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Himitsu no Mahou

von

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Mensch-Sein

 

 

 

 

                            Mensch-Sein

 

 

 

 

 

 

„Und, Green-chan? Wie war‘s mit deinen Verwandten?“ Es war klar, dass diese Frage unweigerlich kommen würde: natürlich musste sie kommen, immerhin hatte Green eine Woche lang von nichts anderem mehr gesprochen, als von ihrem ersten Familientreffen und Siberu und Gary waren ihre Freunde; natürlich waren sie neugierig und vielleicht sah man ihr auch an, dass sie nicht gerade vor Freude strahlte. Sie war erst spät Nachhause gekommen und hatte nicht so gut geschlafen, denn die Worte ihrer Mutter, ihr immer wieder wiederholtes „es tut mir leid“, und Greys niedergeschmetterter Blick... Ja gut, sie hatte nicht gerade Pluspunkte gesammelt – na und? Als ob das nicht von Anfang an klar gewesen wäre. Warum hatten die beiden so getan als wäre es das Ende der Welt? Ihr Tyrann von einem Großvater würde ihr jawohl nicht verbieten mit ihnen zu sprechen, oder?

„Großartig. Es lief großartig", erwiderte Green bitter auf dem Weg zum morgendlichen U-Bahn Chaos; warum hatten die Hikari sich auch einen normalen Werktag für ihr verdammtes Treffen ausgesucht? 

„Detaaaaails, Green-chan! Details!“

„Jetzt lass sie doch mal in Ruhe“, unterbrach Gary Siberus Gebettel um mehr Informationen. Doch gerade das brachte Green zum Auftauen. Sie seufzte erschöpft und den beiden Dämonenbrüdern war klar, dass ihr Seufzen nichts mit der Menge an Menschen zu tun hatte, die sich auf der Metroplattform versammelt hatten und nun Schub für Schub in die U-Bahn stiegen.

„Ich kann jetzt auf jeden Fall mit gutem Recht behaupten, dass meine Familie einen Knacks weg hat. Reinpassen tue ich auf jeden Fall nicht – und das ist auch ganz gut so. Ich bin wie das schwarze Schaf in der ach so weißen Herde und deshalb gab es gleich mal ein paar Reibereien. Ich denke sie mögen mich genauso wenig wie ich sie.“ Greens Erzählung wurde unterbrochen, da die drei sich wie die anderen in die Metro zwängen mussten die vollgestopft war bis oben hin, weshalb sie sich bemühen mussten überhaupt alle drei in den gleichen Zug zu kommen. Siberu und Gary hatten Glück und bekamen beide einen der Halterungsringe zu fassen, Green dagegen wurde umgehend von Siberu im Arm genommen, damit sie nicht umkippte – obwohl das nicht nötig war, denn dafür war die Metro viel zu voll.

„Und deine Mutter? Wie war das erste Treffen mit ihr?“, fragte Siberu obwohl der Blick Garys ihm eigentlich hätte sagen sollen, dass die Metro nicht der beste Ort war um solche Dinge zu besprechen. Green schien nichts dagegen zu haben, doch die Gedanken die sie in der Nacht wachgehalten hatten, spiegelten sich jetzt wieder in ihrem Gesicht. Siberu konnte sie nicht sehen, da er sie im Arm hatte, aber Gary bemerkte sie stirnrunzelnd als er über sein kleines Physiktaschenbuch hinweg sah.

„Meine Mutter ist auch komisch. Aber...“ Wieder dachte Green an die unbeholfene Umarmung ihrer Mutter und gedankenverlorenen runzelte sie die Stirn; Regungen die Gary aufmerksam beobachtete:

„... Ich glaube nicht, dass sie mich hasst so wie die anderen es tun. Aber sie wirkt so... fremd.“

„Ihr habt euch gerade erst kennengelernt, Green. Du darfst nichts überstürzen.“ Green nickte sachte gegen Siberus Arm:

„Ich weiß, Gary, ich weiß.“ Noch einmal bemerkte Gary wie die Augen Greens wegdrifteten ehe sie mit einem Lächeln aus ihrer Gedankenwelt zurückkehrte.

„Aber mit einem meiner Verwandten habe ich mich super verstanden!“ Sie hob den Kopf und grinste Siberu entgegen der fragend zu ihr runter sah:

„Er ist dir nämlich total ähnlich! Ich glaube deshalb mochte ich ihn sofort.“

„Oh, na dann muss er aber gut ausgesehen haben, haha! Aber keiner ist so charmant wie ich; besonders kein Hikari“, erwiderte Siberu mit einem heiteren Grinsen, welches Gary mit verdrehten Augen quittierte. Eigentlich wollte er es kommentieren, aber er beschloss sich, dass die Metro voller Menschen nicht der beste Ort war um über das Jenseits zu sprechen. Green schien das herzlich wenig zu interessieren.  

„Vielleicht sagt euch der Name ja etwas. Er heißt Seigi. Aber ich nenne ihn „Onkel Seigi“, obwohl richtiger wäre ja Urururur...“

„Der Tausendtöter?!“, entfuhr es den beiden Brüdern schockiert und brachten Green sofort zum verblüfften Schweigen. Gary war sogar so schockiert, dass er seine Umgebung vergaß: 

„Green, dir ist klar, dass dieser Hikari den Rekord hält in Dämonen töten?! Seigi ist mit seinem Schwert eine wahre Tötungsmaschiene die schon so einige Kämpfe entschieden hat!“ Dann bemerkte Gary, dass nicht nur Green ihn fragend ansah sondern auch Umherstehende. Rot angelaufen stammelte er irgendetwas von einem Spiel und hielt sich von da an lieber an physikalische Formeln.  

 
 

Firey versuchte nicht daran zu denken. Sie wollte es nicht und sie hatte auch genug andere Dinge um die sie sich kümmern musste. Der Umschwung von einer englischen Schule zu einer japanischen Schule war kein Klacks: sie war zwar in Japan geboren und aufgewachsen, aber ihre gesamte Jugend hatte sie in England verbracht – hatte einer anderen Kultur angehört, Freunde gehabt und in einer völlig anderen Umgebung gelebt. Zwar hatte Firey hier ihre große Schwester Sho und ihre adoptierte Schwester Green um sich und hatte deshalb nicht befürchtet einsam zu werden, aber dennoch konnte sie gut verstehen warum Minako, ihre Zwillingsschwester, ihr nicht nach Japan folgen wollte. Die Kulturen waren einfach sehr unterschiedlich: bei den kleinsten Dingen machte sie Fehler, wie das Aufschlagen eines Buches. Selbst nach einer verstrichenen Woche musste sie mit roten Kopf das Lehrbuch richtig herum aufschlagen – und es war nicht gerade hilfreich wenn Siberu sie einige Plätze links von ihr sie fies angrinste. 

