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Himitsu no Mahou

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Nach dem verbotenen Besuch Greens auf Sanctu Ele'Saces musste Grey sich im vergangenen Kapitel den Konsequenzen dieser Tat stellen, denn die Hikari waren alles andere als begeistert davon: Seigi war schon drauf und dran, das Schwert zu ziehen. Grey gelang es jedoch, die Gemüter zu beruhigen und sogar dafür zu sorgen, dass öffentlich bekanntgegeben wurde, dass Green noch lebt. Greens Training geht daher weiter wie zuvor, doch die Lage im Jenseits ist angespannt - und einige Wächter zeigen sich ebenfalls skeptisch...

Währenddessen geht das Leben in Tokio weiter - auch ohne Green. Komplett anzeigen

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Dämonische Verführungskunst

  

Okay, tief durchatmen.

Es war ja eigentlich nichts dabei. Es würde nichts Schlimmes geschehen – und eigentlich sollte Firey sich freuen. Endlich war der Tag gekommen, an dem sie zum ersten Mal das Reich der Wächter sehen würde. Sie hatte sich eigentlich die ganze Zeit auf diesen Moment gefreut… jedenfalls hatte sie sich das immer beschworen, aber nun spürte sie, dass die Nervosität sie zu übermannen drohte; nun da es sich nur noch um Minuten handelte, ehe sie aufbrechen würde. Aber sie war ja nicht alleine! Ilang begleitete sie. Alles war gut. Ilang war nett. Und freundlich. Alles war gut. Sie würde sie hinbringen. So lautete die Abmachung. Es ging doch nur um einige Tests ihrer… M-Magie. Nichts besonderes, nur ein paar Tests.

Firey ärgerte sich darüber, dass sie nervös war und wünschte sich, sie könnte es abstellen – es war doch albern, nervös zu sein! Es war ja nicht so, dass es sich um ein Vorstellungsgespräch oder so etwas handelte. Warte – oder doch? Die Tests sollten doch wahrscheinlich ihre Tauglichkeit als Wächterin untersuchen? Naja, dann musste sie wirklich nicht besorgt sein, denn das Ergebnis lag auch schon ohne Tests klar auf der Hand – sie war absolut untauglich. Seit zwei Monaten – genauer gesagt seit Weihnachten – war nichts mehr geschehen. Keinerlei magische Aktivität. Kein plötzlich aufspringendes Feuer, keine Hände, die in Flammen standen.

In den letzten zwei Monaten war einfach...alles normal gewesen. So normal, dass sie das ganze Thema fast vergessen hätte, wäre da nicht das Wissen, dass sie zwei Halbdämonen in der Klasse hatte – und die manchmal auftauchende, enorm nervige Dämonin Rui, die Siberu aber immer schnell zu vertreiben versuchte, wenn er denn mal zur Schule kam, denn im Gegensatz zu Gary kam Siberu eher sporadisch und wenn es geschah, sah er aus wie sieben Tage Regenwetter – wegen Green, die ebenfalls nicht in der Schule auftauchte, weil sie sich ihrer Wächterausbildung widmete.

Wächterausbildung… was das wohl genau bedeutete?

„Firey-san, du brauchst nicht nervös zu sein“, versuchte Ilang sie zu beruhigen, als sie das Zittern von Fireys Hand spürte, als diese sich in Ilangs legte. Das war ihr unangenehm, sogar… sehr unangenehm. Es war schlimm genug, dass sie die Nervosität nicht verbannen konnte; jetzt hatte Ilang sie auch noch bemerkt.

„Es sind nur ein paar harmlose Tests, die wahrscheinlich nicht einmal sonderlich viel Zeit in Anspruch nehmen werden.“ Die Zeit war Fireys geringstes Problem, dachte sie, und versuchte den Drang zu unterdrücken, ihre Hand sofort aus Ilangs herauszureißen. Argh, sie benahm sich wirklich dumm! Ilang war so lieb und freundlich und Firey zitterte wie Espenlaub, nur weil sie sich teleportieren mussten. Ihre erste Teleportation. Und dann… und dann würde sie mitten ins Reich der Wächter gebracht werden. Dem Reich, in dem Green sich nun befand – wo Magie und… Unwirklichkeit herrschten. Fliegende Inseln. Dämonen, die man bekämpfen musste. Sie, mit dem Element des Feuers…

Es würde schiefgehen. Es musste schiefgehen.

„Bereit, Firey-san?“, fragte Ilang mit einem lieben Lächeln und drückte die Hand der unsicheren Feuerwächterin ein wenig fester, denn natürlich spürte sie, dass Firey für jegliche Form des Halts dankbar war.

Die Feuerwächterin hätte es gerne hinausgezögert, aber stattdessen nickte sie. Sie musste es ja hinter sich bringen – und… sie war neugierig. Irgendwie.

Das Teleportieren war eine Aktion, die sie wirklich so schnell nicht wiederholen musste. Firey war keine Person, die gerne flog – sie mochte auch nicht gerne in ein Flugzeug steigen – weshalb sie weder das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren, mochte, noch plötzlich kein Gewicht mehr zu haben. Es fühlte sich befremdlich an---- aber alle Gedanken an das Gefühl des Teleportierens verpufften förmlich, als Firey zusammen mit Ilang an deren Bestimmungsort landete und sie die Augen wieder aufschlug.

Firey reagierte ähnlich wie Green; auch ihr fiel erst einmal die Kinnlade herunter, als sie den Boden Sanctu Ele’Saces berührte und genau wie ihre Freundin starrte sie ihre Umgebung ungläubig an. Die Feuerwächterin war allerdings nicht an dem gleichen Ort gelandet wie Green es getan hatte; sie befand sich im Osten der Inselformation, direkt vor einer langen, nach oben gehenden Brücke, die – Firey glaubte ihren Augen nicht – die Insel mit einem fliegenden Gebäude verband. Einem fliegenden Gebäude.

Voller Erstaunen blinzelte Firey noch ein paar Mal, ehe sie das weiße, hohe Gebäude genauer unter die Lupe nehmen konnte – aber da unterbrach ihr eigener Körper sie. Etwas geschah mit ihr; von einem Moment auf den anderen beschleunigte sich plötzlich ihr Herz; es begann schneller und schneller zu schlagen, ihr Körper wurde heiß--- eine Hitze breitete sich von ihrem Herzen aus; eine Hitze, die Firey bis in ihre Fingerspitzen spüren konnte. Ein komisches, aber irgendwie auch angenehmes Gefühl, das sich auch in ihrem Kopf bemerkbar machte und die Feuerwächterin dazu brachte, ihre Augen schließen zu müssen.

Was war das? Was hatte ihrem Körper plötzlich befohlen, sich in diesen Zustand der absoluten Konzentration zu begeben? Jede Faser ihres Körpers, besonders ihr Herz und ihr Kopf, schienen sich auf etwas zu konzentrieren… auf die Umgebung, auf die Laute--- nein, nicht die Laute, es waren nicht nur Laute, nicht nur Geräusche, es waren… Silben, Silben, die zu… Worten geformt wurden.

„… war besorgt. Mein Sohn, er kränkelte so sehr.“

„Hast du schon mit Aores-sama gesprochen?“

„Ah, ich würde es vorziehen, mit einem anderen Arzt zu reden…“

Es waren tatsächlich keine Laute und keine Geräusche gewesen, sondern Worte einer Sprache, die Firey nicht gelernt hatte, von der sie noch nie ein Wort gehört hatte – bis jetzt.

Firey selbst bemerkte es nicht, dafür aber Ilang: als Firey die Augen wieder aufschlug, leuchteten sie für einen kurzen Moment feuerrot auf.

