Morpheus und die Gefallenen von abgemeldet (Zera x Jaibo) ================================================================================ Prolog: -Puppe- --------------- Die Puppe ist verloren. Genauso, wie der Junge. Erwachsenwerden. Wie schrecklich. Sie haben ihn einkassiert. Jugendpsychiatrie. Ihn, den er so verehrt. Zera ... Ein Gedanke. Ein Name. Ein Gedanke, ein einzelner, der seinen Geist malträtiert. Er legt die Hand an die Kehle fühlt sich von innen an, wie geschluckte Glasscherben. Zera ... Eine Manie. Nur ein Name. Eine Person. Ein Junge. Nichts, als ein Junge. Doch für ihn ein Gott. Die Mütze ist ihm vom Kopf gerutscht. Er liegt auf seinem Bett und denkt an ihn. Sekundenzeiger ticken. Aschfahles Licht in seinem Zimmer, das nie wieder hell wird, seine Welt, die nie wieder hell wird. Zera ... ... war seine Welt. So weit entfernt. Weggesperrt. Wie konnte er nur entkommen? Immer noch der Rauchgeruch in der Kleidung. Die Unschuld schon lange verloren. Die schimmernden, wirren Augen in unbeantworteter Frage an die Decke gerichtet, der lautlose Schrei, der ihm entweicht. Zera ... ... sein Schrei. Sehnen. Er spürt es. Tief in sich drin. "Ich werde mich töten", sagt er bestimmt und steht auf. Kaum 14 Jahre alt. Kein Kind. Kein Erwachsener. Verloren in der unerträglichen Existenz. Er kann nicht schreien. Will nicht, dass man ihn hört. Sein kranker Vater und seine ängstliche Mutter. Ein Rasiermesser in den Händen. Zögern. Zera ... ... sein einziges Sehnen. Der Samen, der ihn füllte. "Nein", sagt er und legt es zurück. Es würgt ihn plötzlich, er reißtdieschuluniformaufdenkragenweilerimmerengerwirdimmerengerimmer ... Stoff, der lautlos zu Boden fällt. "Jaibo Ameya liebt Zera Tsunekawa." Das sagt er zu seinem Spiegelbild. Die Zimmerdecke dreht sich spiralenförmig, er kann den Anblick seines Körpers nicht ertragen, ein Kind, das zerstört wurde, alleine gelassen wurde in der Welt. "Was ist nur so falsch daran?", flüstert er und das erste mal seit vielen Jahren rinnen ihm einsame Tränen über die Wangen. "Warum...?" Nackt. Ein schmächtiger, dürrer Körper, nicht im geringsten erinnernd an einen Erwachsenen. Zera hat ihn geliebt, diesen Körper. Den Körper, aber ihn? Auch? Grinsendes Spiegelbild, das noch dasteht, auch, wenn er schon lange auf dem Boden liegt. Gedanken, die seinen Geist immer weiter vergiften. Lachender Spiegel. Weinender Spiegel. Die Frucht. Des Lebens. Lebensspender. Die Litchis sind verbrannt. Und seine Uniform stinkt erbärmlich nach Rauch. Er will ihn nicht teilen. Nicht mit dem Mädchen. Und nicht mit dem ewigen Leben. Augenlippenhändekörperinekstase. Er hat sich von ihm nehmen lassen. Auch, wenn er ihn dennoch geführt hat. Wie zerrissen er war. Wie zerrissen und verloren sie alle waren. "Nur noch Jaibo und Zera sind übrig", sagt er. "Und Zera ist ..." Ein trauriger Blick aus unendlich erloschenen Augen. Aber niemand, dem dieser Blick gilt. Nur der spiralförmigen Zimmerdecke, die unter einem Tränenschleier verschwindet. Morpheus, Morpheus, komme sanft in meine Einsamkeit, lass mich für immer schlafen. Solange ich nur bei ihm sein kann, bei ihm, dem wahren, dem einzigen, mein Herz gehört ihm. Es ist kalt. Eisigkalt im Zimmer. Und in seinem Herzen, das gleichzeitig verbrennt. Wie die Litchifelder. Hat er es gewusst? Sie sperren ihn ein, er kann unmöglich zu ihm, doch er will es so sehr ... Wieviel soll er ertragen? Wieviel noch ...? wieviel ... ... .. . DAS IST NICHT DAS ENDE. Kapitel 1: -Zera- ----------------- Ein mulmiges Gefühl beschlich ihn. Jahre später. Jahre, wie Myriaden schwer. Es war Winter, mal wieder, kalter Winter. Er mochte den Winter. Zum Zeitpunkt der Konfrontation mit dieser Erscheinung saß Zera Tsunekawa in einem Café, die einzige Gesellschaft ein Laptop und eine Tasse schwarzer Kaffee. Herrlich bitter, so wie er ihn mochte. Jahre lagen hinter ihm zurück, Jahre, so schwer und so vollkommen anders, wie aus einem anderen Leben. Vielleicht hatten sie es doch geschafft, ihn zu brechen, seinen kranken Geist zu durchdringen. Etwas, das nicht mal er selbst für möglich gehalten hatte. Der Schleier um seinen Verstand hatte sich immer mehr gehoben, es war immer mehr Platz geschaffen worden für etwas, das er manisch gefürchtet hatte: Einen erwachsenen Geist und verkümmerte Hochbegabung, ein Jammer eigentlich. Er führte die Tasse zu den mittlerweile erblassten, schmalen Lippen, doch der verkniffene, leicht überhebliche Zug war noch immer geblieben. Das einzige Überbleibsel von damals, die einzige Erinnerung. Lippen, die nur von einem geküsst worden waren. Erkaltete Augen. Und deren Blick war steif auf den Laptop gerichtet. Zera Tsunekawa, inzwischen 21, griff nach der Tasse mit dem mittlerweile lauwarmen Kaffee, einen kurzen Moment wandte er den Blick ab. Nur einen kurzen Moment. Und dann nahm er die Spiegelung wahr - augenblicklich ruckte sein Kopf herum, nach draußen, versuchte in den vorbeilaufenden Menschen den zu auszumachen, den er glaubte, erkannt zu haben. Nein, er sah ihn nicht, wohl doch nur Einbildung. Die Augen verengten sich auf eine verbitterte Weise. Einbildung. Wurde es mal wieder Zeit für Tabletten? Er hasste es, verabscheute es, aber es war die einzige Bedingung gewesen, dass man ihn entlassen hatte. Psychopath hatte man ihn genannt. Geistesgestört. Er schrieb nun Dinge auf. Er war genial. Der junge Mann stützte das Kinn in seine Hand, der Blick wurde leicht trüb, als er aus dem Fenster wanderte. Wie lange war es her, seit sie sich das erste mal trafen? Seit sie diese schicksalhafte Begegnung teilten? Sehr lange. Müsste ich meine Kindheit mit einem Gemälde vergleichen, dann wählte ich eines von Dalis Werken. Vielleicht die Zeit. Hinweggeschmolzen, gebeugt und verstörend. Ich habe meine Mutter das letzte Mal gesehen, als sie mich in den Polizeiwagen zerrten und daraufhin über Jahre wegsperrten. Ihre großen, verständnislosen Augen, in stummer Frage aufgerissen - ich hätte speien mögen. Diese dumme Frau hat versucht, Dinge zu verstehen, die weit über ihren Verstand hinausgingen. Bis heute haben wir uns nicht wieder gesehen. Hoffentlich ist sie tot. Ich kann nicht einmal sagen, dass sie sich nicht um mich gekümmert hat als Kind, es war viel mehr ... etwas Entgegengesetztes. Ich wollte sie nicht. Sie war eine Erwachsene, stereotyp in ihrem Handeln und Denken als Mutter. Ich hab sie nie geliebt. Und schon gar nicht, als sie anfing, Männer nachhause zu bringen. Da wandte ich mich endgültig ab und erschuf mir meine eigene Welt, in der sich meine Schachfiguren nach meinen Regeln bewegten, drehten und fielen. Heute erscheint es mir, wenn ich zurückdenke, wie ein LSD-Trip, schrill und laut und unendlich verstörend, aber das Gefühl der Macht nahm mir die Angst. Die Selbstzweifel, die ich zu einem bestimmten Zeitpunkt vollkommen in mir vergraben hatte. Alles fort. Wie neugeboren. Auf einmal hatte ich Untertanen, jene, die meiner Ideologie der Perfektion bedingungslos folgten. Wozu schreibe ich das auf? Diese Kleingeister, und es gibt zu viele davon unter ihnen, werden das ohnehin nie begreifen können, sie werden mich nie in Frieden lassen, bis sie nicht das aus mir gemacht haben, was die Welt sehen möchte. Einen normalen, langweiligen, jungen Mann, dem alles genommen wurde, was ihn einst ausgemacht hat. Ignoranten. Aber sie haben Erfolg. Tief in mir drin hat etwas begonnen, sich zu verändern. Ich hasse sie dafür, so sehr. Gerade eben hatte ich eine merkwürdige Begegnung. Nein, vielmehr war es vielleicht eine Einbildung, ich weiß es nicht. Ich glaube, ich habe Jaibo gesehen. Jetzt denke ich, dass es mehr Wunschdenken war, geboren aus meinen perversen Trieben heraus, die ich nicht ausleben kann und die mich zerfressen. Ich träume von Blut, von weißen, scharfen Zähnen und rosenroten Lippen und ebenholzenem Haar und der makellosen Haut, die so wunderschön vollkommen war, mit den Blutspritzern darauf. Dieser Anblick, der mich so sehr erregt hat, dass er mich um den Verstand brachte. Es hat sich mir ins Hirn eingebrannt und manchmal glaube ich, schreien zu müssen, wenn ich ihn nicht endlich haben kann. Seine Hände, seine Lippen, seine ... Er brach abrupt ab. Der Kursor blinkte unschuldig gleichmäßig neben dem letzten Zeichen. Ihm stand leichter Schweiß auf der Stirn und sein Unterleib kribbelte verräterisch. Er schluckte, die Kehle fühlte sich an wie Schleifpapier. Nach außen hin allerdings ließ er sich nichts anmerken, niemals. Aber in seinem Inneren, da ... brannte dieses Verlangen nach ihm, diese Lust auf den Knabenkörper, der, wenn er tatsächlich noch lebte, existierte, wohl längst kein Knabe mehr war, aber diese Vorstellung trieb ihm die Galle hoch. In seiner Vorstellung war sein wunderschöner, blutbespritzter, abgedrehter Jaibo noch immer 14 Jahre alt und vielleicht war es auch besser, dass er sich ihn vorhin nur eingebildet hatte, denn er wusste nicht, was er täte, wenn er merkte, dass er tatsächlich kein Kind mehr war. Es würde ihn um den Verstand bringen, denn es wäre der tatsächliche Beweis, dass die frühere Zeit, seine Obsession, für immer verloren und zerstört worden war, durch Menschen, die der Auffassung gewesen waren, ihn heilen zu müssen. Zera bekam plötzlich Kopfschmerzen. Er schob mit dem Handballen die randlose Brille hoch und rieb sich über die Augen. Als er kurz darauf wieder auf den Bildschirm starrte, waren die Buchstaben leicht verschwommen. Einen Moment später klappte er den Laptop schließlich zu. Genug für heute. Er griff nach der Kaffeetasse und trank den kalten, bitteren Kaffee in einem Zug leer. Legte der Bedienung das Geld auf den Tisch und ging ohne ein weiteres Wort, dass das unhöflich war, war ihm schlichtweg gleichgültig. Was