “Natuerlich hat er das. Stell dir vor, wie er sich fuehlen muss: Einen tollen Menschen kennenzulernen, mit dem man gerne zusammen sein moechte und von dem dann boese und kalt abgelehnt und zurueckgelassen zu werden.” “Das muss sehr wehtun”, fluesterte sie verbissen. Ich taetschelte Loki den Kopf. “Aber zum Glueck muss er nicht mehr weinen. Er hat ja jetzt Menschen, die ihn ganz doll lieb haben.” In Anns Augen bildeten sich Traenen. Schniefend rieb sie sich uebers Gesicht. “Mein Papa war nie bei mir, aber ich vermisse ihn trotzdem schrecklich.” Zu meiner Ueberraschung schlang sie die Arme um mich und drueckte den Kopf verbergend an meine Brust. Etwas ueberrumpelt sah ich zu Germania. Doch der nickte bloss. “Ich habe meine Mama traurig gemacht und meinen Papa dazu gebracht uns zu hassen. Jetzt ist Mama ganz alleine.” “Aber sie hat doch dich. Wenn du jetzt auch noch boese mit ihr bist, dann hat sie gar niemanden mehr.” Germania legte seine Hand auf ihren Kopf. “Keiner ist sauer auf dich, wir haben dich alle gern. Ausserdem ist das auch kein Grund seinen Geburtstag zu hassen. Dieser Tag ist etwas besonderes. Es bedeutet, dass du ein Jahr laenger in dieser Welt ueberlebt hast und dich nicht unterkriegen laesst.” Das Maedchen kletterte aus der Kiste, schniefte ein letztes mal und nickte tapfer. “Ok... ich will meinen Geburtsatg trotzdem nicht feiern.” “Aber etwas von uns wuenschen kannst du dir doch, oder?! Und du solltest deiner Mama fuer Loki danken.” Fest presste sie das Haesschen an die kleine Brust. Dann runzelte sie die Stirn und dachte angestrengt nach. “Ich wuensche mir von euch...? Ich moechte...? Ich moechte, dass ihr euch kuesst.” Vor Schrecken verschluckte ich mich und hustete hart. Das Kind wurde mir immer unheimlicher. Kuessen? Wieviel und woher wusste sie? “Du willst, dass Germania und ich uns kuessen?”, hakte ich vorsichtig nach. Ann nickte eifrig und ein freches Grinsen bildete sich auf ihren Lippen. Germania zog die Augenbrauen hoch, zuckte aber mit den Schultern. Schnell beugte er sich zu mir und drueckte mir einen Kuss auf die Wange. Damit gab sich das Geburtstagskind aber nicht zufrieden. “Nein, keinen Babykuss, einen richtigen!” Ich wurde nervoes. Das war doch nichts fuer ein Kind. Ausserdem hatte sich zwischen mir und Germania, seit uns Deb an den einen Tag unterbrochen hatte, nichts mehr wirklich was getan. Ich wusste, er musste sich erst einmal erholen und hatte zu kaempfen mich zurueckzuhalten. Es hatte sich einiges in mir aufgestaut. Wenn ich jetzt mit einem richtigen Kuss den Damm brach, wusste ich nicht, ob es Jugendfrei bleiben wuerde. “Also weisst du Ann, ich glaube, es ist besser, wenn wir das bleiben-” Schmale weiche Haende fuhren in mein Haar, krallten sich darin fest und drehten meinen Kopf. Germanias Gesicht war so nah, dass ich erschrocken den Atem anhielt. Unsere Nasenspitzen beruehrten sich fast und ich konnte seinen Atem auf meinem Gesicht spueren. Dann, ganz langsam, neigte er den Kopf ein wenig und unsere Lippen fuegten sich perfekt zusammen. Fuer einen Moment verweilten wir so. Ich stoehnte gedaempft und packte ihn am Hals und am Ruecken, um ihn naeher an mich zu ziehen. Meine Zaehne drueckten sich leicht in sein Fleisch, meine Hand schluepfte unter sein Hemd, wanderte zu seiner Brust und kniff in die empfindliche