Dennoch war sie überzeugt von der Richtigkeit ihrer Entscheidung. Der Hauptsitz der Firma ihrer Familie war nun einmal in Japan und auch wenn Firey keine Intention hatte deren Firma irgendwann einmal zu leiten, wollte sie dennoch irgendwann dort arbeiten und dann sollte sie schon mit der Kultur und dem Leben in Japan vertraut sein.

Auf jeden Fall hatte sie das bis jetzt geglaubt. Das war bis zu diesem Vorfall der Plan… Warte – Firey! – nicht daran denken.

Nicht. Daran. Denken.

Aber es war schwer nicht daran zu denken. Seit Weihnachten war zwar nichts komisch-magisches mehr geschehen und ihre Hand war normal und hatte nicht mehr in Flammen gestanden. Firey versuchte sich sogar einzureden, dass das alles nichts anderes als ein Traum gewesen war, doch es hatte nichts gebracht, denn gleich am ersten Schultag nach dem Weihnachtsfest hatte Green Firey mitgeteilt, dass ihr großer Bruder sie kennenlernen wollte. Es gab wohl irgendwelche Tests die sie machen sollte, aber momentan sei noch keine Gelegenheit dazu... Green hatte sie erwartungsvoll angestrahlt, was Firey versuchte zu erwidern, aber bis zu diesem Zeitpunkt war sie überzeugt davon gewesen, dass sie alles nur geträumt hatte, weshalb es ihr doch schwer gefallen war Greens Begeisterung zu teilen.

Die neugebackene Feuerwächterin war sich bewusst, dass es Green gegenüber nicht fair war und sie sich nicht gerade von ihrer nettesten Seite zeigte, wenn sie Green und ihren Freunden aus dem Weg ging und jeden Abend im Bett sagte sie sich, dass sie am nächsten Tag auf Green zugehen würde – nur um es dann auch nicht weiter zu bringen, als ein schweigsames Beobachten aus der Ferne. 

Green war wirklich konstant zusammen mit Siberu und Gary... Es war komisch sie so ausgelassen zu sehen. Firey und ihre Schwestern hatten immer versucht Green dazu zu bringen sich zu öffnen, doch war es ihnen nie gelungen. Und die drei sollten sich wirklich nur ein paar Monate kennen? Sie wirkten unzertrennlich. 

Beneidenswert.

Firey seufzte tief, während sie den Blick über die gefüllte Kantine schweifen ließ und die drei zusammen an einem Tisch ausmachte – ihre Hände zitterten ein wenig, aber nachdem sie tief durchgeatmet hatte, beschloss sie sich, dass eine Woche des Aus-Dem-Weg-Gehens eindeutig zu viel war, weshalb Firey dieses mal mit ihrem Tablett zu ihnen ging und das Essen entschlossen auf den Tisch stellte, ohne auf ihre fragenden Blicke zu achten, denn es hatte sicherlich einen Grund, weshalb sie sich an einen Tisch gesetzt hatten der nur drei Stühle besaß.

„Oho, das Flachbrett beehrt uns mit einem Besuch!“, kommentierte Siberu Fireys plötzliches Auftauchen und bekam umgehend Greens Ellenbogen in die Rippen gerammt.

„Wie lief das Familientreffen?“, fragte Firey Siberu strickt ignorierend der sich mit einem Schmollmund die Stelle rieb, die Green gerammt hatte.

„Gut. Meine Familie ist genauso komisch wie ich dachte.“ Green lächelte, aber schien nicht mehr sagen zu wollen. Hatte sie den beiden mehr erzählt? Oder gab es einfach nicht mehr zu erzählen? 

Unbehagliche Stille herrschte zwischen ihnen; zunehmend fühlte Firey sich wie ein Fremdkörper obwohl Green sich offensichtlich freute sie zu sehen und auch schon aufgestanden war, um ihnen weiteren Stuhl zu holen, doch Firey unterbrach sie in diesem Vorhaben: 

„Können...“ Firey schluckte, versuchte nicht auf Siberus erhobene Augenbrauen zu achten oder auf den leichten Anflug seines neckenden Grinsens:

„Können wir unter vier Augen miteinander reden?“ Green hatte schon den Mund geöffnet um natürlich zuzustimmen, doch Siberu kam ihr zuvor:

„Wiesoooo? Macht meine bloße Anwesenheit dich nervös?“ Schon winkelte Green ihren Ellenbogen ein weiteres Mal an, doch Firey konnte selbst antworten:

„Nein, deine bloße Anwesenheit nervt einfach.“ Daraufhin entfernten sich die beiden Mädchen von den Brüdern, wo der Kleinere jetzt vom Größeren ausgeschimpft wurde, wie Green aus den Augenwinkeln grinsend bemerkte.

„Also, Firey, was gibt e-“

„Ich bin doch noch ein Mensch, oder, Green?!“ Green überraschte diese Frage und auch Firey war über sich selbst überrascht. Sie hatte nicht über die Worte nachgedacht die sie hatte Green sagen wollen, nicht die Frage im voraus festgelegt und als die alles entscheidende Frage aus ihr rauspurzelte wollte sie sie am liebsten wieder zurückziehen, als ob sie sich nicht eingestehen wollte, dass es das war über das sie die ganze Zeit unbewusst nachgedacht hatte. Sie wusste nicht warum, aber sie schämte sich es gefragt zu haben: sie schämte sich für die Worte und die Verzweiflung die in ihrem Tonfall gelegen hatte. 

Jäh wurde Firey aus ihren Gedanken gerissen, als sie plötzlich spürte wie Green ihre Hände auf die Schultern ihrer Freundin legte:

„Du hast dich wirklich gar nicht verändert, Firey!“ Sie grinste, doch Firey konnte das Grinsen nicht erwidern. In ihrem Blick lag Verwirrung und Verwunderung, weshalb sie auch nichts entgegnete und Green fortfahren ließ:

„Du machst dir immer noch viel zu viele Gedanken.“ Ihr Grinsen verwandelte sich zu einem geschwisterlichen Lächeln, etwas was Firey selten von ihr gesehen hatte:

„Du bist immer noch genau die Firey sich ich vor fünf Jahren kennengelernt habe.“ Firey konnte gar nicht anders als ebenfalls zu Lächeln und ein leichtes Nicken anzudeuten, aber dennoch war das Thema nicht so leicht für sie abzuschließen, was Green ihr ansah, weshalb sie doch noch ein wenig konkreter wurde.

