Himitsu no Mahou von AimaiLeafy ================================================================================ Kapitel 1: Die Wette -------------------- „Ich hasse diesen gottverdammten Morgen!“ Dies waren die Worte, die die Oberschul-Schülerin Green Najotake just in diesem Moment zu gerne auf der überfüllten Straße Tokios lauthals verkünden würde, doch sie unterdrückte dieses Verlangen, immerhin würde es recht peinlich enden - auch wenn ihr dies im Moment nicht so wichtig erschien. Sie hatte ein anderes Problem - ein wichtigeres, eines, welches eigentlich nicht so oft eintrat: Green hatte verschlafen und das nicht nur um fünf Minuten, sondern um ganze zwei Stunden. Sie war eigentlich immer pünktlich; immerhin bezahlte das Mädchen die Gebühr für ihre Schule selbst, da wollte sie auch alles mitbekommen, wofür sie Geld löhnte. Aber nein, sie hatte verschlafen und diese Tatsache ärgerte sie über alle Maßen. Green lief die Treppen zur Eingangstür ihrer Schule hoch, übersprang ein paar Stufen und rannte ins Gebäude. Sie blieb erst wieder stehen, als sie vor ihrer Klassentür angekommen war, wo sie die Hände faltete, die Augen schloss und tief durchatmete. Sie versuchte das freundlichste Lächeln, das sie zustande bringen konnte, auf ihr Gesicht zu zaubern und trat mit eben diesem in die Klasse ein: „Guten Morgen allerseits!“ Ihr Lehrer drehte sich genervt von der Tafel weg und sah Green finster an, die ihn weiter mit einem unschuldigen Lächeln und großen Augen ansah. „“Morgen““? Es ist fast Mittag!“ Die Angesprochene verbeugte sich und antwortete: „Es tut mir Leid, Sensei! Ich habe verschlafen...der Wecker...“ Green wollte gerade zu einer weiteren – gelogenen – Entschuldigung ausholen, als ihr Lehrer sie unterbrach und sie auf ihren Platz beorderte. Green hatte Glück im Unglück; da es ihr erstes Mal war, musste sie nicht vor die Tür. Sie setzte sich an ihren Platz, jedoch nicht ohne mit ihrer Freundin Blicke auszutauschen: Shoyoki Minazaii, von den meisten nur Sho genannt. Ihre langen, roten Haare hatte sie wie immer zu einem Zopf gebunden und ihre braunen Augen waren neugierig auf Green gerichtet, mit der gleichen Frage, die auch ihre Freundin sich gestellt hatte: warum hatte sie verschlafen? Ihre ausgeprägte Neugierde war ihr Markenzeichen und es gab wohl kaum eine andere Schülerin, die den Posten als Leiterin der Schülerzeitung besser ausgeführt hätte als Sho. Green hatte mehrere Jahre bei der Familie Minazaii gelebt; einer reichen Familie, die ihr Vermögen einer florierenden Software-Firma zu verdanken hatten, die die Eltern leiteten. Sie waren auch für mehrere Jahre Greens Eltern gewesen, bis Green ausziehen durfte und sich räumlich von der Familie getrennt hatte: ganz unabhängig war sie allerdings nicht, denn sie bekam monatlich Geld von der Familie Minazaii, um die anfallenden Rechnungen begleichen zu können – und natürlich um leben zu können. Aufgrund der Arbeit waren ihre Adoptiveltern nicht viel zuhause und häufig in der Welt unterwegs, doch wenn sie es waren, besuchte Green sie regelmäßig. Green war ein Waisenkind, eigentlich nicht einmal eine Japanerin, sondern kam ihres Wissens nach ursprünglich aus Deutschland, wo die Familie Minazaii sie aus einem dortigen Waisenhaus geholt und sie adoptiert hatte. Fünf Jahre lag dies bereits zurück. Green versuchte dem Unterricht zu folgen, doch dies stellte sich schwieriger heraus als angenommen: wie so viele andere hasste auch sie Mathe. Mit diesen ganzen Zahlen konnte sie nichts anfangen, erst recht nicht mit den ach-so „logischen“ Regeln. Ganz im Gegensatz zu ihrem Sitznachbarn, welchen Green aus den Augenwinkeln anschielte: Gary Ookido, auch bekannt als der Klassenstreber. Er war recht verschwiegen und wenn er dann den Mund öffnete, kam selten etwas Positives aus ihm hervor - der Hauptgrund, warum Green nicht besonders gut auf ihn zu sprechen war. Und diese Haare! Ein Graus! Er sah aus, als wäre er unter einen Rasenmäher geraten, denn seine dunkelbraunen Haare stachen auf eine absolut merkwürdige Art und Weise von seinem Kopf ab. Gary hatte immer einen sehr ernsten Gesichtsaudruck, noch nie hatte sie ihn lächeln gesehen. Doch eines musste Green zugeben, so sehr sie ihn auch nicht mochte - er hatte schöne, aber kalte Augen in einem tiefen Waldgrün. Gary bemerkte, dass sie ihn anschaute