Watching your Footsteps von TayaTheStrange ================================================================================ Kapitel 16: Heartbreaker ------------------------ Ji-Yong schaffte es die Hand zu heben und zu der Brust seines Peinigers zu führen. Er wollte ihn von sich stoßen, wollte ihn schlagen, ihn verprügeln bis das Blut spritzte. Doch er machte sich Illusionen, ihm fehlte noch immer jegliche Kraft. Er brachte es nicht einmal fertig, den anderen auch nur einen Zentimeter beiseite zu schieben. "Du kannst es kaum noch erwarten, stimmts? Mir geht es genauso. Ich verspreche dir, ich lasse dich den Himmel und die Sterne sehen, wenn wir es endlich miteinander tun." Ji-Yong spürte, wie Min-Ho die Hand unter seine Bein schob, während er sich mit der anderen neben seinem Kopf abstützte. Seine Gedärme verknoteten sich vor Angst. Sein Herz raste. Angst. Nein, er wollte nicht. Nein, nein! Sah denn niemand, was hier geschah? Das konnten sie nicht zulassen. Er kniff wieder die Augen zusammen, hob auch die andere Hand, nahm all seine Kräfte zusammen. Wieder scheiterte er. Er presste die Lippen zusammen als er wieder den Atem auf seinem Gesicht spürte. Diese widerliche Zunge, er wollte sie ihm abbeißen. Er wollte das alles vergessen, wollte sich fortträumen, aber er bekam mit, wie Min-Ho sich vor ihm platzierte, einen Moment innehielt. "Du wirst es lieben, das hier mit mir zu tun." Und dann spürte Ji-Yong den grässlichsten Schmerz seines gesamten Lebens. Es war, als würden ihm die Gedärme von innen zerrissen. Er hörte einen Schrei. Einen schrillen, schmerzverzerrten Schrei, der in seinen Ohren hämmerte und es dauerte eine Weile bis er begriff, dass er es selbst war, der schrie und dass der Schrei nur in ihm derart laut nachhallte. In Wirklichkiet war es kaum mehr als ein Wimmern, ein Stöhnen. "Das ist gut, nicht wahr? Willst du mehr davon?" Noch immer hatte Ji-Yong die Augen geschlossen, er wollte den Gesichtsausdruck dieses widerlichen Mannes nicht sehen, wollte nicht die Lust in seinen Augen sehen. Noch ein Stoß. Ji-Yong verkrampfte sich, krallte seine Hände fester in die Decke unter sich und wieder begannen die Tränen zu fließen. Er war schwach und hilflos, er konnte nichts tun. Er musste hier liegen und all das über sich ergehen lassen. Noch nicht einmal die Hoffnung, dass es schnell vorbei sein könnte, blieb ihm. Leises Keuchen drang an sein Ohr und nun wurde die Übelkeit so schlimm, dass sie kaum noch zum ertragen war. Doch sie war bei weitem nicht so schlimm wie jener Schmerz, den Min-Ho ihm zufügte, als er sich langsam in ihm bewegegte. Er konnte sich nicht übergeben. Er wollte es. Vielleicht würde es diesen Verrückten davon abhalten, das hier mit ihm zu tun. Aber er konnte nicht. Die Bewegungen wurden schneller, brutaler. Unnachgiebig rammte er in den zerbrechlichen Körper hinein. Für Ji-Yong war jeder Stoß die Hölle. Das feuchte erregte Keuchen erklang nah über seinem Gesicht und versagte ihm jede Traumwelt, in die er sich zu flüchten versuchte. Das Rauschen in seinen Ohren verstärkte sich wieder. Diesmal war es sein Blut, welches durch seine Adern raste. Es erhitzte seinen Körper, doch in ihm war es eiskalt. Min-Hos Hand streichelte über seinen Hals. Er stöhnte leise, kehlig. Genießend. "Ich sehe....es gefällt dir. Du hast das noch nie mit IHM getan oder? Du bist doch für mich rein geblieben." Ji-Yong verstand den Sinn der Worte kaum, die nur in Bruchstücken zu ihm durchdrangen. Ein Stoß in ihm. Brennender Schmerz. Ein Wort. "Du antwortest nicht. Also hast du mich doch schon betrogen. Sags mir! Hast du?!" Die Hand, die seine Kehle nur gestreichelt hatte, packte plötzlich zu und schnürte ihm die Luft ab. Ji-Yong hustete. Nun konnte kein Laut mehr seinen Mund verlassen. Nicht eine einzige Möglichkeit blieb ihm, seine Qualen hinauszuschreien. Schweiß rann ihm von der Stirn, aber er kühlte ihn nicht. "Wenn ja, dann werde ich dafür sorgen, dass du ihn vergisst. Du wirst nie mehr zu ihm gehen wollen, wenn ich fertig bin." Und dies war eine Prophezeihung. Die Hand verließ seinen Hals. Ji-Yong holte röchelnd Luft, spürte, wie Min-Ho seine Hüften fest hielt und sich fast völlig aus ihm zurückzog. Dann stieß er tiefer und brutaler in ihn als zuvor. Sein Rücken krümmte sich nach oben. Er riss seinen Kopf in den Nacken und öffnete die Augen. Schwarze Punkte