„Also so viel wie ich von Tinamis Erklärung verstanden habe, bist du wirklich noch genau die gleiche; nur eben ein Mensch mit magischen Fähigkeiten. Du bist immer noch ein Mensch, immer noch die vierte Tochter von Akiko und Katsuya und daran wird sich auch nichts ändern, das verspreche ich dir.“ Die Schulglocke läutete, kaum, dass Green ihren Satz beendet hatte und darüber bestürzt, dass sie gar nicht geschafft hatten etwas zu Essen, wollte Green gerade fluchend zusammen mit Firey zum Unterricht aufbrechen, als Firey sie aufhielt als hätte sie die Klingel und den Trubel um ihr herum gar nicht bemerkt:

„Und was ist mit dir, Green?“ Ihre Freundin blieb auf dem Treppenabsatz stehen, verharrte kurz, schien zu überlegen – oder zu zögern? – und drehte sich dann herum:

„Ich dagegen bin definitiv kein Mensch.“
 


 

Es war Green schwerer gefallen diese Worte zu sagen als sie gedacht hatte. Es war ihr schwer gefallen zuzugeben, dass...

Green blieb stehen. Mitten im Strom der sich zum Unterricht beeilenden Schüler blieb sie einfach stehen, hob langsam den Kopf, nichts hörend, vom Lauf der Alltäglichkeit isoliert und blickte direkt in die durch die Fenster hinein strahlende Wintersonne. 
 

Green war kein Mensch mehr.

Sie war niemals ein Mensch gewesen. 
 

„Green-chan!“ Es gelang Green nicht mehr auf die ihr so bekannte stimme zu reagieren, als sie schon spürte wie sich jemand in ihrem linken Arm einharkte und sie schon von dem grinsenden Siberu mitgezogen wurde.

„Was trödelt ihr so herum? Der Unterricht fangt gleich an!“, herrschte Gary die zwei von Greens rechter Seite aus an. Sein Blick war streng, doch als Green sich ihm zuwandte, lockerte sein Blick überrascht auf:

„Green, gehst dir gut? Deine Augen...“ Ja, sie hatte Tränen in den Augen, ja, das spürte sie jetzt auch. Doch anstatt sie wegzuwischen presste Green die Augen zusammen und grinste.

War es nicht eigentlich egal was sie war solange sie selbst wusste, wer sie war?

 

 

Die winterliche Nachmittagssonne tauchte den Himmel in ein rötliches Farbenspiel als sie hinter den um die Schule herum stehenden Baumkronen versank; der Unterricht war vorbei, aber noch war es nicht Zeit Nachhause zurückzukehren, um sich den vielen Hausaufgaben zu widmen, die Gary akribisch auflistete, während die drei über den Schulhof zu ihren jeweiligen AGs gingen. Als wären die Hausaufgaben nicht schon genug Grund zum Stöhnen, fügte Gary noch hinzu, dass sie noch genug aufzuholen hatten und daher eigentlich auch noch lernen müssten:

„Mit anderen Worten; ein stink langweiliger Abend“, schloss Green, wofür Gary allerdings kein Mitleid hatte und knapp antwortete:

„Es ist deine Schulausbildung. Nicht meine. Ich brauche mir keine Sorgen um meine zu machen.“ Nun mischte sich auch Siberu ein, indem er sich in Greens Arm einharkte:

„Was gibt’s denn heute Abend zu essen, Green-chan?“

„Reste von Vorgestern die ich eingefroren habe – und nein, du brauchst mich gar nicht so anzugucken, Reste werden nicht weggeworfen. Das kostet alles nur Geld.“

„Das war mir aber ein wenig zu scharf…“, murmelte Siberu mehr zu sich selbst, als zu Green.

„Also mir hat es geschmeckt“, erwiderte Gary, immerhin mochte er scharfes Essen.  

„Na, wenigstens einer, der keinen schlechten Abend haben wird“, seufzte Green und warf Siberu einen düsteren Blick zu, denn auch ihr war seine Kritik nicht entfallen:

„Green-chaaaan! Mir hat dein Essen natürlich auch geschmeckt! Ich mag doch alles was du kochst…“  

„Silver-sama!“ Alle drei blieben auf der Stelle stehen; zwar hatte nur der Blasseste von ihnen einen Grund zu Eis zu erstarren, aber auch die beiden anderen hatten die schrille Stimme hinter sich erkannt – und waren alles andere als erfreut über den überraschenden Besucher.

„Oh nein, oh nein, oh neeeeeeeeeeeeeeein, versteckt mich, versteckt mich!“ Weder Gary noch Green schienen im Sinn zu haben Siberu zu helfen, denn beide waren zu sehr mit der berechtigten Frage beschäftigt weshalb Rui nicht nur plötzlich in deren Schule aufgetaucht war, sondern vor allen Dingen, woher sie die Schuluniform der Schule hatte, die überaus befremdlich an der kleinen Dämonin aussah.  

Sofort raste Rui auf Siberu zu als sie sich herum gewandt hatten, welcher allerdings noch genau im richtigen Moment Abstand genommen hatte und somit ihrem ersten Umarmungsversuch entgehen konnte:

„Rui, was zur Hölle machst du denn hier?!“ So schnell gab Rui nicht auf; ein weiteres Mal holte sie aus, wollte seine Hände ergreifen, doch bekam nur die Halterung seiner Sporttasche zu fassen:

„Oh, Silver-sama, ich bin hier um Euch zu helfen! Ich verstehe jetzt warum Ihr hier seid und…“

„Green, vielleicht sollten wir uns entfernen und so tun als würden wir sie nicht kennen…“

„… will euch unterstützen! Ich habe sogar die richtige Tarnung besorgt!“

„Ja, Gary, ich glaube das ist eine gute… Idee.“

„Ihr könnt mich jawohl hier nicht alleine lassen!“, rief Siberu, Ruis Hände von seiner Sporttasche lösend und zu Green springend, hinter der er sich auch sofort verbarg – und aus irgendwelchen komischen Gründen, die Green nicht verstand – und nicht verstehen wollte – brachte eben diese verzweifelte Geste Siberus Rui zum Weinen. Ob alle Dämonen so eigenartig waren; oder war Rui als Person einfach nur eigenartig?      

