the Cage von Ash_Lynx ================================================================================ Kapitel 1: the Cage ------------------- Ich war schon immer hier. Mein ganzes Leben lang, kanne ich nur diese kalten, eisernen Stäbe die mich und meine Familie umgeben. Ich weiß nicht, was außerhalb dieser Stahlwände ist und ich bin mir nicht sicher, ob ich es jemals wissen möchte. Es heißt doch, man gewöhnt sich an alles. Doch was ist, wenn man nie etwas anderes kannte? Das ist mein Leben. Meine Realität. Ich rappele mich langsam auf und drehte meinen Kopf, um die klammen Muskeln zu erwecken. Der Holzboden unter mir dient mir als Schlafstätte und auch als Urinal, welches ich allerdings in einer Ecke verrichtete. Das war meine erste Nacht, in meinem eigenen Käfig. Zuvor teilte ich es mit meinen Geschwistern und ich kann nur sagen, dass es nicht bequem ist, zu fünft in einem 4x4 Meter großen Käfig zu leben. "Hey 7136!", höre ich meine Schwester aus dem Käfig mir gegenüber zuzischen. Ich gähne und richte meinen Blick auf sie. "Gleich ist Essenszeit! Denkst du, wir bekommen nun auch das was Mutter immer gegessen hat?", fragt sie mich ein wenig zu euphorisch. "Kann gut sein. Aber freu dich nicht zu früh. 5192 sagte, es schmeckt nicht viel anders." Sie verdreht die Augen. "Na und? Wir bekommen endlich das Essen der Erwachsenen! Ist das nicht toll? Jetzt können wir uns auch über die Kleinen lustig machen!" "Da hast du recht, 7135. Außerdem sind die Portionen jetzt viel größer", lächele ich zurück. "Yuppie!", jauchzt sie unterdessen und trampelt aufgeregt hin und her. Ich weiß nicht, wie es in der Welt draußen ist. Ich kann es mir nur denken, wenn ich die Wachen hier beobachte. Ich verstehe leider ihre Sprache nicht - das tut hier niemand von uns - doch kann ich es an ihrer Mimik und Gestik ablesen. Außerdem haben manche von ihnen manchmal etwas bei sich, was zwar fremd, jedoch interessant aussieht. Und sie bringen stets neue Gerüche mit sich. Ich überlege mir gerne, was das wohl alles ist, was wir hier nicht haben. Der Essens- und Käfigwechsel ist eigentlich ziemlich das einzig positive, was sich hier für uns verändert, weshalb die meisten schnell durchdrehen deshalb. Wie ihr bestimmt schon bemerkt habt, heiße ich 7136. Meine nervige Schwester heißt 7135, mein jüngerer Bruder, der immer ein wenig verschlafen wirkt ist 7134. Dann sind da noch die liebenswürdigen Idioten namens 7137 und 7138. Unsere Mutter (6589) sagte uns einst, dass die Wachen hier keine Nummern bekommen, sondern echte Namen. Das ist es wohl was uns am meisten abgrenzt. Wir sind nur die Nummern in ihren nummerierten Käfigen. Wir sind die, die unter ihnen stehen. Man könnte sagen, sie sind unsere Herrscher. Wenn wir brav sind, geschieht uns nichts. Wenn wir jedoch krank oder wütend werden, tun sie uns weh. Es war immer so und es wird immer so bleiben. Zumindest hier. PIEP PIEP ertönt es aus der Ferne. Ich kenne dieses Signal. Es bedeutet, dass die Schranken vor den Käfigen gleich hochgehen werden und die Maschienen losrollen, um unsere Nahrung davor abzuwerfen. Auch ich bemerke nun den Hunger und begebe mich zu der Schranke, blicke umher. Ich kann von hier aus alle meine Familienmitglieder sehen. Viele Andere sehen mir ähnlich, doch ich weiß nicht, ob ich mit ihnen verwandt bin. Fast niemand hier, kennt seine Väter. Eines Tages wird mir jemand der Erwachsenen erzählen warum, sagte meine Mutter. Doch im Augenblick widmet sich meine Aufmerksamkeit ganz dem Robotor, der in Position gebracht wird. PIEEEEP ertönt es und die Schranken gehen hoch. Der Robotor fährt los und sogleich kann ich den leckeren Geruch der neuen Nahrung in der Nase vernehmen. "Oh das wird toll! Das wird toll, 7135!", quiekt meine Schwester und zappelt umher. Sie war schon immer die Energiegeladene unter uns. Größtenteils verspühre ich Erleichterung, dass ich mir