tanzten davor. Die Bewegungen in ihm wurden schneller, härter. Das Keuchen lauter. Der Schmerz unerträglich. Wieder und wieder trafen die Hüften seines Peinigers gegen seine nackte Haut. Ji-Yong wimmerte unaufhörlich, stöhnte ab und zu vor Pein lauter auf, während sein Körper unter den Stößen zerrissen wurde. In diesem Moment wollte er sterben. Endlich erlöst werden. Der Tod war sein Ausweg. Der Tod war sein Freund. Warum konnte er nicht sterben?! Doch nicht einmal eine gnädige Ohnmacht legte sich über ihn. Alles, was ihm blieb, waren sein Wimmern, sein Flehen und der Stoff zwischen seinen Finger, den er beinahe zerriss. Und als er dachte, dass er es nicht mehr erdulden könnte, hielt Min-Ho plötzlich inne. Er stöhnte lang gezogen auf und Ji-Yong spürte, wie sich brennend heiße Flüssigkeit in ihn ergoss. Sein Inneres verätzte. Nach weiteren Sekunden löste sich sein Peiniger aus ihm. Ji-Yongs Körper zuckte heftig zusammen. Dann bewegte er sich nicht mehr. Vor seinen Augen wurde es schwarz, doch er war noch bei sich. Die Schmerzen, die noch immer seinen Körper zerfraßen, machten es ihm bewusst. Die Tränen, die über sein Gesicht rannen, fast zärtlich, wie um ihn zu trösten, machten es ihm bewusst. Sie rollten über seine Wangen, lösten sich von seiner Haut und zerplatzten ungesehen unter ihm. 'Bitte, bring mich jetzt um, bitte.' Min-Ho hatte sich von ihm gerollt und war aufgestanden, Ji-Yong hörte seine Schritte sich ein wenig entfernen. Endlich Abstand zwischen ihm und diesem Wahnsinnigen. Vielleicht hatte er ja doch genug, vielleicht würde er jetzt gehen. Und Ji-Yong blieb noch eine Chance. Er kniff die Augen zusammen, öffnete sie wieder und versuchte die Schwärze vor ihnen zum verschwinden zu bringen. Langsam wurde seine Sicht wieder klarer. Er drehte den Kopf zur Seite. Das Erste, was er sah, war seine eigene Hand, die immer noch fest um den kratzigen Stoff der Decke geschlossen war. Sie war vor Anstrengung weiß geworden, so sehr hatte er sie festgehalten. Dann der dreckige Boden, der darunter hervorblitzte. Dann stellte sich seine Sicht noch ein wenig schärfer und er konnte Min-Ho in den dunklen Schatten des Raumes ausmachen. Erneut stieg die Übelkeit seine Kehle hoch. Er drehte sich ruckartig zur Seite und übergab sich endlich. Er würgte so lange, bis er nichts mehr ihm Magen hatte und er würgte noch weiter, als könnte er das, was er gerade erlebt hatte, aus sich löschen. Er schmeckte bittere Galle. Ein letztes Husten, dann ließ er sich kraftlos zurück auf die Erde sinken. Bei jeder Bewegung raste der Schmerz wie glühendes Eisen durch seinen Körper Ji-Yong keuchte erschöpft und versuchte wieder zu Atem zu kommen. Er hatte nicht bemerkt, wie Min-Ho wieder näher gekommen war, doch jetzt kniete er neben ihm und fuhr ihm langsam durch das schweißnasse Haar. "Ist dir schlecht mein Engel? Wart nur ab, das vergeht schon wieder." Seine Stimme war dunkel und sanft. Als dieser wieder aufstand, um eine Decke über ihn zu breiten, wusste Ji-Yong, dass er nicht entkommen würde. Und er würde auch nicht sterben. Noch nicht. Er würde hier bleiben müssen, zusammen mit ihm, er würde für immer in seiner Gewalt bleiben. Das hatte er ihm versprochen und Ji-Yong glaubte es. Sein Körper wurde ungewollt nah an den anderen gezogen. Obwohl er spürte, dass er sich wieder rühren konnte, wehrte er sich nicht mehr. Er hatte aufgegeben. Der Albtraum hatte begonnen und er würde nicht vergehen, er würde nicht aufwachen. Egal, was er tat. Noch immer war er nackt, schutzlos und die Kälte legte sich um ihn. Min-Hos Hände streichelten über seinen schweißnassen Körper. Liebkosten ihn zärtlich. Er zwirbelte das wirre Haar um seinen Finger, ließ es sich gefallen, das tun zu können. Ji-Yong holte Luft, wieder und wieder. Er konnte seine Atmung nicht verlangsamen, konnte sich nicht mehr kontrollieren. Es war, als wäre es nie genug Sauerstoff, der seine Lungen füllte und als würde auch der widerliche Geruch von Moder und Schweiß ihn von innen beschmutzen. Er fühlte sich schäbig. Voll Schande. Schande, die für immer an ihm haften würde. "Ich liebe dich so sehr, mein Engel." Min-Ho setzte einen Kuss auf seine Stirn. "Von jetzt an werden wir das so oft wie möglich machen. Ich will dich nie wieder loslassen. Du wirst für immer in meinen Armen liegen. Und ich werde dir soviel Liebe schenken, dass du