Gerade als Green sich von Siberu entfernen wollte, ihn daran erinnernd, dass ihr Training in Rhythmische Gymnastik demnächst beginnen würde, unterbrach ein schriller Aufschrei Ruis sie:

„Ah! Da ist diese verfluchte Feuerwächterin!“ Und ihr mit Inbrunst ausgestreckter Finger zeigte auf Firey, die mit einem geschulterten Köcher und ihrem Bogen eigentlich gerade auf dem Weg zum Bogenschießen war, nun aber stehen geblieben war – und ihr Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass sie genauso wenig darüber erfreut war Rui zu sehen, wie es umgekehrt der Fall war. Eigentlich schien Firey vor zu haben, Rui einfach zu ignorieren, doch ihr folgender Satz, gesagt mit einem breiten Grinsen, brachte sie dazu sich doch umzudrehen:

„Silver-sama, ihr müsst Acht geben! Ich habe diese Wächterin genau beobachtet und zwar wie sie Euch beobachtet hat! Die ganzen letzten Tage ist sie um Euch herum geschlichen…“

„… wie lange bist du schon hier…?“ Doch Rui überhörte die Frage ihres Angebeteten:

„…und hat Euch von weiten mit ihren Augen verschlungen!“ Green hatte keinen Zweifel daran, dass Rui von sich selbst sprach und glaubte ihr daher kein Wort. Firey schien es allerdings nicht so einfach abzutun, denn, obwohl sie so weit von ihnen entfernt gewesen war, hatte sie dank Ruis kreischendem Sprachorgan jedes Wort deutlich gehört und genauso durchdringend war auch ihre Antwort:

„Das ist überhaupt nicht wahr!“ Es war tatsächlich nicht wahr, dass Firey Siberu beobachtet hatte; jedenfalls… nicht nur ihn. Aber leider konnte sie nicht leugnen, dass sie vielleicht doch etwas zu auffällig das Trio beobachtet hatte.

„Du hast doch überhaupt keine Ahnung! Wir gehen in die gleiche Klasse, deshalb bin ich nun einmal gezwungen eine gewisse Zeit mit so einem eingebildeten A…“

„Wag es nicht, meinen Silver-sama zu beleidigen! Hörst du!? Ansonsten wirst du die Kraft meines unendlichen Verlangens zu spüren bekommen!“

„…Wie bitte?!“

„So, das ist mir jetzt definitiv alles zu dumm“, klagte Gary mit himmelnden Augen und wandte sich zu Green:

„Wollen wir…?“

Doch dann erstarrte Gary, als er, Firey und Rui das Gleiche sahen. Während Rui und Firey sich gestritten hatten, hatte Siberu für sich selbst beschlossen, dass auch er genug hatte und dass etwas getan werden musste, dass ein für alle Mal für Klarheit sorgte; ob Rui dabei nun Recht hatte mit ihren Beobachtungen was Firey anging, war ihm egal.

Er hatte sich von Green gelöst, den Moment ausgenutzt, als sie mit erhobenen Augenbrauen dem Streit der beiden Mädchen gefolgt war und hatte sie dann plötzlich und unerwartet zu sich gezogen – und ehe Green wusste, was ihr geschah, küsste er sie bereits.

„So, Rui – noch Frage…“ Nur einen Moment lang durchbohrten Siberus ungewohnt kalt wirkenden Augen die tränenden Augen Ruis – dann bekam er von Green eine so heftige Ohrfeige, dass der Halbdämon rückwärts stolperte.

Wutentbrannt, mit rotem Gesicht, starrte Green ihn noch mit erhobener Hand zornig an und schritt dann mit wehenden Haaren an ihm vorbei ohne ein weiteres Wort zu sagen.

„Aber, Green-chan! Wenn der Kuss nicht gut gewesen wäre, dann hättest du mir doch einfach auf die Zunge…“ Das hätte Siberu nicht sagen sollen. Ehe er es sich versah, knallte Green ihm nicht noch eine Ohrfeige, sondern fuhr sofort die harten Geschütze auf, indem sie ihn mit der linken Hand am Kragen packte und ihn dann den leuchtenden Stab ins Gesicht presste.

„Green! Nicht in der Schule!“, fuhr Gary dazwischen, doch Green schien nicht im Sinn zu haben sich von der Stimme der Vernunft bremsen zu lassen; und auch nicht von Rui, die ihrem „Silver-sama“ trotz allem kreischend zur Hilfe eilen wollte, dem ein Schweißtröpfen von der Wange herunter kullerte.

„Das war mein erster Kuss, du unsensibles Arsch!“ Dann riss sie sich von ihm los, schulterte ihren Stab und stampfte Richtung Turnhalle davon.

„Green! Dein Stab!“, rief Gary ihr hinterher und war auch lief ihr auch schon hinterher. Auch Firey entfernte sich verächtlich schnaubend von dem verdatterten Rotschopf:

„Du bist so widerlich, Bakayama, so widerlich! Das Allerletzte bist du!“

„So habt Ihr mich aber noch nie geküsst, Silver-sama! Das ist gemein! Aber… aber ich verzeihe ich natürlich…“       

Alle waren wütend auf ihn; aber ausgerechnet Rui – die er eigentlich hatte vergraulen wollen – liebte ihn immer noch.

 

 

Während Siberu mit der durchaus berechtigten Frage beschäftigt war, warum er Rui einfach nicht loswerden konnte, gingen die anderen Zuschauer des romantischen Spektakels gänzlich unterschiedlich mit dem eben Gesehenen um: Firey demonstrierte Bogenkunst vom Feinsten in dem jeder ihrer Pfeile in die rote Mitte traf. Sie selbst realisierte es aber kaum, da sie zu beschämt darüber war, dass jemand – und das auch noch Rui – mitbekommen hatte, dass sie sich eine Woche lang nicht getraut hatte, sich dem Trio zu nähern. Das ganze wurde natürlich umso schrecklicher und peinlicher dadurch, dass Gary, Green und Siberu es nun wussten und ihr Beobachten aus der Ferne auch noch so fälschlich gedeutet worden war… was sollte sie nur tun?

Green dagegen bekam eine Standpauke nach der anderen und musste sich wiederholt anhören, dass Rhythmische Gymnastik kein Fußball sei und wenn sie weiterhin solch ruppige Bewegungen vollführen würde, dann müsse sie sich wohl einen anderen Sport suchen.

Gary war der einzige der sich augenscheinlich keine Gedanken mache: alles was sich in seinem Kopf finden ließ, waren Zahlen. Diese drängten sich erst wieder in den Hintergrund, als Siberu mit frisch geföhnten Haaren in dem nun leeren Klassenzimmer eintrat, als Gary gerade dabei war, seine Bücher wieder in seine Schultasche zu ordnen. 

„Endlich bin ich Rui losgeworden! Hat das lange gedauert; sie wollte unbedingt beim Basketball-Training zusehen, obwohl sie überhaupt nicht verstanden hat, was wir da machen… es war so peinlich!“  

„Heute war so einiges peinlich.“ Diese doch sehr knappe Antwort brachte Siberu kurz dazu zu Schweigen; er sah seinen Bruder an, der ihn wiederum nicht ansah, sondern so tat als würde er ein altes Mathebuch plötzlich extrem interessant finden, bis Siberu seine Augen Richtung Decke gleiten ließ.

„Ich spüre Green-chans Ohrfeige immer noch.“ Gary antwortete nicht.

