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Himitsu no Mahou

von

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Die erhabenen Drei

Green hätte nicht gedacht, dass ihr Aufenthalt im Jenseits so unterhaltsam sein würde; schon gar nicht im Beisammensein mit einem Familienmitglied, das schon vor mehr als fünfhundert Jahren gestorben war und vor dem Grey sie auch noch so vehement gewarnt hatte. Sie und Seigi verstanden sich prächtig; die ganze Zeit sprachen sie miteinander über dieses und jenes – ihr Gespräch war sogar so heiter, dass einige Hikari, deren Weg sie kreuzten, verwundert die Augenbrauen hoben - doch Green achtete gar nicht auf sie und das gleiche tat Seigi. Er wirkte ganz anders als ihr Bruder, wie er davon erzählte, dass die Regeln zwar schön und gut seien, aber das Wichtigste was es für einen Wächter zu lernen gab, war, die Regeln zu wahren und sie trotzdem zu umgehen. Man müsse sie einfach ein bisschen drehen; das wäre das Geheimnis, meinte Seigi grinsend. Nicht alle Hikari seien Heilige, sie wüssten nur, wie sie es so wirken lassen konnten.

„Außer vielleicht deine Mutter“, fügte Seigi nachdenklich hinzu:

„Angeblich hat sie wirklich noch nie eine der heiligen Regeln gebrochen. Aber ich glaube da nicht so wirklich dran. Jeder hat eine Leiche im Keller. Es kommt nur darauf an, wie tief man sie vergräbt – Hey! Wenn das nicht Blacky ist!“ Green hätte viel lieber noch weiter mit Seigi gesprochen – er schien ganz auf ihrer Wellenlänge zu sein – aber als sie nun an einem langen Gang ankamen, an dessen Ende sich eine große Flügeltür befand, war ihr klar, dass nun der ernste Teil anstand. Und dort wartete tatsächlich ihr Bruder auf sie, schweigen an der Wand lehnend, von welcher er sich sofort abfederte um auf sie zuzuschreiten. Grey versuchte zu lächeln, aber auf Green wirkte es falsch; doch auch Seigis Grinsen war verschwunden und statt dessen zeichnete sich auch auf seinem Gesicht ein fahles Lächeln ab.

„Vorhin hatten wir ja gar keine Gelegenheit uns zu begrüßen. Erfreut dich zu sehen, Blacky!“, rief Seigi sich von Green lösend und seine starke Hand nun Grey reichend, die dieser annahm und fest zu drücken schien.   

 „Die Freude ist ganz meinerseits, Mörder

„Du wirst es wohl nie verstehen, was?“, anstatt auf Greys finsteren Blick einzugehen, warf er einen seitlichen Blick zu Green:

„Ich sag dir mal was, Greeny – wenn du deinen lieben, großen Bruder mal ein wenig ärgern willst, dann sprich ihn auf seine schwarzen Haare an. Whites Sohn hätte nämlich gerne weiße Haare.“ Green wollte gerade kichernd antworten, als ihr auffiel, dass in Seigis Augen etwas Fieses, etwas Abwertendes lag, als er wieder Grey ansah:

„Und der Grund warum deine Haare schwarz geworden sind, ist ganz klar, Blacky. Weil die heilige Farbe der Hikari dir als jämmerlicher Halbhikari nicht zusteht, ganz egal, wer deine Mutter ist.“ Green hätte erwartet ihren Bruder wütend zu sehen, doch er zuckte nicht einmal mit der Wimper. In ernstem, aber ruhigem Tonfall antwortete er:

„Dann weiß ich beim besten Willen nicht, warum du weiße Haare hast, Seigi.“ Der Angesprochene wollte gerade antworten, als hinter ihnen eine tiefe Stimme ertönte:

„Seigi, lass White-sans Sohn los. Sofort!“, als wäre die Stimme ein Stromschlag gewesen, ließen die beiden jungen Männer voneinander ab und traten auseinander. Die Stimme gehörte einem hochgewachsenen Hikari, mit streng nach hinten gekämmten Haaren und einer hohen Stirn, die eine auffällige Narbe teilte, die quer über sein rechtes Auge und sein Gesicht ging; seine weißen Augen waren durchdringend und er wirkte streng; so streng, dass Green sofort schluckte. Grey jedoch schien sich zu freuen ihn zu sehen:

„Adir-san! Ihr konntet wirklich kommen; das freut mich.“ Adirs Augen wurden sanfter als er Grey zur Begrüßung anlächelte – und dann sah er kurz zu Green, die ihn fragend ansah, Seite an Seite mit Grey stehend. Er musterte sie kurz, aber durchdringend; aber nicht abwertend, sondern eher neugierig, verblüfft. Wie ein seltenes Tier. Er sagte jedoch nichts; kommentierte seine Begutachtung nicht, sondern wandte sich Seigi zu, mit einer erschöpft klingenden Stimme:  

„Seigi, dir ist die Regel 13B sehr wohl vertraut, nehme ich an.“

„Ich habe mich nicht mit ihm gestritten, wenn es das ist, worauf du hinaus willst. Wir haben debattiert!“, erwiderte Seigi erhitzt und Green sah nichts mehr von einem Grinsen.

„Eine allseits gern benutzte Ausrede, die zu hören ich leid bin. Wann lernst du endlich, Grey den gebührenden Respekt zu zollen, so wie jeder Hikari seinen Mithikari akzeptiert und respektiert… oder eher sollte“, fügte er mit einen Seufzen hinzu und sah Seigi dann scharf an.

„Haben wir uns verstanden?“

„Adir, Blacky ist aber definitiv kein Hikari-“

Haben wir uns verstanden, Seigi?“, sagte er diesmal mit einer messerscharfen Stimme, die keinen Widerspruch zuließ und der Seigi sich beugte. Aber widerwillig, wie Green sah, denn Seigi hatte seine Hände zu Fäusten geballt. Na, in was für eine friedliche Familie war sie denn geraten?

Adir sagte nichts weiter, sah nur noch kurz zu den beiden Geschwistern, lächelte freundlich und ging dann durch die große Flügeltür.

„Wer war denn das?“, fragte Green sofort, kaum, dass die Tür hinter Adir zugefallen war. Grey himmelte aufgebend mit den Augen, denn er hatte seiner Schwester mehrere Male von ihm erzählt:  

„Hikari Hou Abaku Adir, Green. Wir sprachen auch über ihn; denn Adir-san ist als einer der ältesten Verstorbenen eine sehr wichtige Persönlichkeit, die in seiner langen Zeit hier im Jenseits viele politische Angelegenheiten entschieden hat. Zu seiner Lebenszeit spielte er eine entscheidende Rolle im Abschluss des ersten Elementarkrieges.“

„“Elementarkrieg“? Was ist denn das?“

„So werden die Kriege wegen ihres umfangreichen Einsatzes der Elemente genannt. Die Kriege gegen die Dämonen. Auch das habe ich dir…“

„Momentan gibt es Sieben“, fügte Seigi hinzu, jetzt anscheinend wieder mit guter Laune – oder die Wut verbergend?