„Ist alles okay, Firey-san?“, fragte Ilang mit einem etwas unsicheren Lächeln, als sie sah, wie Firey sich an den Kopf fasste, die Hand nun allerdings lösend und zur Naturwächterin blickend:

„Eh, ja, alles in Ordnung.“

„Gut, dann sollten wir aufbrechen. Wir werden bereits im Inneren des Sanctuarians erwartet…“ In diesem Punkt irrte sich Ilang, denn sie wurden nicht im Inneren erwartet – man war ihnen vom Krankenhaus aus entgegengekommen:

„Firey-san, nehme ich an?“ Ilang riss kurz verwundert die Augen auf, denn ihr war nicht gesagt worden, dass Hizashi es sein würde, der sich Fireys annehmen würde – sie hatte eigentlich mit einem anderen Wächter und keinem Hikari gerechnet… wenn sie das gewusst hätte, hätte sie Firey darauf vorbereitet, wie sie sich einem Hikari gegenüber zu verhalten hatte, aber da sie es nicht gewusst hatte, folgte Firey nicht ihrem Exempel, als Ilang sich vor Hizashi verneigte.

Firey sah den lächelnden Hizashi kurz blinzelnd an, der für sie wie ein schneeweiß leuchtender Engel… oder ein Albino aussah – bis ihr Ilangs Verbeugung auffiel und sie sich blitzschnell ebenfalls verneigte; allerdings nicht auf die Art, wie Wächter es zu tun pflegten, sondern auf  japanische Art, weswegen sie anders als Ilang keine Hand auf ihre Brust gelegt hatte.

„Sie können sich wieder erheben, Firey-san, Ilang-san. Ich habe nicht viel Zeit, denn in 40 Minuten erwarten mich meine Schüler. Folgen Sie mir daher bitte eiligen Schrittes.“ Fireys Nervosität hatte einen weiteren Schub bekommen, als sie bemerkte, dass sie sich falsch verbeugt hatte – aber scheinbar war es für Hizashi nicht schlimm gewesen, denn er lächelte immer noch auf eine absolut strahlende Art, weswegen Firey annahm, dass ihr der Fehler verziehen wurde. Sie wechselte noch einen Blick mit Ilang, die irgendwie ein wenig nervös wirkte und folgte Hizashi dann, der eine etwas ungeduldige Handbewegung machte.

Ilang sah Hizashi und Firey mit einer ungewissen Unruhe hinterher: das musste sie Tinami und Kaira berichten.

 

 

Der Tag, an dem Firey zum ersten Mal das Reich der Wächter besuchte, war der 11. Februar. Während Firey von Hizashi untersucht wurde und von seinem strahlenden Lächeln und seinem weißen Äußeren fast geblendet wurde, kämpfte Green auf einer anderen Insel gerade gegen Grey. Ein Trainingskampf natürlich; ein Trainingskampf wie so viele andere zuvor. Ein Kampf, in welchem Grey bewies, dass er Green nicht weniger hart rannahm, nur weil sie seine Schwester war – er war genauso gnadenlos wie Itzumi es gewesen war, aber dennoch wusste Green ganz klar, mit wem sie lieber trainierte…

… auch wenn sie gerade wieder fluchend zu Boden ging.

„Nicht fluchen, Green.“ Jetzt wollte sie es erst recht, besonders wenn sie sich Grey so ansah: so...von ihrer Position vom Boden her aus. Denn wieder war es ihm gelungen, sie zu Boden zu werfen und wieder sah sie hinter seinem ernsten Blick einen leicht entschuldigenden Ausdruck. Dieser wurmte sie – aber noch mehr wurmte es sie, dass Grey absolut nicht aus der Puste zu sein schien, wie er da über ihr stand, sein Schwert locker auf dem Boden abstützend, ihr nun die Hand reichend, die Green etwas maulend annahm.

„Ich muss schon weiße Kleidung tragen - ein wenig Fluchen wirst du mir schon erlauben müssen“, erwiderte Green, die Hand, die Grey gerade noch gehalten hatte, in die Hüfte gestemmt.

„Du lässt es immer so klingen als wäre es Folter.“

„Ist es ja auch.“ Green grinste, um zu untermalen, dass sie die Worte nicht ganz so ernst meinte, denn ihr war nicht entfallen, dass Grey ein wenig verletzt aussah – er liebte es doch so sehr, sie in seinen Kreationen zu sehen. Und es war ja auch nicht alles komplett hässlich. Nur die Farbe war es.

„Können wir jetzt die, ehm, Trainingsform ändern?“ Green machte einen Wink zu ihrem Stab, der eine für sie ungewohnte Form angenommen hatte; eine, die sie in letzter Zeit zwar öfter benutzte, aber vorher nie, denn es war die Form, in welcher ihr Stab eine Länge von drei Metern hatte. Und nach den letzten Tagen des Trainings wusste sie eindeutig, warum sie diese nicht führen mochte.

„Nein, Green.“ Die Angesprochene hörte bereits den tadelnden Tonfall aus Greys Stimme heraus, welcher sich bereits für die fünfte Runde bereitmachte:

„Du musst in der Lage sein, alle drei Modi deines Stabs anzuwenden. Also…“ Er lächelte sie ermutigend an:

„… lass uns fortfahren.“ Green seufzte, ergab sich aber dann doch ihrem harten Schicksal. Anstatt mit ihrem Bruder die Waffen zu kreuzen, würde sie viel lieber mit ihm etwas unternehmen: wäre lieber mit ihm irgendwo auf der Welt unterwegs, anstatt hier auf dem Innenhof des Tempels zu trainieren. Das Leben mit ihrem Bruder war nämlich gar nicht so eintönig, wie Green es sich vorgestellt hatte. Ganz im Gegenteil sogar – manchmal jedenfalls! Grey hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Green das Leben so angenehm und abwechslungsreich wie möglich zu gestalten und ihr dabei sehr deutlich die Vorzüge des Teleportierens gezeigt. Green hatte vorher nie darüber nachgedacht, dass einem mit der Fähigkeit der Teleportation die ganze Welt offenstand – als Grey sie einmal plötzlich fragte, ob sie einen Tag in Paris verbringen wollten, war Green daher ziemlich perplex gewesen. Natürlich hatte sie das aber nicht davon abgehalten, sofort zuzusagen und da es den Geschwistern auch nicht an finanziellen Mitteln mangelte, waren sie erst einmal ausgiebig einkaufen gegangen; Greens Idee natürlich, die von den großen Boulevards Paris‘ und den teuren Einkaufszentren vollkommen in den Bann gezogen wurde, während Grey von den Menschenmengen deutlich eingeschüchtert wirkte und sich in einigen Momenten schier an Ryô klammern musste. Geld ausgeben durfte Green trotzdem nicht so viel, wie sie es gerne hätte: schon gar nicht für Kleider. Aber sie durfte sich Kleider aussuchen, welche Grey sich einprägte und welche er für sie – mit ein paar kleinen oder größeren Modifikationen – nachschneidern würde, wenn sie ihm dann selbst gefielen, denn Grey besaß ein kritisches Auge.

Zusammen hatten sie den Louvre besichtigt, wo Green sich einen Spaß daraus gemacht hatte, zu versuchen den ahnungslosen Grey davon zu überzeugen, dass sie genug Geld hätten, um die Mona Lisa zu kaufen und dass sie dies doch auf jeden Fall tun sollten. Auf ihre Albernheit fiel er blauäugig hinein: dennoch wollte er das Gemälde nicht kaufen, da er nicht verstehen konnte, warum Green – und die ganzen anderen Menschen – die Frau so hübsch fanden. Er fühlte sich von dem Lächeln eher verfolgt als von ihm fasziniert. Natürlich durfte auch der Eiffelturm nicht fehlen und so aßen sie in einem Café in der Nähe des Turms und standen danach mehrere Stunden an, um an die Spitze zu kommen – Stunden, die Grey natürlich dafür benutzte, um mit Green Theorie zu pauken. Im Stehen. Manchmal war er schlimmer als Gary – was Grey natürlich nicht hören mochte, aber Green ärgerte ihn zu gerne mit diesem Vergleich.  

Und so ging es fast in jeder Hauptstadt der Menschenwelt. Egal ob es nun New York, Madrid, Kairo, London oder Mexico City war. Nur nach Tokio wollte Grey nicht, auch nicht als Green ihm vorgeschlagen hatte, ihm die Stadt zu zeigen. Er fühlte sich so oder so nicht wohl, wenn er von Wolkenkratzern umgeben war: vielleicht war das sogar ein größerer Grund als der, Green von Tokio fernhalten zu wollen. Auch die unreine Luft würde ihm womöglich nicht bekommen: nach deren New York-Ausflug hatte Grey sich erst einmal erholen müssen.