„Aber selbst eine zweite dieser Art wäre es wert gewesen. Ich wollte sie schon immer küssen. Ich hätte es schon viel früher tun sollen… sie schmeckt genauso süß wie ich geglaubt hatte.“

„Du hast eine komische Art deine Zuneigung zu zeigen.“

„Wieso? Weil ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen will? Wer von uns beiden ist den der, der immer zuerst an Effektivität denkt?“ Siberu senkte seinen Kopf genau im richtigen Moment um kurz zu sehen, dass Gary ihn angeguckt hatte, während er dies gesagt hatte – jetzt beschäftigte er sich wieder mit seinen Büchern. Doch die nächsten Worte seines Bruders brachten ihm dazu seine Bücher beiseite zu legen:

„Dann lass uns doch mal über deine Art Zuneigung zu zeigen sprechen, Aniki.“

 

 

Als Gary Green am Abend in der Turnhalle auffand, war ihre Wut nach wie vor nicht abgeflaut und anstatt grazile Bewegungen der Rhythmischen Gymnastik zu sehen, sah er wie Green die blauen und rosafarbenen Gummibälle gegen die Wand der Turnhalle schmetterte – das Training war schon seid 15 Minuten vorbei, doch Green hatte sich scheinbar noch nicht genug abgeregt um sich umzuziehen und den Nachhauseweg anzutreten – oder sie zögerte es mit Absicht heraus, weil sie Siberu nicht sehen wollte. Auch Gary warf sie einen wütenden Blick zu, als dieser herein trat, sagte aber nichts, sondern beobachtete ihn aus den Augenwinkeln wie er sich einige Meter von ihr entfernt hinsetzte, sein Mathebuch herausholte und den Kugelschreiber, den er immer in der Brusttasche hatte, um offensichtlich Aufgaben zu lösen.

„Was willst du?“, zischte Green ihre Wut zurückhaltend während Gary bereits angefangen war zu schreiben:

„Ich nutze die Zeit und lerne. Es scheint noch eine Weile zu dauern, bis dein Gemüt sich abgekühlt hat.“

„Ich kann auch alleine Nachhause gehen; du musst nicht warten.“

„Es ist kalt Draußen: ich werde uns zurück teleportieren. Ausnahmsweise.“ Hätte Gary seine Matheaufgaben für einen kurzen Moment ignoriert und aufgesehen, hätte er gesehen, dass Green ein wenig rot geworden war, denn sie konnte ein kleines, dankbares, Lächeln trotz Wut nicht zurückhalten ehe sie den nächsten Ball warf.

„Möchtest du vielleicht nochmal von deinem Familientrefffen erzählen?“ Die Hikari fing den rosafarbenen Ball gekonnt auf und sah verwundert zu Gary, der allerdings in sein Buch herab sah – aber sein Stift hatte inngehalten.

„Warum? Ich habe doch schon alles erzählt.“

„Ich denke das würde dich ablenken; heute Morgen wirkte es nämlich so, als hättest du noch etwas auf dem Herzen.“

„Kannst du dich denn auf beides konzentrieren?“

„Die Aufgaben sind einfach.“ Green fand sie nicht so einfach, wie sie auch nuschelnd zugab, was Gary jedoch nicht hörte. Er wartete geduldig bis Green anfing, ohne sie zu drängen; wie unterschiedlich die beiden Brüder doch waren…

„Naja, ich weiß ehrlich gesagt nicht, worüber ich da noch reden soll…“, begann Green langsam und zögerlich den Ball nun nicht gegen die Wand werfend, sondern auf einer Stelle drippelnd.

„Die Gesprächsthemen haben sich sowieso immer nur im Kreis gedreht; die Hikari reden über nichts anders als Krieg. Immer nur Krieg.“ Der Ball kam zum Stillstand als Green auf ihn herab sah und verschwommen ihr Gesicht auf der Oberfläche sehen konnte.

„Krieg? Warum sprechen die Hikari über einen Krieg, wenn sie doch ein Bannkreis schützt und sie somit keine Bedrohung fürchten müssen?“ Garys Antwort klang interessiert, doch Green hatte keine sonderliche Lust darüber zu reden und antwortete abwesend:

„Sie sprachen irgendwie von Forschung die man darin investieren müsste. Aber ich weiß nicht wirklich, was sie damit meinten.“ Und es interessierte sie auch nicht sonderlich, doch Gary erklärte es dennoch, während er fleißig weiter schrieb:

„Zwar denke ich, dass dein Bruder das sicherlich viel besser erklären könnte – und ich wundere mich darüber, dass er es noch nicht getan hat – aber ich werde mein bestes geben: Die Rede ist von einem extrem mächtigen Bannkreis den deine Mutter vor 16 Jahren geschaffen hat und welcher den 7ten Elementarkrieg abgeschlossen hat, denn dieser Bannkreis hat uns in unsere Welt eingesperrt…“ Green horchte kaum merklich auf: das war das erste Mal, dass „uns“ gesagt hatte wenn er von den Dämonen sprach:

„… und die Teleportationsmöglichkeiten zwischen der Menschenwelt und der Dämonenwelt unterbunden. Es ist nur für eine sehr begrenzte Anzahl Dämonen möglich diese Grenze zu überschreiten, weshalb du es auch noch nie mit einem vollblütigen Dämon zu tun gehabt hast, denn die können die Menschenwelt nicht länger betreten. Das ist nur möglich für Mischlinge – die, gegen die wir bereits oft gekämpft haben – und Halbdämonen. Umgekehrt ist es für Wächter auch nicht mehr möglich die Grenze zu überschreiten. Daher verstehe ich auch nicht, warum die Hikari von einem Krieg sprechen… es wäre wohl kaum ihr Wunsch ein Brechen des Bannkreises zu forcieren. Ob sie womöglich fürchten, dass er brechen könnte? Es war sicherlich nicht gewollt, dass Dämonen mit anderem Blut den Bannkreis überwinden können…“ Gary stellte sich dann selbst laut die Frage, ob das wirklich eine berechtigte Befürchtung war und wollte Green gerade fragen, ob die Hikari etwas in diese Richtung gesagt hatten, als ihm auffiel, dass Green ihm nicht zuzuhören schien; sie sah in eine andere Richtung.

„Macht dir das Angst?“ Green zuckte mit den Achseln:

„Keine Ahnung. Krieg gehört in den Geschichtsunterricht.“

„Bei den Hikari gehörte der Krieg zum Alltag.“

„Zum Glück bin ich keine Hikari.“

„Was meinst du damit?“ Dieses Mal schoss der Ball daneben und er flog quer durch die Turnhalle.