„Der erste war der Längste; zu meiner Lebenszeit glaubte man, er hätte mehr als 2000 Jahre gedauert.“

„Mittlerweile ist aber dank Tao-san allgemein bekannt, dass er nur 741 Jahre gedauert hat.“ Tao? Hatte Green diesen Namen nicht erst vor Kurzem gehört?

„Und dann griffen die Dämonen 136 Jahre später wieder an. Der Aktuellste ging vor sechzehn 16 Jahren zu Ende – eindeutig zu unseren Gunsten.“ Grey schien dieser Aussage nicht ganz zustimmen zu wollen, doch kam Green ihm mit einer Frage zuvor:

„Sag mal, greifen die Dämonen eigentlich immer zuerst an?“ Seigi hob daraufhin fragend die Augenbrauen, die Hände in die Hüfte gestemmt:

„Aber natürlich greifen die Dämonen immer zuerst an! Da ist doch klar, wir sind doch…“ Dieses Mal war es Grey, der Seigi unterbrach:

Danke, Seigi. Zurück zum eigentlichen Thema: Green, ich hoffe, du erinnerst dich noch, dass ich dir von „den Erhabenen Drei“ erzählt habe? Adir-san ist nämlich einer von ihnen jenen.“ An Greens ratlos suchendem Blick erkannte Grey schnell, dass sie sich nicht erinnern konnte – war es verwerflich, dass er sich fragte, ob seine Schwester ihm überhaupt zugehört hatte? Seigi schien sich einen Spaß daraus zu machen, Erklärungen zu geben, die eigentlich Grey geben wollte und fiel ihm auch dieses Mal mit einer zweifelhaften Erklärung ins Wort:

„“Die Erhabenen Drei“ sind die drei Hikari, die das Meiste zu sagen haben!“

„Überaus vereinfacht ausgedrückt, ja. Das Trio besteht aus Adir-san, Shaginai, unserem Großvater, und unserer Mutter, weshalb ich mich wundere, dass du dich nicht daran erinnern kannst, dass ich es dir erzäh-“

„Wahrscheinlich hast du es mit deiner staubigen Erklärungsart probiert, Blacky! Und wer würde sich dann noch daran erinnern können; nicht wirklich verwerflich, wie ich fin-“

„Die Erhabenen Drei genießen das größte Ansehen und haben bei den meisten Versammlungen das entscheidende Wort“, fuhr Grey mit seinen Erklärungen fort, ohne auf die Kritik Seigis einzugehen oder auf Greens heiteres Grinsen zu achten, die Seigi scheinbar zustimmen wollte.

„Man nennt sie übrigens auch „Der Gerechte“, Adir, „Der Stolze“, Shaginai und unsere Mutter nennt man auch „Die Reine“, bezogen auf ihre Titel…“ Dieses Mal war weder Seigi noch Green der Grund für Greys abruptes Verstummen, sondern eine laute, durchdringende Stimme, die Green sofort zusammenzucken ließ und auch Seigi und Grey zum Zusammenfahren brachte:

„Das ist die reinste Zeitverschwendung!“ Ein wenig angespannt lächelnd wandte Grey sich zum Ursprung der Stimme herum:

„Oh, da kommt unser Großva…“, weiter kam Grey nicht, denn genau in dem Moment, als ihr Großvater tatsächlich mit großen Schritten um die Ecke stolziert kam, hatte Seigi Green und Grey an den Armen um die nächste Ecke gezerrt. Grey wollte schon protestieren, doch Seigi und Green hatten sich schon positioniert und lugten um die Ecke. Warum Seigi sein Familienmitglied beobachten wollte, war Grey ein Rätsel, aber Green schien tatsächlich neugierig zu sein, weshalb Grey schnell beschloss, sie nicht zu verraten.

„Ich stimme Ihnen nicht ganz zu, Shaginai-san. Ich denke es könnte interessant werden“, antwortete ein anderer Hikari der ein kleines Stückchen hinter Shaginai ging und offenbar Schwierigkeiten hatte, mit ihm Schritt zu halten – der einzige Hikari, den Green sogar sofort erkannte; es war Hizashi, einer der ältesten Toten, mit einem so strahlenden, falschen Lächeln, dass Green irgendwie unwohl wurde. Aber auch, wenn das Lächeln ihres Vorfahren ihr sofort auf den Gemälden ins Auge gestochen war, war dies nicht der Grund, weshalb sie sich ihn gemerkt hatte: er war der Autor der Dämonen-Enzyklopädie. Jenem Bücherschinken, der sie zum Einschlafen brachte. Und obwohl Green sogar mal wusste, wer der Begleiter ihres Großvaters war, interessierte sie sich nicht für ihn – zu sehr verschlug Shaginais gebieterischer Auftritt ihr die Sprache. Dieser forsche Gang, diese alles durchdringenden Augen, die überhaupt nicht weiß wirkten, sondern eher als wären sie aus Titan gehauen und seine kräftige Stimme die Green sofort an einen Richter denken ließ, der einen Richtspruch verkündete:

„Ich teile Ihren Enthusiasmus nicht. Sie scheinen sich ja schon richtig darauf zu freuen, Hizashi-san.“

„Oh ja, das kann ich nicht verneinen…“, Hizashi räusperte sich und richtete seinen Kragen:

„Immerhin hat ihre Enkelin-“

„Diese Missgeburt ist nicht meine Enkelin!“

Grey bereute es sofort, dass er nicht auf sich aufmerksam gemacht hatte, denn zwar sagte Green nichts und er konnte auch ihr Gesicht nicht sehen, da sie mit dem Rücken zu ihm stand, aber er hatte sie zusammenzucken gesehen und die zaghafte, an der Wand abgestützte Faust, brachte seine Stimme dazu, mitfühlend zu klingen, als Shaginai und Hizashi hinter der Tür verschwunden waren:

„Mutter und ich haben ja versucht dich darauf vorzubereiten, Green…“

„Keiner von euch hat erwähnt, dass er meint, ich wäre eine Missgeburt.“ Dem konnte Grey nicht viel entgegen setzen, weshalb er auch bedrückt schwieg, denn er kannte keine Worte, um diese Tatsache schön zu reden. Seigi sagte nichts, entweder er bemerkte die bedrückende Stimmung nicht, oder es interessierte ihn nicht:

„Schade, ich dachte, er würde vielleicht etwas über die Sonderregeln verlieren…“ Jetzt ging es Grey entschieden zu weit und obwohl Green neugierig aufhorchte und sich gerade erkundigen wollte, was die Sonderregeln seien, nahm Grey Greens Hand und führte sie von Seigi weg, weshalb sie ihm stattdessen die Frage stellte, die Grey recht knapp beantwortete:

„Das sind Regeln für Dämonen.“ Wie konnte Seigi nur so gedankenlos dieses Thema anschneiden während Green in der Nähe war?! Hatte er denn überhaupt keinen Anstand, keine Erziehung keine Empathie?! Allein auf die Idee zu kommen, einen Familienangehörigen zu belauschen, konnte nur von einem Ungehobelten wie ihm stammen! Von wegen, er brach keine Regeln, er tat es doch ständig!