Haut. Als er dann die Lippen oeffnete, um aufzukeuchen, glitt meine Zunge in seinen Mund, wo er sie nach kurzem Zoegern mit seiner empfing. Germania sank mehr in meine Arme. Seine Wangen waren geroetet, sein Brustkorb hob und senkte sich schnell. Als naechstes sah ich mich hastig sein Hemd aufknoepfen. In Gedanken lag Germania schon nackt und erregt vor mir, als ein leises Kichern uns unterbrach. Im nu fiel ich aus meiner rosa Wolke. Ich stoppte augenblicklich und auch der Blonde brachte sich in sichere Entfernung. Ann kicherte vergnuegt: “Ihr seid lustig.” Schwer atmend, vor aufkommender Lust und dem Zusammenreissen, fuhr ich mir mit der Hand ueber den Mund. “Verdammt”, zischte ich und verschwand in unserem Badezimmer. Ich hatte ja nicht gewusst, dass Germania so reagieren und mitspielen wuerde. Ich hatte jetzt definitiv ein Problem. Verzweifelt sah ich auf die Woelbung in meiner Hose. Hinter der Tuer im Zimmer hoerte ich, wie Germania beschwoerend auf Ann einredete. Ich musste mein Problemchen wohl allein loesen. Ich zog mich aus, stieg in die kleine Holzwanne und goss mir einen Eimer mit kalten Wasser ueber, der in der Ecke stand. Ich schnaubte froestelnd. Mit jedem Schwall Kaelte, beruhigte ich mich mehr, wusste aber auch, dass es nicht mehr lange dauern, bis ich mir Germania ganz nehmen wuerde. Kapitel 31: XXXI ---------------- Ann hielt Deb gegenueber dicht. Sie versprach uns mit glitzernden Augen, das dies unser Geheimniss bleiben wuerde. Noch am selben Tag entschuldigte sich das Maedchen bei seiner Mama und es gab eine ruehrende Szene zwischen Mutter und Tochter. Seit dem durfte ihr Hase, Loki, ueberall mit hin. Es wurde wieder kaelter und Schnee war bald in Aussicht. Fuer mich bestanden die Tage nur noch aus Nachdenken und Warten. Warten auf den richtigen Zeitpunkt. Ich wollte Germania endlich ganz, endlich richtig. Auch wenn dieser keine solche Regung zeigte. Der Blonde war auch nicht der Typ dafuer und wuerde nie von sich aus anfangen oder eine Andeutung machen. Das mit Anns Wunsch war wohl eine Ausnahme gewesen. Er war stolz, herablassend und oft kuehl. Aber genau das machte es so kribbelnd. Es war wie eine hart zu knackende, dann aber unglaublich suesse Frucht. Das seltene Laecheln war der Hoehepunkt. Ich wollte ihn, wollte alles. Ich fand nur keine Gelegenheit und wusste nicht recht, wie ich es anfangen sollte. Zwei Tage nach Anns Geburtstag kam mir Deb dann unbewusst zur Hilfe. Sie wollte mit Ann noch mal zu Doktor Storbach. “Och nein, Mama, ich moechte nicht mit. Du kuemmerst dich doch eh nur wieder um den Doktor.” Deb erroetete und scheuchte die Kleine raus. “Du kannst ja mit Antonio spielen.” Grummelnd winkte Ann uns zum Abschied zu und folgte ihrer Mutter in die Kaelte. “Ne, der ist komisch. Er redet immer nur von seiner warmen Heimat am Meer und von Tomaten.” Beide Gestalten verschwanden den Weg entlang unterm nachmittaglichen, grauen Himmel. Nun waren Deb und Ann also schon wieder zu diesem Doktor gegangen. Wenn mich nicht alles taeuschte, lief da was. Mich ging das ja nichts an und ich goennte es Deb. Aber man konnte nie sicher sein, was sich in einem Menschen wirklich verbarg. Rom schien da keine Bedenken zu haben. Eher freute er sich, als die beiden gingen. Er war schon immer der menschenfreundliche Typ gewesen und hatte den Doktor