darin ertrinkst, damit deine Gedanken immer bei mir sein werden." Er hörte es. Jedes einzelne Wort. Sie drangen in seinen Kopf, brannten sich in sein Gedächtnis, würden nie mehr zu löschen sein. Die Hand streichelte noch einmal über seine Wange und ein Kuss wurde ihm auf die Lippen gesetzt. Er war sanft und zärtlich. Doch er spürte ihn kaum. Seine Lippen waren taub, sein Geist war tot. Irgendetwas in ihm war heute gestorben. Sie lagen noch eine Weile so da, dann löste sich Min-Ho von dem teilnahmslosen Jungen. Er hatte etwas gehört, das ihn beunruhigte. Polizeisirenen. Sie waren direkt vor dem Gebäude. Er kniete sich noch einmal zu Ji-Yong, welcher auf den Bauch gerollt da lag und legte eine Hand auf seinen Kopf. "Ich muss jetzt gehen. Sie kommen und wollen dich mir wegnehmen. Ich muss sie aufhalten. Sei nicht traurig, ja? Bald komme ich wieder. Sie werden dich nicht kriegen." Mit dieser Erklärung wandte er sich ab und flüchtete zur Tür hinaus. Von außen schloss er zu und rannte dann auf eine Hintertür zu, durch welche er heimlich aus dem Gebäude flüchtete. Ji-Yong ließ er in der Dunkelheit zurück. Die Polizei hatte nicht gezögert, als Seung-Hyuns besorgter Anruf eingegangen war. Der Fall des Stalkers hatte nun höchste Priorität und sobald sie die Möglichkeit hatten, orteten sie das Handysignal der vermissten Person. Es führte sie zum Hafen direkt in ein altes Lagerhaus, wo sie ebenfalls den Wagen vorfanden, welchen Min-Ho gefahren hatte. Der grausige Verdacht über den Täter erwachte. Als sie das Gebäude stürmten, war der Bodyguard gerade dabei, dieses zu verlassen. Er entwischte ihnen, doch die Beamten machten sich sofort daran, ihn zu verfolgen. Ein anderer Teil des Teams rammte die Tür auf, hinter der sie Ji-Yong vermuteten. Sie fanden ihn. Doch es war zu spät. Im fahlen Lichtkegel der Taschenlampen kam die Silouette einer Gestalt zum Vorschein, welche sich auf dem Boden unter einer Decke zusammengekauert hatte. Seine Kleidung lag verstreut um das 'Lager'. Sie ließen die ärztliche Unterstützung an ihn herantreten, welche versuchte, Ji-Yong anzusprechen. Doch der Junge lag nur da. Regunglos, halb geöffneter Augen starrte er vor sich hin. "Er muss sofort in eine Klinik geschafft werden." Totz der Aufruhe, die nun um ihn herum geschah, gab er auch weiterhin keinen Laut von sich. Regte sich nicht, wehrte sich nicht. Man brachte ihn in das nächste Krankenhaus, um ihm so gut es ging zu helfen. Aber die Hilfe, die er gebraucht hätte, war nicht eingetroffen. Unterdessen machten sich zwei Beamte auf den Weg zum Apartment der Gruppe, um sie über den Zustand ihres Leaders in Kenntnis zu setzen. Seung-Hyun sprang als Erster auf, als es an der Tür klingelte, die anderen folgten ihm auf den Fuß. Er betätigte den Summer und klopfte nervös auf die Türklinke, während er wartete, dass die Polizisten, auf ihrem Stockwerk ankamen. Sofort, als er Schritte auf der Treppe hörte, riss er die Tür auf. "Was ist mit Ji-Yong?!" rief er, ohne ein grüßendes Wort voranzustellen. Er machte sich so große Sorgen, dass es ihm fast die Brust sprengte. Die Beamten wechselten einen Seitenblick, der nichts Gutes verheißen konnte. Schließlich ergriff einer von ihnen das Wort. "Er ist auf den Weg ins Krankenhaus, wir haben ihn schnell gefunden, nachdem wir sein Handy geortet hatten." Er verstummte. "Was ist denn passiert, können wir zu ihm, wie geht es ihm?" Seung-Hyuns Stimme überschlug sich fast vor Angst um seinen Freund und die zurückhaltende Art der beiden Polizisten ließen ihn Schlimmes vermuten. "Wir haben Grund zu der Annahme, dass Herr Kwon vergewaltigt worden ist. Der Täter ist flüchtig, aber-" "Was?! Das ist nicht wahr!!" Während alle anderen ihre Sprache verloren haben zu schienen, fühlte sich der Älteste an den Rand eines Nervenzusammenbruchs gedrängt. Vergewaltigt... das Wort bohrte sich in sein Bewusstsein und drohte es zersplittern zu lassen. Ji-Yong vergewaltigt. Der unschuldigste und liebenswerteste Mensch, den er kannte. Das konnte nicht wahr sein, das durfte nicht wahr sein. Die glühend heiße Wut brannte in ihm, doch mit ihr kam der Schmerz. "Das kann einfach nicht sein!" Seine Stimme zitterte und in ihr schwang eine einsame Träne mit, die sich aus seinem Augenwinkel stahl und ungesehen seine Wange herablief. Eine Hand legte sich auf seine Schulter, aber er bemerkte es