und zeigte auf die Tafel, um ihr zu sagen, dass sie lieber dem Unterricht folgen sollte, anstatt ihn anzustarren. Green reagierte darauf nicht, sondern schaute stur in die andere Richtung. Sie wusste genau, warum sie ihn nicht mochte. Als die Klingel endlich erlösend klingelte, sprang Green sofort auf und ging hinüber zu Sho. Diese klemmte sich gerade ihr Bento unter den Arm und fragte Green, ob sie mit hinaus wollte. Es war zwar schon fast Ende September, jedoch herrschten immer noch sommerliche Temperaturen und so hatte Green nichts dagegen einzuwenden, auch wenn sie nichts zu essen mithatte - denn sie hatte es natürlich nicht geschafft sich noch etwas zu machen, ehe sie losgerannt war. Kaum dass die zwei Mädchen auf dem Schulhof waren und sich unter einem Baum hingesetzt hatten, begann Sho auch schon sie auszufragen: „Warum hast du eigentlich verschlafen, Green? Das kommt doch sonst nicht vor.“ Als hätte Green nur darauf gewartet, dass ihre Freundin diese Frage stellte, schoss sie auch sofort hervor und antwortete: „Genau darüber wollte ich mit dir reden: Ich hatte einen merkwürdigen Traum.“ Sho sah mit hochgezogenen Augenbrauen von ihrem Essen auf: „ Einen Traum? Was soll das denn für einer sein, wenn der dich dazu bringt, zu verschlafen? War dein Konto leer gefegt?“ Green sah sie beinahe schon entsetzt an: „Mal den Teufel nicht an die Wand! Mir graust es jetzt schon vor der nächsten Miete. Ich will nicht im Minus landen! Das wäre...grauenvoll! Schrecklich!“ „Andere Sorgen hast du wirklich nicht. Solange du Geld hast, ist alles in Ordnung - hast du’s nicht, ist es der Weltuntergang!“ „Geld regiert die Welt: so ist das nun einmal. Aber das ist jetzt nicht das Thema!“ Sho nickte zustimmend und stocherte ein wenig lustlos in ihrem Essen herum. „Ja, genau dein Traum. Kam ein gut aussehender Typ drin vor?“, fragte ihre Freundin mit einem Grinsen. Typisch Sho - während Green sich am liebsten über Geld den Kopf zerbrach, gab es in den Gedanken Shos nicht viel anderes außer dem anderen Geschlecht. „Nein, Sho. Das ist nicht dein Traum gewesen.“ „Spann mich nicht so auf die Folter und erzähl.“ Green holte tief Luft und ging ihrem Wunsch nach: „Also... ich befand mich im schwarzen Nichts u-“ „So fangen die meisten Träume an“, unterbrach Sho Green, die wählte, nicht darauf einzugehen: „…und während ich da herumirrte und keine Ahnung hatte, wo ich war, konnte ich ein Gespräch mithören: ich sah niemanden. Ich glaube, dass es zwei Personen waren, weil ich eine weibliche Stimme und eine männliche gehört habe. Die Frau war die Ruhe selbst, im Gegensatz zu ihm - er schien ziemlich aufgebracht. Die beiden haben über einen „Fehler“ gesprochen, einen Fehler, den die Frau scheinbar begangen hatte... aber so viel hab ich nicht verstanden. Es war sehr abgehackt...aber die Stimme der Frau kam mir bekannt vor. Woher kann ich dir nicht sagen...aber sie war so seltsam vertraut...“ Nachdenklich lehnte Green sich zurück und blickte in das weit entfernte Gemisch aus blauen Farben, wo sich nur ab und zu weiße Flecken bildeten. „Fiel nicht irgendein Name?“ Genau in dem Moment, in dem Green den Kopf wieder senkte, schob sich einer der dickeren weißen Flecken über die Sonne. „Hm...nein. Nicht soweit ich gehört hatte. Nur... doch...„Hikari“. Aber das war in diesem Zusammenhang kein Name...glaub ich...sondern eher ein Begriff, versteht du? Das, was ich gehört habe, war sowieso recht merkwürdig. Ein Mädchen hatte gegen den Willen des Mannes überlebt...dann war da irgendein Bannkreis und sie haben von Krieg gesprochen... von Dämonen...Wächter.“ „Das hört sich für mich ganz nach einer Überdosis an Fantasyspielen an, Green“, erwiderte Sho weniger begeistert von der Erzählung ihrer Freundin. „War mir klar, dass du das sagen würdest. Aber wart’s ab, es geht noch weiter: plötzlich waren die Stimmen weg und ich war wieder alleine; alleine im Nichts. Doch dann hab ich plötzlich ein Geräusch gehört...oh, Sho ich sage dir, ich habe noch nie so etwas Schönes gehört! Es war ein Glöckchen, das Klingen eines Glöckchens: da bin ich mir absolut sicher... und der Ton war so besinnlich, so beruhigend...und ich hatte das Gefühl, der Ton würde mich zu etwas führen wollen, also bin ich ihm gefolgt. Immer weiter ins Nichts, bis...“ „...du aufgewacht bist?