Seigi sah den Geschwistern nach und musste dabei wieder an die Worte denken, die Adir zu ihm gesagt hatte: „Wann lernst du endlich, Grey den gebührenden Respekt zu zollen?“

Er musste ein hohles Lachen unterdrücken: dem sollte er Respekt zollen? Niemals. Er war ja nicht einmal ein Hikari. Im Prinzip musste er sich glücklich schätzen, dieses Reich überhaupt betreten zu dürfen. Grey war immerhin nur ein Kaze – kein Hikari. Trotzdem genoss er ein - Seigis Meinung nach – viel zu hohes Ansehen und das hatte nichts mit seiner Persönlichkeit oder gar seinen Fähigkeiten zu tun, sondern weil er Whites Sohn war. Der Sohn der Hikari, die alle als Gottgesandte verehrten! Nur deshalb wurde Grey mit Samthandschuhen angefasst, behandelt wie man einen Hikari behandelte. Seigi erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem Grey zum ersten Mal das Jenseits besucht hatte… ein kleines, verwöhntes Muttersöhnchen, ständig an dem Rockzipfel seiner Mutter hängend. Seigi konnte ihn von Anfang an nicht leiden und hatte seine Abneigung wohl auch ein paar Mal zu oft gezeigt. Doch Seigi hatte keine Spur von schlechtem Gewissen.

Seigis Meinung über Grey änderte sich erst, als er ihn zufällig einmal beim Training gesehen hatte. Grey wurde, genau wie früher White, von den besten Hikari ausgebildet – man hatte eigentlich Seigi als seinen Lehrmeister in der Schwerkunst vorgesehen, aber dieser hatte sich geweigert. Was er nun im Nachhinein bereute, denn es wäre die perfekte Gelegenheit gewesen, Grey das Leben zur Hölle zu machen. Doch obwohl viel Zeit und Mühen in Greys Ausbildung investiert worden waren, so hatte Seigi trotzdem nicht geglaubt, dass er ein besonders guter Wächter werden würde. Aber nachdem er ihm beim Trainieren unbemerkt zugesehen hatte, musste er zugeben, dass er sich geirrt hatte: Grey wusste sehr wohl, wie man mit einem Schwert umzugehen hatte und besaß einen recht außergewöhnlichen Kampfstil.

Seitdem brannte Seigi darauf, Grey in einem Kampf gegenüber zu stehen. Kein Trainingskampf, nein – einen echten bei dem ihn niemand ermahnen würde, dass er doch so nicht mit „Whites Sohn“ umgehen könnte.

Aber das würde nur dann möglich sein, wenn Grey die Seiten wechselte – und dass Grey die

Seiten wechseln würde, war genauso unwahrscheinlich, wie die Vorstellung White mit Dämonen Tee trinken zu sehen.

Seigi seufzte tief und ging durch die große Flügeltür.

 

 

Green konnte es kaum glauben, aber es schien wirklich ein… relativ normales Familientreffen zu sein, auch wenn sie der Normalität des Treffens gegenüber sehr skeptisch war. War das Lachen, das sie hier und dort am langen Tisch hörte echt und nicht gespielt? Waren es normale Gespräche die sie führten, oder vertuschen sie etwas? Niemand sprach mit ihr; es war eher so, dass man sie komplett ignorierte, als wäre sie Luft; nicht einmal ein kleiner Seitenblick wurde ihr zugeworfen. Man hatte sie neben Grey platziert, welcher wiederum neben White saß – auch sie war in ein Gespräch vertieft. Sie, Adir und Shaginai hatten die Köpfe zusammengesteckt und hielten sich aus den Gesprächen um sie herum heraus. Auch sie hatten von Green keine weitere Notiz genommen und das war auch gut so. Wenn sie hier nur herumsitzen und nichts tun sollte, war das wirklich um einiges einfacher als von ihr angenommen; einfacher, aber auch langweiliger, denn sie mischte sich nicht von sich aus in eines der Gespräche um sie herum ein. Abwesend fing sie ein paar Gesprächsfetzen auf, deren Inhalt sich für die unerfahrene Hikari nicht erschloss und hatte auch keine besondere Lust, sich in jene Gespräche einzumischen – sie wollte diesen langweiligen Nachmittag einfach schnell hinter sich haben… vielleicht konnten sie und ihre Mutter ja danach noch ein wenig miteinander reden?  

Der Nachmittag nahm allerdings eine unauffällige, jedoch entscheidende Wendung, als Grey sich bei Green entschuldigte, da eine auffällig hübsche Frau ihn zu sich winkte. Sie war wirklich sehr hübsch, wie Green bemerkte, während sie Grey dabei zusah als er sie auf seine elegante, vornehme Art begrüßte. Langes, gewelltes, seidiges Haar, reich verziert mit dezenten Blumen und sanfte, sehr weibliche Gesichtszüge. Worüber sie sich wohl unterhielten?

Da Green sie nicht so auffällig anstarren wollte, verbarg sie ihr Gesicht hinter einem der vielen, auf den Tisch verteilten Regelbüchern, weswegen sie sich auf Greys Platz setzte, um an eines heran zu kommen. Warum verteilte man auf einem Familientreffen Regelbücher, als wäre es ein spannendes Magazin? Sie sollte eine Liste über die Merkwürdigkeiten ihrer Familie machen…   

„Shaginai, das kann unmöglich dein Ernst sein!“, hörte Green Adirs Stimme plötzlich rechts von sich und wunderte sich über seinen aufgebrachten Tonfall – stritten die drei sich? Weiterhin tat Green so, als wären die heiligen Regeln das Interessanteste, was sie je gelesen hatte, obwohl das Gespräch der drei Erhabenen nun um einiges spannender war, als ein paar viel zu alte Regeln:

„Und warum sollte es nicht mein Ernst sein? Warum sollten wir nicht auch einmal einen Krieg anfangen?“

Green verlor vor Schreck fast das Buch: Krieg?! Einen Elementarkrieg gegen die Dämonen?!