 
 

„Sie ist nicht meine Enkelin! Sie ist eine Missgeburt!“
 

 

 

„Ich denke ich wurde enterbt.“ Kurz schwamm Traurigkeit in Greens Augen, ehe sie sie zusammenpresste und sich grinsend abwandte:

„Eine Missgeburt will man eben nicht in der Familie haben.“

„Eine – was?!“ Verwirrt sah Gary auf, traute seinen Ohren wohl nicht, doch Green sprach schon weiter:

„Aber das macht mir nichts; ich will eigentlich auch nichts mit ihnen zu tun haben – mit solchen Leuten, die mir vorschreiben wollen, mit wem ich zusammen sein darf. Stell dir vor, Gary, sie wollten, dass ich euch aushorche! Ich habe natürlich abgelehnt und ihnen deutlich klar gemacht, dass ich so etwas nicht mache.“ Triumphierend stemmte Green die Hände in die Hüfte und verkündete:

„Blut ist dicker als Wasser – oder wie heißt das nochmal – aber wenn ich Regeln umdrehen kann, dann kann ich auch Sprichwörter umdrehen, oder? Jedenfalls kann mich meine „Familie“ mal.“ Verdattert hatte Gary Greens Grinsen angestarrt, während sie diese Worte gesagt hatte, senkte nun aber den Blick, sah wieder das eben Geschriebene an, den Kugelschreiber eben über dem Papier, einen tiefen Schatten im Gesicht, die dunklen, grünen Augen zwar auf die geschriebenen Wörter gerichtet, doch mit den Gedanken an einem anderen Ort; auch seine Stimme klang so, als würde sie von weit her kommen:

„Das hättest du nicht für uns tun müssen. Deiner Familie den Rücken zukehren für eine Freundschaft die gerade mal zwei Monate besteht.“ Fast automatisch begann seine Hand wieder zu schreiben – bis etwas ihm hart am Kopf traf und der Kugelschreiber im hohen Bogen in die Luft flog, auf den Boden fiel und dort klappernd liegen blieb.

„Ja, ihr beide seid ziemliche Idioten!“, fauchte Green, das Gesicht rot vor Aufregung, den zweiten Ball in der Hand habend; bereit ihn ein zweites Mal abzuwerfen. Vorerst begnügte sie sich aber damit mit glühenden Augen Garys überraschten Blick zu erwidern:

„Aber für eine Familie, deren Regeln, Reinheit und Traditionen wichtiger ist als die eigene Enkelin verleugne ich nicht meine Freunde! Um genau zu sein, ist es mir eigentlich vollkommen egal, wie meine Familie ist – und wenn sie die beste überhaupt gewesen wäre – für niemanden würde ich mein Herz verraten!“

Die Worte hallten wieder an den Wänden der Turnhalle; beide sahen in die unterschiedlichen Augen des jeweils anderen, starrten sich an – Gary verblüfft und überrumpelt, Green voller Entschlossenheit, bis ihr plötzlich bewusst wurde, was sie gesagt hatte und sie ein wenig rot wurde. Anstatt allerdings beschämt in eine andere Richtung zu sehen, drehte sie sich herum und verkündete, dass sie duschen würde und sie dann Nachhause konnten.

Bevor sie sich allerdings in die Umkleide zurückziehen konnte, sammelte sie noch den Kugelschreiber auf den Gary fallen gelassen hatte und warf ihn seinem Besitzer zu, ehe sie Duschen ging. Mit leicht brummendem Kopf sah Gary sich den Kugelschreiber in seiner offenen Hand an und packte dann seine Sachen zusammen – er hatte heute schon genug gearbeitet.

 

 

Es war tatsächlich ziemlich kalt Draußen, weshalb Green sehr dankbar darüber war, dass Gary ihr vorgeschlagen hatte, sie und ihn ausnahmsweise Nachhause zu teleportieren. Doch gerade als sie aufbrechen wollten wurden sie von Siberu unterbrochen, der plötzlich in die Turnhalle hereingeschneit kam. Dank Gary hatte Green beinahe Siberu und ihre Wut auf ihn vergessen, doch als sie ihn sah kam die Wut sofort wieder zum Vorschein und ihr Gesicht verfinsterte sich umgehend. Es war ein Gesicht das ihm das Fürchten lehrte und eigentlich wollte er am liebsten rückwärts wieder heraus gehen, aber er entschied sich der Gefahr zu trotzen. Er war schon einer Gefahr entronnen, nun würde er es bei der zweiten darauf ankommen lassen – auf den Weg zur Turnhalle war er nämlich in Firey hinein gelaufen.

Eigentlich hatte er sie gar nicht weiter beachtet, sondern war einfach, mit seinen Gedanken vollkommen bei Green, an ihr vorbei gerannt, ohne den anderen Rotschopf sonderlich zu realisieren. Aber sie hatte ihn bemerkt und sich zu ihm herum gewandt, gerade als er sie passiert hatte.

„Ich hoffe du bist auf dem Weg zu Green um dich zu entschuldigen, Bakayama!“ Mitten in der Bewegung blieb der Angesprochene stehen und drehte sich schwunghaft zu ihr herum:

„Oh, das Flachbrett. Mischt du dich wieder in Angelegenheiten die dich nichts angehen?“ Fireys Augen loderten sofort wütend auf, als er sie wieder so nannte, aber sie unterdrückte ihre Wut:

„Green geht mich sehr wohl etwas an; sie ist meine Schwester. Also – entschuldigst du dich bei ihr?“

„Warum sollte ich? Ich denke einen besseren ersten Kuss hätte Green-chan gar nicht bekommen können. Ich beherrsche immerhin mein Handwerk.“ Fireys Gesichtszüge zuckten gefährlich als sie entschlossen auf ihn zuschritt:

„“Handwerk“? Du bist wirklich so was von eingebildet; so ein richtiger, eingebildeter Playboy---“ Siberu begann zu Grinsen; allerdings nicht das fröhliche Grinsen, welches sie von weiten nun öfters gesehen hatte, sondern ein sehr Unsympathisches.

„Ach, keine Sorge, Firey. Dich würde ich nicht einmal in meinem schlimmsten Alptraum küssen!“ Kurz zuckten Fireys Hände und sie hatte das brennende Verlangen ihren Bogen zu spannen, doch sie zwang sich ruhig zu bleiben – ihre Pfeile waren viel zu schade für so einen schrecklichen Kerl!

„Du bist wirklich das Allerletzte, Bakayama! Du spielst mit den Gefühlen anderer, als wären sie Spielzeuge. Der erste Kuss ist wichtig, aber das war dir vollkommen egal, denn du wolltest Rui einfach nur eins auswischen! Green war dir dabei vollkommen egal!“ Siberu ging nun ebenfalls auf sie zu, womit sie nun genau gegenüber von einander standen und finster in die Augen des jeweils anderen starrten. Sein Grinsen war verschwunden.  