kümmerten ihn bitte solche trivialen Dinge? Es hatte noch nicht geschneit, aber es war schneidend kalt draußen, der erste Schnee würde wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen. Die Kälte schnitt in sein Gesicht, er zog den Schal enger, mehr aus Routine als aus dem Grund, wirklich zu frieren. Er lebte jetzt alleine. Betreutes Wohnen. Lachhaft, aber es hatte keinen Weg drumherum gegeben, das war die Bedingung dafür gewesen, dass man ihn entlassen hatte. Er hasste es, er hasste es wirklich. Als Kind frei und ein Führer, den so viele angebetet hatten und jetzt, als Erwachsener, entmündigt und unterdrückt. Was für ein erbärmliches Paradoxon. Er bewohnte eine relativ große Zweizimmerwohnung. Sein Vater bezahlte sie ihm. Mit dem er ansonsten keinen Kontakt hatte. Wie man ihn damals ausfindig gemacht hatte, wusste Zera nicht und es interessierte ihn auch nicht. Er hatte ihn nur einmal gesehen und zwar, als er vor etwa einem Jahr entlassen worden war, das war kurz nach seinem einundzwanzigsten Geburtstag gewesen. Sie hatten nicht viel gesprochen, sein Vater, weil er offenbar nicht wusste, wie er mit seinem Sohn, der ihm fremd geworden war, umgehen sollte, und er selbst nicht, weil er schlichtweg keinen Sinn darin sah. Mit den Händen in den Jackentaschen vergraben lief er langsam Richtung Wohnung. Es war ein ganz schönes Stück, aber er fuhr nicht gerne mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Der nahe Kontakt mit fremden Menschen auf engem Raum behagte ihm nicht. Sie stanken. Sie redeten laut. Sie bewegten sich unvorsichtig. Den Blick stur nach vorne gerichtet, jedem ausweichend, der ihm auch nur zufällig begegnen wollte. Mehr beiläufig wandten sich seine Augen kurz zur Seite, in die Auslage eines auf technisches Spielzeug spezialisierten Geschäfts. Unwillkürlich blieb er stehen und ein Mann, der hinter ihm gelaufen war, fluchte kurz, da er beinahe in ihn hineingelaufen wäre, doch Zera beachtete ihn nicht. Seine Augen verengten sich. Es war nur ein kleiner Spielzeugroboter. Nur ein Spielzeug. Und Litchi nicht im Geringsten ähnlich und doch ... Die Hände in seinen Taschen verkrampften sich, begannen zu schwitzen und sein Herz fing unangenehm an, zu rasen. Im nächsten Moment musste er sich loseisen, er ging mit schnellen Schritten weiter, musste es, da er die ersten Anzeichen einer Panikattacke spürte. Schnell weg von hier, schnell nachhause, schnell ... Sirrengrellgestankblutschwindelschwindelschwindel V e r g a n g e n h e i t ... Er rannte beinahe, versuchte, gleichzeitig, ruhig zu gehen. Wieso war seine verdammte Wohnung nur so weit weg? Sein Atem kondensierte vor seinen blassen, schmalen Lippen, er war untrainiert, seine Lungen schmerzten und er lief weiter, weil er es nicht mehr ertragen konnte, hier draußen zu sein, wo ihn alle sehen konnten, wo alle sehen, riechen, spüren, konnten, was er getan hatte, welche Schuld ... Er schlug die Tür regelrecht hinter sich zu. Atmete zitternd ein und wieder aus. Stellte die Laptoptasche ab, vermied den Blick zum Spiegel im Gang, als er an ihm vorbei lief. Er ertrug sein nüchternes Erwachsensein nicht. Mit weichen Knien lief er ins Wohnzimmer. Er hatte keinen Fernseher, kein Radio. Bloß keine Technik, bis auf den Laptop. In der Klinik hatte er Alpträume gehabt, grässliche Alpträume, die ihn fast um den Verstand gebracht hatten, Alpträume von Maschinen, die seine Freunde fraßen - und ja, so gesehen, waren sie seine Freunde gewesen, denn außer ihnen hatte er niemanden gehabt - und die ihn selbst fraßen oder zerfetzten, alles war in blutrot getaucht oder in schwarzweiß. Nur durch Zugabe von Medikamenten hatte man das alles eindämmen und irgendwann stoppen können. Er nahm heute noch Tabletten. Haloperidol, um den Geist ruhig zu halten, zu heilen, Mirtazapin für den Schlaf und die Ruhe. Er hatte sich ihnen ergeben. Sie brachten ihm Heilung. Sie hielten ihn in Ketten und er hing gewisserweise an diesen Ketten, da er sich irgendwann hatte eingestehen müssen, dass er sich schon lange nicht mehr unter Kontrolle gehabt hatte. Die Psychose hatte die Kontrolle übernommen. Diese Besessenheit von ewiger Jugend und einem Utopia nur für sie. Im Endeffekt nur für ihn und Jaibo. Er schluckte trocken, schob sich die Brille mit dem Handballen hoch. Dachte wieder an vorhin. Es ließ ihm einfach keine Ruhe. Wenn er es so bedachte, dann wusste er gar nicht, was aus Jaibo geworden war. Damals war alles so schnell gegangen. Viel zu schnell. Wenn er jetzt daran dachte, erinnerte es ihn irgendwie an das Kabinett des Doktor Panassus. Unwirklich und wahnsinnig machend, zuviele Eindrücke, zuviele Bilder, zu wenig Farben, alles viel zu schnell, zu schmerzhaft. Er konnte sich gar nicht mehr an damals erinnern, nicht mehr wirklich, mehr, wie wenn man sich an einen Traum erinnerte, versuchte, ihn zu fassen, von dem man aber wusste, dass er definitiv dagewesen war. Einer der Psychologen hatte einmal gesagt, dass es ein Schutzmechanismus sein könnte, der begonnen hatte, ähnlich wie die Antikörper das zu zersetzen, das ihn zerstörte. Aber beinahe trotzig schon hatte er daran festgehalten, tat es bis heute. Es war ein innerer, jämmerlicher Zwiespalt und er konnte nicht klar definieren, was ihm lieber war. Jaibo. Schon wieder tauchte sein Gesicht vor seinem inneren Auge auf. Jaibo ... er knipste eine Stehlampe an. Er hatte so lange nicht an ihn gedacht und jetzt ...? Jaibo ... war ihm immer der Liebste gewesen. Hatte er ihn geliebt? Das war schwer zu definieren. Das war ein schwerer Begriff, mit dem ein Kind unmöglich umgehen konnte. Jaibo hatte ihn geliebt, er hatte es ihm ja gesagt. Aber Zera selbst ... er wusste es nicht. Er hatte ihn begehrt, wie man nur einen anderen Menschen begehren konnte. Gott, sie waren so jung gewesen, viel zu jung für solche Dinge, aber sie hatten es getan. Sie hatten zwar nie wirklich miteinander geschlafen, aber Jaibo hatte ihn so oft zum Kommen gebracht, dass er irgendwann aufgegeben hatte, diese kleinen Tode zu zählen. Wie schmutzig er sich dabei vorgekommen war und wie hilflos seiner eigenen Lust unterworfen. Das war das einzige gewesen ... das einzige, in dem er die Kontrolle verlor. Jaibo hatte sich von ihm ins Gesicht schlagen lassen. Es hatte sie beide erregt und jetzt, wo er daran dachte, spürte er abermals das Kribbeln in seiner Lendengegend, stärker als zuvor diesmal, und verstimmt verzog er die Augenbrauen. Er wollte das nicht. Er hasste diesen Bezug zu seinem eigenen Körper, aber die Lust war meistens stärker. Er ekelte sich manchmal vor sich selbst. Zera biss sich auf die Fingerknöchel. Versuchte, nicht an Litchis zu denken. Nicht an die eine Frucht, die er Jaibo damals zwischen die Lippen geschoben hatte, zwischen diese sündigen, roten Lippen, ein Anblick, der ihn damals, salopp ausgedrückt, extrem angegeilt hatte. Er stöhnte leise und ließ dann seinen Blick über sein Bücherregal fliegen, bestrebt, etwas zu finden, mit dem er sich Ablenken konnte. Quantenphysik. Das war doch etwas. Er zog einen schmalen Band mit einem Formelverzeichnis aus dem Regal hervor und schlug es auf. Eigentlich hätte er mit seinem Können locker einen entsprechenden Studiengang belegen können. Aber er war ja "krank" gewesen. Er hatte ja nicht weiter zur Schule gehen, seinen Abschluss machen können. War nicht fähig gewesen, unter Menschen zu sein. Vielleicht holte er es irgendwann nach. Vielleicht, wenn er mit dem Teil der Mechanik wieder umgehen konnte, ohne Panikattacken zu bekommen. Er versuchte, sich die schwierigsten Formeln einzuprägen. Damit tat er sich nicht wirklich schwer, denn er hatte ein fotografisches Gedächtnis, aber die Gedanken ließen sich einfach nicht binden. Ließen sich nicht auf die Physik wenden, nein. Zu Jaibo. Immer wieder zu ihm hin. Mit einem wütenden und frustrierten Schnauben warf Zera das Buch in die nächste Ecke. Der Blick wanderte zu seinem Laptop. Vielleicht sollte er sich wieder online einen dieser kranken Pornos ansehen und sich dann vorstellen, dass der submissive Part Jaibos Gesicht hatte. Wenn er sich da so richtig hineinsteigerte, hatte er meistens hinterher Wochen Ruhe vor diesen lästigen Gedanken. Zögerlich betätigte er den An-Knopf und es dauerte nicht lange, bis das Gerät hochgefahren war. redblood.com Er überflog einige Thumbnails und blieb dann auf einem interessanten hängen. Er trug den Titel: "Hexenaustreibung." Es traf genau seinen Geschmack. Das Gesicht der Frau war unter einer Maske verborgen und der nackte Körper sehr knabenhaft. Man schlug sie immer und immer wieder auf dieselben Stellen, schnitt ihr Wunden in den Körper und penetrierte sie mit allem Möglichen und Unmöglichen. Und man fickte sie. Ziemlich hart. Und sie schrie und stöhnte. Erregend laut. Er stellte sich vor, das mit Jaibo zu tun und als er sich das vorstellte, war er selbst längst hart. Unsanft packte er sich selbst in den Schritt und erledigte mit hilflosem und unterdrücktem Stöhnen das, was in seinen Augen getan werden musste. Um wieder zur Ruhe zu kommen. Als er in seiner eigenen Hand kam, tat er es mit Jaibos Namen auf den Lippen. Er gönnte sich kaum Ruhe. Keine zehn Sekunden dauerte es, ehe er aufstand und dem Drang nach einer Dusche nachgab. Er musste sich sauber waschen. Das war ja widerlich. Das heiße Wasser tat seinem Körper gut. Unheimlich gut. Und es wusch das Zeugnis seiner eigenen Schwäche von seinem Körper. Kapitel 2: -Jaibo- ------------------ Er brummte unwillig, als der Wecker um 4 Uhr klingelte. Es war nicht sein Wecker. Deshalb nervte es ihn, dass er ihn geweckt hatte. Sein Freund neben ihm gab ein Grunzen von sich, machte aber keine Anstalten, das nervtötende Ding auszumachen. "Ey ... Wecker", murmelte