„Hältst du das wirklich für das richtige Thema für ein Familientreffen?“, erwiderte Adir um einiges ruhiger als Green es getan hätte, die bemerkte, dass ihre Hände zu zittern angefangen hatten. 

„Es gibt für mich keine andere Möglichkeit mit dir ins Gespräch zu kommen; immerhin weigerst du dich, an einem Prozess teilzunehmen, Adir. Also, was hältst du von meinem Vorschlag?“ Green flehte Adir in Gedanken förmlich an, gegen den Vorschlag zu sein und ihre Gebete schienen erhört:

„Ich halte nichts von so einem Vorschlag. Seit wann ist es an uns, einen Krieg zu beginnen? Dazu kommt noch, Shaginai, dass es keine Anzeichen dafür gibt, dass unsere Feinde die Absicht verfolgen, in absehbarer Zeit den nächsten Krieg zu beginnen; der letzte Krieg liegt erst sechzehn Jahre zurück… Ich denke, damit lässt sich auch ihre Passivität zur Zeit erklären und natürlich dürfen wir auch Whites Bannkreis nicht vergessen.“ Innerlich atmete Green erleichtert auf; genau, sie planten keinen Krieg. Hoffte sie auf jeden Fall – und, passiv?! Sie fand nicht gerade, dass die Dämonen sich „passiv“ verhielten. Hatte ihre Familie überhaupt eine Ahnung davon, wie wenig Schlaf Green wegen deren angeblich so „passiver“ Art, vergönnt war?!   

„Ich bitte dich!“, erwiderte Shaginai aufgebracht;

„Sollte das Wichtigste nicht sein, dass wir dieses lästige Dämonenproblem endlich aus der Welt schaffen?! … Ich sage euch, dass sie sich aktuell zurückhalten kann sich nur um eine Falle handeln. Wir dürfen den Fehler mit Espiritou del Aire nicht wiederholen und noch einmal riskieren, dass wir so viele Wächter sterben lassen. Wer weiß ob es uns… unter den aktuellen Umständen ein weiteres Mal gelingen würde, uns aus der Asche zu erheben. Der Bannkreis meiner Tochter würde uns vor Herausforderungen stellen, aber keine unlösbaren; vielleicht würde er uns sogar ungeahnte Vorteile bieten, weshalb wir die Forschung innerhalb dieses Gebiets unbedingt fördern sollten.“ Redet es ihn doch endlich aus, dachte Green, redet es ihm aus!

„Über die Förderung lässt sich natürlich reden. Warum besprecht ihr das nicht bei der nächsten Ratsversammlung ob wir die nötigen Mittel dafür besitzen? Allerdings sollte eine solche Förderung unserer Verteidigung dienlich sein… nicht unserem Angriff, Shaginai. Auch wenn ich natürlich verstehe, warum dir das ein besonders wichtiges Anliegen ist, immerhin…“

„Damit hat das nichts zu tun“, erwiderte Shaginai mit kalter, schneidender Stimme, die Adir auch zum Schweigen brachte, weshalb sich White nun zu Wort meldete und Green dazu brachte, erleichtert aufzuatmen, denn ihre Mutter war ja wohl nicht für einen Krieg:

„Ich halte es nicht für richtig einen Krieg anzufangen, Vater, ganz gleich, wie günstig eine Lage auch für uns aussehen mag. Es verstößt gegen unseren Kodex.“ Green dankte ihrer Mutter tausendfach für diesen Einwurf, dem sich auch Adir anschloss:  

„Ich gebe White absolut Recht, Shaginai. Außerdem haben wir genug Probleme in unseren eigenen Reihen, weshalb ich eigentlich nicht verstehe, warum du ein solches Thema überhaupt besprechen möchtest...“

„Diese Probleme werden schon noch schnell genug gelöst – ist doch bereits alles in die Wege geleitet!“ Er schwieg kurz, dann fing er wieder an:

„Ich kann euch beide beim besten Willen nicht verstehen! Ist es nicht unsere Aufgabe, den Frieden zu sichern?! Dafür müssen wir halt über dieses Detail hinwegsehen, immerhin ist unser Hauptanliegen die Vernichtung unserer Feinde und wenn sich ein günstiger Moment bietet, sollten wir ihn zu nutzen wissen!“ Jetzt wusste Green woher sie ihren Sturkopf geerbt hatte…

„Vater, ich kann nicht glauben was ich da höre: was ist mit unseren Kodex „Erhebe deine Waffe nur, wenn du angegriffen wirst“? Willst du das wirklich über Bord werfen? Das wird keinen Frieden bringen, sondern das Gegenteil. Solange sie uns nicht direkt angreifen, haben wir keinen Grund es als Erste zu tun. Wenn wir anfangen sie anzugreifen, begeben wir uns auf die gleiche Stufe wie die Dämonen.“     

„White trifft es auf dem Punkt“, schloss Adir ab, doch Shaginai war nicht gewillt, klein bei zu geben; er grummelte, schwieg eine Weile und dann wurde Green eiskalt getroffen und zwar von Adir:

„Aber wir könnten herausfinden, ob die Dämonen einen erneuten Krieg planen um dieses Thema endgültig abschließen zu können… Yogosu?“

Die Pluspunkte, die Adir gerade gewonnen hatte, verlor er auch sofort wieder. Zuerst tat Green so, als hätte sie es nicht gehört um nicht den Eindruck zu wecken, dass sie gelauscht hatte und reagierte erst, als Adir sie ein weiteres Mal direkt ansprach. Sie sah auf, legte das Buch beiseite und sah aufmerksam in seine Richtung – plötzlich war es außerordentlich ruhig geworden; alle hatten ihre eigentlichen Gespräche unterbrochen, als hätten sie alle nur auf das gewartet, was jetzt passieren würde. 

 „Deine „Freunde“ sind meinen Informationen nach Dämonen?“ Zwar sah Green es nicht, da ihr Blick auf Adir gerichtet war, doch sie konnte Grey förmlich erblassen sehen.

Halbdämonen“, korrigierte Green und führte aus:

„Aber ja, sind sie.“ Adir deutete ein gleichgültiges Zucken mit den Schultern an, ehe er antwortete:

„Das ist nicht von Belang. Ein Wesen, durch dessen Adern mehr als 20% Dämonenblut läuft, wird als solcher kategorisiert.“ Green sagte dazu nichts und er fuhr fort:

„Kann ich dir eine Frage stellen?“ Adir faltete seine Hände und stützte seinen Kopf auf diese; er hatte ein ruhiges Lächeln auf dem Gesicht, aber die Stimmung war zum Zerreißen gespannt, weshalb Green überrascht war, dass sie nicht nervös wurde; es fiel ihr nicht schwer, ihm zustimmend zuzunicken.  