“ „Ich wünschte es wäre so! Die Dunkelheit löste sich auf, der Ton verschwand... und...“ „Und...?“ „Alles stand plötzlich in Flammen, ich habe Schreie, Jammer, Flehen um mich herum gehört...und zwischen den Flammen konnte ich kämpfende Gestalten sehen. Sho, es ähnelte einem Schlachtfeld…aber es kommt noch merkwürdiger...ich wurde plötzlich an der Hand genommen – als ich mich umdrehte, sah ich einen jungen Mann, der mich mit sich zog. An sein Aussehen kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich hab mich gewehrt; ich wollte nicht mit. Ich schrie ihn an…ich weiß sogar noch, was ich sagte - nur nicht, was es zu bedeuten hat: „Onii-chan, lass mich los! Sie sind noch da draußen – ihnen wird etwas passieren! Lass mich los!“ Ich habe geträumt, ich hätte einen älteren Bruder!“ Es war eindeutig, dass Green nun Shos Aufmerksamkeit für sich gewonnen hatte und sie nicht länger dachte, dass ihre Freundin ihr Schwachsinn erzählte: viel mehr wunderte sie sich darüber, dass Green ihren Traum so detailliert wiedergeben konnte – sie konnte sich gewiss nicht so detailliert an ihre eigenen Träume erinnern. „Er führte mich durch die Flammen, bis wir plötzlich von jemandem, nein...es waren zwei Personen…aufgehalten wurden. Mein „Bruder“ stellte sich schützend vor mich und redete auf die beiden ein. Der eine grinste fies und der andere reagierte nicht...auch an sie kann ich mich nicht mehr klar erinnern, ich habe in den Flammen nicht viel erkannt. Doch der eine...der, der nicht reagiert hat…er kam mir auch bekannt vor. Ganz sicher hab ich ihn schon einmal gesehen – ganz sicher!“ „Und was passierte dann?“, fragte Sho begierig darauf, mehr zu erfahren. „Nichts...ich bin aufgewacht. Aber der Traum kommt mir so wirklich vor… wenn ich an dieses Schlachtfeld denke, höre ich immer noch die Schreie in meinen Ohren.“ Beide schwiegen kurz: ein Moment, den Sho nutzte, um gedankenverloren die Arme zu verschränken. „Merkwürdiger Traum, Green. Du hast sicherlich einfach zu viele Anime gesehen, wahrscheinlich kam dir der eine deswegen so bekannt vor. Hast ihn sicherlich schon ein Mal in einer Serie gesehen.“ Die Angesprochene schaute auf. „Meinst du?“ „Gibt es eine andere Erklärung?“ Ja, es gab eine, dachte sich Sho, doch diese wollte sie Green nicht mitteilen und behielt sie lieber für sich. Sie spielte mit dem Gedanken, dass Greens Drang nach einer Familie - ihrer leiblichen Familie - größer war, als sie es zugeben wollte. Gab es etwa eine andere Erklärung für solch einen Traum? Warum sonst hatte sie sich einen Bruder ausgedacht, der sie durch die Flammen führte? Sho wusste nicht, ob Green ihre Mutmaßungen teilte und es einfach nicht zugeben wollte, doch gerade als die Rothaarige etwas sagen wollte, ertönte das Geräusch der Schulklingel. „Denk nicht darüber nach, Green. Ich bin sicher, der Traum hatte nichts zu bedeuten. Wir alle träumen mal Schwachsinn!“, sagte Sho mit einem aufheiternden Lächeln, doch sie wusste, dass sie etwas Unmögliches verlangte, denn noch nie hatte sie ihre Freundin so begeistert erzählen gehört. Der Traum hatte sie in seinen Bann gezogen, das hatte Sho ganz deutlich an ihrem Tonfall gehört. Was beide Mädchen nicht wissen konnten war, dass jemand sie beobachtet und auch das Gespräch mitgehört hatte und dieser konnte mehr mit der Erzählung Greens anfangen: Er wusste - oder eher ahnte - was dieser Traum zu bedeuten hatte und er sagte ihm, dass es langsam Zeit wurde. Schon lange hatte er darauf gewartet, hatte teilweise schon frustriert geglaubt, dieser Tag würde niemals kommen. Sein Blick haftete an Green, folgte ihrem zierlichen Körper und ihren langen, nussbraunen Haaren, die bis zu ihrer Taille reichten. Doch am längsten hing sein Blick an ihren großen dunkelblauen Augen, die Selbstbewusstsein und Daseinsfreude ausstrahlten, doch auch eine gewisse Skepsis, die es ihr schwer machte, Freunde zu finden - denn Green schenkte niemandem bedingungslos ihr Vertrauen und wenn man es genau nahm, war Sho die Einzige, mit der sie halbwegs befreundet war. Er wandte sich von Greens Anblick ab und kam aus seinem Versteck hervor; immerhin wollte er die nächste Stunde nicht verpassen. Es regnete als Green den Nachhauseweg antrat und so war sie durchnässt bis auf die Knochen, als sie schließlich aus dem Fahrstuhl schritt und vor ihrer Wohnungstür ankam. Bevor sie ihren