Lebensdrehungen von Alyeskah (Denn es gibt keine Definition) ================================================================================ Kapitel 1: | eins | ------------------- Daniel hasste Partys. Er hasste sie wie die Pest, vor allem wenn sein bester Freund Kevin sich so toll ohne ihn amüsierte. Aber im Moment hasste er am Meisten sich selbst, weil er die Beherrschung verloren hatte und beinahe auf das Mädchen losgegangen wäre, dem Kevin gerade die Zunge in den Hals gesteckt hatte, während Daniel mit dem selbst ernannten Barkeeper Jonas um eine Whiskey Cola gestritten hatte. Na ja, das Cola war eher nur der Farbe wegen drin, aber egal. Arschlöcher. Missmutig kickte er Steinchen vor sich her und lief durch die Nacht zur Bushaltestelle. Er wollte nur noch nach Hause. Als er das Wartehäuschen gerade erreichte, hörte er Schritte hinter sich. Er drehte sich um. „Valerie?“, fragte er erstaunt. Er wusste gar nicht, dass sie auch auf der Party gewesen war. Sie ist ja auch ziemlich unscheinbar. Er musterte sie, ihre schwarzen, schulterlangen Haare, die fast mit der Nacht verschmolzen und ihr ins Auge hingen. Ihre dunklen Augen funkelten hinter den Kontaktlinsen und als sie atemlos vor ihm zu stehen kam, stellte er fest, wie klein sie war. Fast einen Kopf kleiner als er, dabei war sie genauso alt wie er und ging in die Parallelklasse. „Ich hab gesehen, wie du weggelaufen bist und dachte mir, ich schaue mal, ob alles mit dir in Ordnung ist.“, sagte sie und schob ihre Ponyfransen mit dem Handrücken beiseite. Daniel wusste nicht recht, wie er darauf reagieren sollte, vor allem, weil sie bisher kaum miteinander gesprochen hatten – was größtenteils an ihrer Schüchternheit lag - und sie sich keinen schlechteren Zeitpunkt hatte aussuchen können. Er wollte allein sein, verdammt, und sich aufregen. Nur – über was eigentlich? Über Kevin? Er machte öfter mit Mädchen rum und bisher hatten seine unzähligen Freundinnen auch nicht gestört. Zumindest nicht so. Wie hieß seine jetzige? Desiree oder so. Ja, Desiree Kreuz. Sie war in Valeries Klasse. Kevin und er waren zusammen hingegangen, aber es war doch ganz normal, dass sie nicht den ganzen Abend miteinander verbringen würden, auch wenn sie beste Freunde waren, und das seit dem Kindergarten. Oder noch länger. Eigentlich sollte alles mit ihm in Ordnung sein. „Mir geht’s gut, danke der Nachfrage.“, antwortete er deshalb. „Oh.“ Mehr fiel Valerie wohl nicht ein, sie wippte verunsichert auf ihren Füßen vor und zurück. „Dann… dann geh ich mal besser wieder. Tut mir leid, wenn ich dich genervt habe.“ Äh… was? Irgendwie kam sich Daniel seltsam vor, als er sah, wie sie sich auf die Lippe biss und umdrehte. Sie tat ihm leid. „Mit wem bist du eigentlich zur Party gegangen?“, fragte er, um einen lockeren Tonfall bemüht. Bis der nächste Bus kam, dauerte es eh noch eine viertel Stunde, da konnte er genauso gut auch Konversation betreiben. „Jonas hat mich mitgenommen.“ Okay, Daniel, das war die falsche Frage. Wieder spürte er Wut. Er konnte diesen Typen nicht ausstehen, er war arrogant, hielt sich für etwas Besseres und steckte noch immer mitten im Stimmbruch, was seltsamerweise niemandem etwas ausmachte. „Er ist mein Nachbar.“, fuhr Valerie fort. „Ach so.“ Jetzt fiel ihm nichts mehr ein und er sah, dass Valerie angestrengt nach weiterem Gesprächsstoff suchte. Es war ihm selten so schwer gefallen, ein Gespräch aufrecht zu erhalten. Er überlegte, ob er sie fragen sollte, ob sie mitfuhr, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. „Hat’s dir denn gefallen?“, fragte sie nach einigen Minuten des Schweigens. Hatte sie gerade ernsthaft gefragt, ob es ihm gefallen hätte? Er starrte sie an. Nein, zum Henker, es hatte ihm nicht gefallen! Er mochte Partys eh nicht und heute musste er auch noch die ganze Zeit allein herumlaufen und mit ein paar Leuten Smalltalk machen. Bah. „Oh, tut mir leid. Wenn es dir nicht gefallen hätte, wärst du wohl nicht weggelaufen.