Himitsu no Mahou von AimaiLeafy ================================================================================ Kapitel 9: Der Freundschaftsrabatt ---------------------------------- Es war für Green früher ganz normal gewesen, die freien Sonntage mit ihrer Ziehfamilie zu verbringen; wenn diese sich denn in Japan aufhielt, denn die Minazaiis waren in der Welt zu Hause. Doch nun war es ein merkwürdiges Gefühl sich in dem pompösen Haus der Minazaiis aufzuhalten und das, obwohl sie mehrere Jahre unter diesen teuren Decken gelebt hatte und nach wie vor noch jeden Winkel des gewaltigen Hauses kannte. Es war auch nicht das Haus, welches sich ihrer Kenntnis entzog, es waren viel eher seine Bewohner, die auf einmal befremdlich auf sie wirkten, obwohl sie sie eigentlich kennen sollte. Sie konnte nicht genau sagen, woher das Gefühl stammte… doch sie fühlte sich fremd, als würde sie nicht mehr zu dieser normalen menschlichen Welt gehören. Kaum, dass Green dies beim Frühstück dachte, verdrängte sie den Gedanken sofort wieder – sie war immer noch ein Mensch, egal, wie Pink sie nennen mochte. Die Familie der Minazaii war eine große, fast nur aus Frauen bestehende Familie, welche überall auf der Welt verteilt war. Die zwei jüngsten Geschwister, die Zwillinge Minako und Hinako, gingen beide auf ein Internat in England, während die ein Jahr ältere Schwester von Sho, Fumiki, Wirtschaftsökonomie in den Vereinigten Staaten studierte und die Älteste war in Italien als Informatikstudentin zu Hause. Wenn die Eltern nicht mit ihrer Softwarefirma beschäftigt waren, flogen sie auf der Welt umher, um ihre Mädchen zu besuchen; wie auch an diesem Sonntag, an welchem Akiko, die Mutter der Mädchen und Greens Adoptionsmutter, mal wieder in Japan war, um Sho – und Green, zu besuchen. Sie war alleine gekommen und würde auch nach dem Frühstück wieder fliegen, denn sie müsse einen Auftrag in China unter Dach und Fach bringen, wie sie es so schön formulierte. Im gleichen Atemzug erzählte sie ihren beiden Töchtern, dass sie erst im neuen Jahr wieder in Japan sein würde, denn sie würde Weihnachten bei Fumiki in den Vereinigten Staaten verbringen. „Ihr könnt natürlich beide mitkommen“, sagte Akiko und legte ihre Stäbchen beiseite, während Green unruhig auf ihrem Sitzkissen hin und her rutschte; die Tatsache, dass sie im japanischen Teil des Anwesens frühstückten, verfluchend: Sie mochte es nicht auf Knien zu sitzen, schon gar nicht beim Essen. Obwohl sie nun schon so viele Jahre in Japan lebte, fiel es ihr einige Male wirklich schwer, sich mit der japanischen Tradition und Kultur zu identifizieren, so gerne sie es auch wollte. Zum Glück bemerkten weder Sho noch Akiko Greens inneres Stöhnen über die Sitzposition, denn sie wollte nicht, dass man auf sie Rücksicht nahm, immerhin hatte sie ihr altes Land und die damit verbundene Kultur hinter sich gelassen. „Ach was, Ka-san, Green und ich bekommen schon ein alleine ein Weihnachtsfest auf die Beine gestellt. Da musst du dir gar keine Sorgen machen!“ Als Sho dies verkündete, sah Green sie skeptisch von der Seite an, die Essstäbchen noch im Mund habend: Von diesen Plänen hatte sie aber bis jetzt noch nichts gehört und sie wusste auch nicht gerade, ob sie so begeistert war von dieser Idee. Irgendwie witterte sie, dass Sho etwas Bestimmtes damit bezweckte. „Ihr beide alleine an Weihnachten?“, begann Akiko, sie beide misstrauisch ansehend, obwohl es deutlich war, dass das Misstrauen eher Sho galt, denn natürlich kannte sie ihre Tochter genauso, wie auch Green es tat: „Was hast du vor, Shoyoki?“ Breit grinste das Mädchen und lehnte sich rüber zu Green, wo sie ihre Hände auf ihre Schultern legte: „Nichts als ein schönes Weihnachtsfest!“ „Du weißt, dass James über die Feiertage frei hat, nicht wahr, Shoyoki?“ Über die Einwände, dass sie keinen Butler hätte, der sie über die Feiertage hinweg würde umsorgen können, lachte Sho nur; was Green noch skeptischer machte, denn die Kochkünste ihrer Adoptivschwester reichten vom Gefrierschrank bis zur Mikrowelle. „Das macht gar nichts; ich bin mir sicher, dass Green uns schon was Feines herzaubern wird.“ „Kein Männerbesuch.“ Akiko hatte natürlich sofort ins Schwarze getroffen, wie ein peinliches Schweigen umgehend bewies. Dennoch beeilte sich Sho, alle unausgesprochenen Vorwürfe von sich zu schieben und ihrer Mutter zu versichern, dass sie nichts derlei im Sinn hatte. Akiko glaubte ihr nicht; aber als Green ihrer Adoptivmutter ihr Wort gab, dass sie schon auf Sho aufpassen würde, vertraute sie darauf. „Es gibt da noch etwas, was ich mit euch besprechen möchte“, wechselte Akiko nun das Thema lächelnd: „Hinako wird euch ein halbes Jahr lang besuchen, da sie hier ein halbes Jahr als Austauschstudentin bleiben wird. Sie hätte ihr Auslandsstudium natürlich auch woanders machen können, aber sie hat gesagt, sie würde ihr Heimatland vermissen – und euch natürlich.“ Da konnte Green nur von Gegenseitigkeit sprechen, denn Hinako, oder eher Firey, wie sie von Green und Sho aufgrund ihres hitzigen Temperaments genannt wurde, war von den vielen anderen Minazaii-Schwestern die einzige, mit der Green einen engeren Kontakt hatte und daher freute sie sich über diese Nachricht. Besonders als Akiko verkündete, dass Firey bereits zu Weihnachten kommen würde – und dass sie natürlich auf ihre jüngere Schwester aufpassen sollten. „Bei uns ist Firey in den besten Händen überhaupt!“   Der Fahrstuhl war mal wieder kaputt – dieses Schild verspottete Green, als sie in die kleine Eingangshalle ihres Wohnblocks gelangte, nachdem sie sich von der Familie Minazaii verabschiedet hatte. Dank ihrer Sportlichkeit kam sie nicht aus der Puste, als sie die sieben Stockwerke hinter sich ließ, die sie zu der Etage führten, auf welcher sich ihre Wohnung befand – wo sie bereits erwartet wurde: „Sibi! Was machst du denn hier?“ Der Rotschopf lehnte mit seinen Ellenbogen am Treppengeländer und grinste sie erfreut von oben an, während Green die letzten Stufen nahm, um auf der siebten Etage anzukommen. „Ach, mir war nach dem Umzug langweilig und da dachte ich mir, dass ich hier auf dich warte.“ Für einen Moment wusste Green nicht, wovon er sprach, bis ihr wieder einfiel, dass der Rotschopf ja am Vortag verkündet hatte, dass er von nun an bei seinem Bruder gleich neben ihr wohnen würde. „Ihr seid ja ganz schön schnell – und das, obwohl der Fahrstuhl kaputt ist. Oder habt ihr den etwa auf dem Gewissen?“ Siberu grinste unschuldig und hob erklärend den Zeigefinger, welchen er hin und her bewegte als er antwortete: „Green-chan, mache niemals den Fehler und unterschätze uns Dämonen. So ein kleiner, mickriger Umzug ist doch überhaupt kein Problem für uns!“ „Ich hatte total vergessen, dass du nun neben mir wohnen wirst“, erwiderte Green gleichgültig klingend und ohne auf seine Worte einzugehen: es machte viel zu viel Spaß ihn zu ärgern und es gelang ihr offensichtlich auch, denn Siberu sah ein wenig beleidigt aus. Sich davon allerdings nicht beeindrucken lassend entgegnete er grinsend, dass sie nun herrlich viel Zeit miteinander verbringen könnten – sie könnten diese wunderschöne Zeit ja gleich mit Eisessengehen einläuten lassen. Doch Green lehnte umgehend etwas kühl ab: „Bild dir nicht zu viel darauf ein, dass ich dich wieder „Sibi“ nenne. Das bedeutet nämlich nicht, dass ich mich wieder auf dich einlasse.