Schlüssel herausholte und zog sich schon einmal ihre Rollerblades aus, damit sie Schmutz in ihrer Wohnung vermeiden konnte. Als sie den Schlüssel dann schließlich ins Schloss steckte, bemerkte Green, dass die Tür überhaupt nicht verschlossen war. Das konnte nur eins bedeuten: jemand war hinter ihrem Geld her. Lautlos öffnete Green die Tür und schlich sich in ihre eigene Wohnung hinein. Das Licht war eingeschaltet und sie hörte jemanden…essen. Der Einbrecher bediente sich an ihrem Kühlschrank? Der war im Vorhinein schon mager genug. Langsam schlich Green um die Ecke und kaum einen Zentimeter vor ihrem Gesicht tauchte ein anderes auf, das eines Mädchens. Dieses Mädchen erschreckte sich so über Greens plötzliches Erscheinen, dass sie ein paar Meter rückwärts taumelte und sich auf den Boden fallen ließ. „Wer zum Teufel bist du?! Und noch wichtiger: was machst du in meiner Wohnung…und warum isst du meine Schokolade?!“, fragte Green empört, als sie feststellte, dass das Mädchen ihren gesamten Schokoladenvorrat, welcher aus zwei Tafeln bestand, in den Armen hielt. Das Mädchen klammerte die Schokolade an sich, als wäre sie ihr letzter Rettungsanker und da das Mädchen offensichtlich keine Gefahr darstellte, nahm sich die Hausherrin kurz Zeit, das Mädchen genauer anzusehen. Die Einbrecherin war jünger als sie, vielleicht dreizehn oder vierzehn Jahre alt. Sie hatte ihre blonden Haare zu zwei herunterhängenden Zöpfen zusammengebunden und darin pinke Bändchen, welche sie, zusammen mit ihren großen blauen Augen und ihrem pinkfarbenem Kleid, kindlich erscheinen ließen. „…ich konnte nicht anders! Schokolade-kun…er war so einsam! Ich konnte ihn nicht alleine lassen…“ Green sah das Mädchen, welches eine hohe Stimme besaß, mit hochgezogenen Augen skeptisch an und erwiderte: „Aus welchen Irrenhaus bist du denn ausgebrochen?!“ Ehe das Mädchen noch etwas sagen konnte, zog Green sie auf die Beine und zerrte sie Richtung Tür. „Ich habe keine Ahnung, wie du hier herein gekommen bist – ich weiß aber, wie du raus kommst! Meine Wohnung ist kein Asylantenheim für verwirrte, pinke Mädchen!“ Doch das Mädchen klammerte sich an ihrem Arm fest und fing an, zu jammern: „Aber Green-chan!“ „Wir kennen uns nicht – nenn mich also nicht bei meinem Vornamen! Lass meinen Arm los und verschwinde! Du kannst froh sein, wenn ich keine Anzeige erstatte!“ „Du zerdrückst Schokolade-kun!“ „Von mir aus nimm die Schokolade mit – aber hau ab!“ Green öffnete die Wohnungstür und konnte das Mädchen endlich von sich abschütteln. Leicht grob beförderte Green die Einbrecherin hinaus ins Treppenhaus, wobei das Mädchen ihre Tasche verlor und der Inhalt sich auf den Fliesen verteilte. Green wollte sich gerade entschuldigen, als ihr Blick auf einen Gegenstand fiel und aus einem ihr unbekannten Grund schlug ihr Herz plötzlich schneller: es handelte sich um ein kleines Glöckchen. Auf den ersten Blick würde Green sagen, dass es aus Gold bestand; ein kleines, goldenes Glöckchen, ausgerüstet mit weißen Flügeln. Wie hypnotisiert griff sie danach, doch das andere Mädchen war schneller, sammelte es vom Boden auf und drückte es an sich. „Darf ich jetzt endlich reinkommen, Green-chan?“ Die Angesprochene wandte sich zu ihr, doch sah dem Mädchen nicht ins Gesicht, sondern auf ihre Hand, die das Glöckchen umklammerte. Als sie das bemerkte, schüttelte sie stur den Kopf und bedeutete dem Mädchen, dass sie wieder eintreten durfte; das beleidigte Schmollgesicht beachtete sie nicht. Als die Tür hinter ihnen in die Angeln fiel und das Mädchen schon wieder mit ihrer Schokolade zugange war, fragte Green: „Wer bist du? Was willst du von mir? Und…was ist das für ein…Ding.“ Greens Stimme war bei diesem Satz immer leiserer geworden. Sie konnte nicht begreifen, warum dieses Glöckchen sie so fesselte; alle ihre Sinne waren auf es fixiert und Green war klar, dass dies erst enden würde, wenn sie das Glöckchen in ihren Händen hielt. Ihre Seele schien danach zu schreien, als wäre das Glöckchen die Rettung vor dem Tod. Sie wollte es haben – nein, sie musste es haben! Das Mädchen hatte sich auf Greens Sofa gesetzt und antwortete auf die Frage: „Ich heiße Pink!“ Die Angesprochene nickte nur beiläufig, als würde sie es nicht hören. Ihre Gedanken kreisten einzig und allein um das Glöckchen und die Frage, wie sie an es gelangen würde. Pink schien dies zu merken; sie öffnete ihre Hand und hielt Green einladend das Glöckchen hin. „Nimm es!