ziemlich schnell akzeptiert. Ein wenig war ich ihm ja auch dankbar. Inzwischen war nichts mehr von der Krankheit oder der Schwaeche bei mir zu erkennen. Die kalte und frische Luft tat meinem Koerper gut und die Bewegung hatte ich dringend gebraucht. Ich kam gerade von einem ausfuehrlichen Spaziergang zurueck, den Deb mir empfohlen hatte. Die Frau wusste echt, was gut fuer einen war. Der Himmel war verhangen und grau. Es wuerde wieder schneien. Ich mochte Schnee. Solange man einen Dach ueber dem Kopf und ein Feuer im Haus hatte, war das unschuldige Weiss eine Freude fuers Herz. Vor mir tauchte das Haus auf. Ich oeffnete die Tuer und trat ins Warme. “Bin wieder da”, brummte ich halblaut. Es war ungewohnt still. Meinen Mantel und die nassen Schuhe stellte ich in der Kueche zum Trocknen unter den Ofen. Ich selbst ging in den Wohnraum zur Feuerstelle und hielt meine Haende den Flammen entgegen. Gedanken an die letzten Tage und Ereignisse wanderten mir durch den Kopf und ich starrte versunken in die Glut. Das alles war verwirrend. Verwirrend, aber Himmel noch mal, aufregend. So intensiv, dass ich aufpassen musste meinen Stolz nicht zu verlieren. Waehrend ich eine ganze Weile so dastand und versuchte wieder warm zu werden, merkte ich nicht, wie sich ploetzlich eine Hand von hinten um mich schlang. Erst als sie sich quer ueber mein Gesicht legte und mich leicht nach hinten zog, schreckte ich auf. Ich lehnte gegen Rom, der mir grinsend ein “Buh” ins Ohr hauchte. Mit zusammengekniffenen Augen befreite ich mich aus seinem Griff und fuhr herum. “Was soll das?” Er lachte. “Deb hat Wasser aufgekocht und dir ein Bad eingelassen, bevor sie ging. Du solltest dich aufwaermen, damit es keinen Rueckschlag mit deiner Krankheit gibt.” “Nicht noetig, ich bin schon fast aufgewaermt. Ich brauche kein Bad.” “Sicher? Hast du in deinem Leben schon mal ein heisses Bad genommen?” Ich erroetete ertappt. Klar waren die Roemer uns Germanen in vielen Dingen weit voraus und hoch ueberlegen. Aber das war doch kein Grund sich unerfahren zu fuehlen, oder?! “Na schoen, aber nur ein paar Minuten.” Rom grinste breit, was mich schon wieder aufregte. Trotzdem folgte ich ihm in das angrenzende Bad in unserem Zimmer. Dampf und Kraeutergerueche kamen mir aus dem kleinen, steinernen Raum entgegen. Nun stieg meine Neugier doch. Ein Bad nehmen. Das bedeutete, dass man am ganzen Koerper von warmen, sauberen Wasser umgeben war. “Ich weiss nicht, wie lange du noch warten musst. Das Wasser ist so noch etwas zu heiss. In 5 oder 10 Minuten sollte es aber ge-” “Ich gehe jetzt.” Geduld war nicht immer meine Staerke und so stolzierte ich hinein und schloss die Tuer hinter mir. Erst konnte ich nichts sehen, weil alles voller Dampf war, aber weit oben in der Wand war ein kleines Fenster, welches ich oeffnete. Langsam wurde die Sicht klarer. Vorsichtig tauchte ich meine Hand in die hoelzerne Wanne voller heissem Wasser. So schnell waren meine Kleider noch nie von meinem Koerper gewesen. Gespannt stieg ich hinein und tauchte fast ganz unter. Oh ihr Goetter, das tat so gut! Die kalten Baeder im Waldsee waren nichts dagegen. Umlullend und erhitzend erfuellte mich das Wasser und der herbe Kraeuterduft mit Entspannung und ich seufzte wohltuend. Es war wirklich ziemlich heiss, gerade so, dass man es aushielt. Ich liess