Dennoch, auch wenn die Ausflüge Strapazen für den manchmal etwas kränkelnden Windwächter bedeuteten, so war es deutlich, dass sie ihm gefielen; dass sie ihnen beiden gefielen. Dies freute Ryô sehr: er hatte seinen Herren selten so ausgelassen erlebt wie in dieser Zeit und seine Gesundheit hatte sich trotz deren Reisen nicht verschlechtert, sondern eher verbessert. Dennoch… machte der Tempelwächter sich insgeheim Sorgen um seinen Freund, denn seine geliebte Schwester würde nicht ewig bleiben… und im Jenseits begann es zu brodeln.

Das Jenseits interessierte Green allerdings herzlich wenig – im Moment interessierte sie nur eins: das Datum.

„Grey, bald ist Valentinstag…“, begann Green, als die beiden Geschwister sich nach dem Training in den Tempel zurückzogen: Green wusste nicht, was als nächstes auf dem Tagesprogramm stand, aber sie hatte auf jeden Fall eine eindeutige Agenda.

„Ah, ja, von dieser absonderlichen, menschlichen Tradition habe ich schon einmal gehört.“

„Sie ist nicht absonderlich, sie ist toll! Sie ist vor allen Dingen auch niedlich! Und sie ist wichtig!“ Grey musterte seine Schwester nachdenklich und auch ein wenig skeptisch:

„Wenn du Schokolade wünscht, kannst du diesen Wunsch doch einfach äußern?“

Ich will ja keine Schokolade haben…“ Green hakte sich bei ihrem Bruder ein und setzte ihr strahlendes Lächeln auf:

„… ich will dir Schokolade schenken!“ Überraschte Scham tauchte das Gesicht ihres Bruders in eine helle Röte, auch wenn er immer noch nicht so ganz platzieren konnte, was am Valentinstag so besonders sein sollte:

„Du… willst mir Schokolade schenken? Aber ich muss doch auch nur fragen…?“ Verwirrt wechselte er einen Blick mit Ryô, bis Greens süße Stimme seine Aufmerksamkeit wieder für sich einnahm.   

„Grey, wirklich…“ Immer noch sah sie ihn lächelnd an, aber nun war sie es, die eine tadelnde Stimme benutzte:

„… es geht nicht um die Schokolade an sich, sondern um das Verschenken. In Japan ist es so, dass die Mädchen den Jungen etwas schenken – am 14. Februar. Und am 14. März ist es dann umgekehrt.“ Green verstärkte ihr Lächeln, ließ es noch süßer wirken und verunsicherte Grey deutlich:

„Man schenkt nur denjenigen etwas, die einem etwas bedeuten, verstehst du, Grey?“ Eine wohl platzierte Pause, dann fuhr Green fort:

„Und ich kenne dafür den perfekten Laden…“ Sie log: Sie kaufte nie Pralinen, wenn dann würde sie sie selbst machen, das sparte bestimmt Geld:

„… und würde dir gerne etwas kaufen. Aber dafür müsstest du mich kurz in Tokio alleine lassen.“ Die Röte verschwand fast wie auf Knopfdruck aus Greys Gesicht – und das Lächeln Greens ebenfalls. Mist, er hatte sie durchschaut!

„Du willst nur Kontakt mit den Halblingen aufnehmen, es geht dir nicht um diesen Valentinstag.“

„Doch, das tut es – das tut es sehr wohl!“ Ryô erlaubte sich ein kleines Seufzen, während er besorgt den einen, dann den anderen musterte: zwei Geschwister, die sich nun offensichtlich wieder wegen ihres Lieblingsthemas streiten würden.

„Ich habe noch nie den Valentinstag mit den beiden verbracht! Ich will ihnen wenigstens etwas schenken!“

„Es geht dir wirklich immer nur um die beiden Halbdämonen…“ Oh, stöhnte Ryô besorgt in sich hinein: hörte er da etwa Eifersucht aus der Stimme seines Freundes heraus?

„… ihre Manipulation deiner Gedanken ist wirklich äußerst effektiv.“

„Argh, nicht das schon wieder! Grey, du kannst mich von mir aus auch mit Itzumi gehen lassen, die mich beobachten und dafür sorgen wird, dass ich wirklich nur Schokolade in ihren verdammten Spind lege!“

„Nein, keine Kontaktaufnahme, Green.“

„Es ist nur Schokolade, verdammt nochmal!“

„Könntest du dich einmal benehmen?!“ Eigentlich erwartete Ryô, dass Green zu einem weiteren, wahrscheinlich wüsten Schlag ausholen würde, aber stattdessen verwandelte sich die Wut in ihrem Gesicht… zu etwas anderem. Zu Traurigkeit – und mit Traurigkeit wandte sie sich auch von ihm ab.

„Ich hätte dir auch Schokolade mitgenommen.“ Grey schien etwas sagen zu wollen, aber Green hatte sich bereits von ihm entfernt – um am Ende des Ganges von Pink überrascht zu werden:

„Habe ich das Wort Schokolade gehört!?“

„Mein Gott, Pink!“, fuhr Green zusammen:

„Wo kommst du denn plötzlich hergeschossen - hast du einen Sensor für Schokolade oder was!?“

„Aber natürlich! Ah – Green-chan, du siehst traurig aus…?“ Ryô warf einen besorgten Blick zu Grey. Doch dieser erwiderte seinen Blick nur kurz, ehe er sich abwandte: Green war nicht die einzige Person, die traurig war.

 

 

Nein, das war sie garantiert nicht. In Tokio, am nächsten Tag, war eine andere Person ebenfalls überaus traurig: jemand, der sich quer über seinen Tisch warf, als hätte er irgendeine große Schlacht geschlagen, die ihn nicht zum Sieger gekürt hatte.

„Übermorgen ist Valentinstag!“, weinte Siberu:

„Und Green-chan ist nicht daaaaha!“ Der Rotschopf jammerte weiter, während Gary seine Tasche auf seinem Tisch abstellte und das Jammern seines Bruders offensichtlich sehr gut ignorierte – es war ja auch nicht so, als hätte er es in den letzten Tagen nicht schon oft gehört.

„Für wie groß hältst du die Chance, dass Green-chan bis übermorgen zurückkommt?“

„Ich halte sie für überdurchschnittlich gering.“ Siberu verzog das Gesicht und sah seinen Bruder anklagend an:

„Wie kannst du das nur so einfach sagen!? Mein Herz! Es bricht in tausend Teile! Ein wenig Optimismus bitteschön!“

„Ich sehe es realistisch und halte es nicht für realistisch, dass Greens Training so schnell abgeschlossen ist. Das war so, wenn ich mich richtig erinnere, auch nicht vorgesehen. Greens Basis war sehr mangelhaft: Ihr Bruder und sie werden viel trainieren müssen…“

Das werde ich Green-chan sagen.“ Garys Blick sagte deutlich, dass er dies nicht als Drohung auffasste, ganz egal wie drohend Siberu diese Worte hatte klingen lassen wollen. Doch Gary kam nicht dazu ihm zu sagen, dass diese Drohung ihn relativ wenig beeindruckte, denn in diesem Moment öffnete sich die Tür des leeren Klassenzimmers und Firey kam herein. Eben noch schien sie in bedrückenden Gedanken gewesen zu sein, aber sie blieb sofort verdattert stehen, als sie bemerkte, dass sie mit den beiden Dämonenbrüdern alleine im Raum war.

Gary runzelte stutzend die Stirn: irrte er sich oder hatte Firey kurz verunsichert gewirkt, fast so als wolle sie rückwärts wieder herausgehen?

Sie tat es jedoch nicht; sie festigte ihren Blick und die Hand, die ihren Köcher festhielt, und ging ohne einen Ton zu sagen an ihren Platz, dabei von Siberu beobachtet, der sich sofort aufgesetzt hatte. Gary ahnte Übles:

„Kann ich euch beide alleine lassen oder muss ich fürchten, dass du dafür sorgst, dass die Schule in Brand gesteckt wird?“ Die beiden Dämonenbrüder waren nämlich früher in die Schule gekommen, da Gary noch vor dem Unterricht in die Bibliothek wollte – jetzt hielt er das aber nicht mehr für ganz so sicher.