„Ich weiß nicht wieso, aber ich glaube, dass ausgerechnet du keine Ahnung von diesem Thema hast, Flachbrett. Außerdem wollte ich Rui nicht eins auswischen, sondern sie abwimmeln. So ein Fangirl ist nämlich ziemlich nervig.“

„Nein, von Beziehungen habe ich keine Ahnung, das stimmt. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Green nicht in dich verliebt ist und deswegen garantiert nicht von dir geküsst werden wollte.“ Dieses Argument brachte Siberus fieses Grinsen wieder zum Vorschein, als er die Hand in seine Hüfte stemmte und sich zu ihr herunter beugte, wohl in Erwartung, dass sie wegweichen würde, aber das tat sie nicht:  

„Ach, hast du das durch deine wochenlange Beobachtung herausgefunden?“ Leider musste Firey sich eingestehen, dass das sie aus dem Konzept warf und zu ihrer Schmach bemerkte sie, dass die Schamesröte sich auf ihren Wangen ausbreitete.

„Ich habe aber nicht dich beobachtet…“

„Oh, du brauchst es gar nicht zu leugnen; ich weiß, dass ich unverschämt gut aussehe und dass es schwer ist den Blick von mir abzuwenden.“ Jetzt war es Firey die zurück schlug und sie stellte sich auf Zehenspitzen um ihn mit ihren Augen zu durchbohren:    

„Ja, du siehst gut aus.“ Überrascht über Fireys Bestätigung hoben sich Siberus schmale Augenbrauen, aber er sagte nichts und ließ die Feuerwächterin ohne Unterbrechung fortfahren:

„Aber dein gutes Aussehen kann deinen miserablen nicht Charakter verbergen und ich bin mir sicher, dass Green dich auch durchschaut.“ Mit diesen Worten und wirbelten Zopf wandte sie sich von ihm ab und setzte ihren Weg fort so als wäre überhaupt nichts geschehen.

Miserabler Charakter... pah, das Flachbrett ist doch nur eifersüchtig.“ Und mit diesen Worten wandte auch Siberu sich ab, strich sich beiläufig durch seine roten Haare und stand dank seiner schnellen Schritte auch schnell Green gegenüber.

„Was willst du?“, lautete ihre erste Frage, die Arme über ihre Brust verschränkt, nur Siberu fixierend, weshalb sie nicht bemerkte, dass Gary Sicherheitsabstand nahm.

„Oh, Green-chan, ich wollte dich abholen kommen; wir sind ja jetzt alle mit unseren AGs fertig und wir gehen doch immer zusammen…“

„Ich verzichte. Gary und ich teleportieren uns Nachhause.“ Siberu warf einen Seitenblick an seinen Bruder, doch dieser machte ihn mit einem Blick klar, dass er sich lieber raushielt und mit nichts etwas zu tun haben wollte.

„Green-chan, warum bist du denn so wütend?“ Obwohl Gary eben noch verdeutlicht hatte, dass er sich raushalten wollte, konnte er bei dieser unüberlegten Frage nicht umher, sich die flache Hand gegen die Stirn zu hauen – was für eine dumme Frage! Was für eine gefährliche Frage!

Warum ich wütend bin, Sibi?“, wiederholte Green mit einem steifen, langen Lächeln und fuhr nachdenklich fort, als wüsste sie es plötzlich nicht mehr:

„Ja, warum könnte ich denn wütend sein? Oh, ich weiß nicht… vielleicht weil du mich um meinen ersten Kuss beraubt hast, nur um Rui loszuwerden?!“

„Das stimmt überhaupt nicht!“, erwiderte Siberu hastig in einem energischen Tonfall:

„Ich liebe dich, Green-chan – deswegen habe ich dich geküsst!“

„Ach und das mit Rui war einfach nur ein angenehmer Nebeneffekt? Als ob ich dir das glauben würde!“ Das brachte Siberu umgehend zum erschreckten Schweigen, aber das bemerkte Green nicht, denn sie hatte sich an Gary gewandt, ohne Siberus Reaktion sonderlich zu beachten.

„Weißt du was, Sibi – eigentlich sollte ich jetzt Gary küssen.“

„Wie---was!?“, brachte Gary mit hochroten Kopf hervor, worauf Green keine Rücksicht nahm, denn sie fixierte nun den ebenfalls sehr verdattert dreinsehenden Rotschopf:

„Nur um dir eins auszuwischen, damit du weißt wie es ist.“ Die Hikari ließ die Drohung in der Turnhalle hängen, sah beide abwechselnd an, ehe sie wieder ihren Kontrahenten ansah:

„Aber das tue ich nicht. Weil man so etwas nämlich nicht ausnutzt. Man spielt nicht so schamlos mit den Gefühlen anderer – so etwas ist…“ Das ziemlich blasse und deutlich eingeschüchterte Gesicht Siberus brachte Green dazu, ihren Satz nicht zu Ende zu führen. Stattdessen schwieg sie nun, sich unzufrieden auf die Unterlippe beißend, dabei einen Seitenblick an Gary werfen, dessen ratloser Blick ihr allerdings auch nicht weiterhalf – es war deutlich, dass er sich lieber heraushalten wollte.

Niemand von ihnen brach die Stille, die sich in der Turnhalle verbreitet hatte; es war deutlich, dass die beiden Brüder darauf warteten, zu hören, worüber Green sich den Kopf zerbrach. Nach einigen Sekunden ergab sie sich und hörte mit einem Seufzen auf, mit sich selbst zu ringen. Sie warf ihren hellblauen Schal über ihren braunen Mantel und machte kehrt:

„Danke für dein Angebot wegen der Teleportation, Gary – aber Sibi und ich gehen alleine nachhause.“ Keiner der beiden Halbdämonen rührte sich auf diese Aussage hin; beide sahen Green wegen ihres abrupten Sinneswandels nur verwirrt an, was auch Green nicht unbemerkt blieb:

„Kommst du nun?!“ Siberu fuhr zusammen, als hätte sie ihn geschlagen.

„Bin schon unterwegs, Green-chan!“, rief Siberu, raffte alarmiert seine Schultertasche und rannte Green hinterher – allerdings nicht ohne Gary einen hilfesuchenden Blick zuzuwerfen, der ihm allerdings nur im Stillen „Viel Glück“ wünschte.