meinen Kopf gegen den Wannenrand sinken und schloss die Augen. Nie wieder wollte ich hier weg. Dann passierte mir ein groesser Fehler. Voller Gedanken und Geniessen, vergass ich die Zeit. Als erstes kam das Schwindelgefuehl. Dann gesellten sich Kopfschmerzen und unangenehme Hitze dazu. All die Zeit ueber, dachte ich nicht daran aus der Wanne zu steigen. Viel zu schoen. Alles andere war vergessen. Doch irgendwann verschwammen die Konturen vor mir und es wurde unaushaltsam. Dann war es zu spaet. Die Welt drehte sich vor meinen Augen, als ich mit schwachen Gliedern versuchte aus dem, nun viel zu heissen, Wasser zu kommen. Gerade noch wunderbar wurde es nun eine Qual. War es das, vor dem mich Rom warnen wollte? Mit einer Hand angelte ich mir ein Handtuch, zur Haelfte noch in der Wanne hockend. Das Holz war nass und mit meinen geroeteten, weichen Armen rutschte ich weg. Ich fiel regelrecht ueber den Rand, landete hart auf dem Steinboden und sass nun nackt, mit verrengten Gliedmassen gegen die Wanne gesungen. Das Handtuch segelte langsam zwischen meine angewinkelten Beine. Ich hatte mir den Kopf an der Wanne gestossen und sah fuer einen Moment blinkende Punkte vor meinen Augen. Wenigstens war ich aus dem schrecklich heissen Wasser. Der kalte Steinboden tat gut auf meiner blossen Haut. Gerade wollte ich mich erleichtert zuruecklehnen, um auszuruhen und wieder Herr meiner Selbst zu werden, da wurde die Tuer aufgerissen und Rom stand besorgt im Raum. Im ersten Augenblick war er irritiert, dann fuehlte ich seine Blicke auf meinem nackten, praesentierten Koerper und war froh ueber das Handtuch auf der gewissen Stelle. Ploetzlich veraenderte sich seine Miene und es lief mir kalt den Ruecken runter. Kapitel 32: XXXII ----------------- “Alles klar?” Der Ausdruck in seinem Gesicht war wieder verschwunden und leicht laechelnd reichte er mir die Hand. Doch ich schlug sie weg. Konnte er nicht gehen? Das war nicht gerade eine Situation, wo ich Hilfe wollte. Es war mir peinlich. Ich lag bloss am Boden und wuerde gefaelligst selbst wieder aufstehen. “Nein danke, ich schaffe das selbst.” So gut es ging, wickelte ich das Handtuch um meine Huefte und versuchte mich am Wannenrand hochzudruecken. Aber die Hitze in meinem Kopf war noch zu stark und ich schwankte. Starke Arme legten sich um mich. Tief atmete ich ein und wartete kurz, bis ich mich wieder gesammelt hatte. Rom drueckte sich beschuetzend an mich. Sein raues Hemd lag kuehl an meinem Ruecken. Doch ich war gereizt und der Verlust meiner Kraft und meiner Sinne verschlimmerten es nur. “Lass mich!” Ich machte mich los und taumelte zurueck zum Wannenrand. Mit zittrigen Beinen stuetzte ich mich daran ab. “Germania”, betonte Rom eindringlich. Ich warf ihm einen stolzen und herablassenden Blick zu und richtete mich gerade auf. So gut es halt ging. Ich wollte nicht, dass er mich so besorgt ansah, als waere ich etwas Zerbrechliches, Kostbares. “Danke, ich mach das allein. Ich brauche keine Amme!”, keifte ich, hob schwankend mein Hemd auf und begann es anzuziehen. Weit kam ich nicht. Bevor ich auch nur einen Arm durch den Aermel stecken konnte, packte eine Hand meine Haare und drueckte meinen Kopf zur Seite. Vor Schreck liess ich das Hemd fallen. “Rom, was zum-” Ich stockte, als ich in sein Gesicht sah. Es hatte sich wieder