“ Obwohl ihr Blick ungerührt war, brachte es Siberus Grinsen nicht zum Erfrieren – stattdessen verformte es sich zu einem schalkhaften, selbstsicheren Lächeln. „Alles andere wäre ja auch langweilig.“ Greens Stirn runzelte sich vorsichtig, doch dieser Ausdruck hielt nicht lange, ehe er einem überraschten wich, als Siberu plötzlich beide Arme um ihren Körper schlang, um die verwirrte Wächterin stürmisch an sich zu drücken. Doch bevor er diese liebende Geste mit Worten untermalen konnte, öffnete sich die ihnen am nahesten gelegene Tür. „Werden wir die Nachhilfe heute im Treppenhaus abhalten?“ Hastig wimmelte Green sich Siberu vom Leib, ein wenig errötend, denn sie wollte nicht, dass Gary oder irgendjemand anderes auf die Idee kam, dass sie nichts aus ihrer Lektion mit dem Rotschopf gelernt hatte. Doch so schnell ließ sich Siberu nicht abwimmeln und schon schob er Green förmlich in die Wohnung der beiden, unter dem augenrollenden Blick seines großen Bruders, da ihm natürlich klar war, dass Siberu sich herzlich wenig für die Nachhilfe Greens interessierte. „Soll ich dich herumführen?“, fragte er euphorisch, während die Wächterin ihre Schuhe auszog und in blaue Hausschuhe schlüpfte. „Sibi, diese Wohnung ist genauso aufgebaut wie meine; da gibt es wohl kaum etwas zum Zeigen. Außerdem war ich hier schon mal.“ Sofort schielte Siberu seinen Bruder anklagend von der Seite an und grinste: „Ach, mein Aniki hatte Mädchenbesuch?“ Den kleinen Anflug von Röte verdrängend ignorierte Gary Siberus neckischen Kommentar, indem er ihn darauf hinwies, dass er doch nun bitte in sein Zimmer verschwinden möge, damit sie sich der Nachhilfe widmen konnten: „Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass du an Algebra interessiert bist.“ „Nein, nicht wirklich. Aber Green-chan kann ja zum Abendessen bleiben!“ „Welches Abendessen denn?“, fragte Gary seinen kleinen Bruder verwundert, doch sofort wurde sein Blick misstrauisch: „Wenn du glaubst, nur weil wir jetzt zusammen hier leben, dass ich dich dann bekoche, dann liegst du falsch. Für deine Ernährung bist du selbst zuständig.“ „Als ob ich etwas von dir essen würde! Du kannst doch gar nicht kochen. Wahrscheinlich hast du die ganze Zeit von Instantnudelsuppe und Sandwiches gelebt.“ Der leichte Anflug von verräterischer Röte auf Garys Gesicht sagte Green, dass Siberu mit dieser Vermutung gar nicht so falsch lag. „Nein, ich meinte natürlich, dass Green-chan was kocht. Du hast mir doch erzählt, dass du gut kochen kannst, oder, Green-chan? Du hast mich neugierig gemacht! Jetzt möchte ich mich auch selbst davon überzeugen.“ Absolut hart und ohne rot zu werden, antwortete Green im vollen Ernst: „Ja, ich kann kochen. Gegen Bezahlung.“ Es war unglaublich, wie ruhig sie bei solchen Worten aussehen konnte, obwohl sie eigentlich ziemlich vermessen waren – besonders in Anbetracht dessen, dass Gary keine Bezahlung für seinen Nachhilfeunterricht nahm. Eben dieser Gedanke schoss ihm in diesem Moment durch den Kopf; vielleicht sollte er es sich doch noch mal überlegen, ob er nicht doch eine geldliche Entlohnung für seinen Unterricht verlangen sollte. „Und? Wie viel würdest du haben wollen?“ Die falsche Frage, fand Gary, denn für Green schien es ein Geschäftsgespräch zu sein: „Ich nehme 2000 Yen pro Stunde. Die Ingredienzen müsst ihr jedoch selbst bezahlen.“ „Das ist ja Wucher!“, entfuhr es Gary empört: „Dafür kann ich ja beinahe fein essen gehen!“ Unschuldig zuckte Green mit den Schultern und erwiderte mit einem ebenso unschuldigen Lächeln: „Meine Kochkünste sind dem Preis angepasst, denn ich habe mich auf jeden Fall nicht von Instantnudeln ernährt!“ Sie grinste breit, als sie sah, wie Gary wieder rot wurde, worauf Siberu seinerseits nicht achtete, denn dieser war dabei, Green um einen Freundschaftsrabatt anzubetteln: „Freundschaftsrabatt?“, wiederholte Green mit einer ehrlichen Verwunderung: „Seit wann sind wir denn Freunde?“, schmollend zog Siberu die Unterlippe hoch und es war schwer auszumachen, ob er nun wirklich verletzt war von Greens Worten oder ob er nur so tat als ob. Zu einer Antwort kam er allerdings nicht, denn Gary beschloss, dass er auf dieses Thema keine Lust mehr hatte und fand, dass es nun wirklich an der Zeit war, mit der Nachhilfe anzufangen; obwohl er sich eingestehen musste, dass seine Lust darauf nun kräftig in den Keller gerasselt war. „Ich denke, wir sollten langsam anfangen, Green. Silver, gehst du nun bitte?“     Pink besaß kein Eigenkapital – was Green schon ziemlich verwundert hatte, immerhin hatte Pink sie doch mit einem Diamantenarmband erpresst, aber offensichtlich stammte dieses nicht aus irgendeiner unerschöpflichen Quelle und so müsste Pink sich eigentlich glücklich schätzen, dass Green sie umsonst bei sich wohnen ließ. Green musste sich selbst auch immer wieder dazu bringen nicht über die Extraausgaben nachzudenken, denn diese würden sie womöglich noch davon abbringen, den guten Samariter zu spielen. Wenn sie Pink allerdings ansah und sich vorstellte, wie dieses kleine Mädchen alleine klarkommen sollte, wenn Green sie rauswarf, dann wurde ihr schnell klar, dass sie gar keine andere Wahl hatte. Das bedeutete allerdings nicht, dass sie Pink verwöhnte. Das Zimmer, in welchem Pink nun lebte, hatte Green vorher nicht gebraucht und so war es ziemlich kahl und leer. Ein Bett stand nun darin und das waren eigentlich auch die Grenzen von Greens Mitgefühl, immerhin glaubte sie nicht, dass sie das für Pink ausgegebene Geld jemals wiedersehen würde. Doch Pink schien es auch gar nicht so wirklich zu interessieren und das bis jetzt recht leere Zimmer war für sie ohne Belang, denn ihr Herz quellte beinahe über vor Freude. Der Grund für diese ekstatischen Gefühle war die Tatsache, dass Green ihr neben dem Bett doch noch etwas geschenkt hatte: Als Green von ihrer Klassenreise zurückgekehrt war, hatte sie ihrer kleinen Mitbewohnerin ein Geschenk mitgebracht. Pink kannte den genauen Grund für das Geschenk nicht; ihr war auch nicht bewusst, wie glücklich sie sich schätzen musste, dass Green ihr ein Geschenk gemacht hatte, denn alles, was sie interessierte war, dass sie ein 30cm großes HelloKitty-Plüschtier ihr Eigen nennen konnte. Es war nun schon eine Weile her, dass Green ihr dieses Geschenk gemacht hatte, dennoch bereitete das kleine Kätzchen ihr nach wie vor eine enorme Freude und sie konnte das Plüschtier gar nicht oft genug quietschend an sich drücken. Sie saß zusammen mit eben diesem Plüschtier, liebend von ihr Hellokitty-chan genannt, auf ihrem Bett und sprach mit ihm, als könnte es ihr auf irgendeine Art eine Antwort geben. Doch plötzlich verstummte Pink, mitten in der Frage, ob sie ihr nicht Schokolade holen sollte, denn sie würde doch gerne mit ihr teilen. Der Gedanke an Schokolade war jedoch schnell verflogen und horchend legte Pink den Kopf in den Nacken, während sie ihre Augen schloss und dabei Hellokitty-chan in ihre Arme nahm. Einige Sekunden verharrte sie in dieser Position, bis sie ihr Wort wieder an ihr Plüschtier richtete: „Hast du das auch gehört, Hellokitty-chan?