den Käfig nicht mehr mit ihr teilen muss, doch andererseits weiß ich, dass ich ihre Spielattacken bald vermissen werde. Der Robotor kommt nun geräuschvoll auch an mir vorbei und ich bekomme mein Essen fast über den Kopf geworfen, weil ich in so in Gedanken versunken war. "Aww, das riecht wirklich lecker", lächele ich und blicke zu meiner Schwester. "Na dann hau endlich rein!", tönt sie lauthals und grinst mir, mit Stücken zwischen den Zähnen zu. "Könnt ihr nicht endlich die Klappe halten?", ertönt die müde Stimme von 7134. "Lieber nicht, sonst passt ja nichts mehr rein", kontere ich und fange an zu essen. Es ist wirklich köstlich! Ich kann gar nicht umhin und schlinge es einfach in mich hinein. Dass ich davon später sicher Bauchschmerzen kriege, interessiert mich im Moment weniger. Schließlich hatte ich bisher nur einmal derartiges erlebt. Von Milch auf feste Nahrung und davon weiß ich nur noch, dass ich nicht so begeistert war wie von diesem Geschmack. Außerdem war diese wirklich GROßE Portion nun einzig und allein für mich! Ich muss mich nicht mehr mit meinen Geschwistern darum streiten! In diesem Moment ist das Leben schön. Fünfzehn Minuten später habe ich tatsächlich Bauchschmerzen und lege mich deshalb für ein Nickerchen in die Ecke. So voll war ich noch nie. Ich lausche den Gesprächen um mich herum und döse vor mich hin. Es ist gar nicht mal so schlecht, einfach nur zu zuhören. Man erfährt interessante Dinge. Wie zum Beispiel, dass 6899, ein paar Reihen hinter mir, Zahnschmerzen hat und nun fürchtet, die weißen Wachen würden kommen. Oder das 7618 sich das erste mal verliebt hat und nun von ihren Geschwistern am laufenden Band aufgezogen wird. Andererseits, höre ich auch weniger gute Dinge. Eine Freundin von früher, die nun leider zu weit weg steht, als dass ich mich mit ihr direkt unterhalten könnte ohne zu schreien, weint in ihrem Käfig. Sie war schon immer etwas sensibler und der Wechsel scheint ihr nicht gut zu tun. Ich würde ihr ja gerne helfen, aber ich bin mir nicht sicher ob "ES WIRD SCHON ALLES GUT! ICH BIN JA BEI DIR!", quer durch den Raum gebrüllt so wirklich hilfreich wäre. Höchstens heuchlerisch und darum halte ich einfach meine Klappe. Sie soll damit nicht auch noch aufgezogen werden. Die Langeweile hier, zieht nicht gerade Gütigkeit groß. Eher vertreibt man sich die Zeit mit Späßen oder Geschichten. Apropo Geschichten. Ich schlage meine Augen auf und rufe nach einer Freundin. "7108?" Keine Reaktion. "7108? KANNST DU MICH HÖREN?", rufe ich noch einmal und hebe lauschend den Kopf. "JA! Schrei hier nicht so rum, da krieg ich ja Ohrenschmerzen", höre ich sie überraschenderweise direkt hinter mir. Drei Wände der Käfige sind mit Stäben versehen und nur die Rückwand, gegenüber des Ganges, hat eine Holzverkleidung, sowie der Boden. Ist wohl als bequeme Anlehn-Gelegenheit gedacht. Oder so. "Ich wusste ja gar nicht, dass du direkt neben mir bist. Das ist ja toll", freue ich mich und drehe meinen liegenden Körper in ihre Richtung. 7108 ist meine beste Freundin seit Kindstagen. So nah wie jetzt waren wir uns noch nie. "Hat dir das Essen auch so gut geschmeckt?" "Es war definitiv eine Abwechslung", gluckst sie, "Ich habe jetzt richtig Bauchschmerzen, weil ich mich nicht beherrschen konnte." "Geht mir genauso", lache ich. "Sag mal, könntest du nun die gestrige Geschichte weitererzählen?" Ich höre eine Bewegung und schließlich einen Seufzer. "Eigentlich habe ich gerade versucht ein Nickerchen zu machen..." Ich antwortete nicht. "Na gut", höre ich sie und grinse. Sie lässt sich auch ohne Worte breit schlagen, das ist das herrlich Einfache an ihr. "Wo war ich denn stehen geblieben?" "Geschichte?!", ertönte es nun hinter mir von meiner Schwester, "Ich will auch wissen wie es weitergeht!" "Wenn du mir nicht wieder dauernd reinredest, darfst du mithören", sagte 7108. "Mach ich nicht", gluckst