kaum. "Es tut uns wirklich leid", setzte der Polizist wieder an, doch in Seung-Hyuns Ohren klang es wie eine abgedroschene Phrase. "Der Täter ist nach unserer letzten Information noch flüchtig, allerdings glauben wir, dass es sich bei ihm um den Bodyguard handelt, der Herrn Kwon zur Seite gestellt wurde. Wir haben den Wagen, den er benutzte, vor dem Gebäude gefunden, in dem Herr Kwon sich befand." "Oh Gott, das kann doch nicht..." Seung-Ri hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen und der Schock zeichnete sich deutlich in diesem ab, genauso wie in denen der anderen. Park Min-Ho! Seung-Hyun kochte innerlich und musste sich sehr zusammennehmen, seine Faust nicht in die Wand zu rammen, nur um sich abzureagieren. Wie konnten sie ihm bloß vertraut haben? Plötzlich erinnerte er sich an jenen hasserfüllten Blick, den Min-Ho ihm zugeworfen hatte, an jenem Tag nachdem die Augen im Treppenhaus aufgetaucht waren. Er hatte es als paranoide Einbildung abgetan, aber auf einmal wirkte alles so klar, so logisch, dass Seung-Hyun sich fragte, wie er es übersehen haben konnte. "Können wir ihn sehen?" Young-Bae gewann letztlich seine Fassung zurück und verstärkte den Griff um die Schulter des Ältesten, als könnte er somit etwas von seiner Ruhe auf ihn übertragen. "Das wissen wir nicht, das müssen die Ärzte im Krankenhaus entscheiden. Aber wenn Sie wollen, können wir Sie hinfahren und Sie können sich dort nach dem Wohlergehen Ihres Freundes erkundigen." Dae-Sung nickte gemeinsam mit Young-Bae auf das Angebot der Polizisten hin. Doch er machte es dem Älteren nur nach, denn die Neuigkeiten, die ihnen gebracht worden waren, schienen so fern der Realität, dass es ihm schwer fiel, die Worte nachzuvollziehen. Trotzdem brach er nicht zusammen. Vor sich sah er Seung-Ri, dessen Körper bebte, danach wanderte sein Blick zu Seung-Hyun, welcher jede Fassung verloren zu haben schien. Er würde Young-Bae jetzt sehr brauchen. Deshalb nahm er selbst sich vor, ihrem Jüngsten zu helfen. "Das wäre wirklich sehr freundlich.", entkam es Young-Baes Mund seltsam fern und steif. Er reagierte nur, dachte nicht wirklich. Doch ihr Ältester bewegte sich überhaupt nicht mehr. "Hyung, komm. Du musst dir deine Schuhe anziehen. Dann können wir zu... ihm gehen." Er schaffte es wirklich nicht, Ji-Yongs Namen auszusprechen. Young-Bae schluckte. Aber Seung-Hyun schien aus seiner Starre zu erwachen. Er nickte und sie alle kehrten wie in Trance noch einmal in den Flur ihres Apartments zurück, um kurze Zeit später den Parkplatz im Fahrzeug der Beamten zu verlassen. Die Fahrt verlief in vollkommenem Schweigen. Seung-Hyun sah nägelkauend aus dem Fenster. Neben ihm befand sich Young-Bae, welcher einfach gar nichts tat. Dae-Sung hielt einen Arm Seung-Ris. Der Jüngste starrte mit weit aufgerissenen Augen vor sich her, doch er sah ins Leere. Wie lang würde es dauern, bis sie realisierten, was geschehen war? Die Polizei übernahm ihre Anmeldung im Krankenhaus und sofort wurde der zuständige Arzt informiert. In weiterhin verbissener Stille erwarteten sie dessen Eintreffen, aber letztlich war es eine Schwester, die zu ihnen kam und sie in ein Büro führte. Der Mann im weißen Kittel, wandte sich ihnen zu, als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. In seinem Gesicht spiegelte sich wahre Bestürzung. Er räusperte sich. "Bitte setzen Sie sich. Das... wird nicht einfach für Sie werden." Seung-Hyun rührte sich nicht. Es war, als würde er sich weigern, sich in aller Ruhe auf ein Sofa zu begeben, während Ji-Yong vielleicht Höllenqualen litt. Während dieser ihn brauchte. Wieder war es Young-Bae, der ihn zur Vernunft brachte. "Hyung", ermahnte er ihn. "Das bringt doch nichts!" Als sie endlich alle Platz genommen hatten, holte der Mann derart tief Luft, als wollte er den gesamten Sauerstoff des Raumes auf einmal verbrauchen. "Ich gehe davon aus, dass sie von der Polizei bereits informiert worden sind." Eine kurze Pause, um ihnen Zeit für ein Widerwort zu geben, dann fuhr er fort. "Als Herr Kwon eingeliefert worden ist, befand er sich in einem Schockzustand. Das bedeutet, er war zwar bei Bewusstsein, aber nicht ansprechbar. Er reagiert auch bis jetzt auf nichts, was ihm gesagt wird. Seine Untersuchung ergab, dass ihm ein starkes Beruhigungsmittel verabreicht worden ist, das auch eine vorrübergehende Lähmung des