veraendert. Meine Augen weiteten sich, aber ich hatte keine Gelegenheit zu reagieren. Er sah mich mit beherrschenden Blick an und drueckte mich runter auf die Knie. Mit den Armen hielt ich mich noch am Wannenrand fest, aber der Rest meines Koerpers musste unter seiner Kraft gehorchen. Noch immer war ich ueberrumpelt. Von hinten fuehlte ich, wie er sich gegen mich drueckte. Seine Haende lagen auf meiner noch nassen Haut, glitten meinen Hals herunter, drueckten meine Brustwarzen zwischen seinen Fingern, fuhren ueber meinen Bauch weiter nach unten. Das war nicht mehr forschend, das war besitzend. Ich keuchte leise auf, als er ueber meinen Hals leckte, gleichzeitig unter das Handtuch fasste und meinen Oberschenkel herabstrich. Die Beruehrungen waren so intensiev, dass ich all meine Konzentration brauchte, um nicht laut aufzustoehnen. Was zur Hoelle geschah hier? “Lass das!” flink entschluepfte ich seinen Armen und brachte etwas Abstand zwischen uns. Ich wischte die nasse Spur von meinem Hals und erschauderte leicht. “Arsch!”, fauchte ich und warf ihm einen wuetenden Blick zu. Was war ich denn? Ein Kaninchen? Mit bebenden Fingern zog ich das Handtuch um meine Huefte fester. Mir war schrecklich heiss, was aber, wie ich mir verbissen eingestand, nicht mehr vom Wasser kam. Meine Haut brannte, dort wo er mich beruehrt hatte, auf eine verlangende, aufregende Weise. Das hatte nichts zu sagen, ich liess mich doch nicht einfach ueberfallen. Auch wenn etwas tief in mir, diesen neuen, anderen Rom hoechst erregend fand. Mit erhobenen Kopf stolzierte ich an ihm vorbei und ignorierte seine noch immer verschlingenden Blicke, die jeder meiner Bewegungen folgten. Zu spaet sah ich aus dem Augenwinkel das kalte Laecheln. Als naechstens fand ich mich auf Knien und Haenden wieder. Das Handtuch riss er achtlos herunter und kniete ueber mir. Sein Gewicht lastete auf meinem Koerper und hielt mich unten. Seine raue Kleidung kratzte auf meiner Haut und mir versagte die Kraft. Ich war ihm nun vollkommen ausgeliefert und er schien das zu wissen. Heisser Atem kitzelte in meinem Ohr, als er mit leiser, bedrohlicher Stimme die Worte hauchte, die mich mehr als erschaudern liessen: “Weisst du, wenn du laechelst, will ich dich mehr zum Laecheln bringen. Wenn du mich aber mit diesem herablassenden Blick ansiehst, will ich dich einfach nur besitzen und zum Schreien bringen. Und das wirst du Germania, du wirst schreien.” Ich schluckte hart und kniff die Augen zusammen, um keine verraeterischen Geraeusche zu machen, als er erst zart meinen Hals kuesste und dann ploetzlich in die empfindliche Haut biss. “A-arsch!”, keifte ich, doch Rom lachte nur. Das war definitiv schlecht. Wenn er so weiter machte, wuerde ich mich auch nicht mehr lange beherrschen koennen. Verdammt, was passierte hier nur. Rom war wie ausgewechselt. Er kuesste, leckte und biss meinen Hals, Nacken und meinen Ruecken. Er streichelte, reizte und strich ueber Brust, Bauch und meinen Po. Unbeherrscht, wild und besitzergreifend. Meine Atmung beschleudingte sich und immer oefter entwich mir eindeutiges Aufkeuchen. Ich konnte nicht mehr verbergen, dass ich nicht gaenzlich abgeneigt war. Er war so anders. War das das roemische Feuer, von dem Deb geredet hatte? War es das, was ihn alles vergessen liess? Wo war der weiche, guetige, immer gut