sie und erhebt ihre Stimme, "Hey! Alle mal aufgepasst! Alle die die Geschichte von 7108 weiterhören möchten, sollten jetzt bitte leise sein!" Sogleich auch wurde es in der unmittelbaren Umgebung ruhig. Ich lege mich bequem hin und lausche ihrer Stimme. "Wie ich bereits erzählt habe, war 13 auf dem Weg in den Raum. Die Wachen standen alle aufgereiht und achteten darauf, dass niemand zu langsam geht. Wer sich quer stellte, bekam die Stange zu spüren, welches einem das Herz aussetzen lässt." "Die Stange !!", ertönte es ehrfürchtig unter den Zuhörern. Jeder von uns kannte dieses Ding. Es kam auch gestern während des Wechsels einige Male zu Gebrauch. Manche beschwerten sich immer noch über ein schmerzliches Ziehen an der Stelle, wo es sie berührte. "Die Stange , genau. Er konnte beobachten, wie unmittelbar vor ihm, sein Bruder die Stange direkt an den Hals bekam und vor Schmerzen schrie. Er hatte Angst. Das Herz schlug ihm bis zum Hals und seine Beine zitterten. Er sah, wie die Luke am Ausgang des Raumes immer wieder hoch und runter fuhr und eines seiner Freunde dahinter verschwinden ließ. Anschließend konnte er nur noch einen markerschütternden Schrei hören und ein ekelerregendes Plumsen, wenn der Körper zu Boden ging. Sein Atem ging schneller, sein Blick raste ruhelos umher und die Enge des Leitganges schien ihn einzuquetschen. Außerdem war da ein seltsamer Geruch in der Luft. Den von Angst und Fäkalien konnte er inzwischen ausschließen, wenn auch beides in dem Moment vorherrschend war. Er kam ihm immer näher und näher. Schließlich wusste er, was dieser Geruch bedeutete. Instinktiv, auch wenn er diesen nicht kannte." Sie schweigt bedeutungsvoll und alle Zuhörer halten den Atem an. "Es war der Tod." Entsetztes Luftholen ertönte und aufgeregtes Gemurmel folgte diesem. 7108 ließ sich dramatisch lange Zeit, bevor sie fortfuhr. "Ja meine Lieben. Wenn der Moment kommt, weiß jeder von uns, wie der Tod riecht. Sein Blick richtete sich schließlich auf die Luke, welche sich bewegte wie ein riesiges mechanisches Maul. Als er nur noch 10 Meter davon entfernt war, hatte er fast resigniert und wäre stumm den Anderen gefolgt... Doch ereilte ihn, im Angesicht des Todes ein Geistesblitz und er ließ sich einfach fallen. Wie erwartet, senkte sich die Stange auf ihn. Er nahm all seine Willenskraft zusammen und versuchte nicht zu reagieren. Dabei biss er sich die Zungenspitze ab." "Meine Güte!", entwich es mir und ich leckte mir wehleidig über die eigenen Zähne. "Doch in diesem Moment war der vorherrschende Schmerz sicher nicht die Zunge. Einen Augenblick später fühlte er drei weitere Stangen die sein Gesäß, seinen Bauch und seinen Hals malträtierten. Da musste er sich schließlich nicht mehr verstellen, denn er fiel, überwältigt von dem Schmerz und den heftigen Herzsprüngen, in Ohnmacht." Sie stoppt wieder und ich höre sie aufstehen um zu trinken. "Drei Stangen auf einmal!" - "Du meinst wohl vier, davor doch auch eine einzelne, oder nicht?" - "Das überlebt doch keiner!" - "Ich glaube nicht, dass die Wachen so grausam sind!" Von überall ertönen die heftig erregten Stimmen der Insassen. Ich schweige, vollkommen versunken in der Vorstellung. Das muss schrecklich gewesen sein für 13. "Wie geht es weiter?", wispere ich. "Er wachte in einem Käfig wieder auf. Wie er dorthin kam und was jetzt mit ihm geschehen würde, wusste er nicht. Jede einzelne Faser seines Körpers schmerzte ihm und seinen Mund erfüllte eiserner Geschmack. Plötzlich erinnerte er sich an die Tortur und sprang vor Schreck so heftig auf, dass er sich fast das Bein verdrehte. Er schrie und kniff die Augen zu. Sein Atem ging stoßend, seine Augen rotierten in ihren Höhlen. Irgendwann kam dann eine weiße Wache zu ihm und..." "Was ist eine weiße Wache?", fragt meine Schwester. "Hast du das schon vergessen?", entgegne ich und drehe mich zu ihr. "Was denn?" "Als