“ Green hörte es nicht einmal, denn sie hatte die Hände bereits gierig danach ausgestreckt. Ehe sie es jedoch erreichen konnte, hörte sie plötzlich eine Stimme in ihren Kopf: „Tu es nicht! Wenn du das Glöckchen erst einmal berührt hast, gibt es kein Zurück mehr für dich! Ich bitte dich…begehe diesen Fehler nicht! Ergib dich nicht deinem Schicksal!“ Die Finger Greens verharrten, als sie diese vertraute Frauenstimme hörte: die Stimme, welche sie auch in ihrem Traum gehört hatte – was zur Hölle war hier eigentlich los!? Das Glöckchen war nur noch wenige Zentimeter von ihr entfernt, ihre Fingerspitzen berührten es schon fast und ihr gesamter Körper – ihre Seele! - verlangte nach diesem kleinen Ding. Sie konnte die Hände nicht zurückziehen, es war unmöglich: sie musste es haben! „Mein Schicksal nehme ich selbst in die Hand!“ Mit diesen Worten legte sie beide Hände um es und laut ertönte das Glöckchen. Es war derselbe wunderschöne Klang, welchen sie auch schon in ihrem Traum gehört hatte - und das Glöckchen strahlte mit dem Klang ein warmes, wohltuendes Licht aus: ein Licht, welches sie umarmen zu scheinen wollte. Das Licht legte sich um Green und brannte sich in ihre Haut ein, doch ohne jegliche Schmerzen. Im Gegenteil - es war ein wunderschönes Gefühl: ein Gefühl von Wärme und Gebogenheit. Doch plötzlich änderte sich die Farbe: es war nicht länger weiß, sondern schwarz. Kurz war das gesamte Zimmer in schwarz getaucht, bis die Dunkelheit vom Glöckchen aufgesogen wurde und damit fiel es zu Boden – der Zauber war vorbei. Greens Atem hatte sich beschleunigt und sie fand sich auch nicht mehr auf dem Sofa wieder, sondern am Boden. Sie starrte auf das Glöckchen, welches vor ihren Füßen lag. Es sah nicht mehr so aus wie vorher: die weißen Flügelchen waren schwarz geworden. „Was….zur Hölle…“ „Boah! Das sah ja coooool aus! So ne Lichtshow hab ich ja noch nie gesehen! Auch wenn pinkes Licht besser gewesen wäre…“ Green sah auf und Pink kurz bestürzt an, doch erwiderte nichts. Stattdessen streckte sie die Hand nach dem Glöckchen aus und schaute es sich noch einmal genauer an. „Was ist das für ein Ding?“ „Den genauen Namen hab ich vergessen…war so lang…“ Die Angesprochene sah sie mit hochgezogenen Augenbrauen an und antwortete: „Weißt du denn, was das für ein Licht war?“ „Magie, oder?“ Green schüttelte den Kopf und schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn, denn ihr war klar, dass sie von diesem Mädchen keine nützlichen Informationen bekommen würde. „Magie…“, wiederholte Green und musste wieder an ihren Traum zurückdenken. Die letzten Geschehnisse hingen viel zu sehr zusammen, um eine Einbildung oder Illusion zu sein…diese Frau… das Glöckchen… Während Green versuchte, sich einen Reim daraus zu machen, war Pink aufgesprungen und öffnete die Tür zu einem der anschließenden Zimmer. „Das hier ist ja frei – darf ich das haben?“ Die Angesprochene sah auf. „Wie bitte?! Du willst…hier wohnen?!“ „Warum denn nicht?“ „Weil das hier meine Wohnung ist und ich lebe alleine – verstanden? Hast du kein Zuhause?“ Das kleine Mädchen schüttelte den Kopf, wobei ihre Zöpfe hin- und her schwangen. „Familie?“ Weiterhin schüttelte sie den Kopf. „Warum sollte ich dir erlauben, bei mir zu wohnen? Kannst du überhaupt Miete zahlen?“ „Miete?“ „So viel dazu…“ Eins wurde Green jetzt klar: Pink war strohdumm. „Naja, du brauchst meine Hilfe aber im Kampf!“ „Deine Unterstützung? Im Kampf gegen…was?“ Pink holte tief Luft und erhob die Hand, um sie dann schwungvoll zu einer Faust zusammenzuballen: eine Aktion, bei der ihre Augen vor Tatenkraft und Entschlossenheit leuchteten. „Im Kampf gegen die Dämonen!“ Green sah sie jetzt an, als stünde sie einer Verrückten gegenüber. Dann lachte sie kurz ironisch. „Aber klar! Dämonen! Ich gebe ja zu, dass mir dieser Traum eigenartig vorkommt, diese Lichtshow und diese Frau – aber Dämonen? Such dir eine andere, der du Glöckchen andrehst und ihnen dann von Dämonen erzählst!“ „J-Ja aber! Was soll denn das heißen?! Du musst die Dämonen doch unschädlich machen…“ Green erhob den Zeigefinger und antwortete: „Ich muss gar nichts. Und was das heißen soll? Ganz einfach Pinki: Ich werde jetzt unter die Dusche gehen. Heute darfst du hier schlafen - morgen, wenn ich aufstehe und zur Schule gehe, bist du weg und verschwindest aus meinem Leben, zusammen mit deinem Specialeffects und Dämonen. Hast du das verstanden - oder muss ich das wiederholen?