er und trat seinem Freund in den Rücken. Der grunzte nochmal unwillig und schlug dann blind nach dem Wecker. Ein Scheppern bedeutete Jaibo, dass er ihn vom Nachttisch gefegt hatte. Er drehte sich leise fluchend wieder auf die andere Seite, während er spürte, wie das Bett leicht federte, als der Andere aufstand. Gott, wie er das hasste, geweckt zu werden. Er hatte diese Nacht ohnehin nicht gut geschlafen und in knapp zwei Stunden ging sein eigener Wecker. Perfekter Start in den Tag. Und, wenn Kagerou nicht immer so durch die Wohnung poltern würde, wenn er früh aufstand, dann hätte er wenigstens noch versuchen können, etwas zu schlafen. So kniff er nur die Augen zusammen und ärgerte sich. Sie wohnten seit einem knappen halben Jahr zusammen, aber Jaibo hatte sich immer noch nicht ganz daran gewöhnen können. Und was war nicht so, als führten sie die perfekte Beziehung. Aber es lief eben. Um kurz vor fünf verließ Kagerou die Wohnung um in seine Firma zu fahren. Stille kehrte ein. Eine Stunde später gab Jaibo es dann auf und stand selber auf. Vielleicht würde ihm eine heiße Dusche den Tag retten. Wehe der Kerl hatte im Bad das Fenster offen stehen lassen, ehe er los gegangen war, das wäre typisch. Als hätte er es geahnt. Er fröstelte, als er barfuß auf die nackten Fliesen trat und knallte mit einem Brummen das Fenster zu, um kurz darauf die Heizung aufzudrehen. Sie lebten eigentlich nicht schlecht. Kagerou Himura war Geschäftsführer einer sehr gefragten Werbeagentur, 35 Jahre alt und so gesehen kein schlechter Fang. Ein Mann voller Laster und mit einem perversen, berechnenden, zweiten Ich, das war es wohl, was ihn damals, als sie sich vor eineinhalb Jahren das erste Mal gesehen hatten, so anziehend gemacht hatte. Damals war er noch verheiratet gewesen. Eine Nacht mit Jaibo und seine Frau und seine zwei Kinder waren Geschichte. Zwei Monate später hatte er die Scheidung eingereicht. Ein hinterhältiges Lächeln schlich sich auf die sinnlichen, blassroten Lippen, als er daran dachte. Er war ihm seit jeher verfallen und Jaibo nutzte es, um neben seiner Ausbildung, die er in einer Schauspielschule absolvierte, ein gutes Leben finanziert zu bekommen, ohne nebenher arbeiten zu müssen, und natürlich um seine eigenen kranken Neigungen auszuleben. So gesehen passten sie eigentlich gut zusammen. Bis auf die Tatsache, dass alle Gefühle, die Jaibo ihm je entgegengebracht hatte, erstunken und erlogen waren. Aber er war ein guter Schauspieler. Das war er schon immer gewesen. Es war nicht so, als hegte er für den Mann, mit dem er jetzt über ein Jahr sein Leben teilte, nicht irgendwo Sympathien, aber er lehnte es strikt ab, das Wort Liebe als Bezeichnung zu verwenden. Er wusste nichtmal, ob Kagerou ihn wirklich liebte. Vielleicht waren sie in stiller Übereinkunft auch nur eine Art Zweckpartnerschaft eingegangen; Jaibo, wegen dem Luxus und der Bequemlichkeit, die sich ihm dadurch offenbarte und Kagerou, weil er so ungeniert seine Vorliebe für erheblich jüngere Männer und seinen Sadismus ausleben konnte, denn Jaibo ließ wirklich alles mit sich machen. Ohne Ausnahme. Die Fähigkeit, zu lieben war ihm ohnehin vor langer Zeit verloren gegangen. Er stellte die Dusche ab und wickelte sich in ein langes Handtuch. Seltsam. Wieso musste er jetzt plötzlich wieder an Zera denken? Fast zwei Jahre hatte er es geschafft, ihn und die damaligen Ereignisse aus seinen Gedanken zu verbannen, das hatte er gemusst, sonst wäre er wahnsinnig geworden. Also, wieso ausgerechnet jetzt? Er kochte Tee. Keinen Kaffee. Kaffee war was für alte Leute, er war jung. Er mochte Tee. Am liebsten süßen Kräutertee. Der Wasserkocher zischte. Er trank die Teetasse nur zur Hälfte leer, dann mochte er nicht mehr. Zog sich schließlich fertig an und machte sich bereit, aus dem Haus zu gehen. Draußen war es kalt. Ekelhaft kalt, Jaibo hasste den Winter. Es war noch nicht ganz hell. Die Menschen, die er passierte hatten ihre Schals und Mützen so vors Gesicht gezogen, dass es kaum möglich war, ein einzelnes Gesicht in den Menschenmengen zu erkennen. Ehrlich gesagt legte Jaibo da auch nicht sonderlich viel Wert drauf. Schließlich ging er zur Schule, fuhr mit der Straßenbahn, dann noch eine kurze Strecke zu Fuß. Als er in das warme, sanierte Gebäude kam, schüttelte er sich erst einmal die Kälte vom Leib. Begrüßte Kommilitonen. Ein ganz normaler Tag eigentlich. Allerdings sollte dieser ganz normale Tag bald eine überraschende Wendung nehmen. Sie hatten gerade das Fach praktische Bühnenarbeit, eines von Jaibos Lieblingsfächern und gingen übungsweise ein paar verschiedene einzelne Szenen aus 'Anatevka' durch, als es passierte. Ein ohrenbetäubend lauter Knall war zu hören und im nächsten Moment flutete eiskaltes Wasser um ihre Füße. Aufgrund der Kälte war eine Wasserleitung geplatzt. Ihr Lehrer fluchte übel über diesen 'schlecht sanierten Drecksladen', dann schubste er sie Richtung Ausgang und ließ sie dann stehen um schleunigst einen Klempner rufen zu lassen. Jaibos Klassenkameraden sahen das als willkommene Gelegenheit für zwei Freistunden und er selbst beschloss, sich in einer nahegelegenen Buchhandlung zu verlustieren. Während er ziellos durch die Regareihen schlenderte, ließ er seine Gedanken schweifen. Seine Mutter hatte neulich versucht ihn anzurufen. Unter Tränen hatte sie ihm etwas vorgeheult, von wegen, es täte ihr alles so leid und so weiter. Ja, sicher, dachte er dabei bitter. Als ob es ihr jemals leid getan hätte, dass er jahrelang unter der Fuchtel ihres festen Freundes hatte leiden müssen. Als ob es ihr wirklich leid tat, dass der Mann ihn geschlagen und misshandelt hatte, als er noch klein war, wieder und wieder, als ob es ihr leid tat, dass dieser Mann mit daran Schuld war, dass er so geworden war. Natürlich hatte seine Mutter mit der Trinkerei auch Einiges dazu beigetragen, sollte man der Fairness halber vielleicht erwähnen. Desweiteren hatte sie ihm vorgeheult, dass sie krank war, sehr krank, wenn er es richtig verstanden hatte und seltsamerweise hatte er festgestellt, wie egal es ihm einfach war. Wieso sollte er nach jemandem sehen, der sich nie um einen gekümmert hatte? Der einen nicht einmal wirklich besucht hatte, als man ihn gnadenlos in die Jugendpsychiatrie gesteckt hatte? Hatte sie tatsächlich geglaubt, dass man seinen Geist heilen, seinen Schmerz stillen zu können? Nunja, zumindest hatte er gelernt, sich unter Kontrolle zu halten, sich und seine maßlose Impulsivität und damit lebte es sich leichter - er fand zum Beispiel keinen Spaß, keinen Kick mehr daran, kleinen Tieren den Bauch aufzuschlitzen und mit ihren dampfenden Eingeweiden zu spielen, allerdings war diese seltsame Faszination für Blut immer geblieben. Von seinem Freund ließ er sich schlagen, kratzen, beißen, blutig ficken und sein eigener verquollener, blutbeschmierter Anblick geilte ihn dann dermaßen auf, dass er sich dann meistens gleich nochmal nehmen ließ. Oder es sich selbst machte, wenn Kagerou nicht mehr konnte. Ob er seine Mutter vielleicht trotzdem mal besuchen sollte? Einfach nur aus Hohn. Sich vergewissern, dass es wirklich so mies um sie stand? Er legte den Kopf leicht schief, während er die Biografie von einem Entführungsopfer in die Hand nahm, kurz durchblätterte, ohne wirklich auf die Worte zu achten und es dann wieder ins Regal stellte. Sie lebte in einem ziemlich schäbigen Viertel der Stadt und Jaibo wurde regelrecht schlecht, wenn er daran dachte, dass er es durchqueren musste. Die Junkies, die Obdachlosen, die Verrückten, die versuchten, einen für Geld dazu zu kriegen, sich wenigstens einen runterholen zu lassen. Jaibo hatte eine Zeit lang tatsächlich mit dem Gedanken gespielt, sich zu prostituieren, als er Kagerou noch nicht gekannt hatte. Zwei, dreimal hatte er mit Kerlen herumgefickt, in irgendwelchen Hinterhöfen, in denen es nach Urin gestunken hatte, oder auf Bahnhofstoiletten oder in einer sehr sehr billigen Absteige. Der eine hatte ihn nur ficken wollen und dabei von ihm verlangt, Leiche zu spielen, der nächste war absolut geil darauf gewesen, ihm den Schwanz zu lutschen und Jaibo würde lügen, wenn er abstritt, dass es ihm nicht irgendwie einen Kick gegeben hätte, in den Mund von so einem halbglatzköpfigen, bierbäuchigen Versager zu wichsen, der noch bei seiner Mutter wohnte, der dritte war relativ normal gewesen, doch dann ... hatte Jaibo ein sehr einschneidendes Erlebnis gehabt. Der Mann war schon von vornherein seltsam gewesen und als er sich schließlich ausgezogen hatte, hatte Jaibo mit Schrecken die Lepraflecken am ganzen Körper bemerkt. Ihm war so schlecht geworden, dass er gefürchtet hatte, sich zu übergeben und er hatte Hals- über Kopf die Flucht ergriffen. Ab da hatte er es lieber bleiben gelassen. Wer wusste, was für Krankheiten die Typen herumschleppten, welche man nicht sehen konnte? Es schüttelte ihn, wenn er daran dachte. Vielleicht hätte er sich früher, oder später mit HIV oder sonst etwas Abartigem angesteckt, man konnte ja nie wissen. Und das war ihm alles Geld der Welt nicht wert. Im Gegensatz zu Zera hing er irgendwo an seinem Leben und stellte keine Himmelfahrtskommandos auf, nur um mal zu sehen, was passierte. Ein kleiner Stich fuhr durch seine Brust und etwas niedergeschlagen ließ er den Manga sinken, den er eben zur Hand genommen hatte, um ein bisschen darin zu blättern. Zera war immer noch ein empfindliches Thema. Als seine Mutter es damals einmal gewagt hatte seinen Namen auszusprechen, hatte er ihr eine reingehauen. Wenig später zündete er sich draußen eine Zigarette an. Er hasste die Kälte, aber er brauchte jetzt eine Zigarette. Den Dampf auspustend, welcher durch den warmen Atem kondensierte, wandte er