du jünger warst, bist du einmal ganz schwer krank gewesen. Eine weiße Wache kam und hat etwas in deinen Arm gesteckt. Ein paar Tage später ging es dir wieder gut." "Dann war er doch die Rettung, oder 7108?" Sie seufzte. "Nein. Manchmal wirst du, auch wenn die weiße Wache dir etwas gegeben hat, trotzdem weggebracht. Niemand hat die Weggebrachten je wieder gesehen. Manche berichten sogar, dass man von ihnen in einen ewigen Schlaf versetzt wird." Schweigen legt sich über die Zuhörer und sie fährt mit ihrer Geschichte fort. "Jedenfalls, bekam auch 13 etwas in seinen Arm und ihm wurde eine brennende, ekelige Flüssigkeit in den Mund injeziert. Die weiße Wache war sehr lange bei ihm. Als schließlich die Nacht einbrach und die Lichter gedämpft wurden, traute er sich, mit den anderen Insassen zu sprechen. Er kannte niemanden davon, doch waren ihre Geschichten vergleichsweise nichts zu dem, was er erlebt hatte. Auch wusste niemand von dieser höllischen Luke. Einer der damaligen Insassen litt an einer Kinderkrankheit und war dort, um sich auszukurieren und um seine Geschwister nicht anzustecken. Er überbrachte seine Geschichte." Sie räuspert sich und senkt die Stimme. "Am nächsten Morgen wurde er weggebracht. Er wurde durch ein anderes Tor am anderen Ende des Raumes geführt. Als sich das Tor schloss, hörten die Kranken nur noch einen qualvollen Schrei-" Ich höre sie tief Luft holen und ahne was kommt, "NEEEEEEEEEEEEEEEEEIIIIIIN!" Wir zucken zusammen und ich ziehe meine Schultern hoch. Kaum das Stille eingekehrt, hören wir ein Tor aufkrachen. Vor Schreck ziehe ich auch noch den Kopf ein. Ich kann die Schritte der Wachen vernehmen. "Na toll, danke 7108!", zischt jemand neben mir. "Es sind die Schwarzen!", höre ich das aufgeregte Flüstern einiger. Die schwarzen Wachen sind die mit den Stangen und daher besonders verachtet und gefürchtet. Dann gibt es noch die Blauen, die die Nahrung überwachen und unsere Käfige säubern. Die Braunen, die uns manchmal Süßes geben und mit den Kleinen spielen. Und natürlich die Weißen. Was ich nun von denen halten soll, weiß ich noch nicht. Vor dieser Geschichte dachte ich immer, sie täten uns nur gut. Das muss ich jetzt noch in Ruhe überdenken. Sie unterhalten sich und schlagen manchmal gegen die Gitterstäbe, an denen sie vorbeigehen. Einer von ihnen lacht und der andere stimmt ein. Ich halte die Luft an und stelle mich schlafend, als sie an meinem Käfig vorbeikommen. Glücklicherweise reagieren sie gar nicht auf mich. Nach ein paar Minuten höre ich, wie sie wieder durchs Tor gehen. Erleichtertes Seufzen ertönt von allen Seiten und ein paar Momente später beginnen einige anregende Diskussionen, inspieriert von 7108s Geschichte. Ich beteilige mich nicht daran, sondern versinke in meinen Erinnerungen. Auch ich habe die Stange einmal zu spüren bekommen. Es ist sehr lange her. Zwei Wochen später werde ich Nachts von einem seltsamen Geräusch geweckt. In der Halle ist es ruhig und die Lichter sind gedämpft. Die meisten schlafen. Schlaftrunken denke ich, dass es nur ein Geräusch aus meinem Traum ist. Ich bin dabei mich umzudrehen um weiter zu schlafen, doch da ertönt das Geräusch schon wieder. Das bilde ich mir doch nicht ein! "Hey, pssst! 7138!" "Was~?", höre ich das verschlafene Grunzen meines Bruders. "Hörst du das auch?" "Ich will im Moment nicht mal dich hören", klingt es genervt zurück. "Das meine ich nicht! Dieses seltsame Geräu- da! Da war es schon wieder! Hör doch mal!", flüstere ich aufgeregt. Er grummelt nur und schweigt. Ich verdrehe mir den Kopf, um zu ihm blicken zu können, doch mir ist nur sein Hintern zugewandt. Es ertönt erneut und diesmal kracht etwas scheppernd nieder. Ich ziehe erschrocken die Luft ein und spitze die Ohren. Jemand pschhh-t einen anderen an und ich höre gedämpfte Stimmen. "Da ist tatsächlich jemand. Aber wenn es die Wachen sind, warum kommen die