“ Pinks Augen füllten sich mit Tränen, sie zog die Lippen hoch und schrie spitz: „Wie kannst du nur so gemein zu mir seeeeein!“ Mit diesen Worten drehte sie sich auf dem Absatz um und lief in das leere Zimmer - um am nächsten Morgen tatsächlich zu verschwinden, worüber Green sich schon wunderte, denn sie hatte nicht gedacht, dass sie das Mädchen so schnell loswerden würde. Dennoch hatte sie ihr gegenüber schon ein leicht schlechtes Gewissen. Denn wenn sie die Wahrheit gesagt hatte, besaß sie immerhin keine Familie und kein Zuhause…und so ein Mädchen? Alleine in Tokio? Green schüttelte den Kopf, immerhin war das wohl kaum ihr Problem. Sie würde einfach versuchen, den gestrigen Tag aus ihrem Gedächtnis zu streichen: sie wollte das eigenartige Mädchen zusammen mit allem anderen hinter sich lassen. Dieses Vorhaben schien schwerer zu werden, als sie es sich vorgestellt hatte, denn Pink hatte etwas hinterlassen: das Glöckchen. Es lag auf dem Couchtisch und glänzte in der Morgensonne. Einen kurzen Augenblick starrte Green auf das kleine Schmuckstück und überhörte dabei das „Pling“ des Toasters. Ohne auf ihr Frühstück zu achten, kehrte Green zurück in ihr Schlafzimmer, nur um wenige Sekunden später mit einer silbernen Halskette zurückzukommen. Sie konnte sich nicht erklären was sie dazu bewegte, das Glöckchen an die Kette zu hängen und sich diese um den Hals zu legen: sie tat es einfach, als wäre es das Einfachste der Welt. Es war fast so, als ob sie es aus Instinkt tun würde. Mit dem Glöckchen um den Hals und einem geschmierten Toast im Mund machte Green sich auf den Weg zur Schule. Da ihre Schule nicht weit entfernt von ihrem Wohnsitz lag, verzichtete sie darauf, Geld für öffentliche Verkehrsmittel auszugeben und trug stattdessen die alten und abgetragenen Rollerblades Shos an den Füßen und sauste damit über den Bürgersteig. Ehe sie die Schule erreichte, hatte sie auch schon das Toast aufgegessen, in Gedanken dabei die monatlichen Rechnungen kalkulierend. Der gestrige Tag war bereits beinahe vergessen, nur das Gewicht des Glöckchens erinnerte sie an die Veränderung, die dieser Tag mit sich gebracht hatte, doch die Rechnungen waren im Moment um einiges wichtiger. In der Schule war noch nicht viel los, da es noch recht früh war. Niemand stand freiwillig früher auf – Green tat es auch nicht, aber sie war recht schnell darin, sich für die Schule fertig zu machen und dorthin zu gelangen. Auch in der Klasse war noch nichts los und so war sie vollkommen alleine, als sie eintrat. Ein wenig wunderte es sie schon, da Gary eigentlich immer der Erste war: er war nicht umsonst der Klassenstreber. Doch kaum hatte Green ihre Tasche abgestellt, glitt bereits die Tür auf und eben dieser Streber erschien zwischen Tür und Angel. Für einen kurzen Augenblick sahen seine Gesichtszüge noch entspannt aus, bis er Green vor sich sah. Vom einen Moment auf den anderen verzog sich sein Gesicht und seine Augen starrten Green an, als wäre sie eine Feindin. Green verstand die Gefühle nicht, die sich in seinem Gesicht abzeichneten, denn sie sah nicht nur Überraschung, sondern auch eine Art Feindlichkeit. Fast schon…Hass. Klar, sie mochten sich nicht gerade, aber so von negativen Gefühlen aufgewirbelt hatte er sie noch nie angesehen. Gerade wollte das Mädchen ihn fragen, ob sie etwas im Gesicht hatte oder ob sie ihm etwas getan hatte, doch schneller als sie überhaupt blinzeln konnte stand er plötzlich vor ihr. Wie war er so schnell...?! Gary packte hart ihre Hand und drehte sie unsanft zum Fenster, wo die Morgensonne herein strahlte. „Sag mir, kannst du in die Sonne sehen?!“ Endlich brachte Green ihre Stimme dazu, aktiv zu werden: „Bitte?! Hast du sie noch alle?!“ „Antworte einfach!“ „Lass mich gefälligst los, Ookido!“ Kaum hatte Green dies gesagt, tat er es. Zuerst dachte sie, er hätte es getan, weil sie es ihm gesagt hatte, doch das war nicht der Grund gewesen: Gary hatte sie bereits mitten in ihrem Satz losgelassen und abermals starrte er auf etwas, diesmal jedoch nicht auf Green, sondern auf etwas, was sie an ihrem Körper trug. Das Glöckchen war aus ihrem Oberteil gerutscht und dieses kleine Ding schien seinen Blick zu fesseln und ihn zum Erstarren zu bringen. Green verstand die Welt nicht mehr. Gary war ihr zwar immer etwas suspekt vorgekommen, aber heute benahm er sich merkwürdiger als an allen deren gemeinsamen Tagen zusammen. „Ookido?