gelaunte und umsorgende Mann geblieben, der keinem Sonnenschein ein Leid zufuegen konnte? Seine Bisse wurden heftiger und als ich, bei einem besonders Kraeftigen, scharf Luft einzog, um nicht aufzuschreien, packte er wieder meine Haare, drehte meinen Kopf nach hinten und kuesste mich hart. Seine Zunge stiess in meine Mundhoele, waehrend er sich enger an mich presste. Er war so aufdringlich, dass es mich voellig benebelte und ausfuellte. Mit einem letzten Versuch von Protest, biss ich ihm auf die Zunge. Rom zischte und loeste den Kuss. Ich rang nach Atem und nutzte die Pause um mich zusammenzureissen. Sein Blut schmeckte metallisch in meinem Mund und langsam krabbelte ich unter ihm hervor. Weit kam ich jedoch nicht. Rom lachte diabolisch, war sofort wieder ueber mir und fuhr mit seiner Hand von meiner Brust tiefer und tiefer. Ich japste auf, als er mit seinen Fingern zwischen meine Beine griff und fest zupackte. Mein Ruecken bog sich durch und ich warf den Kopf in den Nacken. Zwischen meinen fest zusammengepressten Lippen entkam ein heiseres Stoehnen. In meinem Nacken konnte ich seine beobachtenden Blicke fuehlen. Er kuesste meine Schulter, waehrend er mit geschickten Fingern begann mein Glied zu bearbeiten. Fest biss ich mir auf die Lippen. Ich wuerde ihm nicht den Gefallen tun und schreien. Unkontrolliertes Atmen, Aufkeuchen und Japsen, liessen sich allerdings nicht verhindern. Es zog langsam die Kraft aus meinem Koerper und versammelte all die Hitze und Konzentration in meiner Mitte. Schwach sackten meine Arme ein und ich lag nun auf meinen Unterarmen. Rom nutzte die Situation gleich aus, um sich von hinten noch weiter ueber mich zu lehnen. Ich spuerte die Erregung unter seiner Hose deutlich an meinem Koerper. Wieder drehte er meinen Kopf zu sich, um mich zu kuessen. Diesesmal liess ich es einfach geschehen und sah ihn aus glasigen Augen an. Mein Koerper war heiss, meine Haut, mein Inneres, jede Faser in mir brannte vor Erregung. Ob mein Kopf es nun wollte, oder nicht, meinem Koerper und meiner Seele gefiel es. Mal nicht ueberlegen, kontrolliert und stark sein zu muessen. Sich einfach nur einem anderen Menschen uebergeben. Unter der geschickten Hand, wuchs der Druck und als er mit den Zaehnen an meiner Kehle schabte, sprang der Funken ueber. “Rom~”, stoehnte ich mitgerissen, biss mir aber gleich wieder auf die Lippe und meine Finger krallten sich in meinen Arm. Endgueltig ausser Kontrolle, lag ich auf dem kalten Stein und schloss meine Augen. Mein Koerper zitterte und ein leichter Speichelfasen klebte an meiner Wange. Schweisstropfen perlten ueber meine Stirn und meine Lunge sog unregelmaessig Luft ein. Als sich die beschmutzten Finger in meinen Mund schoben, merkte ich erschrocken auf. “Was-” “Ich bin noch nicht fertig mit dir”, fluesterte er bedrohlich und bewegte seine Finger in meinem Mund. Mit dem anderen Arm langte er auf der anderen Seite um mich und hielt bestimmend meinen Kiefer fest. “Mach sie schoen nass”, lachte er und ich begann automatisch an ihnen zu saugen. Ich wusste nicht, was jetzt kam, aber mein Koerper und Instinkte tief in mir uebernahmen die Kontrolle. Rom entzog seine Finger und kuesste mich draengend und leidenschaftlich. Er hielt mich fest in seinem Arm, mein Koerper unter seinem, so dass ich nicht ausweichen konnte, als seine