Nachts?", entgegnet mir 7138. "Ich weiß nicht. Aber sie haben auch kein Licht angemacht. Warum haben sie das nicht? Das ist nicht normal!", flüstere ich aufgeregt und setze mich in eine Ecke meines Käfigs. Ich höre sie in unsere Richtung gehen. Ab und an, fackelt kurzzeitig ein Licht zu mir rüber. Ich warte, nicht sicher, was ich von dieser neuen Situation halten soll. Die leisen Schritte kommen näher und auch das Licht istjetzt stärker. Schließlich stehen sie unmittelbar vor mir. Drei schwarze Fremde, welche mir fast das Herz aussetzen lassen. Erschrocken suche ich nach einer Stange in ihrer Hand, doch da blendet mich auch schon das Licht, welches ich bereits vorhin bemerkt habe. Es kommt von einem kleinen Kasten, welches einer der Dreien sich vor das Gesicht hält. Ein anderer hält sich einen anderen kleinen Kasten ans Ohr und der letzte hat einen kleinen Stab mit einem durchgängigen Licht am Ende in der Hand. Sie sind schnell an mir vorbei und ich höre, wie sie sich durch den Gang bewegen. Nach zwei Minuten laufen sie leisen Schrittes wieder zurück, an mir vorbei, in die Richtung aus der sie kamen. Weitere seltsame Geräusche erfüllen den Raum und kurze Zeit später ist es wieder ruhig. "Was zum Teufel war das?!", zischt mein Bruder. "Keine Ahnung...", murmele ich und lege mich wieder auf den Holzboden, bette meinen Kopf auf einem Arm. Diese Nacht fand ich keinen ruhigen Schlaf mehr. Die Zeit vergeht daraufhin wie gewohnt. Man isst, schläft, unterhält sich. Es geschieht nichts ungewöhnliches mehr. Das einzige was sich ändert, sind wir. Wir werden erwachsen. Werden größer. Ich merke, wie meine Brust von Tag zu Tag wächst. Ich fühle mich jetzt schon fast wie Mama. Mir kommen ihre Sätze wieder in den Sinn, "Wenn du eines Tages merkst, dass sich dein Körper verändert und du zu einer Frau wirst, dann frage eine der Frauen was geschehen wird. Ich werde vermutlich nicht mehr in deiner Nähe sein können, mein Kind." Das stimmt, leider. Seit dem Wechsel vor langer Zeit, habe ich sie weder gesehen, noch etwas von ihr gehört. Doch laut der Überlieferungen Anderer, ist sie erneut schwanger und kurz vor der Entbindung. "Entschuldigung?", frage ich in den Raum hinein. "Kann mir jemand erklären, was passiert, wenn ich eine Frau werde?", frage ich etwas hilflos und verloren. Ich habe keine Ahnung, wer in meiner unmittelbaren Umgebung weiß, was es damit auf sich hat. Ich höre ein paar lachen, hauptsächlich die Männer. Doch auch meine Schwester meldet sich und glücklicherweise höre ich eine Antwort, einige Meter entfernt. "Hier ist 6983! Ich kann es dir sagen." "Würdest du das tun? Danke!", entgegne ich und lausche ihr. "Die weiße Wache kommt zu dir und gibt dir etwas in den Arm. Dann wirst du ganz ruhig, aber nicht schläfrig. Normalerweise ist eine Braune Wache dabei und am Gitter steht eine schwarze Wache, falls du Ärger machen solltest." "Warum denn ein Schwarzer? Wenn die braune Wache da ist, macht doch keiner Ärger?", frage ich verdutzt. "Schon, aber hör mir erst mal zu. Der Weiße wird dich untersuchen, dir an deinen Brüsten drücken und ziehen. Anschließend steckt er eine Hand in dich und führt dabei etwas ein. Es ist etwas kalt und viele erschrecken sich so darüber, dass sie anfangen, trotz der Beruhigung zu toben. Darum ist der Schwarze da, um dich dafür zu bestrafen." Ich senke meinen Blick. Das klingt ziemlich... "Das war es meist schon. Du merkst dann irgendwann, dass dein Bauch immer größer wird und sich etwas darin bewegt. Das heißt dann, du bist schwanger. Davor kommt aber noch mindestens einmal die weiße Wache um dir glitschiges Zeug auf den Bauch zu schmieren und mit einem Ding darüber zu gehen. Dann bekommst du, wenn er das erste Mal mit diesem glitschigen Ding da war, neue Nahrung und wenn dein Bauch groß genug ist, auch einen größeren Käfig." "Du meinst, den den ich mit meinen Geschwistern