“ Ihre Stimme schien ihn nicht zu erreichen - die aufgehende Tür aber schon. „Guten Morgen, Green! Wir haben die erste Stunde frei…oh, stör ich?“ Auf Shos Gesicht breitete sich ein Grinsen aus, welches Green kurz verwunderte - doch nur bis sie selbst feststellte, wie nah sie und Gary standen: es war nah genug, um missverstanden zu werden und für Sho reichte es auf jeden Fall allemal. Sie grinste breiter als ein Honigkuchenpferd, ohne irgendetwas zu verstehen. Umgehend schritt Green auf ihre Freundin zu. „Jetzt komm nicht auf falsche Gedanken!“ „Ou, ich habe nie die falschen Gedanken, Green!“ Die Angesprochene sah zu Gary, um seine Unterstützung zu verlangen, doch er sah sie weiterhin an, als wäre sie sein Staatsfeind Nr. 1 Als er ihren Blick allerdings bemerkte, drehte er sich wortlos um und setzte sich auf seinen Platz. Was in aller Welt war nur los? Die gleiche Frage stellte sie sich kaum sieben Stunden später ein weiteres Mal während des Trainings für die rhythmische Gymnastik. Green war einem solchen Club schon damals in der Mittelschule beigetreten, nachdem sie mit strahlenden Augen ein Turnier im Fernsehen gesehen hatte. Sie war vom ersten Augenblick begeistert von der Leichtigkeit der Mädchen gewesen: wie sie leicht über den Boden zu schweben schienen und das Band um sich kreisen ließen, als wäre es deren Flügel. Selbstverständlich war noch kein Meister vom Himmel gefallen und so erging es auch Green. Man konnte nicht behaupten, dass sie ein Naturtalent war und daher trainierte sie hart, um ebenfalls irgendwann über den Boden schweben zu können. Es war das einzige Hobby, das Green sich leistete. Doch an diesem Tag schien sie eben diese Flügel zu besitzen. Es fiel ihr plötzlich um einiges leichter, die Bewegungen der Vorturnerin nachzuahmen und sie kam auch kein einziges Mal aus der Balance. Sie hörte die Musik, verinnerlichte sie in sich und passte sich an, ohne große Probleme zu haben. Ihre Füße und Hände schienen an Gewicht verloren zu haben, sanft bewegten sie sich durch die Luft und führten das rosafarbene Band. Erst als die Musik abrupt ein Ende fand, lösten sich auch Greens geschenkte Schwingen in Luft auf und plötzlich fand sie sich in der Realität wieder. Sämtliche Mitglieder des Clubs hatten ihre Arbeit niedergelegt und durchweg alle Augenpaare lagen auf Green, die die Aufmerksamkeit nicht verstand. Die Mädchen sahen sie beeindruckt, doch teilweise auch mit Neid in den Augen an; die Lehrerin hatte Tränen in den Augen. Das war der Moment, in dem sie sich zum zweiten Mal fragte, was hier nicht richtig war. Auch als sie nach einer halben Stunde frisch gewaschen und mit Zopf aus der Turnhalle trat, um den Heimweg anzutreten, war das Gefühl, dass irgendetwas anders war als sonst, nicht verschwunden. Green bückte sich, um ihre Rollerblades zuzubinden und versuchte, die Ursache für das andersartige Gefühl zu ergründen: es war, als wäre sie ein ganz anderer Mensch geworden... „Lass uns wetten!“ Als diese Stimme plötzlich auf dem leerem Schulhof zu hören war, hatte Green gerade ihre Rollschuhe fertig gebunden und beugte sich nun langsam hoch, um herauszufinden, ob die Stimme mit ihr gesprochen hatte oder nicht. Doch natürlich hatte sie es, denn ganz wie Green befürchtet hatte, hatte die Stimme ihren Ursprung in dem kleinen Mädchen, welches sie eigentlich verdrängen wollte. Dies hatte leider nicht so gut geklappt wie gewünscht, denn Green fiel sofort ihr Name wieder ein. Aus reinem Widerwillen hatte sie das Verlangen, Pink eine ruppige Antwort zu geben, doch ihre Neugierde war geweckt. Green war für Spiele aller Art zu haben; besonders, wenn Geld dabei heraussprang. „Um was?“, fragte Green das Mädchen, welches breitbeinig vor ihr in der Sonne stand. Pink kramte etwas aus ihrer Tasche hervor und Green fiel die Kinnlade herunter. Pink hatte tatsächlich ein Diamantarmband aus ihrer Tasche gezogen. Wie von einer Hummel gestochen fuhr Green hoch und stand schon vor ihr. Ehe Pink sich versah, hielt sie wie eine Expertin das Schmuckstück prüfend in die Sonne. Ihr Staunen wurde immer größer, als sie feststellte, dass es kein Spielzeugschmuck war. So etwas hatte sie noch nie in den Händen gehalten und Green war sich sicher, dass sie das auch niemals mehr würde. Hatte diese Pink überhaupt eine Ahnung, wie viel das Schmuckstück wert war?! „Und...um was genau geht es?