„Wieso fragst du mich? Ich bin doch nicht derjenige, der Dinge in Brand steckt…“ Der tadelnde Blick Garys ließ Siberu verstummen und er setzte sein unschuldigstes Grinsen auf – es überzeugte Gary nicht sonderlich, aber der Ruf der Bibliothek war stark und er vertraute Firey, dass sie vernünftig genug war, keinen Kampf in der Schule auszulösen.

Gary warf seinem Bruder noch einen letzten, warnenden Blick zu - dann verschwand er aus dem Klassenzimmer, ohne dass Firey sichtbare Notiz davon genommen hatte. Sie hängte gerade ihren Köcher über ihren Stuhl und holte die Bücher für den Unterricht aus ihrem Rucksack – das Rascheln ihrer Tasche und der Bücher war kurz das einzige, was im Raum zu hören war, bis ein irritierendes Quietschen die sachte Stille unterbrach, in dem Moment, als Siberu einen Stuhl heranschob und plötzlich vor Firey saß, die Arme auf ihrem Tisch abstützend.

Irritiert hob Firey den Kopf, aber Siberu war schneller:

„Und, wie war dein erster Ausflug ins Reich der Wächter?“ Fireys Irritation verwandelte sich zu Skepsis:

„Woher…“

„Na, die Naturfutzi hat dich doch gestern von der Schule abgeholt.“

„Du warst doch gestern gar nicht in der Schule?“

„Ne, aber Rui, du weißt schon, meine Untergebene.“

„Und du weißt, wie absolut widerlich das klingt?“

„Ich bleibe einfach bei den Fakten.“ Siberu grinste etwas neckend, aber eher… heimtückisch, bedrohlich fand Firey sogar ein wenig und ihr Argwohn wurde größer:

„Du hast Rui also den Befehl gegeben, mich zu beschatten?“ Siberu blinzelte verwundert:

„Was, nein – sie hat von sich aus irgendwie einen Narren an dir gefressen.“

„Oh wie… angenehm.“ Weiter kam Firey jedoch nicht mit ihrer Beschwerde, denn schon unterbrach sie Siberu:

„Ist aber ja auch absolut schnuppe!“ Er beugte sich vor und Firey stutzte über das eigentümliche, plötzliche Leuchten in seinen Augen:

„Hast du Green-chan gesehen? Du bist doch ihre kommende Elementarwächterin des Feuers, oder, Flachbrett?“ Firey, gerade noch verwundert, verzog nun wieder das Gesicht und lehnte sich zurück:

„Warum sollte ich dir das sagen, Bakayama?“

„Weil ich dich ganz nett frage?“

„So fragst du nett?“ Er lachte in sich hinein und Firey wusste nicht wieso, aber dieses Lachen machte sie irgendwie unsicherer als das eben gesehene, heimtückische Grinsen. Ein Grinsen kehrte auch jetzt zurück auf sein Gesicht: dieses Mal jedoch war es feixend und Firey kam nicht drum herum zu denken, dass dieses Grinsen Sho sicherlich gut gefallen würde…

„Soll ich dich etwa ganz, ganz nett fragen?“ Firey konnte nichts dagegen tun, dass sie rot wurde – sie verfluchte sich dafür, aber wie das Fluchen konnte sie das Rotwerden dennoch nicht verhindern. Warum lehnte er sich dabei auch noch so… so über den Tisch… er kam ihr zu nah, viel zu nah---

„Rück mir von der Pelle, Bakayama! Gerade erst gestern habe ich gehört, dass ich mich von euch fernhalten solle. Dämonen, auch Halbdämonen, seien keinen Kontakt für Wächter. Man dürfe ihnen nicht zu nah kommen, also verzieh dich!“

„Ach?“ Das Grinsen verschwand jedoch nicht, auch wenn Siberu kurz fragend die Augen geweitet hatte:

„Ist das hier etwa zu nah für dich, Flachbrett?“

„Ich warne dich…“

„Ach, tust du…“ Doch weiter kam Siberu nicht, denn ein dicker Wälzer rammte seinen Hinterkopf – eine „Waffe“ geführt von Gary, der eben wieder ins Klassenzimmer gekommen war.

„Ey, Blue! Meine Haare! Und obendrein hat es auch noch wehgetan! Hast du dir mal angeguckt, wie dick dieses Teil ist?!“ Siberu wirbelte zu Gary herum, aber Gary beachtete das Jammern seines Bruders nicht, da er Firey ansah:

„Ich entschuldige mich anstelle meines Bruders. Er weiß leider nicht, wie man sich zu benehmen hat.“ Firey sah ihn nur kurz schweigend an, dann nickte sie – etwas, was Gary ebenfalls tat, ehe er seinen Bruder am Kragen packte und ihn zu seinem Platz bugsierte: etwas, was natürlich nicht leise geschah.

„Aniki! Das Flachbrett war im Reich der Wächter! Ich wollte nur wissen, ob sie Green-chan gesehen hat, Mann! Lass los!“ Die Erwähnung Greens brachte Gary tatsächlich dazu, seinen kleinen Bruder gehen zu lassen, welcher prompt eine Bürste und einen kleinen Handspiegel hervorholte, um seine Frisur zu retten.

„Dann entschuldige ich mich noch einmal, Firey-san“, begann Gary, sich an Firey wendend, da ihm nicht unbemerkt geblieben war, dass Firey sie weiterhin beobachtete:

„Wenn es um Green geht, ist Silver extra eigenartig.“

„Ich bin nicht eigenartig! Du bist eigenartig – es geht hier immerhin um Green-chan; du weißt schon, das Mädchen, das zu unserem Trio gehört und das von ihrem bekloppten Bruder gefangen gehalten und angesabbert wird?!“

„Silver, was du Grey-san immer andichtest…“ Das Klassenzimmer begann sich zu füllen, aber auch wenn andere Schüler neben Firey Platz nahmen und ihre ebenfalls ankommende Schwester natürlich ihre Aufmerksamkeit auf sich zog, sah Firey immer wieder zu den beiden Brüdern herüber. Dämonenbrüder… Dämonen… von denen Wächter und sicherlich auch Menschen sich fernhalten sollten.

…Aber das einzige, was Firey da sah, war ein extremer Idiot – und eigentlich einfach nur zwei Brüder, die sich wie so viele andere Brüder triezten. Einfach nur… Brüder.

„Ich habe Green leider nicht gesehen. Man sagte mir, dass sie zu beschäftigt sei mit ihrer Ausbildung.“

Beide sahen zu ihr herüber – aber dann begann der Unterricht.

 

 

Wie froh war Firey nicht darüber, dass sie sich nach dem Unterricht ihrem Bogenschieß-Club widmen konnte. Das Sausen der Pfeile war beruhigend; nicht nur das ihres Pfeils, sondern auch das der anderen und endlich spürte sie, wie ihre Gedanken langsam zur Ruhe kamen, langsam wieder… in die richtigen Bahnen gelenkt wurden. Das gestrige Treffen mit… diesem Wächter, diesem… Hikari war so eigenartig gewesen. Natürlich war eigentlich alles eigenartig gewesen; sie hatte immerhin eine Stadt gesehen, die sich auf einer schwebenden Insel befand! Aber dennoch… dieser Hikari – Hizashi? – hatte ausgesehen wie ein Mensch, genau wie die anderen Wächter, aber doch war es so deutlich gewesen, dass er es nicht war – dass er ein ganz… anderes Wesen als sie war.

Und so ein Wesen war Green ebenfalls?

Ihr letzter Pfeil sauste ins Ziel; mitten ins Ziel, aber Firey war nur kurz stolz auf ihre Leistung, zu tief war das Seufzen, welches sich aus ihrer Kehle befreite, während sie den mittlerweile leeren Raum durchquerte und sich daran machte, die Pfeile aus der Zielscheibe herauszuziehen.