Körpers hervorruft. Danach ist er zum Geschlechtsverkehr gezwungen worden. Dies hat anschließend die Starre ausgelöst, in der er sich noch immer befindet." Auch wenn dies eine andere Formulierung war, so verlor die Tatsache, was mit ihrem Freund geschehen war, nicht ihren Schrecken. Seung-Hyuns Finger bohrten sich in den Stoff der Couch. Er konnte es nicht glauben, wollte es nicht wahr haben. Wollte es sich nicht vorstellen. Er hörte Seung-Ri leise schluchzen und Dae-Sungs Stimme, die scheinbar versuchte, ihn zur beruhigen. Seine Gedanken drehten sich im Kreis. "Er hat keine größeren körperlichen Schäden davon getragen, aber Sie müssen sich bewusst machen, was dies für seine Psyche bedeutet. Ein solches... Verbrechen hinterlässt Spuren. Jede falsche Bewegung, jedes falsche Wort kann Erinnerungen hervorrufen und daher müssen Sie vorsichtig sein. Aber er braucht Sie auch. Um wieder Vertrauen zu fassen." "Können wir jetzt zu ihm?", fragte Young-Bae mit belegter Stimme, auf die gleiche Weise, wie er schon den Beamten die Frage gestellt hatte. Der Arzt bejahte und bat sie, ihm zu folgen. "Aber denken Sie an das, was ich gesagt habe." Sie alle nickten, doch keiner von ihnen wusste, ob sie bereit dazu waren, die Tür zu durchschreiten, welche ihnen nun geöffnet wurde. Ji-Yong bot einen wirklich erbärmlichen und mitleiderregenden Anblick. Er saß mit angezogenen Beinen auf dem Bett, den Kopf in den verschränkten Armen vergraben, am ganzen Körper zitternd. Sein Haar war zerzaust und nass. Keiner traute sich, etwas zu sagen oder nah an ihren Freund herazutreten, so sehr waren sie überrollt von der grausamen Realität, die in diesem Moment noch viel näher und brutaler schien, als sie es vorhin getan hatte. Langsam begannen sie alle zu verstehen, was in den letzten Stunden passiert war. "Ich werde Sie jetzt allein lassen." Die Stimme des Arztes riss sie aus ihrer Starre und endlich traten sie näher an ihren Freund. Nun standen sie im Kreis um das Bett herum und versuchten herauszufinden, wie man mit einer derart absurden und irrealen Situation umgehen musste. "Ji-Yonga...?" Seung-Hyuns Stimme war leise und er erwartete eigentlich keine Reaktion. Doch der Angesprochene hob leicht den Kopf und drehte ihn zur Seite, aber er schien den Älteren nicht wirklich wahrzunehmen und auch keinen der anderen. Sein Ausdruck war leer, sein Blick stumpf und es tat ihnen weh, den Freund so zu sehen und nichts tun zu können. Seung-Hyun überkam das Bedürfnis, ihn in den Arm zu nehmen, die Zärtlichkeit zu geben, die ihm schon so viele Male geholfen hatte und es schmerzte ihn, dass er es dieses Mal nicht durfte. Hilflosigkeit stieg in ihm auf. Er konnte einfach nichts tun. Noch immer sagte Ji-Yong nichts, starrte nur mit leerem Blick durch sie hindurch. Schließlich hielt Seung-Ri es nicht mehr aus und trat an das Bett heran. "Hyung, bitte sag doch was, sprich doch mit uns! Es tut uns so leid, was passiert ist, aber bitte friss es nicht in dich hinein!" Ji-Yong hob seinen Kopf noch ein wenig höher, es schien, als würde er den Jüngsten direkt ansehen, doch nach einigen schier endlos langen Sekunden sank sein Kopf kraftlos auf seine Arme zurück. Seung-Ri stiegen die Tränen in die Augen. Young-Bae wollte hinter ihn treten, ihn zur Seite nehmen. Er hatte das eindringliche Gefühl, dass er so nichts besser machen konnte. Aber es war schon zu spät. "Ji-Yong, sag doch was, bitte!" Er beugte sich nach vorn und legte seine Hände auf die Oberarme des anderen. Ein Zucken ging durch dessen Körper, sein Kopf fuhr in die Höhe und den Bruchteil einer Sekunde später zerriss ein gellender Schrei die Stille, die im Krankenhaus geherrscht hatte. Und in diesen Schrei legte er allen Schmerz und alle Furcht, die er hatte ertragen müssen. Alle Qualen, die ihm zugefügt worden waren schrie er hinaus. Endlich. Endlich konnte er schreien. Er hatte in ihm gesteckt, die gesamte Zeit. So lang hatte Ji-Yong schreien wollen. Während sich die vergangene Stunde in seinem Kopf immer wieder verschwommen, verdreht von Neuem ereignete, steckte ein Druck in seiner Kehle. Seung-Ris plötzliche Berührung brachte seine Gefühle zum Ausbruch. Brachte die Angst und Panik zurück. In dieser Sekunde befand er sich nicht im Krankenhaus. Er war nicht gerettet. Nicht in Sicherheit. Noch immer lag er dort auf dem Boden und Min-Ho war zurück