“ Green hatte natürlich nicht vor, Pink über den Wert des Armbandes aufzuklären. „Wir wetten darum, dass es Dämonen gibt!“ Zum ersten Mal seitdem Green die Diamanten gesehen hatte, sah sie auf und zu Pink. Kurz herrschte Schweigen, welches Pink ernst aufrecht hielt. „Ist das dein Ernst?“ Das Mädchen nickte. „Und, was willst du von mir? Für den Fall, dass du gewinnst?“ Green musste ein Grinsen unterdrücken: die Diamanten gehörten schon so gut wie ihr und das Beklagen der Rechnungen gehörten der Vergangenheit an. „Ich will, dass du den Dämon unschädlich machst und alle darauf folgenden.“ Nun grinste die Angesprochene wirklich. „Alle darauf folgenden? Gibt es etwa ein Nest?“ Kurz überlegte Pink. „Nyu...sie kommen aus der Dämonenwelt!“ „Schon klar, Pink. Gut, dann überzeug mich von deinen Monstern.“ Pink nickte eifrig; offensichtlich begriff sie nicht, dass Green sie nicht gerade ernst nahm. Das Mädchen nahm Green an der Hand, als wären sie Schulkameraden seit der ersten Klasse und zog sie hinaus auf die offene Straße. Green ließ es protestlos mit sich machen, immerhin hatte sie Diamanten in Aussicht. Wie war Pink nur daran gekommen? Besonders wohlhabend wirkte sie nicht. Sie sah nicht einmal danach aus, dass sie überhaupt wusste, was Geld war. Was machte so ein Mädchen überhaupt alleine in den Straßen Tokios – besonders mit diesem dauernden Gerede von Dämonen? Ohne sich zu pikieren ließ Green sich von Pink durch die Stadt ziehen, an den Füßen nach wie vor ihre Rollerblades, bis der Himmel irgendwann dunkel wurde. Green fragte sich, wie Pink ihr wohl die Existenz der Dämonen beweisen wollte: war es etwa so wie in den unzähligen Romanen und Filmen, dass sich solche Wesen nur in der Nacht zeigten? Pinks Wege waren vollkommen unverständlich. Mal wählte sie Tokios kleine Gassen aus, dann wieder die Hauptstraßen oder zerrte sie in die U-Bahn. Hatte dieses Mädchen überhaupt eine Ahnung? Von irgendwas!? „Pink...“, begann Green nach drei Stunden zum ersten Mal ein Gespräch, denn so langsam wurde es ihr zu bunt. Ihre Füße taten weh und sie bereute, dass sie nicht schon längst neue Rollerblades gekauft hatte, denn ihre momentanen waren ihr schon lange zu klein geworden. „Bist du dir sicher, dass du weißt, wo...“ Es gelang ihr nicht mehr, ihren Satz zu Ende zu sprechen, denn ihre Worte erstickten erstaunt, als etwas an ihrem Körper zu strahlen begann: das Glöckchen. Green kramte es aus ihrem Oberteil hervor und kaum hatte sie es in der Hand, begann es nicht nur zu strahlen, sondern auch Geräusche von sich zu geben. Es klingelte schrill, fast so, als würde es schreien. Green sah geschockt zu Pink, wobei ihr auffiel, dass die Menschenmenge um sie herum überhaupt keine Notiz davon zu nehmen schien. „Klingelt es?“, fragte Pink, gerade als Green sie fragen wollte, was in aller Welt das zu bedeuten hatte. „Ja? Sag mal, bist du taub?! Das ist doch nicht zu überhören!“ Die Angesprochene wurde ernster, was in ihrem Kindergesicht dennoch nicht vollends zur Geltung kam. „Ich kann es nur leuchten sehen, aber nur du kannst es hören.“ „Bitte?!“ Green wurde wieder bei der Hand gepackt und dieses Mal ziemlich ruppig weiter gezerrt. „Sag mir, wenn es lauter wird!“ Kurz zweifelte Green, dann bemerkte sie tatsächlich, dass sich der Klang des Glöckchens veränderte. „Dann müssen wir woanders langgehen! Es kommt aus westlicher Richtung.“ Pink blieb stehen und sah über die Schulter zurück zu ihr. „Was ist „westlich“?“ Green war momentan zu verwirrt, als dass sie sich über diese Aussage aufregen konnte. Stattdessen zeigte sie einfach in die Richtung und sie tauschten die Rollen. Nun war es nicht Pink, die sie zog, sondern umgekehrt. Green achtete kaum noch auf ihre Umwelt, plötzlich war sie wieder total auf das Glöckchen und dessen Klang fixiert und daher überhaupt nicht fähig, sich auf andere Dinge zu konzentrieren. Sie lief weiter durch die Menge, immer dem fremden Klang hinterher. Fertiggestellt: 05.08.08 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)