“ Ohne auf eine Antwort zu warten, stand Pink zusammen mit ihr vom Bett auf und schritt direkt auf das Fenster zu, welches sie entschlossen öffnete, um sich samt Hellokitty-chan über die Fensterbank zu lehnen. Sie hang mehr schlecht als recht und hätte Green gesehen, wie Pink sich beinahe aus dem Fenster hangelte, hätte sie sie alarmiert vom Fenster weggezerrt. Doch es war niemand da, der Pink hätte vom Fenster wegbringen können – nur der stumme und tatenlose Zuschauer namens Hellokitty-chan, welcher nun nur noch fester gedrückt wurde und wäre es eine echte Katze, so hätte sie jetzt wohl nach Luft geschnappt. „Ich glaube ... Hellokitty-chan, ich glaube, nein, ich bin mir sicher! Was sagst du? Ich soll Green-chan Bescheid sagen? Ja! Ja, das glaube ich auch!“ Umgehend war das Fenster komplett uninteressant und Pink aus dem Zimmer gerannt. Die Haustür wurde aufgeschlagen und schon hämmerte Pink an der Haustür der Nachbarn, immerhin wusste sie, wo ihre Mitwächterin sich in diesem Moment aufhielt. Ein sichtlich verwirrter Siberu öffnete ihr die Tür, doch es gelang ihm nicht, seine Verwunderung über Pinks plötzlichen Besuch in Worte zu fassen, ehe sie sämtliche Höflichkeit ignorierte und sich energisch an ihm vorbeidrängte. Seinen empörten Ausruf hörte sie nicht, da sie direkt auf die verwunderte Green zustürmte, die Hände auf den niedrigen Tisch abstützend, wo Green und Gary saßen und sich mit Algebra beschäftigten. Doch bevor sie sagen konnte, was ihr so dringend das Herz belastete, kam Green ihr zuvor: „Keine Sorge, Pink – das Glöckchen hat nicht reagiert. Das Einzige, was es im Moment zu bekämpfen gibt, sind diese Formeln.“ Sie lachte unbeschwert und machte einen Wink zu ihrer Kladde, doch Pink überzeugten diese Worte nicht und ihre Entschlossenheit brachte es ebenfalls nicht ins Wanken, was Gary sofort skeptisch machte. „Ich kann auch keine anderen magischen Auren spüren außer unseren eigenen“, mischte sich nun auch Siberu mit einem genervten Tonfall ein, obwohl man deutlich aus seinen Worten heraushören konnte, dass sich auch eine leichte Vorfreude auf einen eventuellen Kampf unter der Oberfläche seiner Ärgernis verbarg. „Aber es ist wahr!“, begann Pink nun stürmisch, das Plüschtier fest an sich drückend: „Hellokitty-chan und ich haben es beide deutlich gespürt und wir spüren es auch noch immer!“ „Also sorry, Pinkylein, aber ich glaube nicht, dass du besser darin bist, Auren zu erspüren, als wir“, spottete Siberu mit einem herablassenden Selbstbewusstsein, welches Gary nicht teilte, immerhin hatte er bereits einmal deutlich vor Augen geführt bekommen, dass Pink ein ausgeprägteres Gespür für Auren hatte als er – und offensichtlich auch als sein kleiner Bruder und Greens Glöckchen. Daher war er auch der Einzige, der die kleine Pink ernst nahm und bereits dabei war, seine Bücher zusammenzupacken. „Wo befindet sich der Dämon, Pink?“ Alle drei sahen ihn verwundert an, doch aus verschiedenen Gründen, wie sich schnell herausstellte. Pink vergrub ihr Gesicht beinahe in ihrem Plüschtier, doch ihren Schmollmund konnte es dennoch nicht verbergen: „Ich bin hier, um Green-chan zu holen ... und nur Green-chan!“ Diese mischte sich nun sofort ein: „Pink, ich gehe nicht ohne die beiden.“ „Aber das sind auch Dämonen! Die können dir weh tun!“ „Also ich tue Green-chan gewiss nicht weh!“ Green wählte Siberus Einwurf zu überhören, immerhin hatte das vor gut einer Woche noch gänzlich anders ausgesehen. Doch diese Tatsache änderte nichts daran, dass sie nicht gegen irgendeinen Dämon in den Kampf ziehen würde, ohne die beiden an ihrer Seite zu haben. Drei waren immer besser als nur ein Kämpfer und obendrein waren die Zwei eindeutig besser als sie – und wenn Halbdämonen ihre Überlebenschance erhöhten, konnte sie auch über deren Dämonenblut hinwegsehen. „Pink, die beiden sind mir eine Hilfe. Und solange der andere Dämon im Endeffekt tot ist, ist doch alles in Ordnung, oder?“ „Aber ich kann dir auch helfen! Du brauchst die doch gar nicht! Ich und Hellokitty-chan werden dich mit aller Macht beschützen!“ Wenn Green nicht bereits an Pinks Kompetenz gezweifelt hatte, dann tat sie es spätestens nach diesem letzten Satz. Dennoch kam sie nicht drum herum, von Pinks Enthusiasmus gerührt zu sein und daher lächelte sie mitfühlend, als sie ihrer Mitbewohnerin die Hände auf die Schulter legte. „Im Ernst, Pink; ich finde das ja wirklich total süß von dir, aber... Ich glaube in den Händen von Sibi und Gary bin ich besser aufgehoben.“ Diese Worte schockierten das kleine Mädchen offensichtlich maßlos; sie taumelte sogar rückwärts, als hätte Green sie geschlagen. Es sah sogar danach aus, als würde sie sich weinend abwenden wollen, doch während Gary das ganze Szenario eher skeptisch beobachtete, beschloss Siberu nun, sich einzumischen: Freundschaftlich platzierte er seine Hand auf Pinks Schulter und zwinkerte sie grinsend an, als sie schockiert zu ihm aufsah: „Keine Sorge, Pink-chan – Aniki und ich passen schon auf Green-chan auf, das ist doch unsere heilige Aufgabe!“ Sowohl Gary als auch Green hoben bei dieser Formulierung zweifelnd die Augenbrauen, doch beide kommentierten sie nicht, denn es schien, dass eben diese Wortwahl bei Pink tiefen Eindruck hinterließ und sie gab sogar nach: „Aber ich werde mitkommen! Ich und Hellokitty-chan werden darauf aufpassen, ob ihr eure heilige Aufgabe auch ja erfüllt!“     Wie oft sie ihr auch versicherten, dass Green schon nichts zustoßen würde, so war es komplett unmöglich, Pink von ihrem Vorhaben abzubringen; sie war felsenfest davon überzeugt, dass sie eine Hilfe sein könnte; nicht nur, um den Dämon zu finden, sondern auch, um ihn zu besiegen.   „Pink, wenn du uns hingebracht hast, versteck dich bitte-“ Green gelang es nicht einmal, ihren Satz zu Ende zu bringen, da schüttelte Pink schon vehement den Kopf und das, obwohl sie schon fast angekommen waren, was jetzt nicht nur die beiden Halbdämonen spürten, sondern Green auch schon anhand ihres Glöckchens hören konnte. Deutlich demonstrierte der Kampfort, wie ausgeprägt Pinks Gefühl für Auren war, denn er befand sich weit außerhalb Tokios, was nicht nur Green überraschte, sondern auch die beiden Brüder. Besonders Siberu war so gar nicht darüber erfreut, dass so jemand wie Pink besser darin sein sollte, Auren zu erspüren; Gary verwunderte es viel mehr als dass er sich gekränkt fühlte. Pink hatte ihnen in Tokio in etwa die Richtung sagen können, von wo aus sie den Dämon spürte –  den genauen Standpunkt konnte sie allerdings nicht festlegen. Sie spürte nur, dass er sich weit weg im Osten befände, sagte sie. Gary war ja eigentlich gegen das Teleportieren, doch schnell stellte sich heraus, dass ihnen gar keine Möglichkeit übrig blieb: Zuerst landeten sie, noch innerhalb Tokios, 30 km östlich in Katsushika. Doch Pink hatte nur mit dem Kopf geschüttelt und ihnen so mitgeteilt, dass sie noch nicht weit genug östlich waren – also teleportierten sie sich weitere 30 km gen Osten, nun außerhalb Tokios, wo man bereits deutlich spürte, wie sehr Siberu daran zweifelte, dass Pink überhaupt irgendwie einen Dämon ausfindig machen konnte, immerhin reagierte das Feingefühl der beiden Halbdämonen nicht im Geringsten und Greens Glöckchen ebenfalls nicht. Dennoch unternahmen sie noch einen weiteren Versuch, denn Pink wollte sich nicht davon abbringen lassen, dass sie einen Dämon spürte – und beim nächsten Versuch, nun definitiv auf dem Land, reagierten endlich auch die anderen auf eine dämonische Aura. Doch das Licht des Glöckchens war schwach; er war noch nicht besonders nah. „Wisst ihr, was ich merkwürdig finde?