seinen Blick zum Himmel. Langsam sollte er sich vielleicht wieder auf den Weg zurück zu seiner Schule machen. Er hatte jetzt Gesangsunterricht. Seine Stimme hatte sich nicht sehr vertieft, sie klang zwar erwachsener, aber die Vorstellung, dass es damals ein halber Weltuntergang für ihn gewesen war, festzustellen, dass er sich veränderte, erwachsen wurde, ließ ihn heute nur noch schwach schmunzeln. Sie alle hatten in einer seltsamen von Zera erschaffenen Welt gelebt, weil sie alle sonst nichts anderes gehabt hatten. Irgendwie. Er hatte immer noch eine relativ androgyne Stimme, schaffte es mühelos einen Sopran zu halten, worauf er innerlich stolz war. Zwar war Gesang nicht gerade sein Lieblingsfach, aber es gehörte eben genauso dazu, wie praktische Bühnenarbeit, Ausdruckstraining, das Erlernen eines Instrumentes und vieles mehr. Es war eigentlich mehr ein Zufall gewesen, dass Jaibo ausgerechnet auf die Idee gekommen war, Schauspielerei lernen zu wollen. Eine Zeit lang hatte er sich vom negativen Strom der Welt mitreißen und sich treiben lassen, keine Perspektiven gehabt, nichts, was er besonders gut konnte und den fixen Gedanken, dass das einzige, was er sich von seiner illusionistisch glücklichen Kindheit hatte bewahren können, das einzige, das ihn von der Erwachsenenwelt noch trennte dieser Strudel aus Arbeit, Konsum, Rechnungen und Depressionen, der noch nicht von ihm ergriffen hatte, war. Er hätte die Schule unmöglich bezahlen können, seine Mutter hätte ihm erstrecht kein Geld dafür gegeben. Doch dann hatte er Kagerou kennengelernt. Als sie zwei Monate zusammen waren, der erste Streit und Kagerou hatte ihm irgendetwas entgegengebrüllt von wegen 'Jaibo, wenn ich nicht genau wüsste, was für ein guter Schauspieler du wärst, würde ich dir das sogar glauben!' Jaibo wusste heute nichtmal mehr genau, um was es dabei eigentlich gegangen war, wahrscheinlich irgendetwas Triviales, wie die letzte Dose Bier oder so etwas, aber was wirklich von Bedeutung war, war der fixe Gedanke, der an diesem Abend plötzlich in Jaibo zu keimen begann. Noch am selben Abend hatte er im Internet nach Schauspielschulen in der Stadt und in den umliegenden Regionen gesucht und sich über die Aufnahmekriterien schlau gemacht. Da er - dank der Auflage der Schulbehörde und dem dringenden Rat seines Psychologen damals - die Schule beendet hatte, hatte er sogar den passenden Abschluss. Sein Zeugnis war zwar nicht das beste Zeugnis das die Welt je gesehen hatte, aber offenbar hatte es ausgereicht - das und sein Vorsprechen; Er hatte zwar kaum Vorkenntnisse gehabt, musste aber dennoch so überzeugend gewesen sein, dass man ihm nach acht Wochen die Aufnahmebestätigung geschickt hatte. In der Zeit hatte er Kagerou auch soweit gehabt, ihm die Gebühren dafür zu bezahlen und er hatte das erste mal in seinem Leben tatsächlich so etwas, wie eine normale Zukunft - ohne Blut, Gedärme und immer wiederkehrende Alpträume. Ehe er am späten Nachmittag nachhause ging, beschloss er nun doch, seine Mutter zu besuchen, einfach aus einer Laune heraus. Soweit er verstanden hatte, war sie momentan in der städtischen Klinik - eine Klinik, die relativ nahe der Stadtmitte lag und er musste nichtmal einen sonderlichen Umweg nehmen, da er im Stadtzentrum ohnehin immer umsteigen musste. Mit etwas gemischten Gefühlen meldete er sich am Empfang und ließ sich die Zimmernummer seiner Mutter sagen. Plötzlich bereute er seinen Beschluss und wäre am liebsten umgekehrt, aber wenn er schonmal hier war, dann konnte er das genauso gut auch durchziehen. Als er vor der richtigen Zimmertür stand, straffte er die Schultern und atmete einmal tief durch. Seine Gesichtszüge verhärteten sich, er mochte es nicht, dass sie ihm womöglich ansah, wie unwohl und unsicher er sich fühlte. Schließlich klopfte er und als ein kratziges "Herein" ertönte, öffnete er die Tür und trat ein. Das Zimmer war nicht sonderlich groß; Es war ein Zweierzimmer, das andere Bett von einer alten Dame besetzt, die gerade schlief. Kimiko, seine Mutter, saß halb aufrecht an das hochgeklappte Bett gelehnt und hatte offenbar bis zum Zeitpunkt seines Eintretens eine Frauenzeitschrift gelesen. Nun sah sie ihn sehr überrascht an. "Jaibo ...", flüsterte sie ungläubig und er presste die Lippen zusammen, setzte sich wie mechanisch in Bewegung um sich schließlich auf einem Hocker neben sie zu setzen. Irgendwie kämpften gerade Hass und Bedauern um die Oberhand in seinem Inneren. "Nun, ich bin jetzt hier, wie du siehst", murmelte er unwillig, weil er irgendetwas sagen musste. Zu seiner Überraschung lächelte sie, strecke die Hand aus und Jaibo war viel zu überrascht, um vor der Berührung, als ihre Hand seine Wange erreichte um kurz und hauchfein darüber zu streichen, zurückzuzucken, wie er es eigentlich erwartet hatte. Ihr Hand fühlte sich eiskalt an. "Ich weiß, dass ich das nicht verdient habe", sagte sie und es wirkte, als täte ihr das Sprechen weh. "Das hast du wirklich nicht", sagte Jaibo steif, mehr aus Trotz entgegen dem Gefühl, dass er den Zorn gerade vergeblich in sich suchte. "Dein Bruder ... wollte gar nicht kommen ... und ich habe auch nicht von dir erwartet, dass du es tust, Jai-chan." Ein Kloß bildete sich plötzlich in seinem Hals. So hatte sie ihn als kleines Kind immer genannt, als die Welt noch halbwegs in Ordnung gewesen war. "Hier drin riecht es schrecklich, ich mach mal ein Fenster auf", sagte er schnell, stand auf und trat ans Fenster, damit sie seine Augen nicht sah. Einen Moment starrte er aus dem Fenster, seine Gedanken wanderten zu seinem großen Bruder. Takeo war fast zehn Jahre älter als er und hatte die Familie verlassen, sobald er die Volljährigkeit erreicht hatte. Für den elfjährigen Jaibo war damals eine Welt zusammengebrochen, da Takeo so gesehen der einzige Trost war, die einzige Wärme, die er je in seinem Leben erfahren hatte. Aber Takeo hatte es nicht mehr ausgehalten und heute konnte Jaibo ihm sogar zu einem wesentlichen Teil verzeihen. Hätte er die Möglichkeit gehabt, aus dieser Hölle zu entkommen hätte er es wohl genauso gemacht. Nun lebte Takeo in den USA, wo er, das war zumindest Jaibos letzter Wissensstand, gerade als Orchesterdirigent promovierte. Ein, zweimal im Jahr telefonierten sie. Das war es aber auch schon. Die Familiengeschichte war dabei niemals zur Sprache gekommen, war von ihnen beiden sorgsam gemieden worden. Allerdings sehnte sich irgendwie gerade jetzt in dem jungen Mann alles nach der Souveränität seines Bruders. Der hatte immer gewusst, was zu tun war. Hatte alle Situationen meistern können. Wenn Jaibo in der Vergangenheit mit einer Situation nicht richtig hatte umgehen können, und diesen Charakterzug hatte er bis heute nicht vollständig ablegen können, dann war er emotional so überfordert gewesen, dass sich das in heftigen Gewalt- und Wutausbrüchen geäußert hatte - oder in hysterischen Heulkrämpfen, die so heftig waren, dass er meist irgendwann keine Luft mehr bekam und einmal war es sogar so schlimm gewesen, dass der Notarzt hatte kommen müssen. Diese Situationen waren in der ersten Zeit, als er von Zera getrennt gewesen war, am häufigsten aufgetreten. Nur sehr langsam hatte man eine Besserung feststellen können. Er blinzelte ein paar mal, ehe er sich umdrehte und langsam zum Krankenbett seiner Mutter zurückging, sich wieder auf dem Hocker niederließ. "Was fehlt dir eigentlich?", fragte er dann, nur um etwas zu sagen, denn ihm fiel ein, dass er das gar nicht wusste. "Sie haben beim Röntgen Flecken auf meiner Lunge entdeckt", sagte sie gedämpft. "Ich hatte doch immer solche Schmerzen. Wahrscheinlich ist es Lungenkrebs." "Kommt davon, wenn man raucht wie ein Schlot", meinte Jaibo düster und verdrängte dabei erfolgreich, dass er selbst Raucher war. Kimiko lächelte matt. "Für jede schlechte Tat wird man irgendwann in seinem Leben bestraft, nicht wahr?" Jaibo zuckte mit den Schultern. "Kann sein. Hab ich nie drüber nachgedacht." Und dann wurde ihr Blick schmerzhaft. "Jaibo, ich ... kannst du ... das nicht als meine Strafe ansehen und mir vergeben? Ich war eine furchtbare Mutter in den letzten Jahren, aber ... ich hab dich und deinen Bruder immer geliebt. Ich habe ... nur verlernt, wie man so etwas zeigt. Ich war so jung, als ich mit deinem Bruder schwanger wurde, gerademal 16..." "Das fällt dir jetzt ein", murmelte er und wieder schnürte es ihm die Brust zu. Er wollte jetzt nicht über so etwas reden. Er wollte, dass sie ihn um Verzeihung bat und er wusste, wusste, wusste, dass man einem Menschen, der nur noch etwa ein Jahr zu leben hatte, verzeihen sollte, aber er konnte nicht. Jetzt noch nicht. Nicht so einfach. Einfach so. "Ich weiß", sagte sie hilflos. "Vielleicht verzeihe ich dir", sagte er betont gleichgültig. "Ich will es. Aber nicht jetzt. Nicht, wenn ich noch nicht weiß, ob du nur frei von Schuld sein willst, wenn du verr-, wenn du stirbst, oder ob es dir wirklich Leid tut." Sie nickte. Sie verstand es. Ihr Blick flackerte über die Erscheinung ihres Sohnes. Er war schon immer so blass gewesen, das Haar trug er genau wie früher etwas länger, sodass ihm die Fransen ins Gesicht hingen. Und dünn war er, war er schon immer gewesen, nur dass es aufgrund seiner Körpergröße von gerademal 1,65m nicht so sehr auffiel. Nur seine Augen hatten sich verändert. Als Kind waren sie so lebhaft gewesen und manchmal hatte man etwas übermütig Verrücktes darin aufblitzen sehen. Aber jetzt waren sie hart und kalt und traurig und abgekämpft. "Ich muss jetzt gehen", sagte er schließlich und erhob sich. Sie nickte. "Kommst ... du mich mal wieder besuchen? Ich muss noch einige Zeit bleiben, ehe sie eine endgültige Diagnose treffen und die Behandlungsmöglichkeiten