gekehrt. So wie er es versprochen hatte. Seine Freunde zuckten geschockt zusammen, Dae-Sung machte sogar Anstalten, sich die Hände über seine Ohren zu legen. Ji-Yong stieß Seung-Ri von sich und trat nach ihm. Der Jüngere stolperte zurück, gegen Young-Bae und blickte fassungslos auf das Geschehen. "Nein!!!!!!!!!!! Fass mich nicht an!!!!!! Fass mich nicht an!!!!!!!!!!" Doch trotzdem sie alle vom Bett zurückgewichen waren, hörte er nicht auf. Es genügte nicht. Ji-Yong war in seinem eigenen Kopf gefangen. Er rutschte weiter von Seung-Ri fort und Seung-Hyun sah kommen, was nun geschah. Er rutschte über den Rand des Bettes hinaus und fiel, doch der Älteste reagierte sofort und fing ihn auf. Seung-Hyun hielt ihn fest und zog ihn auf die Beine. Dies jedoch war ein Fehler, den er sogleich bereute. Die Panik des Jüngeren erreichte ihre nächste Stufe und verwandelte sich in regelrechte Raserei. Er wollte sich losreißen. Wehrte sich mit Händen, Füßen und Zähnen. "Verschwinde!!!!!!!!!! HILFE!!!!!" Nur für einen Moment lockerte der Ältere seinen Griff, weil er Ji-Yong nicht mehr halten konnte, doch da war es auch schon passiert. Er wehrte sich und war einer derartigen Rage verfallen, dass er seine Umwelt nicht mehr wahrnahm. Seung-Hyun wollte wieder zupacken, bevor der andere sich noch selbst verletzte, griff aber ins Leere. Ji-Yong war einen Schritt zurückgetreten, über seine eigenen Füße gestolpert und auf dem Boden gelandet. Er versuchte wieder aufzustehen, schaffte es nicht und robbte so im Sitzen nach hinten, auf die Wand zu. Immer noch schrie er sich die angestaute Angst und den Schmerz von der Seele. Er trat nach Seung-Hyun, als dieser versuchte, sich zu nähern, traf ihn am Oberschenkel, sodass dieser einen Schritt zurücktreten musste und vor Schmerzen fast humpelte. "Lass mich in Ruhe, geh weg!!!" Ji-Yongs ängstliche Stimme klingelte in seinen Ohren. Von hinten trat Dae-Sung an ihn heran, versuchte ihn wegzuziehen, während Young-Bae immernoch versuchte, ihren Jüngsten zu beruhigen. "Hyung, das bringt nichts, ich werde einen Arzt rufen!" Doch Seung-Hyun hörte es kaum, riss sich aus dem sanften Griff des Jüngeren und stürzte wieder auf den Schreienden und um sich Schlagenden zu. Er ließ sich vor ihn auf die Knie sinken, packte ihn an den Oberarmen, diesmal fester und sah ihm fest und unnachgiebig in die Augen. "Ya!! Ji-Yong, beruhige dich endlich!" Seine Stimme war laut, aber er brüllte nicht. Er schaffte es, dass sie sich nicht überschlug. In diesem Moment hatte er keine Ahnung, ob das hier das Richtige war, ob er Ji-Yong so helfen konnte, ob es nicht vielleicht doch besser wäre, Dae-Sung den Arzt holen zu lassen, der dann alles für ihn regeln würde. Er folgte einfach nur einer inneren Eingebung. Und es half. Ji-Yong stockte die Stimme, seine Augen wurden für einen Moment klarer und er schien Seung-Hyun das erste Mal direkt anzusehen. "Hey, ich bin es, Seung-Hyun, siehts du? Es ist alles gut, du bist in Sicherheit!" Die kräftige laute Stimme des Älteren erklang in seinen Ohren und überdeckte das Geflüster Min-Hos, welches in ihnen garstig wiederhallte. Das Bild vom dunklen Lagerraum löste sich auf. Es wich einem anderen, einem schöneren Anblick. Seung-Hyun tauchte vor ihm auf. Nicht Min-Ho hielt ihn. Es war sein Freund. "Hyung..." Verließ das Wort seinen Mund. Und endlich verstand er. Seung-Hyun beobachtete ängstlich den Wandel in den Augen des Jüngeren. Eben noch klar, wirkten sie nun wässrig und dann liefen sie in Strömen über seine Wangen. Tränen, größer als schwere Regentropfen. Ein erster lauter Schluchzer erklang und Ji-Yong brach endgültig weinend zusammen. Jedem von ihnen versetzte es einen tiefen Stich in die Brust, als sie dieses Elend sahen und so sehr Seung-Hyun sich auch zur Ordnung zu rufen versuchte, ließ er doch alle Vorsichtig fallen. Seine Händen lösten sich von den Armen des Jüngeren, welche nur noch schlaff neben seinem Körper herunter hingen. Er schlang seine eigenen sanft um ihn. Letztlich konnte er es also doch tun. Konnte ihn trösten. Zumindest hatte er die Hoffnung, es zu können. "Ist ja gut... ich bin da... shhh~t..." Er sagte es immer und immer wieder. Sprach ruhig auf ihn ein. Blickte nur auf die Wand vor sich. Er wusste nicht, was die anderen taten. Wusste nur, dass Ji-Yong nun endlich bei ihm war. Kaputt, aber bei ihm. Solang er ihm nur