Hand meine Pobacken leicht auseinander drueckte. Ueberrascht zuckte ich zusammen und wand mich protestierend unter ihm. “Was-was soll das?” “Bleib einfach entspannt, es soll doch nicht wehtun, oder?!” Dann spuerte ich, wie er langsam seine Finger in mir versenkte. Was tat er? “Nnnnh!” Es war ein komisches, doch irgendwie reizendes Gefuehl. “Warte ab, bis ich erst in dir bin, meine kleine Jungfrau.” Erschrocken riss ich die Augen weit auf. Wollte er etwa...? Weiter konnte ich nicht denken. Roms Finger bewegten sich weitend in mir, drangen tiefer und schliesslich nahm er mehrere zur Hilfe. Meine Erregung war inzwischen wieder gestiegen und ein seltsames Kribbeln breitete sich in meinem Unterleib aus. “Ahhh!” Umso schneller seine Finger wurden, umso lauter mein Keuchen. Rom laechelte kalt ueber mir und schien das zu geniessen. Irgendwann zog er die Finger aus mir und ich wimmerte leise. Diese Leere war so furchtbar unbefriedigend und verlangte nach mehr. Doch darum wollte ich nicht bitten. Das brauchte ich auch gar nicht. Mit den Haenden an meiner Huefte drehte er mich um, so dass ich unter ihm lag und er ueber mir kniete. Rom sah mich klar an, waehrend ich kaum noch normal atmen konnte. Seine Hose hatte sich irgendwann verabschiedet und ein gefaehrlicher Blick lag in seinen Augen. Mit einer Hand spreizte er meine Beine, beugte sich wieder ueber mich und hauchte befehlend in mein Ohr: “Schrei fuer mich Germania.” Er drang grob in mich ein, fuellte mich voellig aus und entlockte meiner Kehle den ersten Schrei. Zufrieden laechelte er und stiess gleich noch mal zu. Wieder schrie ich auf, drueckte den Ruecken durch und warf den Kopf beiseite. Meine Zaehne bohrten sich in meine Lippen. Blut auf meiner Zunge, das mir langsam den Mundwinkel herablief. Alles in mir war bis zum Zerreissen gespannt, Rom so tief in mir, dass ich die Grenze zwischen seinem und meinem Koerper, nicht mehr klar ausmachen konnte. Immer wieder stiess er hart zu, umfasste meine Beine und kuesste die Innenseite meiner Schenkel. Ein Schweissfilm bedeckte inzwischen uns beide. Er lehnte sich vor, leckte das Blut von meinem Mundwinkel und steckte seine Zunge in mich. Irgendwann zwischen Stoessen und Kuessen, traff er einen Punkt, der mich lauter aufschreien liess. Ich war aussser mir, konnte nicht mehr richtig sehen, nicht mehr richtig hoeren, nicht mehr denken. Nur noch fuehlen. So intensiv, dass es die Welt um mich erschuetterte. Auch Rom stoehnte nun leicht und die Hitze, die mich verschlang, schien auch ihn nicht unberuehrt zu lassen. Er hob meine Huefte an und und beschleunigte sein Tempo. Das trieb mich in den Wahnsinn. “Germania.” Als ich meinen Namen leise, aber leidenschaftlich hoerte, liefen mir Traenen die Schlaefe entlang. Ich legte die Arme um ihn, zog mich naeher zu ihm ran und presste mich Halt suchend an seine Brust. Leicht kratzte ich ihm den Ruecken auf und als er sich endgueltig in mir entlud, schlug ich meine Zaehne in seine Schulter. Letzendlich liess mich das auch zu einem erloesenden Ende kommen. Es wirbelte und explodierte in mir. Weiterhin lag ich in seinen Armen. Unsere beiden Koerper schwer atmend, verschwitzt und ausgezehrt. Nun zart hob er meinen Kopf und kuesste mich. “Du hast eine wundervolle Stimme, Germania.” Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)