festlegen können. Jaibo nickte mechanisch. "Ich werd sehen, dass es sich einrichten lässt." Dann ging er. Beinahe atmete er erleichtert auf, als er schließlich vom Inneren des Krankenhauses an die frische Luft trat. Es war bereits dunkel draußen und er wollte einfach nur noch nachhause. in der Straßenbahn lehnte er seine Stirn seitlich gegen das Fenster, betrachtete soweit es mit verdrehten Augen möglich war, sein Profil in der Scheibe. Besonders toll sah er heute nicht wirklich aus, der Tag hatte seine Spuren hinterlassen. Das einzige was er wollte, war ein harter, schneller Fick, um den Stress und die negativen Gefühle abzubauen und eine heiße Dusche, um die Januarkälte zu vertreiben, die ihm in jeden Knochen gekrochen war und dann einfach nur noch schlafen. Schlaf war immer gut. Schlaf. Auf Morpheus Schwingen. Wie eine Flucht aus der Wirklichkeit. Nur harmloser als das, was der Litchi Hikari Club damals getan hatte. Im Schlaf und im Traum konnte man alles sein, alles tun, nachdem es einen verlangte, man konnte frei sein, von allem Irdischen und man brauchte sich vor niemandem für irgendetwas verantworten. Man tat niemandem weh und man konnte im Traum auch nicht sterben. Manchmal träumte er von Zera. Und manchmal träumte er davon, wie es wäre in einem anderen Leben geboren worden zu sein. Manchmal auch völligen Unsinn, aber jedesmal hatte es etwas Tröstliches. Und vielleicht, wenn er den Tag heute anders verbracht hätte, wäre ihm sogar aufgefallen, dass er an jenem Café vorbeigelaufen war, in welchem Zera gesessen, und sich eingebildet hatte, ihn zu sehen. Vielleicht hätten sie sich dann schon früher wieder gefunden. Kapitel 3: -Litchi-Träume- -------------------------- "Sieh nur, Zera, die Litchifelder - sie sind gar nicht verbrannt!", rief Jaibo fröhlich aus, während er ihn am Handgelenk packte um es ihm zu zeigen. Er konnte seinen Augen kaum glauben. Tatsächlich. Nichts war verbrannt. Dabei hatte sie Jaibo doch selbst angezündet. Oder war das nur ein Traum gewesen? Würde Jaibo tatsächlich so etwas tun? Sie standen da und hatten sich an den Händen gefasst. Die Sonne tauchte das heruntergekommene Industriegebiet, in dem sie sich befanden in ein glutrotes, metallisches und dennoch warmes Licht. Aber wo waren die anderen? Sie waren nicht da. Das war nicht richtig. Er sah Jaibo an. Und seine Augen weiteten sich. Das war nicht der vierzehnjährige Jaibo, das war ein erwachsener Jaibo, der ihn nun um ein kleines Stück überragte und ihn wehmütig anlächelte. "Das ist nicht real. Ich hab die Felder damals wirklich angezündet", sagte er. Und dann ging er ein paar Schritte, entfernte sich, lief über die Litchipflanzen und jedesmal, wenn einer seiner Füße die Erde berührte, ging eine Pflanze in Flammen auf. "Warte!", rief er. Er hörte seine eigene Stimme seltsam unheimlich in seinen Ohren widerhallen. "Jaibo, geh nicht weg, wir haben uns doch erst wieder gefunden!" Jaibo blieb stehen. "Was denkst du, würde passieren, wenn wir uns wieder sehen? Wäre alles wie früher? Oder würde alles besser werden?" Darauf wusste er keine Antwort. Plötzlich sah er sich selbst in seinem erwachsenen Körper und hörte sich sagen: "Ich weiß es nicht. Aber ich will es!" "Nur, um zu sehen, was passiert?" Er konnte nicht mehr antworten. "Wenn es dir ernst ist, dann ... treffen wir uns an den Litchifeldern." Er entfernte sich weiter. "Aber wann?" "Du wirst es wissen." Dann löste sich Jaibo auf und die Traumwelt um ihn herum wurde durch das Piepen eines Weckers durchzogen und verschwamm dann zu einem grauen Mischmasch, bis er schließlich die Augen aufschlug. Benommen tastete er nach seiner Brille. Was für ein seltsamer Traum. Er wurde ihn den ganzen restlichen Tag nicht los. "Du wirst es wissen", murmelte er und schüttelte den Kopf leicht dabei. Es war nur ein Traum. Nichts, als ein Traum. An den Litchifeldern. Ein leichter Schauer überzog Zeras Körper. Es war Jahre her, seit er dagewesen war. Genauer gesagt, seit jenem Tag, an dem sie knapp der Zerstörungswut Litchis entkommen waren und er beinahe seinen Arm verloren hätte. Ihre Freunde, alle tot. Was aus Kanon geworden war, wusste er nicht. Er hatte sie nur noch einmal gesehen, bei ihrer Aussage vor Gericht. Sie hatte ihn nicht angesehen, er erinnerte sich nur die die wütenden und hasserfüllten Blicke der Eltern des Mädchens, die ihn getroffen hatten. Er konnte sich gut vorstellen, dass die Familie daraufhin die Stadt verlassen hatte. Er wischte jegliche Gedanken daran fort, dann ging er den Dingen nach, den er nachzugehen pflegte. Es wurde Abend. Nacht. Der nächste Tag brach an. Nichts weiter geschah. Vorerst. "Honeybee, du bist heute irgendwie nicht bei der Sache", knurrte Kagerou gereizt, während er ihn daraufhin noch härter fickte. Jaibo zuckte zusammen und murmelte eine Art Entschuldigung. Er musste besser aufpassen. Durfte sich gedanklich nicht so abdriften lassen. Sein Freund zog sich mit einem verächtlichen Schnauben aus ihm zurück und riss ihn grob herum, dass er auf dem Bauch vor ihm lag. Sie waren schon eine Weile dabei und gegen Ende hatte Kagerou nie sonderlich viel Geduld. Diesmal drang er von hinten in ihn ein, während er ihn an den Haaren zurückriss, sodass sein ganzer Oberkörper zitternd angespannt war und als er sich wenig später zum Orgasmus gewunden hatte, ließ der Ältere von ihm ab und er sich erschöpft in die Kissen fallen. Irgendwie war ihm heute nicht danach gewesen. Aber Kagerou hatte schlechte Laune gehabt und wenn der Mann schlechte Laune hatte, wurde er unleidlich. Also hatte er ihm gegeben, was er brauchte, damit er seine Ruhe hatte und weiterhin seinen Gedanken nachhängen konnte. Kagerou zündete sich eine Zigarette an und streichelte mit einer Hand nachsichtig seinen Hintern. Scheinbar war alles wieder in Ordnung. Dieser Kerl war ja so berechenbar. Plötzlich widerte es ihn einen Augenblick an, dass er ihn berührte, dass er ihm das Gefühl gab, sein Besitz zu sein und seiner Fuchtel zu unterstehen. "Ich geh duschen", sagte er knapp und stand auf, die Blicke auf seinem nackten Körper spürend. "Ich treffe mich nachher noch mit ein paar Arbeitskollegen", rief der Ältere ihm hinterher. "Stell nichts Dummes an, wenn ich weg bin." Jaibo brummte irgendetwas vor sich hin und stellte dann die Dusche an. Normalerweise stand er auf das glitschige, schmutzige Gefühl von Sperma und Blut auf seiner Haut, von Schweiß, der nicht nur sein eigener war, den Geruch von Sex und Körperflüssigkeiten, den Muff im Zimmer hinterher. Aber gerade jetzt ... war es anders. Jetzt ertrug er es plötzlich nicht. Er duschte lange. Sehr lange. So lange, bis er hörte, wie sein Freund die Wohnung verließ und als er dann aus der Dusche heraustrat, war seine Haut bereits ganz schrumpelig. Die Wahrheit war, dass er seit neulich einem seltsamen Traum nachhing. Er konnte sich nichtmal mehr wirklich an diesen Traum erinnern, aber was er wusste war, dass er mit dem seltsamen Gefühl aufgewacht war, einen Ort aufsuchen zu wollen, den er in Gedanken längst ad acta gelegt hatte. Warum, wusste er nicht. Je länger er diesem inneren Drang Widerstand leistete, desto unausgeglichener und übellauniger und nervöser wurde er. Und schließlich beschloss er, dass er am nächsten Tag dorthin gehen wollte, in aller Herrgottsfrühe, wenn die Sonne gerade aufging. Sonnenaufgänge hatten irgendwie immer etwas Erfrischendes, Belebendes. Alles brannte. Alles, was er berührte, fing Feuer. Er war den Tränen nahe. Nein! Nein, das hatte er doch nicht gewollt! Zera wandte sich von ihm ab. Verfiel seinem eigenen Wahnsinn und er erreichte ihn nicht mehr. Sie waren in dem alten Industriegebäude, das früher der Hauptsitz des Clubs gewesen war. Um die rostigen Rohre und aus dem kalten Fußboden, zwischen den Ritzen und an Stellen, wo es gar nicht möglich war; Überall wuchsen Litchipflanzen und sie wuchsen schnell. So schnell, dass er Zera aus den Augen verlor. Er wollte die Pflanzen zur Seite schieben, aber wenn er sie berührte, fingen sie an, zu brennen und die Wand aus Feuer zeigte kein Erbarmen, sie ließ ihn nicht durch. Er sah plötzlich die Gestalten von Niko und Tamiya in den Flammen. Das heißt ... das war nicht ganz richtig. Sie bestanden aus Feuer und Flammen, ihre Gesichter flackerten und Jaibo glaubte, in Nikos Gesicht Schadenfreude und Hohn zu erkennen, während in Tamiyas Gesicht so etwas wie Bedauern lag. Aber genau erkennen konnte man es nicht. Sie öffneten synchron die Lippen und sagten etwas, doch das Tosen der Flammen war so laut, dass er es nicht hörte. "Was?", schrie er verzweifelt. "Ich verstehe euch nicht, wo ist Zera? Wo ist Zera?" Dann lösten sich die Flammen auf und er hörte Tamiyas Stimme. "Du musst schnell sein, wenn du ihn kriegen willst." Mit Zeras Namen auf den Lippen wachte er auf. Es war noch dunkel draußen. Er war hellwach. Als er sich benommen ins Gesicht fasste, spürte er nasse Tränenspuren. Irgendwie spürte er, dass er nicht mehr zögern durfte. Und so zog er sich an und verließ noch vor Tagesanbruch die Wohnung. "Du musst schnell sein, wenn du ihn kriegen willst", murmelte er vor sich hin, als er in der Straßenbahn saß, die ihn an jenen Ort zurück bringen sollte. Er wusste, dass er sich schuldig fühlen sollte wegen Tamiya und Niko. Und irgendwie tat er es auch. Aber irgendwie auch nicht. Es war seltsam. Indirekt war er ja für ihren Tod verantwortlich. So irgendwie. Er kam damit klar, ein schlechter Mensch zu sein. Er verdrängte nichts, was er getan hatte, denn auch, wenn es grausam gewesen war, so war es doch ein Teil von ihm und er musste damit leben. Er war zu Fuß gegangen. Dabei war er an ihrer alten Schule vorbeigekommen. Die Schule war nach den Vorfällen von damals geschlossen