„Ist dir dank deiner „Freunde“ zu Ohren gekommen, ob die Dämonen einen neuen Elementarkrieg planen?“   

„Wir reden sehr selten über dieses Thema“, antwortete Green wahrheitsgemäß und hielt seinem Blick stand, die Umgebung ausfilternd, weshalb sie auch nicht bemerkte, wie die Hikari unter sich Blicke austauschten. Hizashi hatte einen Notizblock herausgeholt, wurde aber von Mary von seinem Vorhaben abgebracht indem sie den Kopf schüttelte und ihn mit einem vorwurfsvollen Blick bedachte, während Seigi ein schadenfrohes Grinsen an Grey sandte. Dieser bemerkte es jedoch nicht – er war zu angespannt. Auch Shaginai hatte großes Interesse an dem Gespräch; nur White verbarg ihre Unruhe.

„Aber du könntest es herausfinden…“, bemerkte Adir mit ruhiger Stimme, sich scheinbar nicht von Greens nun leicht finstererem Blick aus der Ruhe bringen lassend.

„Was verlangt Ihr von mir? Das ich meine besten Freunde ins Kreuzverhör nehme?“

„Das sind nicht deine Freunde, sondern deine Feinde!“, brach es aus Shaginai heraus und er schien noch mehr sagen zu wollen, doch Green fiel ihm ins Wort:

„Ich weiß, dass Dämonen meine Feinde sind! Aber Gary und Sibi sind anders. Sie würden mich niemals verletzen! Sie beschützen mich auch oft! Wir erledigen die Dämonen zusammen, gehen gemeinsam zur Schule, essen gemeinsam zu Abend und lernen zusammen!“ Diese förmlich aus Green heraus gesprudelten Worte lösten unerwartet eine Welle von Fragen aus, auf die sie gar nicht vorbereitet war:

 „Sie beschützen eine Hikari?“

 „Was soll daran schon unnormal sein? Es ist immerhin allgemein bekannt, dass Dämonen sich gegenseitig umbringen.“

„Wohl wahr.“

„In Lights Namen! Wie ist eine solche Denkweise nur möglich…!“    

„Dämonen besuchen eine menschliche Schule?“

„Vielleicht liegt es daran, dass sie Halbdämonen sind?“

„Die Vorstellung, dass eine Hikari am gleichen Tisch zu Abend isst wie Dämonen…“

„Stell dir das lieber nicht vor.“

Ein Räuspern Whites brachte die aufgeregten Hikari zum Schweigen; ein Schweigen welches allerdings nur kurz anhielt, ehe die Fragen sich nun direkt an Green richteten, die nun gezwungen war, eine Frage nach der anderen zu beantworten. Jede Frage reizte Green mehr, doch sie befahl sich selbst, ruhig zu bleiben – ihr war bewusst, dass ein Wutausbruch das Schlimmste war, was jetzt passieren konnte. Aber es war schwer, sehr schwer.

Shaginai lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und beobachtete fast schon genüsslich das Schauspiel, das sich ihm bot. Er sah seiner Enkelin förmlich an, dass sie sich nicht mehr lange zurückhalten können würde und ob sie nun die Beherrschung verlieren würde oder nicht; mit  jedem kleinen unnormalen Wort aus ihrem Mund schaufelte sie ihr Grab tiefer. Es war nicht einmal nötig, dass er eingreifen musste, denn sie kreidete ihre Fehler schon selbst an. Jeder, der noch so sehr für eine friedliche Lösung plädiert hatte oder jene, die sich schlichtweg geweigert hatten zu glauben, dass eine Hikari eine auf Sympathie beruhende Bindung zu Dämonen aufbauen konnte, wurde mit jedem weiteren Wort davon überzeugt, wie unnormal dieses Mädchen war… und dass die Gefahr, die von ihr ausging, real war.   

Adir wandte sich tief seufzend von dem Schauspiel ab und warf einen verstohlenen Blick zu Shaginai, dem das ganze ohne Zweifel sehr zusagte. Adir, durch und durch ein sehr familienbewusster Wächter, konnte Shaginais Verhalten nicht verstehen – dieses komische Mädchen war immerhin seine Enkelin; sein eigen Fleisch und Blut und keine weit entfernte Verwandte. Natürlich war auch Adir gegen Unreinheit  und er konnte auch nicht gerade von sich behaupten, dass er Green sympathisch fand, aber seiner Meinung nach waren die Sonderregeln einen Schritt zu weit in die Radikalität gegangen – und diese Radikalität war es, die für weitere Probleme sorgte, indem sie die Familie der Hikari in zwei Lager teilte.

Adir konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass dieses Mädchen den ganzen Aufwand überhaupt wert war… ihre Aura war überaus schwach und er konnte sich nicht vorstellen, dass sie mangelnde Lichtmagie mit Können ausglich und wenn sie sterben würde, dann kam sie wegen ihrer offensichtlichen Unreinheit nicht ins Jenseits. Die Gefahr, die Shaginai und jene in ihr sahen, die auf Shaginais Seite waren, sah Adir nicht und das war auch der Grund, weshalb er sich weigerte an den aktuellen Ratsversammlungen teilzunehmen – es war ihm zu blöd.    

Green riss sich außerordentlich zusammen um auch ja höflich auf alle Fragen zu antworten, die ihre Familie ihr stellte; eine Frage nach der anderen beantwortete so kurz angebunden wie möglich und als ihre Familie schwieg, hoffte sie, dass sie die letzte Frage beantwortet hatte, doch dann wurde die alles entscheidende Frage gestellt:  

„Wie kannst du dir so sicher sein, dass sie dich nicht einfach nur ausnutzen, um an Informationen zu gelangen?“ Green empfand diese Frage so simpel, dass ihre aufgestaute Wut fast schon abflaute.

„Aus einen sehr einfachen Grund: Weil ich ihnen vertraue.“

„Du vertraust Dämonen?“ Green lächelte, errötete sogar ein wenig, wirkte ein wenig überrascht über ihre eigenen Worte, sagte sie aber dennoch mit liebenswerter Entschlossenheit:

„Es hat nichts mit der Tatsache zu tun, dass sie Halbdämonen sind. Wir sind Freunde… Nein, wir sind mehr. Ich würde meine Hand für sie ins Feuer legen.“ Das Geräusch eines umstürzenden Stuhls ließ alle Hikari zu Shaginai blicken, inklusive Green, deren Lächeln ernst geworden war. Shaginai war wütend aufgesprungen, fast so als wäre Greens Wut auf ihn übergegangen. Wutentbrannt durchbohrten seine stählernen Augen sie und es gelang ihm nur mit Mühe, seine Stimme unter Kontrolle zu halten:

„Wie kannst du es wagen, solche Worte als Hikari zu sagen! Wie kannst du es wagen, solche Worte hier zu sagen! Besitzt du denn kein Schamgefühl!?“

„“Schamgefühl“?!“, wiederholte Green mit brodelnder Stimme, Shaginais Blick erwidernd, während Grey sich am Liebsten die Hände über den Kopf zusammengeschlagen hätte  – warum mussten ausgerechnet die beiden aneinander geraten!? Er hatte es ja schon befürchtet… hatte es als unvermeidlich gesehen… aber warum beim ersten Treffen?