Firey fand nicht, dass Green so komisch wirkte wie Hizashi. Sie war nicht… unheimlich. Er hatte die ganze Zeit gelächelt, aber das Lächeln hatte Firey nicht erwärmen können; es hatte ihn nur noch befremdlicher wirken lassen. Er war freundlich gewesen… und die Tests waren wahrlich kaum von Bedeutung gewesen… er hatte ihr nur Blut entnommen und sie eine Textstelle aus einem roteingebundenen Lederbuch vorlesen lassen… aber als Firey ihn gefragt hatte, wo denn Green sei und ob sie sie treffen könnte, hatte seine Körperhaltung sich kurz versteift. Nur einen kurzen Augenblick, das Lächeln war immer noch geblieben, aber…

„Sind Sie eng miteinander befreundet?“

„Ehm, ja. Sie ist mehr oder weniger meine Schwester.“

„Ja, darüber bin ich informiert. Hat sie auch zu den anderen Mitgliedern ein gutes Bündnis?“

„Ehm, nein. Nur mit meiner großen Schwester, Sho, ehm, Shojoki.“ Hizashi nickte nur und überprüfte die Formalien, die er gerade aufgenommen hatte, während Firey auf ihrem Stuhl auf der anderen Seite des aufgeräumten Schreibtisches hin und her rückte, immer wieder auf das Buch blickend, das nach wie vor auf dem Tisch vor ihr lag.

„Welchen Namen soll ich aufschreiben? Es sind sowohl „Hinako“ als auch „Firey“ vermerkt. In unserer Gesellschaft ist es allerdings den regulären Wächtern nicht erlaubt, Doppelnamen zu besitzen, verstehen Sie? Sie müssen sich für einen entscheiden, der fortan auf den offiziellen Dokumenten verwendet werden wird.“ Firey blinzelte etwas verwirrt, aber das brachte Hizashis Lächeln nicht dazu, zu verschwinden:

„Der Name eines Wächters besteht aus dem Familiennamen und dem Element. Sie werden also entweder „Hinako Hii Minazaii“ heißen oder „Firey Hii Minazaii“. Wenn Sie eine andere Reihenfolge wünschen ist dies möglich, aber bitte entscheiden Sie sich und seien Sie sich sicher, denn die Reihenfolge kann nur mit einem hohen bürokratischen Aufwand geändert werden…“  

„Ich entscheide mich für Zweiteres.“ Hizashi nickte und begann sofort mit der linken Hand ihren Namen auf das Dokument zu schreiben: so einfach… war das also. So einfach wurde sie ein Wächter. So einfach hatte sie nun ihren Spitznamen als… richtigen, echten Namen. Sie bereute es kurz, aber es war zu spät – und es war ja eigentlich auch passend. Es war ja eine zweite Identität. Oder nicht?

Doch war es, dachte Firey, während sie die Pfeile zurück in ihren Köcher gleiten ließ, immer noch an das Treffen mit Hizashi zurückdenkend… und daran, wie sie ihn noch einmal nach Green gefragt hatte.

„Kommt Green denn bald zurück?“

„Das liegt nicht in meinem Ermessen, sondern in dem ihren.“ Ob die Hikari alle so geschwollen redeten?

„Ich hoffe, dass sie bald wiederkommt. Wir vermissen sie.“ Hizashi unterbrach das Zusammenräumen seiner Dokumente und drehte sich zu ihr herum. Er lächelte nicht mehr.

„“Wir“?“

„Ja…“ Firey war eingeschüchtert gewesen:

„… ich und Gary-san und… sein Bruder.“

„Sie sind also auch mit den Dämonen befreundet?“

Firey wollte nicht daran zurückdenken: Hizashis Tonfall hatte zu bedrohlich geklungen und so ein falsches und gleichzeitig so strahlendes Lächeln hatte sie noch nie gesehen, als er diese Frage gestellt hatte… Warum hatte er so unheimlich gewirkt? So bedrohlich? Green hatte ihr gesagt, dass Gary und sein Idiot von einem Bruder keine Feinde waren; Dämonen aber an sich schon… aber sie waren eine Ausnahme, sie durften nicht angegriffen werden…

Fireys Stirn zeigte sich nachdenklich, als sie den Bogen wieder spannte und den Pfeil ein weiteres Mal anlegte, das Ziel fest im Visier. Sie ließ den Pfeil los, er sauste, schoss durch die Luft; den Pfeil, den sie zum Entspannen brauchte, der aber eigentlich eine Waffe war, eine Waffe zum...

Und eine Waffe, die ins Ziel traf; mitten in die Mitte der Zielscheibe, doch auf dem Weg zerriss sie die Wange des plötzlich aufgetauchten Rotschopfs.

„He, Flachbre-“

„Bakayama!“ Die Wunde war nicht tief; es war nur ein Kratzer, der nun seine Wange teilte, aber doch tief genug, um Siberu zu schockieren. Sichtlich perplex über den plötzlichen und unerwarteten Angriff starrte er auf den Pfeil, der sich gleich neben seinem Kopf in die Zielscheibe hinter ihm gebohrt hatte.

„Bakayama, geht es dir gut?!“, rief Firey aufgebracht und besorgt, während sie auf ihn zustürzte. 

„Ehm, ja…“ Immer noch starrte er auf die offene Wunde in seinem Gesicht und auf das Blut, das herunterlief:

„Zum Glück hab ich einen Zopf getragen, ansonsten hättest du jetzt meine Haare beschädigt…“ Sofort runzelte Firey die Stirn: das war seine größte Sorge? Offensichtlich, denn er begann sofort seine Haare zu überprüfen, auf das Blut in seinem Gesicht gar nicht achtend.

„Stell dir vor, wie vielen Mädchen du das Herz gebrochen hättest und das so kurz vor dem Valentinstag…Du bist wirklich eine brutale Furie, ganz wie Rui es sagt!“ Ihre Sorge und ihr Mitgefühl verschwanden sofort und gereizt stemmte sie die Hände in die Hüfte:

„Ja, natürlich, alle Mädchen der Schule hätten geweint.“ Siberus ernstes Gesicht sagte ihr ganz deutlich, dass er genau das annahm, aber er kam nicht dazu, es auch noch zu sagen:

„Dir ist klar, dass du selbst Schuld bist, oder? Was tauchst du auch plötzlich vor mir auf, während ich bogenschieße?“ Siberu sah auf und musterte Firey, die in ein traditionelles japanisches Gewand gekleidet war, welches ihre momentane Tätigkeit unzweifelhaft unterstrich und sah dann offensichtlich ein, dass er vielleicht nicht das beste Timing gehabt hatte:

„Ja, gut, das war wahrscheinlich nicht unbedingt intelligent.“

„Nein, war es nicht.“

„Ey, bist du mein Bruder?”, antwortete Siberu schnippisch und Firey bereitete sich schon auf einen Streit vor, die Frage ganz vergessend, warum Siberu überhaupt plötzlich vor ihr aufgetaucht war – aber der Rotschopf hatte tatsächlich einen triftigen Grund für seine Überraschungsteleportation, weshalb er davon absah, sich mit Firey zu streiten; auch wenn es immer wieder ein Genuss war.

„Ich habe mich zu dir teleportiert, weil ich deine Hilfe brauche!“

 

 

Das war das erste und einzige Mal, dass sie Siberu helfen würde. Das erste und einzige Mal, das schwor sie sich. Nie wieder, oh nein, nie wieder! Wenn sie das nächste Mal so etwas hören würde, würde sie sofort fliehen! Warum geschah das hier nochmal?! Warum rannte sie nochmal um ihr Leben? Ach ja – wegen Green. Firey tat es, weil sie Siberu zu lange zugehört hatte – schwerwiegender Fehler – der davon überzeugt gewesen war, dass sie Green „herauslocken“ könnten. Er spürte einen Dämon, hatte er ihr beschworen – außerhalb der Stadt und er benötigte ihre Hilfe. Wenn sie zusammenarbeiten würden, dann würden sie dafür sorgen, dass Green zu ihnen kommen würde: das Bekämpfen der Dämonen sei doch ihr Gebiet und wenn akute Gefahr im Verzug war, dann musste sie einfach auftauchen – ein perfekter Plan, wie Siberu fand und wenn Firey dabei war, würde sie erst recht kommen, immerhin war Firey doch noch eine Nachwuchswächterin und obendrein auch noch die einzige Elementarwächterin des Feuers!