worden und war nun ein herunter gekommenes Gebäude mit dunklen, drohenden Fenstern und er war schnell weiter gegangen, wollte nicht zu lange verweilen. Die Gegend selbst hatte sich kaum verändert. Warum ihn seine Eltern hier zur Schule geschickt hatten, war ihm bis heute ein Rätsel, aber er legte es auch nicht darauf an, in Vergangenem zu wühlen, mied er doch den Kontakt zu seinen Eltern, wo es nur ging. Es war nicht mehr ganz dunkel, aber die Sonne war noch nicht aufgegangen. Wenn sie es überhaupt tat, das war im Winter ja immer so ein Glücksspiel. Die Gassen, die schlechten Straßen, die schmuddeligen kleinen Geschäfte, die wohl nur gut liefen, weil unter dem Ladentisch Hehlerware oder Drogen weiterverkauft wurden. Der Spielplatz, der schon vollkommen verfallen war und der mehr von den Heroinsüchtigen als Aufenthaltsort genutzt wurde, als, dass da noch Kinder spielten. Aber so war sie schon immer gewesen, diese Gegend. Nur erst jetzt, wo er ein Leben in mittlerem Wohlstand führte, erkannte er wie schrecklich es hier damals eigentlich wirklich gewesen war. Aber als Kind sah man viele Dinge eben noch mit anderen Augen. Als er dem Industriegebiet näherkam, das an diese Gegend unmittelbar angrenzte, verlangsamten sich seine Schritte automatisch. "Was will ich eigentlich hier?", murmelte Zera vor sich hin. "Das ist doch verrückt." So gesehen rannte er hier buchstäblich einem Traum hinterher. Mal wieder. Bald müsste er die Stelle erreichen, wo er drei Jahre seines Lebens mühevoll die Litchipflanzen angebaut hatte. Eine Stelle, die niemand gewagt hatte, zu betreten. Der Hauch des Bösen hatte sie wohl umweht. Bis die Flammen alles reingewaschen hatten. Eine plötzliche Abenteuerlust packte ihn - wie es dort jetzt wohl aussah? War er dazu bereit? Er wusste es nicht. Aber das würde sich zeigen. Er ging langsam um das Gebäude herum und hatte plötzlich großes Herzrasen. Er spürte die Kälte kaum. Als er an jene Stelle kam, zeigte eine klare Januarsonne gerade ihre ersten Strahlen am Horizont. Tatsächlich erkannte er mit Staunen, dass sich die Pflanzen offenbar erholt hatten. Es waren jetzt sogar viel mehr. Aber sie hatten nicht mehr jene Wirkung auf ihn, wie damals. Er kniete sich nieder und berührte eine der gefrorenen Früchte, die keine Zeit mehr gehabt hatte, zu verfaulen, ehe der Frost gekommen war. "Konserviert und ewig jung, was?", drang plötzlich eine leicht erstickte Stimme an sein Ohr und er hatte keine Gelegenheit, sich umzudrehen, da er Schritte näherkommen hörte und ein Körper, der sich niederkniete. Arme, die sich mit einem mal von hinten um ihn schlangen. Er riss die Augen auf. Der betörende Duft von Rosen und Ebenholz drang ihm in die Nase und ließ ihn schwindeln. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen. 'Jaibo', wollte er sagen, aber nur ein heiseres Krächzen verließ seine Lippen. Dieser warme Körper. Nicht tot, nicht kalt. Er war hier. Und er lebte. "Peter..." Ein Flüstern. "Bitte schwör mir, wenn du mich jetzt ansiehst, dass du mich nicht hasst, weil ich erwachsen geworden bin." Das erste Mal seit Jahren kämpfte Zera Tsunekawa mit den Tränen. "Wie könnte ich dich je hassen, Wendy?" Die Umarmung erschlaffte und Zera drehte sich um und - es war plötzlich, als wären diese Jahre nie gewesen. Wie mechanisch griff er Jaibo ins Gesicht, hielt ihn bei den Wangen, sah ihn sich an, er war so wunderschön, genau wie damals. Nein. Noch schöner. Jaibo liefen die Tränen über die Wangen. "Heulsuse", murmelte Zera. Dann küsste er ihn. Jaibo krallte die Hände an seinem Revers um ihn näher zu sich zu ziehen, verlangend nach diesem lange verloren geglaubten Geschmack und er erwiderte den Kuss viel intensiver, als er ihm gegeben wurde. Und plötzlich verschwand die Kälte aus seinem Herzen. Sie atmeten beide schwer, als sie voneinander abließen. "Wo warst du nur solange, Jaibo?" "Ich wusste nicht, wie ich dich finden sollte." Eine gemurmelte Antwort. "Oh Gott, Zera, ich liebe dich immer noch. Ich hab dich immer geliebt. Und jetzt ..." Zera sagte nichts. Küsste ihn nur auf die Stirn, dann murmelte er. "Komm, der Boden ist kalt." Jaibo nickte und ließ sich von ihm auf die Beine ziehen. "Sollen wir...?" Jaibo sprach diesen Satz nicht zu Ende. Er war gerade viel zu aufgewühlt, um auch nur einen einzigen vernünftigen Satz zu formulieren. Aber Zera wusste auch so, was er sagen wollte. Er nickte wortlos. Sie fassten sich bei den Händen, als wären sie zwei kleine Jungen, als sie in Richtung des Gebäudes gingen, das sie damals als Quartier für ihren Club genutzt hatten. Die Tür klemmte ein wenig, aber mit etwas Mühe gelang es ihnen, sie aufzustemmen. Der Muff von Schimmel schlug ihnen entgegen. Richtig. Damals war ja alles geflutet gewesen. Jaibo ging voraus, die rostige und mit Grünspan bedeckte Treppe hinunter, während Zera zögerlich hinter ihm her kam. Ihm erschien das alles plötzlich so unwirklich. Sofort fielen ihm die Stellen auf, an denen ihre Freunde gestorben waren. Ging man näher hin, so konnte man tatsächlich noch eingetrocknete Blutflecken erkennen. Es schüttelte ihn kurz. Aber auch eine seltsame Art von Faszination wallte wieder in ihm auf. Er sah zu Jaibo hinüber, welcher gedankenverloren vor dem in sich zusammengefallenen Podest stand auf dem sie damals Kanon auf einer Art Thron gefesselt festgehalten hatten. Dem Podest, auf dem ihm Jaibo vor der schlafenden Kanon den Schwanz gelutscht hatte und ein seltsames kribbelndes Gefühl breitete sich in seinem Körper aus bei dieser Erinnerung, rieselte weit herab und er spürte ein leichtes Ziehen in der Lendengegend. Er ging auf Jaibo zu, wollte etwas zu ihm sagen, um sich davon abzulenken, als ihm plötzlich etwas ins Auge stach. Nein, das konnte doch unmöglich ... Er bückte sich und hob das Stück Holz auf - tatsächlich - es war der obere Teil der zerbrochenen Königsfigur. Fest klammerten sich seine Hände darum, dann stand er wieder auf und ließ es in seine Tasche gleiten. Er spürte Zeras Lippen plötzlich auf seiner Haut, den Atem in seinem Nacken und eine Gänsehaut zog sich über seinen Körper, er schloss einen Moment die Augen. Spürte, wie Zera sich an ihn presste und dessen Erregung, was ihn erneut schauern ließ. Er wollte ihn. Immer noch. Er hatte offensichtlich nichts von seinem Liebreiz verloren. "Ebony Rose", flüsterte Zera nahe an seinem Ohr und ein leises Stöhnen rollte Jaibo von den Lippen. "Komm, lass uns von hier weg gehen. Dieser Ort ist schon viel zu lange tot." Kapitel 4: -Emperor-und-Ebony-Rose- ----------------------------------- Es war kurz vor Mittag, als sie bei Zera zuhause ankamen. Jaibo besah sich interessiert dessen Inneneinrichtung. Irgendwie genauso, wie er es sich immer vorgestellt hatte; steril, spartanisch und doch auf eine gewisse Weise stilvoll. Die Mittagssonne, welche nur für eine kurze Zeit ihre Strahlen ins Wohnzimmer fallen ließ um diese Jahreszeit ließ Jaibos Gesicht schneeweiß und makellos scheinen. "Jaibo ...", sagte er leise. "Zieh dich aus, ich will dich anschauen." Er tat es. Beinahe andächtig glitt Zeras Blick über den nackten Leib. Jaibo war dürr. Nicht auf eine magersüchtige Art und Weise dürr, aber eben ... dürr für sein Alter. Man sah ihm an, dass er gelitten hatte. Und plötzlich fragte sich Zera, ob man es ihm ebenso ansehen würde. Die Jahre, die ihre Spuren hinterlassen hatten. Die Jahre, die sie alt gemacht hatten, obwohl sie noch ihr ganzes Leben vor sich haben sollten. Der Kummer, die Qual, das ... dieses Alles. Wieso erschuf man ein Lebewesen? Wieso hatte er ein Wesen wie Litchi erschaffen wollen? Damals war ihm alles so logisch erschienen. Perfektion erschaffen, um die Welt perfekt zu machen. Aber es gab keine perfekte Welt. Nicht für sie. Nicht für die anderen. Für niemanden. Selbst Litchi hatte versagt. Und damit er. Er war hochbegabt gewesen früher ja. Sehr weit für sein Alter, immer. Aber betrachtete man das alles als Ganzes, so war er doch genauso, wie der Rest der Menschheit, ein geringer nicht wesentlicher Teil von etwas Großem. So, wie ihre Kameraden, ja er hatte sie Kameraden genannt, es gewesen waren. Er erinnerte sich an die Worte des Wahrsagers. "Tod mit 14 oder Weltherrschaft mit 30." Nichts davon sollte je eintreffen, das wusste er. Niemand würde sich an seinen Namen erinnern, seiner gedenken. "Zera ..." Ein Flüstern, von liebevollen Lippen auf die Reise geschickt. Er sah auf. Jaibos Gesicht, so schmerzlich, so voller Liebe. Warum hatte er diese Liebe früher nur so schändlich verschmäht? Jaibo küsste ihn, er spürte dessen Fingerspitzen sanft über seine Wangen geistern. Wie mechanisch hob er die Hände und legte sie auf die baren, knochigen Schultern. Er spürte die Gänsehaut. Wegen der Kälte und wegen seiner Berührung. Einen Moment sahen sie sich in die Augen. Er ließ die Hände über Jaibos Schultern gleiten, über die Oberarme, die Unterarme, den Handrücken, bis zu den Fingerspitzen. Einen Moment, der Körper ohne Berührung, dann, die Hände an den Hüften. Ließ sie dort verweilen, dann die Finger über die Hüftknochen reiben, welche man viel zu stark spürte, so, wie es nicht sein sollte. Jaibo hatte seinen Körper vor Kummer krank gehungert. Er bemerkte auch die Narben. Dachte einen Moment darüber nach, ob er sie sich selbst zugefügt hatte. Konnte aber auch gut sein, dass sie irgendeinem perversen Liebesspiel entsprungen waren. Seine Fingernägel krallten sich bei diesem Gedanken in die dünne Haut, die sich über den Hüftknochen spannte. Jaibo gab keinen Mucks von sich, nur ein schnelles, kurzes Einatmen, weil es ihm gefiel, dieser kleine, harmlose Schmerz, den er ihm unwillentlich zufügte. "Hattest du viele?", fragte Zera mit emotionsloser Stimme. Jaibo senkte den