“, fragte Green, während sie durch das kniehohe Gras wanderten, welches alte, schon längst unbenutzte Schienen überwucherte: „…dass die Dämonen immer alle zu warten scheinen. Ich meine, wie viel Zeit ist vergangen, seitdem Pink die Aura gespürt hat? 20 Minuten?“ Unglaublich, sich vorzustellen, dass sie so viele Kilometer in so kurzer Zeit hinter sich gelassen hatten: Der Lärm der Metropole Tokios war hier nicht einmal mehr zu erahnen. Es war kalt, da es bereits Richtung Abend ging; es war kurz nach 16 Uhr und die Wintersonne hing kurz über dem Horizont, ihre glühenden Strahlen reichten noch knapp über die Baumkronen, wo sie langsam verschluckt wurden. Die morgendlichen Schneewolken hatten sich verzogen und gaben einer wahren Farbenpracht Raum, sich auf dem Himmel zu entfalten.  Es war ein wunderschöner Abendhimmel, doch der Wind, der ihnen ins Gesicht wehte, war kühl und verriet, dass der Winter nah war. „Das kann ich dir leicht erklären, Green-chan!“, grinste Siberu, der nun plötzlich vor ihr aufgetaucht war und nun gekonnt rückwärtsging; ohne dabei über die Holzbalken der Schienen zu stolpern. „Weil wir Dämonen nun einmal alle kämpfen wollen; am besten natürlich gegen einen starken Gegner. Gegen Menschen zu kämpfen ist natürlich nicht so abwechslungsreich – sie haben einen anderen Unterhaltungswert.“ Sofort bemerkte Siberu, dass dies vielleicht nicht die besten Worte waren, um bei Green zu punkten und so beeilte er sich, den entstandenen Schaden wieder gutzumachen: „Aber natürlich nicht für mich; ich rede natürlich von den anderen Dämonen! Ich habe an so etwas natürlich keinen Spaß; natürlich nicht.“ Obwohl Greens ungläubiges Gesicht wahrscheinlich schon Antwort genug war, öffnete sie dennoch den Mund, um ihre Zweifel an Siberus Worten auszudrücken. Sie kam allerdings nicht dazu, denn Pink, die auf den alten Schienen mit ausgestreckten Armen balancierte, kam ihr dazwischen: „Hab ich‘s dir nicht gesagt, Green-chan!? Dämonen sind alle nur gemein! Total gemein!“ Einen Moment lang wirkte Siberu so, als hätte er das Bedürfnis, Pink ihr Plüschtier grausam entreißen zu wollen, welches sie trotz aller Proteste der anderen drei mitgenommen hatte. Es war sicher in ihrem Hellokittygeformten-Rucksack verstaut, doch da ihr Plüschtier eine Größe von 30 Zentimeter besaß, hing der Kopf aus der Tasche heraus und Green konnte nichts dagegen tun, dass dieser Anblick doch ein wenig befremdlich auf sie wirkte: ein Hellokitty-Plüschtier in einem Hellokitty-Rucksack. Es sah ein wenig so aus, als würde das eine Kätzchen das andere verschlingen. Doch die beinahe schon gemütlich wirkende Schlendertour war schnell vorüber, was Gary noch eher bemerkte, als dass Green realisierte, dass ihr Glöckchen nun an Intensivität gewonnen hatte. Er war vor den anderen gegangen und stoppte nun abrupt, womit Siberu, der nach wie vor rückwärtsgegangen war, nun gegen ihn prallte: „Hey! Kannst du denn nicht aufpassen--“, beschwerte der Rotschopf sich sofort, obwohl es eigentlich eher an Gary lag, sich über das Verhalten seines Bruders zu ärgern, doch er hörte die Proteste seines Bruders nicht, da er sich nun an Green wandte, die einige Meter hinter ihnen zum Stillstand gekommen war: „Du solltest deine Waffe zücken.“ Auf diese Idee war die Angesprochene bereits selbst gekommen, denn das Schreien des Glöckchens wurde von Sekunde zu Sekunde lauter: Bedeutete das, dass der Dämon plötzlich auf dem Weg zu ihnen war? Es gelang dem Glöckchen noch in allerletzter Sekunde, sich zu verwandeln – der Stab leuchtete sogar noch – als ein heftiger Windstoß ihre Haare in den Himmel fegte, als ein, wie Green aus den Augenwinkeln heraus zu erkennen glaubte, zwergenhafter Gegenstand durch die kleine Gruppe hindurchraste. „Haha! Das ist wohl ein ganz Schneller, was?“, ertönte Siberus Stimme, welche erwartungsvoll, aber auch herausfordernd klang. Green wollte sich umdrehen, denn dort vermutete sie, dass der Dämon sich befinden würde, doch schon hatte Gary ihr Handgelenk gepackt und brachte sie ziemlich unsanft zum Rennen, indem er sie ruppig hinter sich herzerrte, während Siberu sich breitgrinsend Pink schnappte und sie sich kurzerhand auf den Rücken warf, als wäre sie nichts weiter als ein Gepäckstück und obwohl er ein Mädchen auf dem Rücken hatte, überholte er Gary und Green in Windeseile. Es war offensichtlich, dass Siberu gerade mit seiner Schnelligkeit angeben wollte, als Pink an einer für ihn recht ungünstigen Stelle Halt fand; an seinen Haaren - und die wütende Reaktion folgte sofort: „Lässt du wohl sofort meine Haare los?!“   Green wollte über ihre Schulter hinweg zurücksehen, um endlich zu erfahren, weshalb sie plötzlich so Hals über Kopf die Flucht ergriffen, doch sie war zu sehr damit beschäftigt, nicht über die Holzbalken der Schienen zu stolpern – lange musste sie sich darüber allerdings keine Gedanken mehr machen, denn plötzlich endete ihr Weg. Es ging bergab. Die drei Rennenden setzten zum Sprung an, Pink klammerte sich förmlich an die roten Haare Siberus und schon sprangen sie mehr oder weniger gleichzeitig den abwärtsgehenden Hügel herunter – in letzter Sekunde, wie sich schnell herausstellte, als eben über ihren Köpfen eine Feuersalve hinwegfegte. „HelloKitty-chan! Ich glaube, HelloKitty-chan brennt!“ Keiner der anderen drei interessierte sich für das Kuscheltier, als sie unsanft wieder landeten und sich sofort herum wandten; Siberu und Gary sofort Angriffsposition einnehmend, das Weinen Pinks nicht beachtend, die, während sie noch auf Siberus Schultern hockte, die verkohlten Ohren ihres Kuscheltieres beweinte. Doch ihr feuriger Gegner befand sich nicht mehr lange auf der oberen Hälfte des Hügels, wie sich schnell herausstellte, als der Boden plötzlich von einem Einschlag erschüttert wurde und hastig drehten sie sich ein weiteres Mal herum – um einen Augenblick lang erstaunt innezuhalten, denn ihr Gegner war nicht das, was sie erwartet hatten. Fünf Meter von ihnen entfernt hatte der Dämon einen kreisförmigen Krater entstehen lassen; ein Dämon, der aussah wie ein roter Fußball; mit derselben Größe. „Was … ist das denn?