Sie wollte Green doch sehen?

Natürlich wollte sie – aber sie wollte sich deswegen nicht in Lebensgefahr bringen?! Und die Kämpfe bedeuteten doch Lebensgefahr; das hatte sie bei ihrem einen Kampf, dem sie beigewohnt hatte, doch selbst bemerkt?! Aber Siberu hatte nur lachend gemeint, dass sie sich keine Sorgen zu machen brauchte; er war ja da und würde schon auf sie aufpassen.

Diese Worte hatte er mit einem charmanten Lächeln unterstrichen; einem charmanten Lächeln, welches zwar Fireys Herz dazu gebracht hatte, sich zu beschleunigen, nicht aber ihre Meinung zu ändern – sie vertraute ihm viel zu wenig, um ihm ihr Leben anzuvertrauen?! Und ihren „Fähigkeiten“ als Wächter erst recht nicht… aber Siberu hatte nicht gefragt.

Er hatte einfach ihre Hand genommen.

Und daher rannte sie nun; rannte um ihr Leben und vor einem Dämon davon, da ihre Beine sich einfach von selbst in Bewegung gesetzt hatten, als sie dieses fliegende, lilaleuchtende Monstrum gesehen hatte. Fast auf Knopfdruck hatten sich ihre Beine bewegt; sofort den Rückwärtsgang eingeschlagen, ihren Bogen an sich drückend – und auch genau in dem richtigen Moment, denn schon hatte der Dämon einen schwarzen Energiestrahl entfesselt, welcher Firey fast zu Fall gebracht hätte.

Niemals hätte Gary so etwas getan; nicht nur auf die Schnapsidee wäre er nicht eingegangen, sondern auch diese waghalsige Teleportation inmitten des Angriffszirkels des Gegners hätte er nie zugelassen. Aber Gary war nicht da. Gary wusste nichts von alledem: er saß immer noch in seinem Mathe-Club und freute sich über das Vergnügen, mehr und mehr lernen zu können. Er ahnte nichts von den fixen Ideen seines Bruders und ahnte auch nicht, dass dieser sich gerade inmitten von Containern in einem Industriegebiet befand – zum Glück war es wenigstens verlassen. Aber das war das einzige, was „nach Plan“ verlief.   

„Warum rennst du denn weg?!“

„Weil da ein schwarzer Strahl aus dem Maul von diesem Etwas kam?!“ Siberu runzelte die Stirn – für ihren Geschmack sah er viel zu entspannt aus; er schien sich auch nicht sonderlich anstrengen zu müssen, um mit ihr Schritt zu halten:

„Ich meine gehört zu haben, dass Feuerwächter in der Offensive kämpfen?“ Firey antwortete nicht; sie konzentrierte sich zu sehr darauf zu rennen; klammerte sich zu sehr daran, in diesem Containerlabyrinth nicht plötzlich in eine Sackgasse zu rennen und hörte daher nicht, wie Siberu seufzte:

„Ich glaube, das war keine gute Idee.“

„Nein, wirklich?!“ Noch ein Strahl; der Boden unter ihren Tabi-Socken bebte, sie musste springen, sie fürchtete zu fallen, zu stürzen und dann war alles aus; so einen Strahl konnte ein Mensch doch nicht überleben?!

Aber Firey sprang; ihr blieb auch gar nichts anderes übrig, denn der Weg war vorbei, es ging steil herunter; wenn sie sich abrollen könnte… Eine gute und rettende Idee, aber Firey kam nicht dazu, sie umzusetzen, denn Siberu beschloss mit einem ernsten Gesichtsausdruck, dass es wirklich keine gute Idee gewesen war – er sah es in Fireys angstvollem Gesicht, in ihren panischen Augen, die sich nun schockiert weiteten, als Siberu sie packte und sie sich überrascht an seiner Schulter festklammerte.

Siberu hatte es tatsächlich nicht besonders eilig gehabt: der gegnerische Dämon war nicht gerade schnell, gar nichts im Vergleich zu seiner Schnelligkeit, die er nun auch bewies, als er mit Firey zusammen in die Luft sprang, sich herumdrehte und die schwarze Strahlenattacke mit derselben parierte, freigesetzt und abgeschossen von seiner ausgestreckten Hand.

Argh, die Stärke des gegnerischen Dämons hatte Siberu allerdings unterschätzt und ein Fluchen drang aus seinen zusammengebissenen Zähnen: auch die Druckwelle war größer als erwartet, als die beiden Attacken zusammenprallten. Die freigesetzte Magie brannte an der Wunde, die er Firey zu verdanken hatte und er spürte, wie seine Haare und die Fireys wie aufgeschreckt um sie herum flatterten, zusammen mit dem angstvollen, erstickten Schrei Fireys, die sich schon schmerzhaft an ihn klammerte.

„Sorry, Firey“, brachte Siberu unter Zähneknirschen hervor, die Attacke aufrechthaltend:

„Um meinen Bruder zu zitieren… ich habe mal wieder gehandelt, bevor ich nachgedacht habe--- Ich dachte, dass es die Wächter wohl herzlich wenig kratzt, wenn sich zwei Dämonen prügeln und wollte dich deswegen mithaben…“ Er war wirklich ein Arschloch; ein unglaubliches, widerliches Arschloch, fluchte Firey in sich hinein, während sie gleichzeitig aber auch hoffte, dass er sich gefälligst zusammennahm und sie beide beschützte---

„Das tut mir leid.“ Er sollte einfach ruhig sein und sich konzentrier---

Siberu verstärkte den Angriff, verstärkte die Magie – und es gelang ihm, der Dämon wurde zurückgeschleudert, Container rummsten und krachten in sich zusammen, genau wie Fireys Beine, als Siberu sie eilends absetzte, sie besorgt musternd:

„Wirklich“, begann er noch einmal, die Hand immer noch an Fireys Hüfte:

„… ich wollte dir keine Angst machen.“ Firey starrte ihn nur ungläubig an, während der Köcher von ihrer Schulter rutschte und auf den Boden glitt. Anders als ihr Köcher bewegte Firey sich jedoch nicht; sie konnte sich nicht von ihrem Schock lösen, als Siberu sie losließ und sich, genau wie der andere Dämon, aufrichtete:

„Rui!“ Die Reaktion folgte sofort: wie aus dem Nichts, als hätte Rui nur darauf gewartet, tauchte sie neben ihrem Gebieter in der Luft auf, wo sie auch hängen blieb, ganz perplex über die Situation, in der sie Siberu vorfand – und über seinen ernsten Blick, der sie zum Erröten brachte:

„Beschütze Firey, während ich mich um den Gegner kümmere.“

„Natürlich, Silver-sama, zu Befeh – was?!“ Aber der Angesprochene hörte Ruis Proteste nicht, denn er war schon losgeflitzt – und zwar mit glühender Hand, bereit sofort ein weiteres Mal anzugreifen.

„Was geht hier eigentlich vor sich?!“, rief Rui verwirrt, die sich tatsächlich vor Firey hinstellte, bereit Siberus Befehl auszuführen, wenn es Not tat – auch wenn sie gerade die Hände in die Hüfte gestemmt hatte und auf die zitternde Firey herabsah, die sie mit geöffnetem Mund anstarrte und leicht mit dem Kopf schüttelte. Sie hatte keine Ahnung. Sie war zu verwirrt; zu verwirrt von dem, was eben geschehen war, zu verwirrt von den Schmerzen, die sie irgendwie in ihren Knochen spüren konnte, als würden sie beben und als würde das Beben an sich ihr Schmerzen bereiten… und wieder einmal zu gelähmt davon zu sehen, wie ein Mensch – Siberu sah immerhin aus wie einer – gegen ein so großes Ungetüm kämpfte.