Kopf. Plötzlich schien er sich zu schämen. Warum? "Ja", sagte er lautlos. Dann, die Ohrfeige. Aus einem tiefen, inneren Impuls heraus hatte Zera zugeschlagen. Mit der flachen Hand ins Gesicht. Jaibos Kopf war zur Seite geruckt. Eine unendlich tiefe Liebe zu Zera wallte plötzlich in ihm auf. "Ich habe einen Freund", sagte er dann, ohne zu wissen, warum er das sagte. "Aber ich liebe ihn nicht. Ich hab nie einen anderen geliebt." Zeras Augen verengten sich und im Bruchteil einer Sekunde hatte er Jaibo an den Hals gepackt, ihm dabei so einen Stoß gegeben, dass er ihn nun gegen die nächste Wand presste. Jaibos Augen waren aufgerissen, die blassroséfarbenen Lippen herrlich vor Überraschung geöffnet, sein Körper zuckte und Zera sah ihm direkt in die Augen. Jaibo schauderte es. Diese Augen hatten ihn schwach gemacht. Schon immer. Diese Augen hatten ihn dominiert, dieser Blick, dieser besitzergreifende Blick, der ihm sagte, dass er nur ihm gehörte. Zera küsste ihn plötzlich. Dominant. Beinahe schmerzhaft. Er wurde hart. Sah schwarze Punkte vor den Augen tanzen und als Zera von ihm abließ, wurden ihm die Knie weich und er glitt japsend an der Wand herunter, die Augen unterwürfig auf Zera gerichtet. Er war sein Herr. Das gab er ihm mit seiner Aura unmissverständlich zu wissen. Zeras Blick war noch immer ausdruckslos, dann sagte er: "Komm. Wir gehen ins Schlafzimmer. Du bleibst auf allen Vieren, da wo du hingehörst, du dreckiges fremdfickendes Miststück." Und er kam ihm nach. Zera schloss die Tür sorgsam hinter ihnen. Es war unwahrscheinlich, dass sie jemand durchs Fenster sah, da er im 17. Stock wohnte und selbst wenn, dann wäre es ihm sonderbar egal gewesen. “Wie kann ich dir nur begreiflich machen, dass dein Körper mir alleine gehört?”, sagte er leise und ein sacht-gefährlicher Unterton lag darin. Sein Blick heftete sich auf das stark aufgerichtete Glied des anderen. Aber so war Jaibo immer schon gewesen. Und das war etwas vollkommen anderes als sich selbst anzufassen. Wenn er sich selbst anfasste, dann ... dann fühlte es sich immer so schmutzig an, aber jetzt, wo Jaibo vor ihm kniete, zitternd vor Lust und bereit, alles mit sich machen zu lassen, kam ihm dieser Gedanke lachhaft vor. Jeder, den der Gedanke an so etwas nicht erregte, der musste stockfrigide sein. Sein Jaibo war wunderschön. Der Schönste von allen. War es immer gewesen. Der Gedanke, dass ein anderer regelmäßig seine Finger an ihm hatte, widerte ihn absolut an. Abermals holte er aus und schlug ihm mitten ins Gesicht. Diesmal nutzte er den Schwung des Schlages um ein weiteres mal zuzuschlagen - und dann noch einmal. Dann riss er ihn an den Haaren, so sehr, dass ihm ein leiser, spitzer Schrei entfuhr, doch dieser kleine Schrei machte ihn an. Er schleifte Jaibo zum Bett und stieß ihn mit dem Oberkörper darauf. Die Haare scheitelten sich im Nacken und flossen seidig schön an den Seiten seines Halses vorbei. Der Nacken, vollkommen ungeschützt. Zera kam über ihn und biss ihn, an jene empfindliche Stelle wo der Übergang von Hals zu Schulter war und kurz über der anmutigen Vertiefung des Schlüsselbeines. Er merkte, wie Jaibos Körper sich anspannte, hörte ihn stöhnen und dann schreien, als er seine Zähne tiefer grub, erbarmungslos tief, bis er Blut schmeckte und er hörte auch dann nicht auf, denn Jaibo war noch schöner, wenn seine weiße Haut von roten Blutspritzern geschmückt wurde. Fahrig langte er an dem dünnen Körper vorbei, ergriff Jaibos Glied und war so gnädig, ihn zu wichsen, da es ihm wohl schon schmerzen musste. Das Stöhnen wurde bettelnder, winselnder und schließlich gipfelte es in einem Schmerzensschrei, der wunderschöner und vollkommener nicht hätte sein können. Abrupt ließ Zera von Jaibo ab, richtete sich leicht auf und betrachtete jene Stelle, aus welcher nun etwas Blut quoll. Er schwitzte. Schluckte trocken und seine Kehle fühlte sich dabei an, wie Schleifpapier. Fatal zu glauben, das wäre spurlos an ihm vorübergegangen. Seine eigene Erregung pochte dumpf und hart unter seiner Kleidung. Langsam zog er sich das Hemd über den Oberkörper. Ähnlich wie Jaibo war er nicht von stämmiger Statur, allerdings im Gegensatz zu diesem sehr wohl etwas kräftiger, zumindest sah man nicht jede Rippe einzeln. Ein bisschen trainiert hatte er, aber nicht viel, gerade soviel, dass es gut für die Gesundheit war. Dann öffnete er seinen Gürtel. Ließ das Leder durch die Finger gleiten. Ein sadistisches Lächeln umspielte seine Lippen und im nächsten Moment ließ er den Gürtel auf Jaibos Rücken niedersausen. Der zarte Körper zuckte zusammen, die Haut platzte unter der Intensität des Schlages fast auf. Ein tiefroter Striemen zog sich von links oben unter dem Schulterblatt bis etwa zur Hüfte. Es stand ihm. Es sah wunderschön aus. “Zera ...” Ein heiseres Japsen drang an sein Ohr. Die Unterwürfigkeit, die in diesem einzigen Wort, seinem Namen, gelegen hatte, sprach für sich. Dennoch wollte er es ihn sagen hören. “Ja, meine Rose?”, sagte er leise. “Bitte ... mehr ...” Zera ließ seine Fingerspitzen zärtlich die Wirbel auf Jaibos Rücken nachfahren. “Hast du das verdient, Jaibo?” “Ja ...” Ein leises Schluchzen. Zera erschauerte, dann holte er aus und ließ das Leder abermals niedersausen. Abermals ein Zusammenzucken, ein Schnaufen, ein unterdrücktes Stöhnen. Als er schließlich innehielt, war der Rücken Jaibos über und über mit roten Striemen bedeckt, an manchen Stellen waren sie bereits aufgeplatzt. Er beugte sich herab um ihm das Blut von der Haut zu lecken. Schließlich befahl er, "Na komm, beweis mir, dass du es noch kannst." Und Jaibo verstand. Zitternd erhob er sich, rutschte von dem Bett herunter, auf welches Zera sich indes in einer sitzenden Position niederließ. Jaibo zuppelte mit geschickten Fingern an dem Reißverschluss, um ihn zu öffnen, den Knopf hatte Zera vorhin selbst geöffnet. Die Männlichkeit seines Angebeteten ragte stolz und mächtig und pulsierend vor ihm auf und ihm entfuhr ein sehnsuchtsvoller Seufzer und schließlich küsste er ihn. Dann leckte er von der Wurzel an über die Länge nach oben, glitt dann wieder nach unten, saugte sanft an den Hoden, glitt wieder nach oben um seine Zunge in den Schlitz zu drücken und dann mit den Lippen die Eichel zu umschließen. Zera gab kaum einen Laut von sich, aber die Hand, die sich bestimmend und fest in seinem Haar verkrallt hatte, sprach für sich. Ja. Schwänze lutschen. Das hatte Jaibo Ameya schon immer gut gekonnt. Und für seinen Zera ... Während er ihn tiefer in den Mund nahm, zuckte seine eigene Hand zu seiner Körpermitte, zu gerne hätte er sich angefasst, doch Zera kam ihm dazwischen mit einem schlichten, "Das verbiet ich dir." Jaibo jammerte gequält auf, da es ihn bereits schmerzte, aber er würde es aushalten. Wollte Zera beweisen, wie diszipliniert er war. Dass er es zumindest sein konnte, wenn er wollte. So konzentrierte er sich ganz auf seine Tätigkeit, nahm die Hände dazu, welche Druck an der Wurzel ausübten, die Hand in seinen Haaren griff fester zu, schmerzhaft schon, reißend, grob, geil. Er spürte den Druck in seinem Nacken, der ihm diesen wundervollen Schwanz tiefer in den Rachen drängte und er nahm ihn auf, auch, wenn es ihn kurz würgte und dann spürte er die ersten salzigen Tropfen auf der Zunge und - Zera hielt ihn auf. Jaibo sah ihn einen Augenblick verwirrt an, dann schien er zu verstehen; Er neigte das Gesicht nach oben und öffnete den Mund und schließlich spürte er, wie heißes Sperma in sein Gesicht spritzte, den Mund, die Lippen über die Augen, die Wangen. Als er die Augen wieder öffnete und nach oben sah, bemerkte er plötzlich diese leichte, niedliche Röte im Gesicht seines Angebeteten. Nur einen Hauch davon, aber es zeigte ihm, dass auch er diesen einen Charakterzug nie hatte ablegen können; Früher, wenn Jaibo ihn verführt hatte, war Zera sich meistens immer schmutzig vorgekommen, hatte eine panische Angst davor gehabt, dass sie jemand erwischte, während Jaibo es sogar darauf angelegt hatte, damit auch ja jeder mitbekam, dass sie zusammen gehörten. Jaibo wusste, dass es noch nicht vorbei war und er sah den unausgesprochenen Befehl in Zeras Augen, als dieser ihn ansah. Er machte sich daran, Zera gänzlich von seiner Hose befreien. "Jaibo", ließ ihn innehalten. Er sah auf. Zera legte eine Hand an seine Wange, wortlos, doch so unendlich liebevoll, dass Jaibo erschauerte. Dann fuhr er fort und endlich konnte er diesen makellosen Körper vor sich betrachten, sah kurz etwas, das er für Ritznarben hielt, am Oberschenkel, doch jetzt mochte er ihn nicht danach fragen. Jaibo nahm das erschlaffte Glied wieder in den Mund, saugte, leckte und es dauerte nicht sehr lange, bis es sich in seinem Mund wieder verhärtete. Dann ließ er ab und kroch, ohne eine Aufforderung vernommen zu haben, nach oben, küsste die schwitzige Haut, biss ein wenig an den Brustwarzen herum, sodass Zera ein lustvolles Schnaufen kaum unterdrücken konnte und dann waren sie auf Augenhöhe, die Lippen verbanden sich abermals zu einem Kuss, einem Kuss, erst liebevoll, dann schmerzhaft und abermals spürte Jaibo die Finger an seinem Hals, die ihm die Luft abdrückten und diesmal war es zuviel, diesmal haute es ihn so weg, gab es ihm so einen Kick, dass er kam, direkt aufs Zeras Bauch und seine Lust dabei nicht herausschreien zu können, war eine leise, aber süße Qual. Kurz darauf löste sich der Druck wieder und Jaibo keuchte, suchte Zeras Blick, suchte einen Hauch von Liebe darin für ihn, suchte Zuneigung, weil ihm nie ein Mensch außer Zera wirklich wichtig gewesen war. Und Zeras Augen waren nicht mehr ganz so kalt. Sie waren erwachsener, der Blick zeugte deutlich, dass er wusste, was er wollte, nämlich ihn. Nicht Kanon, nicht