“, fragte Green skeptisch, ihren Stab mit beiden Händen an sich drückend, obwohl sie nichts Gefährliches an dem kleinen, kugelförmigen Dämonen entdecken konnte, außer dass Qualm von ihm aufstieg. Ihre beiden männlichen Begleiter schienen mit diesem absonderlichen Bild ebenfalls nichts anfangen zu können und auch ihre Augenbrauen hoben sich argwöhnisch, als zwei kleine Stummelärmchen aus dem roten Leib des winzigen Dämons hervor ploppten wie Blätter aus einer sprießenden Blume. Diese kleinen Stummelärmchen benutzte es auch sofort, um seine überdimensionalen gelben Augen zu reiben, als hätte es Schlaf darin. Kaum, dass es seine Kulleraugen geöffnet hatte, spürte Siberu auf einmal, wie Pink sich erwartungsvoll vorbeugte und ihre aufgeregte Kinderstimme unterbrach endlich die angespannte Stille: „Ouuuu, ist es nicht süß!?“ Süß? Deutlich stand den drei anderen ins Gesicht geschrieben, dass sie den kleinen Kullerdämonen nicht sonderlich süß fanden, doch die Stimme Pinks hatte die Stille gebrochen und als wäre Gary sich erst jetzt bewusst geworden, dass sie sich ja mitten in einem Kampf befanden und dass dieses kleine Wesen, egal wie „süß“ es angeblich aussah, sie gerade noch zu Asche verwandeln wollte. Hektisch wandte er sich an seinen Bruder: „Kannst du mit dessen Schnelligkeit mithalten?“ Die Antwort folgte wie aus der Pistole geschossen: „Aber natürlich kann ich das!“, entgegnete Siberu mit gekränktem Stolz: „Solche kleinen Viecher hänge ich doch zum Morgentraining ab! Während du in der Schule deine Zeit vergeudet hast, habe ich nämlich weiter trainiert! Also sieh zu und staune!“ Siberu wollte gerade losstürmen, als ihm schnell bewusst wurde, dass seine Bewegungsfreiheit erheblich eingeschränkt war von einem Mädchen, welches ihre strahlenden Augen gar nicht von den kleinen Dämonen abwenden konnte, welcher sich nach wie vor die Augen rieb. „Allerdings kann ich nur etwas beweisen, wenn-“ In diesem Moment sprangen sie bereits auseinander, denn der Dämon hatte seine Putzarbeit hinter sich gebracht und schoss wie eine brennende Fackel durch sie hindurch. Schreiend stürzte Pink zu Boden, wo auch Green landete, da Gary sie in der letzten Sekunde beiseite gestoßen hatte – grob, aber gerettet. Die Wächterin wollte sich eben wieder aufrichten, als sie aus den Augenwinkeln bemerkte, dass das Viech stattdessen Garys Schulter gestreift hatte und die Hitze des kleinen Körpers hatte seine Jacke im Nu versengt. „Gary, du bist ja verle-“ „Green-chan, pass auf!“ Es war Pink, die ihr das zurief, doch zu spät und so begriff Green erst einige Sekunden später, dass die brennende Kugel senkrecht auf sie herunter gestürzt wäre und obwohl sie ihren Stab bereits gezogen hatte, wäre es ihr nicht gelungen, den pfeilschnellen Angriff abzuwehren, wäre Siberu nicht von der rechten Seite aus angesprungen gekommen, mit einem ausgestreckten linken Bein, welches den Dämon genau in der Mitte traf und ihn davon schleuderte wie einen brennenden Fußball.   „Hahahahaha! Wer ist nun der Schnellste, ha!?“ Triumphierend landete Siberu nehmen Green, welche sich nun aufgerichtet hatte und angriffsbereit beobachtete, wie der Dämon sich 20 Meter von ihnen entfernt aus den Trümmern eines alten Bahnhofsgebäudes befreite. „Silver!“, rief Gary, der Pink aufgeholfen hatte, seinem Bruder entgegen: „Du musst ihn dazu bringen stehen zu bleiben, damit Green ihn treffen kann! Ansonsten ist er zu schnell!“ „Alles klar, überlasst mir das Vorspiel! Green-chan, halt dich bereit!“ Ohne auf eine Antwort zu warten, flitzte Siberu schon los; geschickt über die vielen Schienen springend und dabei athletisch das verrostete Schild, welches Gleis 2 markierte, als Sprungbrett benutzend, womit er einer weiteren Feuersalve des kleinen Dämons talentiert entging, um ihn von oben anzugreifen: Seine Hand sowie sein damit verbundener Unterarm leuchteten jäh in einem gefährlich wirkenden schwarzen Licht auf. Wie ein angreifendes Tier spreizte Siberu die Finger seiner linken Hand; richtete sie gegen den kugelförmigen Dämon und – er verschwand. „Achtung! Ich glau-“ Siberu gelang es nicht, seine Vermutung auszusprechen, was mit dem Dämon passiert war und dieses Mal war es Green, die den Angriff abwehrte; allerdings nicht ohne die Hilfe von Gary, welcher schnell bemerkt hatte, dass der Dämon sich 15 Meter von ihnen entfernt aus Glutfunken neu herzubilden schien. Kaum, dass er seine ursprüngliche Form wiedererlangt hatte, schoss er abermals brennend auf die Drei zu, wobei es deutlich war, dass er es auf Pink abgesehen hatte – doch er hatte die Rechnung ohne Green gemacht und die Form ihres Stabes schien die perfekte Ergänzung zur Form des Dämons zu sein: Anstatt ihn wie gewöhnlich mit einer Hand zu halten, platzierte sie nun beide Hände auf dem blanken Material, wie sie vor wenigen Tagen den Baseball-Schläger im Sportunterricht gehalten hatte. Allerdings ließ der Dämon ihr keine Zeit sich auf den Schlag vorzubereiten, und als er tatsächlich gegen ihren Stab prallte, verlor Green aufgrund der Kraft und Schnelligkeit des Dämons beinahe das Gleichgewicht. Doch sie hielt die Balance, indem sie ihre Füße in den Sand grub und auf ihre Magie zurückgriff: „DARKLIGHTNING!“ Die aufstrahlende Magie gab ihr genug Schwung, dass sie den kleinen Dämon zurückschleudern konnte. Sie hatte ein Lob für ihre beherzte Aktion erwartet und musste auch sagen, dass sie doch recht stolz war, als sie deren Gegner in einen alten Schuppen knallen sah, doch Gary war von ihrer Tat nicht so begeistert: „Bist du denn wahnsinnig, deine Magie für so etwas Dummes zu verschwenden?! Schau dir doch mal deine Leisten an! Mit einem „Darklightning“ wirst du ihn nicht besiegen können und nun reicht die übriggebliebene Magie nicht mehr für einen „Lightspirit“! Ohne eine solche Attacke werden wir ihn nicht besiegen können!“ „Wieso?“, antwortete Green ärgerlich: „Ich klau mir einfach neue Magie von ihm und wandle die um…“ „Ach, und du glaubst, du kannst Feuer mit deinem Stab aufnehmen?!“ Dem hatte Green in der Tat nichts entgegenzusetzen, doch sie schwieg, denn sie wollte den Vorwürfen Garys nicht zustimmen: Diese Genugtuung wollte sie ihm nicht geben. „Jetzt ich! Jetzt ich!“ Die beiden vergaßen ihre Auseinandersetzung sofort, als sie entsetzt sahen, wie Pink dem Dämon doch tatsächlich entgegen lief: angriffslustig und von den Taten der anderen angespornt, nun ebenfalls etwas zu tun. „Aber Pink kann doch gar nicht angreifen … Green, was machst du de–“ Doch Green hörte die überraschten Worte Garys nicht, entging seiner nach ihr greifenden Hand und interessierte sich auch überhaupt nicht für die Frage, wie Pink auf die Idee kam, den Dämon nun auch angreifen zu wollen, obwohl ihre Magie gar nicht dafür ausgelegt war; wie sie ihr doch selbst erzählt hatte.   Fakt war, sie kam auf diese Idee und ein anderer Fakt war, dass der Dämon sich bereits wieder gesammelt hatte und nun waagerecht brennend auf sie zujagte.   „PINK!