Schutz geben konnte, da war er sich sicher, konnte alles wieder in Ordnung kommen. Aber so einfach war die Welt nicht. Die Schluchzer des Jüngeren wurden nur mäßig leiser, bis dieser sich endlich dazu druchrang, etwas zu sagen. "Hyung, bitte... lass mich los..." Der Blick des Älteren wanderte zu Ji-Yongs Kopf, welcher noch immer gesenkt an seiner Brust lehnte. "Bitte... geh..." Ji-Yong konnte nicht. Er ertrug diese Nähe nicht. Es war zuviel für ihn. Seung-Hyun rang mit sich. Er wollte ihn nicht loslassen. Wollte den zerbrechlichen Körper nicht sich selbst überlassen. Nicht, wenn er weinte. Aber er musste auf die Bitte eingehen, auch wenn er sich dagegen sträubte. Er löste seine Arme und stand langsam auf, den Blick noch immer auf die schluchzende Gestalt gerichtet. Kaum dass er einen Schritt zurück getreten war, rutschte Ji-Yong zur Seite und legte sich auf den Boden. Rollte sich zusammen und schluchzte weiter. "Hyung, wir... wir sollten jetzt... gehen..." Dae-Sung hatte Schwierigkeiten, seine Stimme nicht abbrechen lassen. Er zerrte an Seung-Hyun. Sie mussten endlich hier raus. Young-Bae war erstarrt und Seung-Ri leichenblass. Sie mussten fort. Langsam gab der Älteste den Widerstand auf und ließ sich aus dem Zimmer ziehen. Sie waren gerade in den Gang hinausgetreten, da kam ihnen der Arzt entgegen. "Die Schwestern haben Schreie gehört, was ist passiert?" Doch er wartete nicht auf eine Antwort, sondern war sofort im Krankenzimmer verschwunden, in welchem ihr Freund noch immer zusammengekauert auf dem Boden lag und weinte. "Wir haben versagt", flüsterte Seung-Hyun und schaffte es nicht dabei einem seiner Freunde in die Augen zu sehen. Was er eigentlich meinte, war, dass er versagt hatte und zwar auf ganzer Linie. Und das nicht nur hier im Krankenhaus. Er hatte Ji-Yong nicht beschützen können und selbst jetzt konnte er nichts für ihn tun. Erst als er endlich hochsah, in die verstörten Gesichter seiner Freunde blickte, bemerkte er, wie bleich Seung-Ri war, wie wächsern dessen Haut schien. Die tiefen Augenringe, über die sie sich immer lustig gemacht hatten, waren fast schwarz und gaben ihm das Aussehen eines Todkranken. Young-Bae hatte seine Arme um den Oberkörper des Jüngsten geschlungen und redete immer wieder leise, beruhigend auf ihn ein, aber es schien keinerlei Wirkung zu haben. Schließlich nahm Seung-Ri einen tiefen Atemzug, ein Zittern ging durch seinen gesamten Körper. "Es ist meine Schuld, allein meine Schuld", flüsterte er und schien bei diesen Worten noch ein wenig bleicher zu werden. "Nein!", rief Dae-Sung sofort und schüttelte heftig den Kopf. "Das darfst du nicht denken, du wolltest ihm nur helfen." Seung-Hyun spürte, dass er eigentlich ebenfalls etwas in diese Richtung sagen sollte, aber er konnte es nicht. In seiner Kehle saß ein dicker Kloß und er merkte, dass er bereits wieder kurz davor war, auszurasten und all seine Wut auf denjenigen zu projezieren, der in diesem Moment bereit war, sie auf sich zu ziehen. Aber das durfte er nicht. Er hatte es versprochen und er wollte fair bleiben. "Dae-Sung hat recht-", setzte er an, doch Seung-Ri hörte es schon nicht mehr. Er war gegen Young-Bae gesunken, der es gerade noch schaffte, ihn auf den Beinen zu halten und Tränen liefen aus seinen Augenwinkeln. "Ist er ohnmächtig?" Dae-Sung war sorgenvoll an ihn herangetreten und half Young-Bae dabei, ihn zu halten. Dieser schüttelte den Kopf. "Wir sollten ihn hinsetzen.", ordnete er an und die Beiden bemühten sich ihn in einer bequemen Position auf den kühlen PVC-Boden niederzulassen. Young-Bae setzte sich sogleich neben ihn und legte ihm einen Arm um die Schulter, hielt seinen Kopf. Seung-Hyun stand immer noch da, wie er es getan hatte, als er zu seinem Satz angesetzt hatte. Langsam wandte er sich um. Das alles war einfach zu viel. Zu viel brutale Realität auf einmal, zu viel Angst und zu viel Schmerz. "Wir fahren nach Hause, sobald es Seung-Ri besser geht", entschied er leise aber bestimmt. "Es bringt nichts, wenn wir hier bleiben und uns den Kopf zerbrechen, wir können sowieso nichts tun." "Bist du sicher? Ich meine, willst nicht wenigstens du hier bleiben?" Seung-Hyun schüttelte den Kopf. Er wollte es nicht aussprechen, aber er fühlte, dass es ihn kaputt machen würde, wenn er die Nacht hier bleiben würde und nicht in Ji-Yongs Nähe sein konnte. Auch