irgendjemand anderen auf der Welt, sondern ihn, einzig und alleine seine Ebony Rose. Jaibo nahm gönnte sich, kurz die Augen zu schließen und sich in Zeras Halsbeuge zu lehnen. Eine Art von Zärtlichkeit von der er immer geträumt, von der er es aber nie gewagt hatte, sie sich zu nehmen, weil Zera ihn damals zu sehr auf Distanz gehalten hatte, was solche Dinge betraf. Aber jetzt. War es ihm egal. Er wollte es. Er lauschte dem Rauschen des Blutes, denn die Halsschlagader war an jener Stelle unter der Haut, wohin er seinen Kopf gebettet hatte. Sein Körper war so warm, so voller Leben. Zera hatte niemals mit Zärtlichkeiten umgehen können. Das war ... viel intimer, als nur den Schwanz geblasen oder gewichst zu bekommen. Er hatte Angst vor Jaibos Körper gehabt. Angst davor, sich in ihm zu verlieren, dass er ihn verschlang und nie wieder freigab. Dass er sich in seinen Zärtlichkeiten verlor und sich vielleicht verliebte. Davor hatte er früher Angst gehabt. Aber jetzt ... nahm es ihm die Einsamkeit. Zera hob die Hand um durch Jaibos wirres Haar zu streicheln. Und er tat es liebevoll, nicht grob, so wie vorhin, auch, wenn ihm das gefallen hatte. Er genoss den Körper, der sich so angenehm an seinem anfühlte. Den Atem gegen seine Haut, der sich langsam normalisierte. Der Schenkel, welcher seine Erregung nur streifte, ohne ihr Lust und Linderung zu verschaffen. Seine Hand kam zärtlich in Jaibos Nacken zum Ruhen, schließlich zog er ihn leicht nach oben und küsste ihn. Nicht auf den Mund. Auf die Stirn. Auf das geschlossene Augenlid. Auf die Wange. Auf den Mundwinkel. Jaibo lächelte und er hatte dabei beinahe etwas Schuljungenhaftes an sich. Kurz noch verweilten sie so, ehe Jaibo ihn sanft zurückdrückte und Zera ließ es sich gefallen, denn er behielt das Gefühl, dass immer noch er die Bestimmungsmacht über alles hatte, er ließ Jaibo lediglich gewähren weil er es so wollte. Jaibo beugte sich über ihn und die verführerischen Lippen glänzten ihm lockend entgegen, bis sie sich seinem Sichtfeld entzogen, als Jaibo ihm einen letzten Kuss auf das mittlerweile wieder harte Glied gab, dann weiter nach oben rutschte, es packte und es sich schließlich mit einem erleichterten Stöhnen selbst einführte. Zera hatte einen Augenblick die Augen verdreht. Dieses heiße, enge Gefühl war ungekannt. So gesehen war es das erste Mal, dass er es tat. Vor anderen Menschen hatte er einen regelrechten Ekel entwickelt. Überhaupt war niemals ein anderer als Jaibo für Körperlichkeiten infrage gekommen, wenn er so zurückdachte. Nicht, dass es nicht die ein, oder andere Gelegenheit gegeben hätte ... Jaibo fühlte sich so ... heiß an, seidig im Inneren und als er geschmeidig begann, sich zu bewegen, strebte Zeras Oberkörper beinahe von selbst leicht in die Höhe, kam dann wieder in den kühlen Laken zum Liegen und er gab sich nun damit zufrieden, die Fingernägel in Jaibos schmale Hüften zu krallen, einfach, weil er sonst nicht wusste, wohin mit seinen Händen. Seine Augen schloss er dabei nicht. Er sah nach oben, zu Jaibo. So wunderschön sah er aus. Wunderschön. Wie er sich bewegte, der entrückte Ausdruck auf seinem Gesicht. Er war so ... perfekt in diesem Moment. Zera hielt sich nicht mehr zurück mit seiner eigenen Lust und bald begann er von unten in Jaibo zu stoßen, weil er mehr wollte, mehr Berührung, mehr Reibung, mehr Druck und Jaibo reagierte, indem er sich diesen Stößen anpasste. Seine Stimme klang schön und klar und etwas androgyn, warum dieser Junge damals so eine Panik verspürt hatte, als er die Veränderung seines Körpers bemerkte, war nicht mehr nachvollziehbar, so gesehen, war diese Angst vollkommen unbegründet gewesen. Als Zera merkte, wie er seinem Höhepunkt entgegen trieb, richtete er sich auf, indem er die Arme um Jaibos Kreuz schlang und sie beide geschickt so drehte, dass Jaibo nun unter ihm lag. Dabei griff er zur Seite, nach dem Gürtel, der auf dem Bett lag und schlang ihn Jaibo um den Hals, führte das eine Ende durch die Schlaufe und dann begann er, zuzustoßen. Jaibo stöhnte auf, laut, hemmungslos und ließ sich gehen, gab sich ihm hin und Zera genoss das Gefühl der Macht, als er langsam die lederne Schlaufe um Jaibos Hals zuzog, nicht komplett, aber so, dass er japsen musste, er genoss das Gefühl, dass er ihn vollkommen in der Hand hatte, dass er allein seiner Willkür ausgeliefert war. Er packte den Gürtel nahe an der Stelle, an der sich die Schlaufe befand, damit er ihm in die Schulter beißen konnte, während er ihn fickte und dabei spürte er das berauschende Gefühl von scharfen Fingernägeln, die sich gnadenlos in seinen Rücken bohrten, er spürte das warme Blut, das leicht daran herunter rann und zischte trunken vor Wolllust in Jaibos Ohr: "Meine Schlampe gehört jetzt endlich wieder zu mir, was? Masochistisches, verkommenes Stück, ich sollte dich erwürgen!" Er riss abrupt an der ledernen Schlinge, Jaibo schrie auf, vor Lust oder Schmerz war nicht mehr auszumachen und er fickte ihn härter, noch härter, er wollte ihn bluten fühlen und bald spürte er die Feuchtigkeit um seinen Schwanz, daraufhin das spasmische Zucken der Muskulatur, das ihm ankündigte, dass Jaibo bald kommen würde - selbiger presste sich noch enger an ihn, indem er die Beine um ihn schlang, sodass sie regelrecht ineinander verkeilt waren und schließlich ... Ein Schrei. Ein erlösender Schrei. Ein lauter Schrei. Und er spürte die schmierige Hitze zwischen ihren Leibern, spürte, wie es ihm auch hochkam, denn das spasmische Zucken riss nicht ab und dann ... dann ... endlich konnte er Jaibo mit seiner Essenz füllen, tief und heiß und es bedeutete, dass er ihm gehörte, ihm alleine nun und in diesem Moment beschloss er, dass, wenn Jaibo sich nicht von diesem, wer auch immer er war, trennte, dass er diesen Mann, wer auch immer er war, ermorden würde. Wortlos und nackt lagen sie sich in den Armen. Zera hatte seine Wange in Jaibos Halsbeuge gebettet. Nun war es Jaibo, der ihm Sicherheit gab. Etwas, das ihm acht Jahre gefehlt hatte. Er war soviel mehr als nur ein Untertäniger, als ein Betthäschen, als eine Hure. Er war alles, was er noch hatte. Sie alle hatten früher einen ordentlichen Knacks weggehabt, um es salopp auszudrücken. Hatten sie wohl heute noch. Aber jetzt, wo sie so zusammen waren, nachdem sie miteinander geschlafen hatten, in Zeras Wohnung und nicht in einem alten schmutzigen Leichengepflasterten Industriegebäude, wo sie fernab von Wahnsinn und Tortur waren, wo sie einfach nur sie waren ... Jaibo wirkte beinahe sanft und friedlich, fast wie ein normaler Junge ... junger Mann. Er hob die Hand, ließ sie durch eine verschwitzte Strähne gleiten und Jaibo, welcher die Augen ein wenig geschlossen hatte, sah ihn an und lächelte matt. "Schickst du mich jetzt weg?", fragte er bang. "Wieso sollte ich?" "Ich weiß nicht. Früher hast du es immer getan." Eine tiefe Traurigkeit schwang in seiner Stimme mit und das erste Mal in seinem Leben spürte Zera den Schmerz eines anderen Lebewesens und bereute. Was er ihm angetan hatte. Zu wissen, dass er ihn liebte und das für sich und seine Zwecke zu nutzen. "Früher ist nicht heute, Jaibo." "Ich bin so einsam gewesen..." Die Stimme ging in einem leisen Schluchzen unter und sie drehten sich leicht, vertieften die Umarmung. "Ich dachte, ich krepier daran!" "Glaubst du, dass ich glücklich war?" "Nein ... Du hast immer solche Angst gehabt, zu versagen, Zera ... Für mich hättest du niemals etwas Besonderes erreichen müssen. Für mich hättest du einfach nur Tsunekawa Zera sein können, ich hätte dich immer noch geliebt ..." Diese Worte ließen Zera hart schlucken. Er schloss die Augen und sog den sinnlichen Duft von Jaibos Haaransatz ein, an jener Stelle hinter dem Ohr, wo der Eigengeruch eines Menschen am intensivsten war. "Du kanntest mich wohl besser, als ich je angenommen habe...", sagte er mit einem matten Lächeln. Draußen hatte es inzwischen begonnen, dunkel zu werden. Es war angenehm. Nur das Ticken der Uhr. Der angenehme Geruch von Sex, der im Raum lag. Die Erkenntnis, dass die Einsamkeit nun endlich zurückgelassen werden konnte. Im Grunde hatten sie immer nur sich gehabt. Jetzt würde alles gut werden. Irgendwie würde es schon gehen. Irgendwie würden sie es schaffen. Und Morgen. Ja, morgen. Gleich morgen. Da würden sie bessere Menschen werden. Epilog: -Impuls- ---------------- Es gibt Situationen im Leben, da muss man sich entscheiden. Und es gibt Entscheidungen, die mit dem Herzen getroffen werden können, oder mit dem Verstand. Es gibt die Möglichkeit, glücklich zu werden, oder unglücklich. Aber man hat immer eine Wahl. Folgt man dem tiefen, inneren Impuls, den Liebhaber seiner verloren geglaubten Liebe zu ermorden, oder fängt man das erste Mal in seinem Leben an, zu vertrauen und die zweite Chance zu nutzen, die einem gnädigerweise gegeben wird? Eine Entscheidung muss getroffen werden. So oder so. Das Leben ist kein Märchen. Es gibt kein Happy End. Aber manchmal hat Gott Erbarmen und schenkt zwei verlorenen Seelen ein Happy End. Auch, wenn es sie nur in Märchen gibt, oder schönen Geschichten. Ein Leben erzählt eine Geschichte. Als Jaibo am darauffolgenden Tag nachhause kam, erwartete sein Freund ihn schon. Er teilte diesem unverblühmt mit, dass er ihn betrogen hatte. Eine Tracht Prügel wurde ihm zuteil, aber es war ihm egal. Denn im Grunde ging er als Sieger hervor. Er und Zera. Ohne Kagerous Geld stand er vor dem Nichts. Aber er stand nicht alleine vor dem Nichts. Es war gut. Alles. War gut, wie es war. Und es würde besser werden. Es würde weitergehen. Das tat es immer. "Bitte geh noch nicht, Wendy." "Ich muss, Peter, es wird Zeit, erwachsen zu werden." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)