geteilt habe?" "Nein, noch etwas größer. Den mit deinen Geschwistern bekamst du ja, nachdem ihr keine Milch mehr bekommen habt und einen Käfig neben eurer Mutter bekommen habt." Ich erinnere mich. "Stimmt. War es das dann schon?" "Das war es." "Aber woher weiß ich dann, wer der Vater ist?" "Vater? Was ist ein Vater?", höre ich sie fragen und stutze. "Na... das ist... das Gegenstück zur Mutter", gebe ich verunsichert von mir. "Ich weiß nichts von einem Vater. Ich habe nur meine Mutter und meine Geschwister." Ich höre, wie sie sich umdreht und hinlegt. Das Gespräch scheint für sie damit erledigt zu sein. Hm. "Aber Mama sagte doch...", murmele ich leise. Wenn sie doch jetzt nur da wäre, dann könnte sie es mir erzählen. Ach Mama. Warum hast du mir das nie gesagt? Ich bin ein wenig sauer und gehe in meinem Käfig auf und ab. Viel Bewegungsfreiheit habe ich nicht mehr, seit ich gewachsen bin, daher macht es mich nur noch wütender, weshalb ich mich schließlich auf den Holzboden lege und mit dem Fuß gegen die Gitter schlage. "Der Weiße...", höre ich meine Freundin leise kichern. "Der WEIßE!", lacht sie nun hysterisch. Ich seufze. Irgendwann ging sie von herzerweichendem Weinen auf wahnsinniges Lachen über. Niemand der Anderen in ihrer Umgebung will sich schon mit ihr anlegen, geschweigedenn unterhalten und das setzt ihr wohl noch mehr zu als ohnehin. Sie war ein so nettes Mädchen, als sie noch mit ihren Geschwistern zusammen war, doch nun ist sie nur noch ein Schatten ihrer selbst. "Sie werden die Hände in dich stecken und dir die Gedärme rausreißen! Nahaha~! Lauft! Lauft!", kreischt sie lachend. Das gewohnte Krachen ertönt aus ihrem Käfig. Bei jedem ihrer Ausraster, stößt sie ihren Körper an die Holzwand. Die Weißen Wachen waren schon zweimal da, um sie zu verarzten und ich fürchte, dass das dritte mal wohl ihr letztes sein wird. Ich schweige und schließe meine Augen. Ihrem Wahnsinn kann nichts mehr trotzen und jede Mühe ist vergebens. Aber ich verstehe sie. Es ist einsam, ohne meine Geschwister. Und es ist traurig, sich nur über Distanz zu begegnen. Doch es ist nun mal so. Einige Zeit verging und als ich eines Tages die Augen aufmache, steht eine weiße Wache vor mir, in Begleitung des Braunen und eines Schwarzen. Ich schrecke hoch und beäuge die Wachen skeptisch. War das jetzt der Zeitpunkt, von dem mir 6983 erzählt hat? Die Gitterstäbe öffnen sich und die weiße Wache tritt ein. Er hat einen kleinen Kasten dabei, welchen er neben mir abstellt. Dann beginnt die Prozedur. Ich bleibe ruhig, immer die Stange und deren Auswirkungen vor Augen. Es ist nicht schön. Mir wird schlecht, als er seine Hand in mich steckt und sie bewegt. Derartiges habe ich noch nie gefühlt, doch ich weiß, dass ich es nicht noch mal fühlen möchte. Zum Glück ist es schnell vorbei und die Drei verschwinden wieder. Ich bin noch müde von dem Zeug welches der Weiße mir gegeben hat und beschließe deshalb bis zum Abendessen zu schlafen. Die Tage vergehen auch diesmal wieder. Ich merke keinen Unterschied, auch wenn ich meinen Bauch nun öfter betrachte. "So schnell geht das nicht", lacht mich 6983 dann aus. Irgendwann kommt der Weiße Mann wieder, erneut in Begleitung der beiden Anderen. Diesmal hat er diesen großen Kasten mit dem glitschigen Zeug dabei, von welchem ich schon gehört habe. Ich denke mir, dass es das nun war und ich bald neue Nahrung bekomme. Doch die Besuche ereilen mich noch drei weitere Male und jedes Mal bekomme ich eine Hand eingeführt. Beim dritten Mal, habe ich die Nase voll, doch beherrsche ich mich noch, bis die drei Wachen wieder weg waren, bevor ich mir 6983 zur Brust nehme. "Warum kommt er immer wieder und steckt mir immer wieder die Hand rein?! Das mag ich nicht! Du sagtest doch, er kommt nur einmal um mir die Hand reinzustecken!", keife ich sie erbost an. "Ich weiß es nicht! Ich kenne das nur so! Bei mir war er