Firey schluckte und zwang sich, ihren Gedanken zu korrigieren: Siberu war nicht menschlich. Er war ein Dämon. Und deswegen gelang es ihm auch auszuweichen, nicht von den Attacken des…

Aber da wurde er getroffen; gerade als Firey den Gedanken in ihrem Kopf formuliert hatte, war es geschehen und sofort, im gleichen Moment, als Rui Siberus Namen rief, war auch Firey aufgesprungen. Die Attacke des Gegners hatte seine Hüfte gestreift, als er seine Hände benutzt hatte, um sich auf dem Untergrund abzufedern – die Hände hatten ihn aber nicht gehalten, er war mit schmerzverzerrtem Gesicht eingeknickt… und von den Handgelenken blutete es?!

 

--------------ihr Herz, es schlug so schnell, es tat so weh – war das Angst? War das Todesangst?

 

„Silver-sama!“ Rui wollte auf den sich aufrappelnden Siberu zustürzen, aber seine Stimme hielt sie davon ab ---- Siberu sah nicht so aus, als verspüre er… Todesangst – er sah verbissen, entschlossen aus --- man sah ihm die Schmerzen an, aber keine Angst --- es musste so wehtun: die Wunden an seinen Händen, die Wunde an seiner Hüfte…

 

„Nein! Bleib bei Firey! Nein, noch besser---“ Seine roten Augen huschten kurz zu den beiden Mädchen --- er hatte wieder die Zähne zusammengebissen, aber auch aus diesen trat Blut hervor---

„--- teleportiert euch weg, ich mach…“ --- ihre Hand hatte ihren Bogen nicht losgelassen--- ihr Köcher lag neben ihr, im Köcher lagen Pfeile ---

 

Fireys Hand nahm den Pfeil---

„Runter, Siberu!“ --- und sie schoss ihn ab.

 

Es war knapp; ganz knapp – der Dämon hatte sich zu einem Angriff bereit gemacht, seine gelben Augen hatten aufgeleuchtet, genau wie Siberus kurz geflackert hatten – aber dann schoss der Pfeil Fireys ein weiteres Mal an diesem Tag an seinem Kopf vorbei und direkt in das linke Auge des Dämons, in welches er sich hineinbohrte und fast horizontal steckenblieb.

Eine Blutfontäne ergoss sich über dem perplexen Siberu, der irgendwie nicht zu begreifen schien, was da gerade geschehen war – dass Firey ihn gerettet hatte; Firey, die er gerade eben noch hatte beschützen müssen und die so… angstvoll ausgesehen hatte.

Auch jetzt, als Siberu sich, blutüberspritzt, zu ihr herumdrehte, sah er, dass sie bleich war; dass das Entsetzen in ihren Augen stand. Aber jetzt war es nicht die Angst, sondern die Abscheu, die ihr die Gesichtsfarbe raubte – es war das schmerzhafte Schreien, das gepeinigte Jaulen des Dämons, das dafür sorgte, dass Firey der Bogen aus der Hand glitt.

„Er… er weint ja…“

„Ja, was hast du denn geglaubt?!“, fuhr Rui sie von der Seite her an:

„Dass er sich freut, einen Pfeil im Auge zu haben?!“ Sie wandte sich von Firey ab, setzte wieder dazu an, zu Siberu zu rennen, unterbrach sich jedoch, schnell zu Firey herumwirbelnd:

„Danke – und gut getroffen… oder so.“ Doch wieder kam sie nur einen Meter, ehe sie überrascht stehenblieb, als ein erneuter schwarzer Magiestrahl die Container um sie herum in schwarzes Licht hüllte – dieses Mal stammte die Magie allerdings weder von dem leidenden Dämon, noch von Siberu – sondern von einem vierten Halbdämon, der sofort, kaum dass der gegnerische Dämon weggeschleudert wurde, neben seinem Bruder landete.

„Silver!“ Sofort war Gary da, um seinem Bruder hochzuhelfen und ihn zu stützen, ihn besorgt ansehend, ehe er mit Fragen und Tadel kam:

„Geht es dir gut?!“

„Ja, geht – diese verdammten Tempelwächterverletzungen sind wieder aufgegangen…“ Er blinzelte seinen besorgten Bruder etwas erschöpft und mit blutverschmierten Gesicht an:

„Aber es geht schon, wirklich, Aniki.“ Sonderlich überzeugt wirkte Gary nicht, aber er wandte seinen Blick dennoch von Siberu ab und musterte den Dämon skeptisch, der rund fünfzig Meter von ihnen entfernt auf der Spitze eines Containers gelandet war und dabei war, sich Fireys Pfeil aus dem Auge zu ziehen – erbleichend sah Firey weg.

„Was ist das überhaupt für ein Dämon?!“, fragte Gary, als erwartete er eine kluge Antwort von Siberu, die er natürlich nicht bekam:

„Ich habe keine Ahnung; ich kenne ihn nicht – aber als ich ihn spürte, rief er förmlich „Töte mich“.“

„Wie bitte?!“ Und schon war da der tadelnde Ausdruck in Garys Stimme:

„Ich finde nicht gerade, dass das ein ausreichender Grund hierfür ist, Silver?!“

„Das ist auch nicht der Grund!“, antwortete Siberu plötzlich verzweifelt:

„Ich wollte dafür sorgen, dass Green-chan kommt! Ich wollte sie wiedersehen!“ Innig festigte sich Siberus Griff um Gary:

„Ich vermisse sie so, Blue!“  

„Silver…“ Der tadelnde Tonfall war aus Garys Stimme verschwunden; das Gefühl, sein Bruder benötigte Trost, überkam ihn plötzlich, als wären sie noch kleine Kinder – als ein Teil von Siberus Plan plötzlich aufging und ein violetter, übergroßer und unheimlich spitzer Sekundenzeiger, geführt von einer überaus präzisen Hand, den Dämon sang- und klanglos köpfte.

Und schon landete Kaira mit festem Schritt neben Firey.

Rui suchte sofort das Weite, als fürchtete sie, der Sekundenzeiger würde auch sie in Funken verwandeln, aber Gary und Siberu drehten sich zu Kaira herum: Siberu mit einem hoffnungsvollen Strahlen in den Augen, aber… Kaira war nicht mit Green gekommen, sondern mit der Wasserwächterin Azura… von deren Hikari war nichts zu sehen.

„Was geht hier vor sich?“ Kaira schien sie alle gleichzeitig anzusehen; überaus feindlich, während Azura Firey fürsorglich auf die Beine half und Rui sich neben Siberu platzierte, als könnte er sie beschützen. Aber das konnte er nicht: da Gary immer noch seinen Arm um seinen Bruder gelegt hatte, hatte er förmlich gespürt, wie Siberu entkräftet und enttäuscht in sich zusammengesackt war, als er gesehen hatte, dass Green… nicht da war.

„Will mir hier niemand eine Antwort geben?!“

„Nun, es ist ein Dämon aufgetaucht…“, versuchte Gary mit einer ruhigen Stimme zu erklären, wurde aber sofort von Kaira unterbrochen:

„Und was geht euch das an?! Führt ihr jetzt einen Halbdämonenkrieg in der Menschenwelt?!“

„Nein. Die Situation, Kaira-san…“ Kairas Auge zuckte gefährlich, als er sie so nannte, aber Gary fuhr dennoch fort:

„… ist etwas außer Kontrolle geraten.“

„Es ist meine Schuld.“ Gary schlug überrascht die Augen auf und sah verwirrt auf seinen Bruder herab, der sich von ihm löste und aufrichtete; seinen Beinen ging es ja auch gut, nur von seinen Handgelenken tropfte das Blut herunter… und von einer Hüftverletzung.

„Ich hatte gehofft, dass Green-chan geschickt werden würde, wenn in der Menschenwelt Gefahr droht.“ Kaira hob zweifelnd die Augenbraue und tauschte einen Blick mit Azura aus, welche dann auch fortfuhr, als hätte der Blick ihr gesagt, dass sie antworten solle:

„Green ist unsere Hikari. Sie wird nicht ausgesandt wegen einem Dämon, dem wir uns auch widmen können. Es ist ohnehin so, dass wir alle unterschiedliche Gebiete haben, für die wir verantwortlich…“

„Das reicht Azura, diese Halblinge müssen ja nicht alles wissen.“ Azura schwieg sofort, ein wenig eingeschüchtert wirkend. Gary dagegen hob zweifelnd die Augenbraue: als ob das nun das große „Top Secret“-Geheimnis wäre. Das war eigentlich allgemein bekannt – nur scheinbar nicht für seinen kleinen Bruder. Aber Gary war nicht in der Stimmung, ihn zurechtzuweisen; dafür… sah er gerade zu traurig aus.