“   Doch weder die Stimme Greens noch sie selbst erreichten Pink rechtzeitig; im gleichen Moment, wie das kleine Mädchen die Hand hob, um ihre Magie anzuwenden, wurde ihr beherzter Mut ihr zum Verhängnis, denn sie war schlichtweg nicht schnell genug. Mit einer unbarmherzigen Härte rammte die feurige Kugel Pinks Torso und nur eine klitzekleine Sekunde lang sah Green Pinks schmerzentstelltes Gesicht, bevor sie von der Wucht des Aufpralls direkt an ihr vorbeigeschleudert wurde. Green überlegte nicht. Sie drehte sich auf den Absätzen herum und stürmte sofort panisch los; auf das Mädchen zu, welches auf den Schienen gelandet war und nun in einer Grube zwischen den Holzbalken lag; unbeweglich, bis auf die vereinzelt auf ihrem Oberkörper tänzelnden Flämmchen. Gary rief ihr etwas zu, doch es wurde von den Ohren der rennenden Wächterin nicht gehört und genauso wenig bemerkte sie, wie die Luft um sie herum zu brennen begann und sie sah auch nicht, wie Gary, nun da er bemerkt hatte, dass Green für die Gefahr blind und für seine warnenden Worte taub war, zum Rennen angesetzt hatte. Unterbewusst musste sie jedoch bemerkt haben, dass Gefahr im Verzug war, denn mit sich beschleunigtem Atem und pochenden Herzen setzte sie zum Sprung an und warf sich so über die reglose Pink, um sie vor der nächsten feurigen Attacke zu beschützen und die Flämmchen auf ihrem Oberkörper mit einer Handvoll Sand zu ersticken. In diesem kritischen Moment hatte sie keine Sekunde darüber nachgedacht, dass sie eine Waffe in der Hand hielt – oder, dass es sie nun ebenfalls treffen würde. Es hätte sie wohl beide in Asche verwandelt, denn die Attacke war von einem weitaus größeren Kaliber als die anderen und die flammende Feuerwand hätte die beiden im Sand liegenden Mädchen eingeäschert, hätten die beiden Dämonenbrüder nicht im letzten Moment eingegriffen. Zwar war Siberu weiter weg gewesen als sein großer Bruder, doch seiner Schnelligkeit hatte er es zu verdanken, dass er ihn noch auf halbem Weg überholt hatte und auf seinen Bruder vertrauend eilte er den beiden Mädchen zu Hilfe, indem er sich nun ebenfalls auf sie warf, um sie mit seinem Körper zu beschützen – an der Zerstörungswut der Feuerwand hätte dies wahrscheinlich nichts geändert, doch auch wenn es Gary nicht gelang, rechtzeitig anzukommen, so streckte er, ähnlich wie Siberu es vor einigen Minuten ebenfalls getan hatte, die schwarzleuchtende Hand aus, spreizte seine Finger bis zum Anschlag und sammelte die drei mittleren Finger – als wäre dies das Kommando gewesen, schoss ein dünner Strahl bestehend aus Schwärze auf den Dämon zu und traf diesen genau, wie Gary es vorausgesehen hatte; nämlich so, dass die Schusslinie der Flammenwand verschoben wurde und den Himmel in Brand steckte. Kaum, dass Gary seine Hand wieder senkte, hastete er von Angst gelähmt auf sie zu; mit den Gedanken allein bei der Frage, wie es seinem Bruder ging. „Silver!? Silver, geht es dir gut?!“ Der Dämon ließ sich diese Einmischung allerdings nicht gefallen und kaum, dass das Feuer als Glut hinabnieselte, verschwand das kleine Wesen wieder – um hinter Gary aufzutauchen. „Aniki! Achtung!“, rief Siberu seinem Bruder zu, kaum, dass er sich wieder aufgerichtet hatte – doch zu spät. Gary war einen Moment zu sehr von seiner Sorge abgelenkt gewesen, als dass er schnell genug gehandelt hätte, um den Flammen des Dämons auszuweichen. Mit geschockten Augen wandte er sich herum, welche sich sogar weiteten, als er sah, was ihn davor bewahrte, verkohlt zu werden: eine pinkleuchtende Wand. Der Halbdämon wollte seinen Augen nicht trauen, doch Green wusste, dass es wahr war, denn sie sah, wie Pink schmerzverzerrt und unter offensichtlich größter Anstrengung ihre Hand einige Zentimeter erhoben hatte, um Gary vor den sengenden Flammen zu schützen. Auch wenn Gary es kaum glauben konnte, prallten die Flammen an der Wand ab und wurden an den Dämon zurückgeschickt. Dies wäre wahrscheinlich der perfekte Moment für Green gewesen, ihm den Garaus zu machen, doch sie befand sich nach wie vor noch über Pink, weshalb es ihr nicht gelang, diese Chance auszunutzen. Außerdem bemerkte sie in dem Moment, als Siberu ihr schnell auf die Beine half, dass Gary recht gehabt hatte: Die weiße Leiste, welche sie für den „Light Spirit“ benötigte, war komplett leer. „Aber Green-chan …“, begann Pink mit schwächelnder Stimme, als Green ihr nun aufhalf und sie dabei besorgt musterte; doch darauf achtete das kleine Mädchen nicht, denn für sie waren die Leisten von Greens Waffe wichtiger: „Du…“ Sie hustete und einen Moment lang schwankte sie auch, als wäre sie kurz davor umzustürzen, hätte Green sie nicht besorgt gestützt. „…hast doch… zwei Dämonen an deiner Seite. Die können doch deine Leisten… aufladen.“ Green warf den beiden Halbdämonen einen unsicheren Blick zu, wobei sie bemerkte, dass Gary bereits über die Idee nachzudenken schien: „Im Prinzip müsste das möglich sein. Unsere Magie ist die gleiche der anderen Dämonen.“  Noch ehe Green etwas dazu sagen konnte, hatte der feindliche Dämon sich bereits wieder aufgerappelt; wieder wollte er sie angreifen, doch dieses Mal war Siberu schneller. Sich bewusst, dass der Dämon Green verfolgen würde, schnappte er sich kurzerhand die Wächterin und nahm sie Huckepack – und Tatsache. Kaum, dass der Rotschopf einige Meter mit der überraschten Green gerannt war, verfolgte die kleine Kugel sie bereits. Dennoch wandte Siberu sich noch einmal seinem Bruder zu: „Warte an Gleis 1!“ Es waren nicht viele Worte. Doch die beiden Brüder brauchten nicht viele Worte, um sich zu verstehen. Bevor Gary in die andere Richtung rennen konnte, zum Gleis 1, welches gut 200 Meter von ihnen entfernt lag, wandte er sich pflichtbewusst an die angreifbar stehende Pink, doch sie kam ihm zuvor, denn obwohl ihr Körper mitgenommen war, brannte ein entschlossenes Feuer in ihren Augen. „Mach dir keine Sorgen; er wird mich nicht nochmal angreifen, er will doch nur Green-chan!“ Nicht im Sinn habend zu widersprechen nickte Gary und rannte los: allerdings nicht, ohne ihr versichern zu müssen, dass er auf Green aufpassen würde. Diese Aufgabe war nun Siberu zuteil. Dieser flitzte geschwind über die Schienen, ohne Probleme mit der relativ engen Lauffläche von knapp 15 Zentimeter zu haben, dabei immer wieder den brennenden Flammenstrahlen des Gegners ausweichend, welche in einem schnellen Rhythmus immer wieder vom Himmel herunterschossen; den Dämon allerdings verlangsamten, da er für diese immer wieder Luft holen musste. Dies war ein Glück für die Laufenden, denn natürlich war Siberu auch mit Green nicht so schnell, wie er es ohne sie gewesen wäre. „Entschuldige, dass ich dich nicht trage, wie es sich für einen Gentleman gehört, Green-chan!“, sagte er plötzlich, als müsste er sich gar nicht auf seine Schritte oder seine Umgebung konzentrieren; anders als die Angesprochene, welche den Kopf beständig über ihre Schulter hinweg erhoben hatte, um den Dämon im Auge behalten zu können. „Du weißt, ich würde dich gerne anders tragen, aber ich brauche meine Hände.