auch nur einmal da, kurz nach dir, weißt du nicht mehr?" "Natürlich weiß ich das! Aber warum kommt er bei mir immer wieder?" Sie seufzt. "Denkst du nicht, ich würde es dir sagen, wenn ich eine Antwort wüsste? Eigentlich hättest du auch schon wie ich, deine neue Nahrung bekommen sollen." Ich grummele und wende mich von ihr ab. "Hab ich aber nicht", murmele ich etwas beleidigt vor mich hin. So sehr ich die neue Nahrung anfangs mochte, so sehr hängt sie mir auch schon zum Hals raus. Ein wenig Abwechslung wäre wirklich toll. Nach einer Woche herrscht wieder Trubel bei uns. Die Schwarzen sind wieder da und diesmal anscheinend nicht nur für die Routine. Wie ich vorrausgesagt hatte, wurde meine Freundin von ihnen weg gebracht, nachdem sie sich am Morgen zuvor den Kopf blutig geschlagen hatte. Sie bekam mehr als einmal die Stange zu spüren und wir konnten ihr Leid alle mitempfinden. Fasziniert beobachte ich, wie sie einen schmalen Gang vor den Käfigen aus den Wänden erscheinen lassen. Durch diesen wird sie geführt. "Die Dunkelheit! Das fressende Monster! Es wird mich jetzt holen und ihr seid auch bald dran! Nahahaha~!", kreischt sie den ganzen Weg über, bis ihre Laute von der schweren Eisentür geschluckt werden. Das Herz rutscht mir bis in die Hose. Die weißen Wachen waren in letzter Zeit nicht nur oft bei ihr, sondern auch bei mir. Zwar habe nur ich immer wieder diese Hand-reinsteck-Prozedur erlebt, aber dennoch mache ich mir nun Sorgen. Es ist ungewöhnlich, wie auch die Anderen sagen. Mein Mund ist trocken, deshalb trinke ich ein paar Schluck des eiskalten Wassers. Auf einmal höre ich die Wachen zurück kommen. Ich drücke mich zum Gitter und versuche sie zu erblicken, als sie auch schon vor mir stehen. Erschrocken trete ich zwei Schritte zurück. Es ist eine braune und eine schwarze Wache. Die von gerade eben. Sie unterhalten sich. Der Braune hält sich den Bauch und schüttelt den Kopf. Ich weiß nicht was das bedeutet, habe aber einen leise Ahnung das es etwas mit den häufigen Prozeduren zu tun hat, die ich in letzer Zeit über mich ergehen lassen musste. Jedes Mal wurde dabei mein Bauch und Unterleib abgetastet. Der Braune erschafft auch vor meinem Käfig diesen schmalen Gang und öffnet das Eisengitter. Ich atme geräuschvoll und voller Angst. So war es auch bei ihr! Die braune Wache spricht mit mir und ich brülle ihm vor Angst entgegen, dass ich ihn nicht verstehe. Da kommt der Schwarze rein und hebt die Stange . Erschrocken springe ich nach vorne, verharre kurz vor dem schmalen Gang der errichtet wurde. Meine Beine zittern und in mir facht die alte Erinnerung von 13 wieder auf. Werde ich nun auch erleben, was er erlebt hat? Ich will nicht! Panisch drücke ich mich zurück in meinen sicheren Käfig, dränge mich an eine Wand. Hätte ich die Geschichte doch bloß nie gehört! Der Schwarze kommt auf mich zu und verpasst mir mit der Stange einen schmerzhaften Stoß in die Leisten. Meine Muskeln verkrampfen, mein Herz hüpft einen Takt schneller und ich springe nach vorne. Panisch möchte ich nur noch weg. Egal wohin, nur weg. Doch mir bleibt nur dieser schmale Weg. Als ich realisiere wo ich mich befinde, bemerke ich nur noch, dass ich nicht die einzige bin. Meine beiden Brüder sind auch in diesem Gang, flankiert von schwarzen Wachen. Ich blicke zurück und sehe, dass die Gittertür geschlossen ist. Jetzt bleibt mir nichts mehr anderes übrig, als der Weg nach vorne. Ich neige meinen Kopf und blicke hinter mich. Außer uns dreien, werden noch sämtliche andere Männer dieses Ganges in die schmalen Wege gelotst. Schon drängt auch von hinten einer gegen mich und ich spüre seinen heißen Atem. "Lauf doch endlich! Ich will dieStange nicht noch einmal spüren!", höre ich ihn zischen, doch ich habe solche Angst, dass ich mich nur zentimeterweit fortbewegen kann. Langsam vernehme ich nun die aufgeregten Stimmen all meiner