„Ich soll mich schämen, dass ich Freunde habe?!“

„Wenn du auch nur einen Funken Stolz als Hikari in dir besitzt, dann solltest du dich tatsächlich schämen, solche Wesen als „Freunde“ zu betiteln!“ Green wurde plötzlich ruhiger; ihre Wut schien zu erkalten und sie wählte ihre Worte bewusst, als ihr plötzlich wieder durch den Kopf schoss, dass ihr eigener Großvater sie eine Missgeburt nannte und genau deshalb sprach sie ihn mit folgendem Wort an:

 „Großvater…“ Shaginai zuckte bei diesem Wort so heftig zusammen als hätte sie ihn geschlagen, doch Green ignorierte es und fuhr fort:

„Du hast vollkommen Recht! Ich bin nicht stolz darauf eine Hikari zu sein. Warum sollte ich das auch? Ich will kein Leben, in welchem ich nicht einmal selbst bestimmen darf, welche Farbe ich trage, was ich denke und welche Freunde ich hab! Das nenne ich nicht „leben“! Ich lebe allein für mich, nicht für die Menschheit und auch nicht für euch! Deshalb werde ich nicht darum betteln, von euch akzeptiert zu werden. Es ist mir nämlich ehrlich gesagt gleichgültig, was ihr von mir denkt. Ich bin nun mal „unrein“ – und verdammt stolz drauf!“ Shaginai war bei jedem Wort bleicher geworden. Doch nicht nur er, so gut wie alle Hikari starrten Green entsetzt an, als wäre sie das leibhaftige Unheil.

Erschöpft und sichtlich schockiert sank Shaginai in sich zusammen und brauchte einen Moment um sich wieder zu sammeln – dann brüllte er:

„…Raus. Verschwinde! RAUS!“

Green sagte dazu nichts, sondern stand einfach nur auf und verließ den Raum.

 

 

Keiner der Hikari sagte oder tat etwas; Grey war der Erste, der sich rührte, als er den Raum verließ um Green hinterherzurennen; sie alle waren zu schockiert von dem, was sie eben gesehen und gehört hatten und niemand bemerkte, wie Whites Hände zu zittern begannen, als sie sich langsam zu ihrem Kopf hoben, zuckten – um sich dann mit aller Macht ihrer kleinen Porzellanhände die Ohren zuzuhalten.

Es herrschte absolute Stille im Raum, doch in Whites Kopf dröhnte es. Die Melodie… die Melodie… die verfluchte Melodie; lange verdrängt, lange erfolgreich verdrängt – doch jetzt brachte sie ihr ganzes Sein zum erzittern.

 

Die Nocturne.

 

Sie hörte wieder jeden Ton, so klar, so klar, als wäre es erst gestern gewesen, als sie in ihr Sein eingebrannt worden war; wieder, begleitet von dieser schrecklich traurigen Melodie der Nocturne, sah sie die in sich eingesperrten Bilder der Vergangenheit – und ganz deutlich, angeregt durch die in ihr wiederhallenden Klänge der Nocturne und Greens leidenschaftlichen Worten… sah sie ihn jetzt wieder ganz deutlich vor sich.

Das strahlende Himmelblau seiner Augen; so aufrichtig, so lebensfroh – und die Worte die Greens so sehr ähnelten:

 

„Ich versteh Euch nicht, White-sama!“

„Selbstverständlich versteht Ihr mich nicht. Wie solltet Ihr auch? Ihr seid nun mal kein Hikari. Auf Euch lastet nicht das Schicksal des Wächtertums! Dies ist mein Leben, meine Welt… und ich bin zufrieden damit.“

„Dies nenne ich nicht „leben“! Ihr wisst doch gar nicht, was das Wort „leben“ überhaupt bedeutet.“     

 

Wie konnte das nur möglich sein? Wie konnte Green ihm nur so ähnlich sein, obwohl sie keine Blutverwandtschaft mit ihm aufwies und ihn auch niemals kennen gelernt hatte?

 

Wie konnte Green Kanori so ähnlich sein?!  

 

 

Erschöpft lehnte sich Green an die Wand vor der großen Flügeltür und sah in das unendliche Nichts der weißen Decke – sie hatte eigentlich geglaubt, dass sie sich besser fühlen würde, wenn sie ihrer Familie die Leviten lesen würde, doch irgendwie… fühlte sie sich nicht sonderlich erfreut. Es war ihr egal, was ihre ganzen Vorfahren von ihr dachten – und es war ihr auch egal, dass sie sie jetzt alle verärgert hatte, aber dennoch hätte sie sich für Grey und White zurückhalten sollen, denn sie machte den beiden damit Probleme, die sie nicht verdient hatten. Aber hätte Green ihre Freunde verleugnen sollen? Nein, auch wenn Green noch „neu“ auf dem Gebiet der Freundschaft war, so war sie fest davon überzeugt, dass man die Personen, die man Freunde nannte, niemals verleugnen durfte.

Aber vielleicht hätte sie weniger radikale Worte nutzen sollen…

Sie sah auf, als die Flügeltür aufging und Grey auf sie zusteuerte. Kurz vor ihr blieb er stehen und die beiden Geschwister blickten kurz in die blauen Augen des jeweils anderen, ehe Green leicht beschämt wegsah; keiner von ihnen sagte etwas und schweigend ließ sich Green zu Boden rutschen, während Grey sich wie sie vorher an die Wand lehnte.  

„Entschuldigung…“, flüsterte Green kaum hörbar. Grey sah zu seiner Schwester herunter und seufzte kaum hörbar:

 „Schon gut…“ Was sollte Grey schon dazu sagen? Er konnte ihr nicht sagen, dass sie gerade ihr Schicksal besiegelt hatte und sich lieber bei sich selbst entschuldigen sollte, als bei ihm.