“ Green wusste nicht, was sie antworten sollte; sie hatte momentan andere Probleme, als sich darüber zu pikieren, wie sie getragen wurde. Es war ihr eigentlich auch ziemlich egal, Hauptsache er ließ sie nicht fallen und dafür würde sie schon selbst sorgen, denn anders als Pink hatte Green sofort problemlos ihre langen Beine um Siberus Oberkörper geschlungen, sowie ihre Arme um seinen Hals. Sie waren eindeutig zu schnell, als dass Green es herausfordern wollte, in diesem Tempo herunterzustürzen; entweder würde sie sich das Genick brechen oder sie würde zu Asche verwandelt werden. Als sie sich jedoch vom wütenden Dämon abwandte und Siberus roten Hinterkopf verwundert ansah, bemerkte sie plötzlich etwas; einige seiner Haarspitzen waren verbrannt. Bei jedem anderen wäre dies vielleicht nichts Besonderes gewesen, doch bei Siberu war es das; seine roten Haare waren sein Ein und Alles und er hatte sie für sie aufs Spiel gesetzt – auch seine Kleidung war an einigen Stellen verbrannt und zeigte blutige Brandwunden. Die Feuerwand, die der Dämon vor einigen Minuten auf sie abgefeuert hatte und die Gary noch in letzter Sekunde von ihnen abgelenkt hatte, hatte Siberu dennoch gestreift. Lebensgefährlich war er nicht verletzt, aber er hätte sterben können, wenn Gary nichts getan hätte. Ohne zu zögern, hatte Siberu sich über sie geworfen, um sie zu beschützen. Green wollte etwas sagen; doch die Dankesworte, die sie in diesem Moment hätte sagen müssen, die sie sagen wollte, blieben ihr im Hals stecken – und im Fahrtwind. „Halt dich gut fest, Green-chan!“ Diese Warnung kam wahrlich genau rechtzeitig, ansonsten wäre Green wahrscheinlich wirklich heruntergestürzt, denn Siberu sprang plötzlich geschickt über den Stopper, als wäre es nichts anderes als ein Bock. Anstatt jedoch gleich wieder mit beiden Füßen auf den Boden zu landen, machte er in der Luft einen Salto. Verwirrt sah der Dämon sich um und entdeckte Siberu nun hinter sich, auf dem Dach von Gleis 2, wo er allerdings nicht auf seinen Verfolger gewartet hatte, sondern gleich weiter gerannt war. „Green-chan, ich werde mich gleich zum Gleis 1 teleportieren, und wenn ich „Jetzt!“ sage, streckst du deinen Stab senkrecht aus, in Ordnung?“ Greens Stimme war selbstbewusst, als sie ihm versicherte, dass sie bereit sei, denn ihr war klar, was er vorhatte. Doch obwohl sie sich bewusst war, was geschehen würde, presste sie die Augen zusammen, als Siberu sie nach wenigen Sekunden der Konzentration auf die entgegengesetzte Seite teleportierte. Dort verlor Green keine Zeit, und obwohl ihr ein wenig unwohl dabei war, einen Arm von Siberus Hals zu lösen, tat sie es dennoch; festigte ihren Griff um ihren Stab, wie sie es früher in mittelalterlichen Speerkämpfen getan hatten und genau so sah sie aus der Ferne auch, wie Gary auf sie zurannte, die schwarz glühende Hand allerdings hinter sich – um sie erst im letzten Moment, einige wenige Meter von den beiden entfernt, vor sich auszustrecken. Und genau wie in den alten Speerkämpfen trafen sie sich auch: die dunkle Magie Garys und das weiß leuchtende Glöckchen Greens, welche triumphierend verkündete, dass die Magie ausgereicht hatte, um ihre weiße Leiste zu füllen. „Super!“, jubelte Siberu erfreut und verkündete sofort: „Uns ist das kleine Mistviech auch dicht auf den Fersen; ich werde mich mal von dir trennen, denn ich möchte kein Licht in meine Wunden bekommen! Du hast nur eine Chance!“ Green war sich bewusst, dass sie nur eine Chance hatte, denn der Dämon war bereits zu nah, als dass sie es sich erlauben konnte, zwei Mal zu versuchen, ihn zu treffen – auch wenn sie jetzt noch genug Energie für eine zweite Attacke gehabt hätte. Die nächsten Schritte gingen Schlag auf Schlag: Siberu machte eine Vollbremsung und schneller als man gucken konnte, war er auch schon verschwunden, Green vorher natürlich herunterlassend. Diese, nun mit beiden Füßen fest auf dem alten Holzdach, funkelte dem heransausenden Dämon kampfbereit entgegen, dabei allerdings ein Grinsen nicht verbergen könnend, denn obwohl ihr bewusst war, dass dies ihre einzige Chance war, wusste sie, dass es gelingen würde. Sie wusste nicht warum. Aber in diesem Moment, wo sie alle von Brandwunden übersät, alle außer Puste waren und sie alle dem Tod von der Schippe gesprungen waren, fühlte sie sich so gut wie schon lange nicht mehr. Dieses Gefühl war so überwältigend, dass sie beinahe lachend ihre Beschwörung gerufen hätte, doch ihre Stimme war felsenfest, als sie die heiligen Worte in den Winterhimmel rief: „SPIRIT OF LIGHT!“     Gegen die vielen Brandwunden war schnell ein Mittel gefunden – kaum, dass sie siegestrunken wieder in Tokio angekommen waren, offenbarte Gary ihnen, dass er einen kleinen Medizinschrank hatte, welcher mit allerlei Mittelchen gefüllt war; dabei das Kommentar Greens überhörend, dass er allerdings kein Mittel gegen eine ganz normale Grippe besaß. Das besaß er wirklich nicht, wie er ein wenig schmachvoll zugab, dafür aber etwas gegen Brandwunden und durch Feuer entstandenen Verletzungen im Allgemeinen. Jedoch kein normales, sondern ein Mittel aus der Dämonenwelt, wo man sich, laut Siberu, wohl öfter die Finger oder mehr verbrannte. Ausgerüstet mit diesem Mittel saß Green nun zusammen mit Pink und ihrem Kuscheltier in ihrem Zimmer, denn Pink hatte kurzerhand verkündet, dass die beiden Mädchen sich gegenseitig die geleeartige Creme auftragen würden, während die beiden Brüder sich behilflich sein würden. Green musste zugeben, dass sie doch ein wenig überrascht war, wie schnell Pink ohne sich zu genieren ihr Oberteil auszog und sich gekleidet in einem mitgenommenen Unterhemd vor Green aufs Bett setzte. So lange kannten sie sich immerhin noch nicht… aber wenn die Wächterin genauer darüber nachdachte, sollte sie sich wohl nicht darüber wundern; Pink hatte nun schon mehrere Male ihr Leben gerettet, da sollte so etwas wohl kaum ein Problem sein. Green presste ein wenig aus der Tube, während sie Pink sagte, dass sie sich herumwenden sollte, damit sie ihr die Schultern und den Rücken eincremen konnte, denn als das Feuer sie frontal getroffen hatte, hatte das Feuer sich auch zu ihrer Schulter hochgearbeitet. Zum Glück hatten sie es schnell genug gelöscht, bevor Schlimmeres passiert war. Green wollte gerade anfangen mit dem Auftragen, als sie plötzlich schockiert innehielt: auf Pinks Rücken befanden sich Narben; Narben, die aussahen wie die Überreste von Schnittwunden. Stammten die von ihren bisherigen Kämpfen? Nein, das konnte nicht sein, die Dämonen gegen die sie gekämpft hatten, hätten solche Narben nicht hinterlassen können. Außerdem schienen sie älter zu sein und … Green konnte sich nicht von dem Gedanken abbringen lassen, dass die Narben aussahen, als würden sie von Fäden stammen. So unauffällig wie möglich, dabei sorgsam die Brandwunden ihrer kleinen Freundin versorgend, beugte Green sich so vor, dass sie auch ihren Oberkörper sehen konnte und tatsächlich: hier sah sie ähnliche Narben. Auch am Hals erkannte Green eine; zwar kaum zu sehen, aber beim genauen Hinsehen doch vorhanden. Einen Moment lang spielte sie mit dem beunruhigenden Gedanken, dass Pink stranguliert worden war, bevor sie sich kennen gelernt hatten, doch irgendwie sah die Narbe an ihren Hals nicht danach aus – sie war auch zu dünn dafür. Die Neugierde pochte in ihr; eine beißende Neugierde, denn sie spürte förmlich, dass sich hinter diesen fadenartigen Narben nichts Gutes verbergen konnte. Sie wollte nach dem Grund der Narben fragen; fragen, wer sie ihr zugefügt hatte, denn es war unwahrscheinlich, dass sie sich so etwas selbst zugefügt hatte oder dass diese bei einem Unfall geschehen waren. Das Gelee hatte sie wohl bereits doppelt aufgetragen, so sehr war Green mit den Gedanken darin vertieft, wie sie Pink danach fragen sollte, denn sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie darüber sprechen wollte. Aber warum hatte sie ihr dann so bereitwillig ihre Haut gezeigt? War ihr nicht klar, wie deutlich diese Narben zu sehen waren? Green kam es beinahe so vor, als würden sie ihr entgegen leuchten. „Green-chan? Soll ich nicht langsam deine Wunden eincremen?