„Ich wollte einfach, dass Green-chan vorm Valentinstag zurückkommt…“ Gary wollte Siberu am liebsten unterbrechen, genau wie Kaira es bei Azura getan hatte, und ihn darauf hinweisen, dass das nicht jeder wissen musste, aber er brachte es nicht über sein Herz:

„… wir wollten meinen ersten Valentinstag zusammen genießen. Sie hat mir gesagt, dass sie Schokolade machen wird, die ich nie vergessen werde…“ Kaira hob zweifelnd, absolut unberührt die Augenbraue, ebenso wie Azura; Rui wollte Siberu umarmen, aber er wehrte sie ab – und Firey… Firey wusste, dass sie allen Grund hatte, böse auf ihn zu sein.

Aber sie konnte es nicht, denn genau wie Gary brachte auch sie es nicht übers Herz.

 

 

Die Akte mit Fireys Namen hatte einen Platz auf Hizashis Schreibtisch gefunden; neben den Aufsätzen der ersten und dritten Klasse. Die Aufsätze über die sieben Teufel, die die zweite Klasse gerade hatte schreiben müssen, lagen vor ihm und wurden von seinem aufmerksamen, stets kritischen Auge gerade mit Hilfe einer in rote Tinte getauchten Feder auf Fehler überprüft, als Adir hereinkam – ohne anzuklopfen, was nicht gerade dafür sorgte, dass Hizashi das Gespräch mit guter Laune begann, besonders da er gerade fast einen roten Strich über das Papier gemacht hatte.

„Adir-san, womit kann ich Ihnen…“

„Geht es der Feuerwächterin gut?“ Hizashi mochte es nicht, unterbrochen zu werden, weshalb sich seine Stirn auch kurz dunkel verzog, aber dann zwang er sich doch zu seinem Lächeln, während er sein Monokel von seinem linken Auge löste.

„Warum sollte das Befinden der Hii denn in Gefahr sein?“ Adir war kurz davor, die schnippische Antwort zu geben, dass die Frage alleine schon deshalb berechtigt sei, weil es Hizashi gewesen war, der mit dem Mädchen gesprochen hatte, aber er wählte die diplomatischere Variante:

„Weil Shaginai mir berichtet hat, dass Sie eine Gedächtnislöschung beantragt haben.“

„Das habe ich in der Tat – und deswegen stürzen Sie in mein Büro während der Arbeitszeit?“

„Haben Sie schon wieder die verbotenen Künste angewandt, ohne vorher vom Rat oder dem Gericht eine Erlaubnis dafür einzuholen, Hizashi-san?“ Das Lächeln auf Hizashis Gesicht war nun definitiv dahin – und auch Adir versuchte gar nicht erst, sonderlich freundlich zu wirken, als er fortfuhr:

„Das junge Mädchen ist genauso wenig wie die beiden Offiziere zu Beginn des Jahres ein Sonderregelfall, und dennoch haben sie die Erinnerungen der beiden Offiziere – hochrangige und brave Wächter – gelöscht. Ohne rechtliche Erlaubnis. Diese Techniken, Hizashi-san, sind nicht umsonst verboten.“

„Ich glaube, das weiß ich, Adir-san. Aber vielen Dank für die Aufklärung.“ Hizashi legte seine Finger zusammen und lehnte sich ein wenig demonstrativ in seinem eisernen, nicht sonderlich bequem aussehenden Stuhl zurück:  

„Lassen Sie mich Sie nun aber ebenfalls aufklären, denn scheinbar sind Sie etwas schnell zu etwaigen Konklusionen gesprungen oder aber Shaginai-san hat Sie nicht vollends informiert… Ich habe eine Erlaubnis für zukünftige Anwendungen der verbotenen Technik Nummer Fünf beantragt, weil die Hii ebenfalls Kontakt zu den Halbdämonen hat. Eine Gedächtnislöschung könnte daher noch nötig sein… anders als bei den beiden Offizieren zu Beginn des Jahres befand ich mich jedoch nicht in einer Notsituation, weshalb ich den sofortigen Einsatz nicht für nötig erachtete, Adir-san. Das Gespräch von mir und der Hii verlief ganz nach Schema. Es fand keine… Willkür statt, falls es das ist, was Sie befürchtet haben.“

„Das habe ich in der Tat.“

„Die heiligen Regeln befehlen mir, ehrlich zu sein und ehrlich sage ich Ihnen, dass Sie mich mit diesen Worten kränken.“ Adir antwortete nicht. Denn wenn er sagen würde, dass es ihm leid täte, dann wäre es eine Lüge.

 

 

„Bakayama.“

Es war immer etwas schwer, sich mit Rui am Arm herumzudrehen – dafür hielt sie seinen Arm zu fest umklammert, aber es gelang Siberu dennoch.

„Huh?“ Sein Blick war skeptisch, als er Firey ein paar Meter vor sich entdeckte; natürlich lange nicht so skeptisch wie der von Rui, welcher bereits Funken sprühte, ganz egal ob Firey ihrem Gebieter vorgestern noch das Leben gerettet hatte oder nicht. Aber die Skepsis löste sich in einem fragenden Blick auf, als Siberus Augen sich vor Überraschung weiteten – denn Fireys sture Körperhaltung, den Köcher an sich gedrückt, Siberu widerspenstig ansehend, verschwand, als sie plötzlich auf ihn zuging und ihm ein flaches Geschenk reichte. Siberu nahm das in blau eingepackte Geschenk allerdings nicht an, sondern betrachtete es nur, als wäre es ein eigenartiger Fremdkörper, mit dem er nichts anfangen konnte – obwohl heute doch Valentinstag war und er mehr Geschenke bekommen hatte, als dass er sie an zwei Händen abzählen konnte.

„Ist das etwa… Valentinstagsschokolade?“, fragte Siberu, Firey verwirrt blinzelnd ansehend, während Rui fauchte wie eine wütende Katze.

„Das ist ein Dankeschön für… deinen Einsatz vorgestern“, erwiderte Firey und die Röte auf ihren Wangen brachte sie dazu, kurz wegzusehen, als könne sie nicht mit eigenen Augen mitansehen, wie Siberu das Geschenk annahm.

„Valentinstagsschokolade vom Flachbrett…“ Siberu sah auf das Geschenk, welches er nun zwischen seinen Fingern hin und her wog:

„Das hätte ich ehrlich gesagt nicht gedacht! Findest du wirklich, dass ich sie verdient habe?“

„Sei einfach ruhig und iss sie, bevor ich es bereue.“

„Ich hoffe, du hast sie nicht selbst gemacht – ich muss keine Vergiftung befürchten?“

Bakayama…“

„Ich werde vorkosten, Silver-sama!“ Der Angesprochene lachte und als Firey sich wieder traute hinzusehen, spürte sie ungewollt, wie ihr Herz sich beschleunigte, als sie… ihn einfach nur grinsen sah.

„Nein, nein, Rui, das ist meine!“ Panik stand plötzlich auf Ruis Gesicht und sie ließ sogar den Arm ihres Angebeteten gehen – und als er sich herumdrehte, um sich von den beiden Mädchen zu entfernen, rannte sie ihm auch nicht hinterher, sondern starrte ihm nur verängstigt und mit Tränen in den Augen nach, während Siberu die bandagierte Hand hob, das Geschenk lässig zwischen die Finger geklemmt.  

„Danke, Firey!“

Firey dagegen… sie spürte, wie sie fast lächeln wollte.

„Wirklich, du hast sie gar nicht verdient… Siberu.“

Aber nur fast.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Lange hat es gedauert, aber es ist endlich daaaaaaaaaa /o/! Ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen und ihr verzeiht die lange Wartezeit >___<! Komplett anzeigen

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