Make me legend von sproutet-moon (Germania x Rom) ================================================================================ Kapitel 26: XXVI ---------------- Der Wind wurde immer schneidender. Umso weiter ich nord-oestlicher ging, desto kaelter wurde die Luft. Dieses Jahr wuerde es einen ploetzlichen, fruehen Wintereinfall geben. Ich erwartete schon bald den ersten Schnee. Anzeichen dafuer waren schon zu sehen. Der dicke Mantel, den ich mir aus der Kiste mit den Sachen von Debs Mann geliehen hatte, drueckte schwer auf meinen Schultern. Aber er hielt mich warm. Die Wunde am Arm juckte unter dem Verband, den Deb mir gestern noch umgelegt hatte. Die Kratzer auf meiner Brust spuerte ich schon gar nicht mehr. Dafuer etwas anderes. Unruhe, Zweifel, Unsicherheit. Gefuehle, die beschaemend und ungewohnt fuer mich waren. Ich beschlaeunigte meine Schritte. Bald muesste ich da sein. Mein Bauch knurrte. Er war schon seit vielen Stunden leer. Aber jetzt war keine Zeit zum Essen. Rom kam mir in den Sinn. Wie er mich davon ueberzeugen wuerde etwas zu mir zu nehmen. Meine Faeuste ballten sich. Das letzte mal als ich ihn gesehen hatte, halb schlafen und einen Gesichtsausdruck voller Reue und Traurigkeit. 'Es tut mir leid', hatte er gefluestert. In einer Tonlage, die kein Zweifel liess, dass er es auch so meinte. Aus tiefer Ueberzeugung, als wuerde er verstehen. Rom ohne sein sorgloses und glueckliches Laecheln, war nicht Rom. War nicht der gleiche Mensch, dem ich beschlossen hatte zu folgen. Aber andererseits... In diesen Moment, jedenfalls, hatte ich nicht gewusst, was ich tun sollte. Aber ich hatte beschlossen, was ich als naechstes tun musste. Eine heftige Briese wehte auf und ich schlang den Mantel enger um mich. Schwere Wolken woelbten sich der Erde entgegen. Noch einmal aenderte ich die Richtung, in der ich ging. Schon lange war ich in bekanntes Gebiet gekommen und wusste, dass ich bald da war. Mein Herz sank und es schmerzte tief in meiner Brust. Ich trat auf eine kleine Lichtung. Geschuetzt von hohen Bueschen und dichten Baumkronen, stand unberuehrt ein schmaler, senkrechter Stein. Langsam und bedacht naeherte ich mich. Die Blumen, die ich damals davorgelegt hatte, waren verwelkt und ich warf sie achtlos in die Buesche. Neben dem kleinen Fels steckte das breite, roemische Schwert, an dem an manchen Stellen noch immer dunkle Flecken klebten. Lange stand ich einfach nur da und sah herab. Nicht in der Lage zu denken oder mich zu bewegen. Irgendwann loeste ich mich. “Hey ihr beiden. Tut mir leid, dass ich jetzt erst komme.” Ich versuchte ein wenig zu laecheln, was mir aber klaeglich misslang. “Mir geht es recht gut. Ich bin noch am Leben. Dank Rom. Er...er haette euch gern wiedergesehen.” Die Wolken ueber mir sammelten sich und der Wald wurde still. “Ich vermiss euch Kleinen.” Meine Stimme wurde kratzig und mein Hals trocken. Lange hatte ich mich hiervor gedrueckt. Angst ueberkam mich jedesmal, wenn ich daran gedacht hatte, ihrem Grab gegenueberzustehen. Die Schuld an ihrem Tod, mein Versagen und ihre letzten Qualen lasteten schwer auf meiner Seele. “Es tut mir leid, es tut mir so leid.” Brennen in meinen Augen, der graue Fels verschwamm vor mir. Es war schrecklich kalt und nun half auch der dicke Mantel nicht mehr. Mit schwachen Beinen sackte ich vor ihrem Grab auf die Knie. Ich bohrte meine Finger haltsuchend in die feste Erde und die ersten Traenen fielen zu Boden. Die Wolken brachen lautlos und dicke Flocken begannen den Wald weiss zu faerben. 'Germania sieh nur, da ist Wolle auf der Erde und den Baeumen.' 'Quatsch du Kleinkind, dass ist Schnee, nicht wahr Bruder?!' 'Ihks, das ist ja kalt...Hoer auf mich auszulachen Gil!' Ihre Stimmen hallten in meinem Kopf, als waeren sie noch immer hier. Frisch und lebendig waren die Erinnerungen. Wie hatte ich sie nur sterben lassen koennen? Warum war das alles nur passiert? Ich hasste mich dafuer. Ich hasste die Roemer, ich hasste diese grausame Welt, die zwei unschuldige Jungen in die blutruenstigen Haende dieser Maenner grtrieben hatte. Mir war so schrecklich kalt und ploetzlich wuenschte ich mir zwei Arme, die mich hielten. Nur fuer einen Moment, die warmen, starken Arme, die es nicht zuliessen, dass ich auseinanderfiel. Vorsichtig blickte ich auf. “Ich wuerde mich fuer euch aufgeben und euch folgen, aber er laesst das nicht zu. Ich denke ich kann noch nicht gleich kommen. Wartet noch ein wenig, ich kann das Leben noch nicht aufgeben.” Der graue, moosbewachsene Stein war kalt und rau unter meiner Haut. Mit traegen Bewegungen wischte ich den Schnee von ihm. “Verzeiht ihr mir, wenn ich fuer eine Weile fortgehe?” 'Rom ist doch so ein guter Mensch. Ich bin sicher, er wird wiederkommen und noch mal mit uns spielen. Du solltest nicht so skeptisch ueber ihn denken, Bruder.' Das waren grosse Worte fuer einen kleinen Jungen wie Ludwig gewesen. Doch ich hatte ihm damals kein Gehoer geschenkt. Jetzt gab es mir die Hoffnung, dass die beiden mit meiner Entscheidung einverstanden waren. Mir war als legten sich kleine, warme Kinderhaende auf meine Wange und liessen die eisigen Traenen verschwinden. Gilberts misstrauischer, aber zustimmender Blick und Ludwigs herzliches Laecheln. Ich musste einfach daran glauben, dass sie noch bei mir waren. Meine Haende, immer noch am Boden, beruehrten etwas weiches, zierliches. Ich schob die modrigen Blaetter beiseite. Ein kleines, einsames Gaensebluemchen wuchs auf der kalten, kahlen Erde. Eigentlich viel zu spaet und voellig fremd in der falschen Jahreszeit. Eine unscheinbare Lebensform unter Schnee und toten Blaettern. Gaensebluemchen, Zeichen des Fruehlings, Zeichen eines neuen Anfangs. Ich musste mir keine Sorgen machen. Ich konnte weitergehen ohne Angst haben zu muessen Ludwig und Gilbert zu vergessen. Seit ihrem Tod hatte ich sie nicht loslassen koennen, aber Roms Leidenschaft im Wald hatte mir gezeigt, dass das Leben weiterging. Und ich durfte nicht stehen bleiben. Dazu hatte diese warme, starke Hand sich zu fest um meine geschlossen. “Danke”, fluessterte ich und schloss leicht laechelnd die Augen. “Ich habe euch lieb.” Die weichen Schneeflocken schmolzen auf meinem Gesicht und spuehlten die salzigen Spuren darauf davon. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)