 

 

Fertiggestellt: 18.10.13

 

 

 

 

 

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Keiko-maus
2014-09-22T17:50:31+00:00 22.09.2014 19:50
Endlich kam ich mal wieder zum Lesen *_* Ich freu mich ^-^

Hahaha, das schwarze Schaf in der ach so weißen Herde, wie überaus treffend formuliert, höhö :D
Ja, Onkel Seigi *_* War klar, dass er den beiden bekannt ist xD Wäre auch seltsam gewesen wenn nicht^^
Mir gefällt es, wie Firey sich solche Sorgen um ihre neue Bestimmung macht^^ Und die Gedanken von Green wurden auch schön wiedergeben. Beides sind Sachen, die man leicht nachvollziehen kann.
Danach kommt dann wieder der witzige Teil mit Rui *lach* Sehr schöne Dialoge^^ Obwohl mir Sibi ja ein wenig Leid tut, aber nur da, weil danach baut er ja wieder Scheiße xD Obwohl ich mir die Szene bildlich richtig klasse vorstellen kann^^
Das Ende mag ich, wo Sibis Schicksal total ungewiss ist xD Was wohl mit dem armen Rotschopf passieren wird auf dem Heimweg? xDD
Von:  KiraNear
2014-02-24T12:54:00+00:00 24.02.2014 13:54
Das war wieder ein tolles Kapitel - und so wie es aussieht, endet es ziemlich aufregend. Hoffentlich sind die Auren guter Natur ... 
Hab auch grad die Beschreibung zu den Änderungen gelesen, wow, da hst du ganz schön was geleistet^^

Bin schon gespannt, wie es weitergehen wird :3
Von:  Mona-Kaiba
2014-02-22T10:34:43+00:00 22.02.2014 11:34
So, nachdem ich mir gestern die Beschreibung zu deinen Änderungen für das Kapitel durchgelesen habe, widme ich mich nun mal dem Kapitel selbst.

Danke Green, endlich spricht es mal jemand als. White ist komisch. So.
Tja Green, ganz offensichtlich haben die Jungs schonmal etwas von „Onkel Seigi“ gehört XD (welcher Dämon hat das nicht? O.o)

Also Firey, wir fangen hier jetzt mal gar nicht erst damit an irgendwelche Karou-Typischen unliebsamen Eigenschaften zu entwickeln. Also, raus mit der Sprach: Welcher Vorfall?
Früher hätte ich gesagt: „Richtig so Green! Bestraf Sibi für seine Bösartigkeit gegenüber Firey! *anfeuer*“ Aber heute ist das für mich schon irgendwie normal, dass er sie Flachbrett nennt und so ^^‘ (Eigentlich schlimm, dass man so etwas irgendwann einfach als „normal“ empfindet…)
Ich kann Fireys Ängste schon verstehen. Wäre sie kein Mensch, wäre sie nicht „normal“ und wer ist schon gerne unnormal? Aber mal im Ernst, wie normal kann es schon sein, wenn jemandes Hand in Flammen aufgehen kann?

Ich fürchte, die dunkelrote Schuluniform von Green Schule wird sich bestimmt mit Ruis grünen Haaren beißen ^^‘
Jupp, Rui ist einfach eigenartig. Sie kann so aber immer mal für Erheiterung sogen, das hat durchaus Vorteile… manchmal.
Die Kraft… ihres Verlangens? Ich weiß dass dies die richtige Ausdrucksweise für Dämonen ist, aber irgendwie klingt das ein bisschen Pervers. Obwohl das bei Rui und Sibi auch gar nicht soo weit hergeholt ist O.o
Das ist typisch Sibi. Das war ja wohl mal eine total kindische Aktion. Absolut unüberlegt und eine Ohrfeige, ist dafür noch nicht einmal die richtige Strafe, selbst dann nicht, wenn sie ihn damit geradewegs bis nach Henel geschleudert hätte.
Besser Green, viel besser! Verpass ihm einen Lichtintus! *anfeuer* Aber bring ihn bitte nicht um ^^‘
Rui würde ihrem Silver-sama alles verzeihen, oder? Er würde ihr Arme und Beine brechen können und sie würde ihm wahrscheinlich immernoch hinterhersabbern. Sie ist die Verkörperung eines Fangirls, wie es im Buche steht.

Romantischen Spektakels? Was war daran bitte romantisch?

Ich glaube an diesem Tag wäre Volleyballtraining besser für Green gewesen ^^‘
Warum ist Green wütend auf Gary? Er hat doch gar nichts gemacht.
Naja Gary, du hättest dir schon denken können, dass Grey zunächst besseres zu tun hat, als Green von Bankreisen zu erzählen.
Oh Shaginai, jetzt könnte ich dich für diesen Satz noch mehr töten als im letzten Kapitel *grummel* Arme Green.
Tja Gary, ich glaube den „Kopfball“ hast du verdient ^^‘

Für den Satz, mein lieber Sibi, hättest du glatt noch eine Ohrfeige verdient. Schade, dass Firey nicht einmal versucht hat, dich in Flammen aufgehen zu lassen. Ich hätte es getan…
Es gefällt mir, dass Firey nicht leugnet, dass Sibi gut aussieht und ihn trotzdem sagt, was er für ein Arsch ist.
Öhm… Green? Ich will ja nichts sagen, aber das war fies. Zu behaupten du würdest Gary küssen, nur um Sibi zu bestrafen, ist auch nicht viel besser, als das was Sibi getan hat. Hier kommen wir nämlich zu dem „mit Gefühlen spielen“ von dem Firey gesprochen hat.
Ich habe mal so gar kein Mitleid mit Sibi ^^‘
Von ihm zu verlangen netter zu Firey zu sein bringt es auch nicht so wirklich. Was hat es schon für eine Bedeutung, wenn er sich nur wegen Green auf die Zunge beißt?

Green wird ja von den Wächtern echt gestalkt O.o

BTW. Ich konnte mich für das Kapitel jetzt nicht so wirklich begeistern. Der Kuss zwischen Sibi und Green hat irgendwie gar nicht in die Szene passen wollen und irgendwie hat Green ihm auch viel zu schnell vergeben, Tränen hin oder her. Es fehlte mir auch irgendwie der Witz vom Original-Kapitel. Man konnte zwar hier und da auch ein bisschen schmunzeln, aber mit dem Original konnte das Kapitel absolut nicht mithalten. Auch so, bis auf die Nummer mit der Vergewaltigung, fand ich das Original-Kapitel um einiges besser. Sibis Kuss und der Grund dafür und was das Ganze dann ausgelöst hat, schienen mir dort logischer. Ich vermisse auch ein bisschen die vielen Fangirls, die Green hasserfüllte Blicke geschenkt haben, weil sie Siberu küssen durfte XD Gerade weil es das letzte Alltags-Kapitel in einer derartigen Form ist, ist es schade, dass es jetzt so lasch geworden ist.

Ich finde es aber auf jeden Fall gut, dass Green schon ein bisschen zeigt, dass sie enttäuscht ist, über die Worte ihres Großvaters und den Ausgang des Familientreffens, denn wie du selbst geschrieben hast, ist es ein Thema, dass Green unter diesen Umständen wohl kaum kalt lassen kann. Und ich finde es gut, wie Gary Green darauf angesprochen hat, das hat sehr gut zu ihm gepasst.

Nun bin ich auf jeden Fall auf die Änderungen für die zweite Staffel gespannt.


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