“ Die Angesprochene schreckte aus ihren verworrenen Gedanken empor und sah in Pinks besorgtes Gesicht, als sie über ihre Schulter zu ihr sah. „Tut dir etwas weh? Sehr weh?“ Natürlich schmerzten ihre Wunden, immerhin war auch sie von den Flammen des Dämons getroffen worden, doch als sie die unschuldigen Augen der kleinen Pink sah, die einfach nur um sie und das Plüschtier in ihren Armen besorgt war, schmerzte etwas ganz anderes in ihr; ein Schmerz, der weitaus schlimmer war als die Brandwunden an ihrem Körper – und als wäre Pink ihre Heilung gegen diese Schmerzen, schlang sie plötzlich ihre Arme um sie. Überrascht sah Pink Green an, doch sagte nichts, als sie sie an sich drückte: im Gegenteil. Nach ihrer kurzen Überraschung schmiegte sie sich sogar an Green und keiner der beiden schenkte den durch das Gelee entstandenen Flecken auf Greens Kleidung irgendeine Beachtung. Nein, denn in diesen Augenblick war das Einzige, was für Green wichtig war, das Gefühl, welches ihr vielleicht noch nicht ganz klar war, aber bereits in ihr wuchs: die Überzeugung, dass sie Pink beschützen würde und müsste; dass sie auf sie aufpassen würde, egal was noch kommen würde.     „Weißt du, was Green-chan vorhat?“ Das Mittelchen gegen die Brandwunden war beinahe komplett aufgebraucht, als Siberu noch einen Kleckser herausdrückte und ihn sorgfältig auf seinem linken Arm verteilte. Gary war bereits fertig mit dem Verarzten seiner Wunden und denen von Siberu; wobei er auch darauf verzichtet hatte, einige weniger brenzlige Wunden zu versorgen, da er die Creme für die anderen übrig gelassen hatte – er hatte diese selbstlose Tat natürlich nicht gesagt, aber Siberu hatte es kommentarlos bemerkt. „Nein, keine Ahnung“, antwortete Gary, während er einen neuen Pullover anzog, da sein voriger beim Kampf beschädigt worden war. Nachdenklich schaute Siberu drein; Gedanken, die Gary gut nachempfinden konnte, denn kaum, dass Pink mehr oder weniger Greens Wunden versorgt hatte, war diese plötzlich Hals über Kopf aus ihrer eigenen Wohnung verschwunden, wobei sie ausdrücklich betont hatte, dass Siberu und Gary dort bleiben sollten und auch ja nicht auf die Idee kommen sollten, etwas anderes zu tun. Beide Halbdämonen spürten, dass sie sich nebenan in deren Wohnung befand – aber was sie dort tat konnten sie nur erahnen. Auch Pink schien es nicht zu wissen, denn als sie, gekleidet in einen viel zu großen Pyjama von Green, aus dem Zimmer ihrer Mitbewohnerin kam, fragte sie die beiden Brüder sofort, was eben diese denn täte. Die beiden Angesprochenen schüttelten den Kopf und fügten hinzu, dass sie es nicht wüssten. Schweigend sah Pink die beiden an und es war doch ein etwas merkwürdiges Gefühl, mit Pink alleine in einem Zimmer zu sein, ohne von ihr wegen deren Dämonenblut verurteilt zu werden, wie es immerhin einige Stunden zuvor noch der Fall gewesen war. Sie schienen alle ein wenig peinlich berührt zu sein, doch Pink schien nichts mehr zu ihrem Halbdämonendasein sagen zu wollen. Lange währte die Stille allerdings nicht, denn Gary nutzte die Chance: „Ich möchte mich bei dir für deine Rettung vorhin bedanken, Pink. Ohne dich hätte ich mehr zu versorgen als ein paar Brandwunden.“ Die Angesprochene schien zuerst nicht ganz zu wissen, wovon Gary sprach; es war offensichtlich, dass sie erst einmal nachdenken musste, bis es ihr einfiel, doch dann strahlte sie über das ganze Gesicht, als ihr bewusst wurde, dass sie jemandem geholfen hatte. „Und ich möchte mich bei euch bedanken, dass ihr Green-chan gerettet habt!“ Siberu grinste daraufhin und erwiderte: „Du magst sie wohl sehr, was, Pink?“ „Ja! Ich hab Green-chan total doll lieb!“ Kaum, dass Pink das gesagt hatte, klingelte plötzlich das Handy Siberus, doch gerade, als er es aus seiner Hosentasche herausholte, verstummte es schon. „Das war Green-chan“, erklärte der Rotschopf mit dem Blick auf dem Display seines Handys, von welchem er sich verwundert abwandte, um seinen Bruder anzusehen: „Ob das wohl bedeutet, dass wir in unsere eigene Wohnung dürfen?“ Gary war sich dessen nicht sicher, denn er konnte sich ebenfalls keinen Reim aus Greens eigenartigem Verhalten machen, weshalb er mit Bedenken die Schultern hob. „Ihr solltet gehen“, schreckte sie nun Pink aus deren verworrenen Gedanken hoch, breit lächelnd: „Ich denke, Green-chan hat eine Überraschung für euch!“     Schon als sie das Treppenhaus betraten, konnten sie erahnen, was es für eine Überraschung war; ein wohlriechender Geruch von gut gemachtem Essen trat ihnen in ihre empfindlichen Nasen. Sich an das Gespräch vom Mittag erinnernd verzog Gary allerdings schnell das Gesicht, obwohl es wahrlich nach leckerem Essen roch: „Ich hoffe, das müssen wir nicht bezahlen.“ Siberu antwortete darauf nicht, denn er war bereits begierig zur Tür gestürmt, dicht gefolgt von seinem misstrauischen großen Bruder. Als sie jedoch ihre eigene Wohnung betraten, wurden sie von etwas anderem überrumpelt als einem gut zubereiteten Essen:   „Willkommen zu Hause!“   Green konnte sich nicht im Entferntesten vorstellen, was diese drei simplen Worte in den beiden Brüdern auslösten. Nicht im Entferntesten. Die beiden Dämonen waren im Wohnungseingang gänzlich erstarrt; bemerkten auch nicht, wie die Tür hinter ihnen zuschlug, als hätten diese simplen Worte sie hypnotisiert und sie dazu gebracht, Green ungläubig anzustarren.  Sie stand einfach freudig lächelnd in dem kleinen Flur; die Haare zu einem Zopf gebunden, den Kochlöffel in der rechten Hand und war völlig ahnungslos.   „Sag mal, wollt ihr denn im Flur essen? Ich bringe nur schnell Pink ihre Portion; dann komme ich zurück!“ Es war das erste gemeinsame Abendessen, aber nicht das Letzte, wofür die beiden Brüder nicht bezahlen mussten. Beinahe stolz hatte Green ihnen verkündet, dass sie einen Freundschaftsrabatt zulassen würde, als Dankeschön für die Unterstützung im Kampf und wie sie errötet hinzufügte, natürlich auch für die Rettung vor den Flammen. Doch Green musste eigentlich nichts sagen; ihre Worte gingen auch in der allgemeinen Heiterkeit beinahe unter, denn sie hatte ihnen ein viel größeres Geschenk gemacht – auch, wenn sie es nicht mal erahnen konnte.     Etwas begann, sich zu bewegen. In eine Richtung, die keiner von ihnen erwartet hätte. Es war eine Spirale. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)