Green bemerkte jedoch an seinen Blick – und an der Stimmung – dass er eigentlich etwas anderes hatte sagen wollen, doch es gelang ihr nicht mehr zu antworten, denn die Tür öffnete sich ein weiteres Mal und heraus kamen die Hikari, die alle an ihr vorbei gingen, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Nur Seigi hob kurz die Hand zum Gruß und Green hätte  schwören können, dass Shaginai ihr einen zutiefst verächtlichen, aber auch triumphierenden Blick zugeworfen hatte.

Als Letzte verließ White den Raum. Sofort sprang Green auf die Füße und Grey federte sich von der Wand ab, obwohl sie keines ihrer beiden Kinder ansah, als sie auf sie zuging, fast so, als wäre sie mit ihren Gedanken gänzlich woanders.  

Green blickte auf ihre Füße und wartete darauf, dass ihre Mutter etwas zu ihr sagen würde; etwas Zurechtweisendes, vielleicht enttäuschte Worte  –  doch das tat sie nicht. Gerade, als Green sich einfach auch bei ihr entschuldigen wollte, umarmte White Green plötzlich und völlig unerwartet.

Green war absolut sprachlos. Das… das war ihre erste, mütterliche Umarmung – sie wusste gar nicht, wie sie reagieren sollte; durfte sie sich freuen, obwohl sie Mist gebaut hatte?

Doch dann bemerkte Green etwas, was ihre Freude sofort verrauchen ließ:

Ihre Mutter weinte.

Hilfesuchend sah Green zu ihrem Bruder, doch auch er sah aus, als müsste er die Tränen zurückhalten – was… was war denn nur los?    

White sagte etwas, doch es fiel Green schwer, sie zu verstehen, da die Stimme ihrer Mutter abgehackt war und von Greens Körper teilweise verschluckt wurde. Aber White wiederholte es; immer die gleichen Worte, weshalb ihrer Tochter deutlicher und deutlicher bewusst wurde, was ihre Mutter sagte:

„…Es tut mir Leid… Es tut mir Leid…. Es tut mir Leid…“  

 

 

                                               


Nachwort zu diesem Kapitel:
Falls das Kapitel noch rechtzeitig online kommt, wünsche ich allen, die das hier lesen, ein Frohes Weihnachtsfest - und natürlich einen guten Rutsch ins neue Jahr :> ♥

Und nochmal einen extra dank an Cleo-San die das Kapitel wirklich toll und schnell ge-betat hat, so, dass dieses Jahr noch ein Kapitel online kommen kann. Dann folgt jetzt nur noch eins - und dann sind wir fertig mit der ersten Staffel ♥!

Viel Spaß beim Lesen :> Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Crimson-Butterfly
2014-11-16T13:43:46+00:00 16.11.2014 14:43
Okay, da wollte ich diesmal wieder die Kommentare teilen, weil ich mir nicht sicher war, dass ich beide getippt bekomme, bevor ich kochen muss, und dann vermisch ich die Kapitel in meinen Gedanken so, dass ich schon alles zu Seigi im letzten Kommentar gesagt habe, obwohl das meiste erst in diesem Kapitel drankommt - FAIL!

Nun hat Green also aus erster Hand erfahren, was ihr Großvater wirklich von ihr hält - und auch gleich noch mit dem schönen Wort "Missgeburt". Genau aus dem Grund war es meiner Meinung nach ja auch immer eine schlechte Idee, Green in dieser Hinsicht anzulügen. Klar, es wäre ganz gewiss auch nicht schön gewesen, ihr von Anfang an mitzuteilen, dass ihr Großvater sie am liebsten tot sehen würde, aber, ganz ehrlich, WANN hört man das schon gerne? Ich glaube, für eine solch nette Nachricht gibt es nie den richtigen Zeitpunkt. Zumindest den Hass ihres Großvaters hätte Grey am besten doch schon so deutlich erwähnt, auch wenn er das mit dem Umbringen noch verschwiegen hätte. So, wie es jetzt gelaufen ist, war es eher... unglücklich. Green ist eh schon nervös ohne Ende und dann sowas direkt vor dem Treffen... *seufz* Und Seigi ist natürlich auch noch taktlos genug, die Sonderregeln zu erwähnen, auch wenn Green noch nichts damit anfangen kann.
Wofür hat man Green überhaupt zu dem Treffen eingeladen, wenn nun keiner mit ihr spricht? Kaum haben die anderen Hikari gesehen, wie Green aussieht, reicht das auch schon aus, um ihr Vorurteil über sie zu bestätigen, oder was? Diese Familie wird auch echt immer sympathischer, kein Wunder, dass Green lieber Gary und Sibi als ihre Familie bezeichnet, die haben weitaus mehr für sie getan und akzeptieren sie so, wie sie ist. Außerdem sind Regelbücher bei einem Familientreffen auch nicht gerade sympathisch...
Eben war noch die Rede davon, dass immer die Dämonen den Krieg eingeläutet haben, schon erfahren wir von Shaginais nettem Plan. Also, die Wächter können ja noch so oft darauf herumhacken, dass die Dämonen das pure Böse sind, unschuldig sind ist das Wächtertum wohl bei weitem auch nicht. Außerdem muss ich Green Recht geben, die Dämonenangriffe kommen auch nichts aus dem nichts, da muss doch irgendwie mehr dahinter stecken. Vorallem, da ja schon so oft betont wurde, dass sie hauptsächlich Green verletzen wollen.
Ich finde, Green hat ihre Sache trotz ihres Austickens am Ende gut gemacht. Mehr kann man von ihr wirklich nicht erwarten, wenn sie erst ignoriert und wie eine Aussätzige behandelt und dann auch noch so provoziert wird. Zu seinen Freunden zu stehen und sie nicht bei nächster Gelegenheit ans Messer zu liefern, sollte doch eigentlich etwas positives sein, auch für die Hikari? Aber das Wörtchen "Dämon" negiert für die Hikari ja immer gleich alles...
Ohhh~, Nocturn taucht zum ersten Mal aus, wenn auch nicht wirklich. Ich finde es aber erzähltechnisch mal wieder sehr gut, dass du schon so früh etablierst, wie sehr er Whites Leben ruiniert hat, dass es sie jetzt noch so sehr verfolgt. Ich kann es kaum erwarten, die ganze Geschichte über die zwei zu erfahren und überhaupt mehr über Nocturn. Er ist mit seinem Wahnsinn einfach für mich so ein interessanter Charakter, denn er wird ja sicher nicht ohne Grund so wahnsinnig sein, da wird es irgendeinen Auslöser in seinem Leben gegeben haben.
Interessant, dass Green Kanori so ähnlich in ihrer Lebenseinstellung zu sein scheint, obwohl er nicht ihr Vater ist, da möchte ich natürlich auch gleich mehr über ihn erfahren.
Aww, die Szene am Ende mit White und Green war mehr als herzzerreissend ;___;
Von:  Mona-Kaiba
2014-02-01T14:31:45+00:00 01.02.2014 15:31
Es hat zwar eine gefühlte Ewigkeit gedauert… (wenn ich mir überlege, dass ich die ersten 50 Kapitel vom Original damals in drei Tagen durchgelesen hatte V.V), aber ich bin endlich beim aktuellsten Remake-Kapitel angekommen. Und es geht auch gleich heiter weiter bei den Hikari…