Mitinsassen. Manche ängstlich und manche schmerzlich. Ich fühle mich, wie aus einer Trance erwachend. "Vielleicht ist es gar nichts schlimmes. Es muss nicht wie bei 13 sein", murmele ich mir selbst zu und bewege mich langsam nach vorne. Auch ich bin nicht scharf darauf die Stange erneut zu spüren. Ich beschreite meinen Weg, vorbei an meinen beiden Schwestern, an meinen Freunden und vielen Anderen. Der Gang ist länger als ich es je für möglich gehalten hatte. Schließlich kommen wir dem Tor immer näher, doch es ist nicht das Tor aus 7108s Geschichte. Es hat keine Klappe die sich hoch und runter fährt. Es ist einfach ein geöffnetes Tor, durch welches wir in einen anderen Raum gelangen, mit ebenso vielen Insassen und Käfigen wie bei uns. Auch dort werden sie in den schmalen Gang getrieben, jedoch im Gegensatz zu uns, welche außer mir und meiner verrückten Freundin, nur Männer beinhaltet, werden dort scheinbar alle aus ihren Käfigen gedrängt. Ich kann mich täuschen, aber ich denke, ich sehe darunter auch meine Mutter. Sie ist ziemlich alt geworden. Ich gehe weiter den Anderen hinterher. Etwas anderes bleibt mir ja nicht übrig. Nach einigen Metern sehe ich weit vor mir, ein neues Tor. Doch die Körper vor mir, verdecken mir die Sicht. Meinem klopfenden Herzen lauschend, schreite ich voran. Näher und näher, bis mir klar wird, wohin wir dort gehen. Es ist das Tor. Es hebt und senkt sich und verschluckt dabei immer zwei von uns. Weiter vor uns wird es unruhig. Die Stangen kommen weiter vorne öfter zum Einsatz. Ich fürchte mich vor dem, was ich sehen werde. Näher und näher. Ein paar Meter weiter, kann ich nun auch die Gerüche wahrnehmen. Es riecht nach Angst und Fäkalien. Mir wird schlecht und ich huste. "NEIN! NEIN! Ich will NICHT!", ertönt es nun immer öfter. Schreie. Vor mir sind nur noch acht Personen. Einer meiner Brüder uriniert vor Angst. Ich bleibe stehen. Es liegt etwas eisernes in der Luft, aber anders als der Geruch der Käfige. "Nein...", hauche ich und versuche einen Schritt zurück zu gehen. Doch ich stoße nur an den Hintermann und bekomme die Stange zu spüren, die mir einen Moment den Atem nimmt. Schmerzgepeinigt stürze ich wieder nach vorne und ducke mich vor der schwarzen Wache. Noch sechs. Noch vier. Mein Herz schlägt immer höher. Das muss ein Traum sein. Es kann nicht wie bei 13 sein! Das ist nur eine Geschichte! Mir kann das nicht passieren! Doch das bringt mir nichts. Als ich nur noch zwei vor mir habe, kann ich zu dem, einige Meter entfernten Tor sehen. Darunter fließt Blut hervor. Es ist nicht viel, aber es reicht um mich Erstarren zu lassen. "Nein... nein... bitte~" Schließlich sind auch die beiden vor mir weg. Sie werden beide mit den Stangen vorangetrieben und die Luke schließt sich hinter ihnen. Mein Atem geht schnell und schwer. Ich höre ihre aufgeregten und verängstlichen Stimmen. Schließlich nur noch zzzzzzzmm und zwei Körper die zu Boden fallen. Die Sekunden vergehen wie Stunden. Alles scheint in Zeitlupe abzulaufen. Ich spüre, wie sich meine Blase entleert. Der schwere, süß-metallische Geruch des Todes lastet über mir. Das Tor öffnet sich und ich sehe, dass der Boden dahinter blutbesprenkelt ist. So viel Blut habe ich noch nie gesehen. Die Körper Unzähliger hängen kopfüber an Stangen und ihr Blut tropft in Gefäße unter ihnen. Meine Beine schießen nach vorne, als die Stange die Muskeln darunter berührt. Ich fühle es kaum. Ich laufe durch das Tor. Zwei weiße Wachen, über und über von Blut, stehen dahinter um uns in Empfang zu nehmen. Sie haben lange, gezackte Stäbe in den Händen, die sich schnell bewegen. Der Mantel des Todes dringt in mich. Erstarrt beobachte ich, wie die Stäbe der weißen Wachen sich an meinen Hals senken. Ich schließe die Augen. Alternatives Ende: :D http://i5.instantgallery.de/g/gu/guest0001/c004719929295.jpg Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)