wenn er ihn vorhin hatte umarmen können, das hier war nicht wie das letzte Mal, als dieser angefahren worden war. Diesmal konnte er nicht neben seinem Bett sitzen und darauf warten, dass er aufwachte. Diesmal konnte keine Umarmung seinen Freund retten. Diesmal konnte er nicht seine Hand halten und ihm nette Dinge sagen. In diesem Moment öffnete sich die Tür wieder und der Arzt trat heraus. Er schien nicht verwundert über die bleichen, abggeschlafften Gesichter, die ihn auf dem Flur erwarteten. "Ich musste Herrn Kwon ein Beruhigungsmittel geben, er schläft jetzt. Wenn Sie es wünschen, können Sie hier bleiben, aber ich kann Ihnen vorerst nicht erlauben, Ihren Freund zu sehen. Er braucht absolute Ruhe." Der Arzt wirkte um einiges reservierter als zuvor, aber sein Gesicht verriet, dass ihn das Dilemma seines Patienten fast ebenso berührte, wie dessen Freunde. Seung-Hyun nickte. "Wir wollten ohnehin gehen. Wann können wir wieder zu ihm?" Der Mann zuckte ein wenig hilflos mit den Schulter. "Das ist schwer zu sagen. Es ist wirklich nicht einfach, in einem Fall wie diesem verlässliche Prognosen zu stellen. Aber ich kann Ihnen versprechen, dass ich Sie morgen nach der ersten Visite sofort anrufen und über den Zustand Ihres Freundes informieren werde, wie klingt das?" Wieder nickte der Älteste und war in diesem Augenblick heilfroh, dass ihr Freund an einen so verständnisvollen und kompetenden Arzt geraten war. Er fühlte sich sicher, ihn die Nacht über alleine zu lassen. Sie warteten. Young-Baes Blick lag unverwandt auf Seung-Ri, welcher keinen Laut mehr von sich gab und nur weiter seine stillen Tränen weinte. Er konnte es verstehen. Er konnte nachvollziehen, warum es ihren Jüngsten so sehr mitnahm. Auch er hatte den Ausdruck in Ji-Yongs Gesicht gesehen. So voller Angst und Abscheu. Dieser hatte Seung-Ri angesehen als wäre er der Teufel. Gerade Ji-Yong, sein großer Bruder, welcher ihn immer umarmte, neckte, aufmunterte. Ihr früheres Leben schien auf einen Schlag vorbei zu sein. Dae-Sung war neben ihnen ebenfalls zu Boden gesunken und hatte sich gegen die weiße, glatte Wand gelehnt. Er hatte sein Handy aus seiner Tasche gezogen. Allerdings nicht, um jemanden anzurufen, sondern nur um es auf und wieder zu zu klappen. Auf und zu. Auf. Zu. Und dies war alles, was er denken konnte, um nicht ebenfalls zu weinen. Ja, sie alle warteten. Warteten darauf, dass Seung-Hyun, der in stillem Einverständnis ihren Leader ersetzte, ankündigte, dass sie nun aufbrechen würden. Aber der Ältestete lehnte nur an der Wand, auf die Tür, hinter welcher Ji-Yong schlief, starrend. Sie mit seinen Blicken durchbohrend. Er wollte zu ihm gehen. Er wollte nichts lieber als seine Hand halten. Warum war ihm etwas so Grausames zugestoßen? Etwas, das alles zerstört hatte! Irgendwann war es ihm nicht mehr möglich, sich zurückzuhalten. Er musste sich ablenken, gehen, um nicht doch in dieses Zimmer zu stürmen. "Wir gehen jetzt", sagte er mit leiser Stimme. Young-Bae blickte mit Protest zu ihm auf, wärend er Seung-Ri fester an sich drückte. "Hyung, ich glaube nicht, dass er schon aufstehen kann." "Dann trage ich ihn. Hilf mir." "Aber Hyung-" "Hilf mir." Der Jüngere sah ein, dass Seung-Hyun nicht umzustimmen war und daher nickte er letztlich. Er zog ihren Jüngsten, welcher noch kraftloser in seinen Armen hing als zuvor, auf die Beine, sodass Seung-Hyun ihn leichter greifen konnte. Seung-Ri war kaum schwerer als Ji-Yong, sodass es ihn nicht sonderlich anstrengte, ihn aus dem Krankenhaus zu schaffen. Dieser selbst schien überhaupt nichts mitzubekommen. Sie fuhren in einem Taxi nach Hause und während sich Young-Bae weiter um seinen süßen Freund sorgte, bemerkte er, dass dieser einfach eingeschlafen war. Doch auch als sie am Apartmenthaus ankamen, hob der Älteste ihn wie selbstverständlich auf seine Arme und trug ihn die Stufen zu ihrem Apartment hinauf. Es hatte den Anschein, dass er sich nun, wo er für Ji-Yong nichts tun zu können schien, an Seung-Ri klammerte. Wenigstens eine Person, welcher er helfen konnte. Und Young-Bae erwischte sich bei dem frustrierenden Gedanken, warum er nicht größer war und somit im Stande, den Jüngsten selbst zu tragen. Aber diese Überlegungen waren sinnlose Worte in seinem Kopf, nur erfunden, um sich aus der Realität zu flüchten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)