Ach Seigi, wahrere Worte sind vermutlich noch nie im Jenseits gesprochen wurden. Aber vermutlich ist Seigis Art zu denken und zu handeln auch stark davon beeinflusst, dass er ja zunächst gar nicht der oberste Hikari war. Er ist vermutlich ein bisschen lockerer aufgewachsen.
Die Leiche in Whites Keller hat ein anderes Kaliber, Seigi…
Adir ist ja offenbar eine sehr autoritäre Persönlichkeit, wenn selbst Seigi Respekt vor ihm hat, aber für Shaginai reicht es dann wohl doch nicht.
Vor allem NUR 741 Jahre. Als wäre das nichts.
Ich bin normalerwiese niemand, der so etwas erwähnt, aber der Satz ist irgendwie etwas verunstaltet: „Und dann griffen die Dämonen 136 Jahre später wieder an. Der Aktuellste ging vor sechzehn 16 Jahren zu Ende – eindeutig zu unseren Gunsten uns.“ Nur damit du es weist.
Die Aussage ist nicht Zweifelhaft, sie ist ehrlich. Die erhabenen drei sind diejenigen, die das Meiste zu sagen haben. Mag ja sein, dass sie auch besonders mächtig sind oder zu Lebzeiten viel geleistet haben, aber das eine, schließt das andere ja nicht im geringsten aus, eher im Gegenteil.
Ich glaube das ist das erste mal, dass Grey keine Möglichkeit findet, etwas was die Hikari tun – oder ein Hikari, ist ja schließlich „nur“ Shaginai“ – schön zu reden. Tja, bei dem Idiot gerät wohl selbst sein heiß geliebter Enkelsohn an seine Grenzen.
*lol* Oh weh. Wenn du wüsstest, lieber Seigi, wie oft White schon mit einem Dämonen Tee getrunken hat XD

Ich weiß wirklich nicht, wo der Sinn darin ist, Green zu dem Treffen einzuladen und dann nicht einmal mit ihr zu reden. Reicht schon ihr Erscheinungsbild, um zu bestätigen, dass sie eine Gefahr für die Hikari ist? O.o
Offenbar hat Grey Green nicht richtig erklärt, wie viele Dämonen es gibt, wenn sie glaubt, dass sie sich nicht passiv verhalten, nur weil ein paar davon sie angreifen.
Leider muss ich sagen, dass der Punkt an Shaginai geht. Hätten die Wächter zuerst angegriffen, während ihren vermutlich die vielen toten vom Beginn des 8. Elementarkrieges erspart geblieben – also, natürlich nicht alle, aber einige davon.
Für mich hat sich schon zu Beginn des Gespräches die Frage gestellt, ob Shaginai nicht bewusst dieses Thema gewählt hat, um Green in eine Situation zu bringen, in der sie über ihre Einstellung gegenüber Dämonen reden muss. Sähe ihm ähnlich, so vor zu gehen.
Sehr schön, das erste Treffen von Shagi und Green war wahrlich… eine Katastrophe. Aber es war ja von Anfang an nicht anders zu erwarten. Shaginai hat es ja darauf angelegt. Und wenn zwei Sturköpfe zusammen treffen, endet das selten Friedlich.

Wird ja auch Zeit, dass White Green endlich mal umarmt. Das arme Ding hat so viele Jahre gelitten und ihr Leid wird noch lange nicht enden, da sollte sie sie so lange in den Armen halten, wie sie nur kann.
Der fairnesshalber, zu Whites Verteidigung (selten, dass ich für sie Partei ergreife…), ist der ganze Ärger ja nun weiß Gott nicht ihre Schuld. Und das schlimme daran ist; es ist auch nicht wirklich Shaginais Schuld. Der Eigentliche Schuldige an dem Desaster ist Inceres. Und auf einmal frage ich mich: Hat er sich eigentlich jemals direkt bei Green entschuldigt, für das, was er getan hat?
Von:  Keiko-maus
2014-01-15T18:41:59+00:00 15.01.2014 19:41
Seigi xD Du bist schon lustig xD Erzählst du Green tatsächlich, dass ein Hikari lernen muss, wie man Regeln umgeht ohne sie zu brechen... oje, stelle sich einer den als Vater vor^^" Wäre bestimmt lustig geworden xD
Ach Adir, bei Seigi ist doch Hopfen und Malz verloren x'D Der wird sich weiter mit Blacky streiten und die Regeln gewissenhaft umgehen^^ Aber nett, dass du es dennoch (mal wieder) versuchst^^
Ach Seigi^^ Indirekt hat White irwie doch schon mit Dämonen Tee getrunken ö.ö *lach*

Ich glaube Green und Kanori hätten sich prima verstanden^^ Zu schade nur, dass das eien Wunschvorstellung ist, die es nicht geben kann, denn wäre Kanori noch am leben, dann gäbe es Green nicht ;.; Irwie traurig *schnief*
Was mich mal wieder daran erinnert, dass ich wissen will, wer Greens Vater ist xDD

Also in dem Kapitel waren unglaublich viele Fehler ö.ö
Von:  Vreni
2014-01-02T17:15:24+00:00 02.01.2014 18:15
ich finde Green hat sich ganz gut gemacht, mehr kann man nicht verlangen. Und irgendwann platzt eben dann doch mal der Geduldsfaden. So ist sie eben. Und es ist doch gut, für Freunde einzustehen. Wenn die Hikari sie nicht fast ihr ganzes Leben allein gelassen hätten, dann wäre vielleicht alles anders gekommen. Aber so brauchen sie sich jetzt nicht darüber beschweren, dass sie andere liebere Menschen(oder eben auch mal Halbdämonen) für sich als Vertraute gefunden hat.

Jetzt gibts sicher erstmal ganz schön wilde Diskussionen und Green ist voll das Stadtgespräch im Jenseits xD
Von:  KiraNear
2013-12-27T00:51:23+00:00 27.12.2013 01:51
Das ist wieder mal ein richtig tolles Kapitel^^
Find es gut, dass sie sich für ihre Freunde eingesetzt hat. Ich hoffe, dass es keine allzuschweren Konsequenzen für sie haben wird >_<
Aber dass sie ihm so die Meinung geigt, damit hätte ich nicht gerechnet.

Btw, dir auch einen guten Rutsch ins neue Jahr^^


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