“, beeilte sie sich zu sagen und ihre Wangen färben sich hauchzart rot. Weggelaufen, das hörte sich an, als wäre er ein Feigling. Er wünschte, sie wäre ihm nicht gefolgt. Auch wenn sie es gut gemeint hatte, sie ging ihm auf die Nerven. „Mein Bus kommt.“, sagte er, dankbar, dass das klapprige Teil ein paar Minuten zu früh kam. „Oh.“ Schon wieder sagte sie Oh. Daniel schüttelte den Kopf. „Tschüss.“ „Bis dann.“ Er hob die Hand zum Abschied und stieg ein. Der Fahrer nickte ihm zu und Daniel suchte sich einen Platz ganz hinten. Der Bus war fast leer, nur ein altes Ehepaar saß drei Reihen vor ihm. Er glaubte, sie schliefen. Er wühlte in seiner Jackentasche und fand seinen iPod, den Geldbeutel und eine Packung Kaugummi. Er steckte sich einen Streifen in den Mund und die Kopfhörer in die Ohren. Die Geldbörse verstaute er wieder in der Tasche; der Nachtbus war kostenlos. Er stellte Musik an und schaute zu, wie Häuser und Bäume am Fenster vorbeizogen. Er hatte seinen Schlüssel daheim gelassen, weil er eigentlich vorgehabt hatte, bei Kevin zu übernachten. Scheiße gelaufen, Daniel. Wütend drehte er die Lautstärke höher. Es brannte kein Licht im Haus. Gereizt trat er gegen das Gartentor. Wenn er seine Eltern jetzt weckte, konnte er gleich sein Testament planen. Verdammter Mist! Er fluchte. „Alles in Ordnung, Daniel?“ Er wirbelte herum. Erik Saalberg grinste ihn an. Der zweite, der ihn in der letzten halben Stunde gefragt hatte, ob alles mit ihm in Ordnung war. Sind die denn alle blind, verdammt? „Nein.“, sagte er, „Ich hab mich ausgesperrt.“ Er deutete unwirsch auf das verschlossene Tor. „Oh.“, machte Erik und verkniff sich ein Lachen. Wehe, heute sagt noch jemand Oh! Ich drehe durch! „Tja, das ist wirklich Pech.“ „Darauf bin ich auch schon gekommen.“ Daniel verdrehte genervt die Augen. „Ich dachte, die Party geht länger und du übernachtest dann bei Kevin?“ „Ich hab’s mir anders überlegt.“, murmelte er. „Habt ihr euch gestritten?“ Himmel und Hölle, warum interessierten sich die Leute ausgerechnet immer dann für ihn, wenn er keine Lust auf sie hatte!? „Nein.“ Erik schaute ihn immer noch neugierig an. Murmelnd erzählte Daniel ihm von seinem Ärger, als Kevin mit Desiree herum gemacht hatte und wie Valerie ihn genervt hatte. Erik zog die Augenbrauen zusammen. „Hört sich an, als wärst du eifersüchtig auf Desiree.“ Er grinste. „Was?“ Verwirrt schaute Daniel ihn an. „Na, du bist doch verliebt in ihn, oder?“ Eriks Grinsen wurde breiter. Die Frage kam für Daniel wie ein Schlag ins Gesicht. „Was?“, stieß er aus. „Du hast mich schon verstanden.“ Jetzt war es an Erik, die Augen zu verdrehen. „Red‘ keinen Mist.“, brummte Daniel, um Fassung bemüht. „Was willst du überhaupt von mir, eh?“ „Ich wohne hier.“ „Nein, ich wohne hier. Du wohnst da.“ Daniel zeigte auf das Nachbarhaus. „Okay, okay. Schon gut. Ich hab dich hier stehen sehen und mich gewundert, warum du so scharf darauf bist, die Nacht hier draußen zu verbringen. Und weil das jetzt geklärt ist, wäre meine nächste Frage, ob du bei mir pennen willst. Meine Eltern sind nicht da und haben demnach nichts dagegen.“ „Danke.“, murmelte Daniel. Es lag nicht daran, dass die Couch in Eriks Wohnzimmer steinhart war. Es die Verwirrung, die Eriks Worten gefolgt war und Daniel nicht schlafen ließ. Na, du bist doch verliebt in ihn, oder? „So ein Quatsch.“, brummte er und zog sich ein Kissen über den Kopf. Aber so sicher war er sich doch nicht, auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte. Langsam glitt er ins Land der Träume, wo Kevin und Desiree und Erik und Valerie ihn bis zum Morgengrauen verfolgten. -tbc- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)