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Himitsu no Mahou

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Grey wurde von Green auf frischer Tat ertappt, als dieser von einer Hochzeit zurückkehrt - Geheimnisse, die etwas mit Liebe zu tun hat, hält man nicht vor Green geheim! Und Gary sagte ihr, dass sie alle Augen und Ohren offen halten solle, weshalb Green extra skeptisch ist; sie hat sogar ein Buch angelegt, in dem sie alles niederschreibt, was ihr im Tempel komisch vorkommt.
Jetzt ist Grey dran; jetzt konfrontiert Green ihn.
Wie wird diese Konfrontation ausgehen? Komplett anzeigen

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Lügende Engel

 

 

                       

 

Grey war sieben, als seine kleine Schwester für tot erklärt wurde.

Das gesamte Wächtertum war versammelt, als seine Mutter, mit ihm an der Hand, diese traurige Botschaft verkündete. Mehr als 15.000 Wächter standen unter ihnen, füllten den Platz unter dem Balkon, auf dem Grey zusammen mit White stand. Es war eine kalte Hand, die seine hielt, denn seine Mutter war tot. Eine kalte Hand, die Greys Finger aber fest hielt. Es war so ungewohnt; vor zwei Tagen noch war diese Hand warm gewesen. Aber zu dem heutigen Tag passte diese Kälte irgendwie – Grey erinnerte sich noch deutlich daran; an die Kälte des Tages, obwohl es Anfang Juni war.

Der Himmel hatte sich zugezogen, zeigte nur eine graue, trostlose Masse. Sie sah aus wie die Wächtermasse unter ihnen; ihre bunten Farben, die ihre Elemente widerspiegelten, wirkten ausgewaschen, fand Grey; die vielen Gesichter ausgehärtet und fahl. Es war wegen dem Krieg, wusste Grey, obwohl er ihn nicht selbst kennengelernt hatte; er wusste es, wie die anderen Wächterkinder, die bei ihren Eltern standen und noch unwissend waren – sie wussten, was Krieg bedeutete und gleichzeitig wussten sie es nicht.

Aber es herrschte kein Krieg mehr; er war vor zwei Tagen beendet worden.

Es war alles wieder gut.

Der Frieden war zurückgekehrt.

Doch es war ein Frieden, der Opfer gekostet hatte: große Teile des Tempels waren zerstört, das Elementarwächterteam komplett ausgelöscht, White tot und nun verkündete sie, dass die Lichterbin ebenfalls zu den letzten Opfern des Krieges zählte. Ja, das Wächtertum hatte gefeiert, als das Ende des Krieges von einem Mund zum anderen gerufen wurde; dass White ihn beendet hatte und dass die Wächter, dank des Bannkreises, so schnell keinen neuen mehr fürchten mussten… aber der Krieg hatte zu viele Opfer gekostet, um die Feierstimmung lange aufrechterhalten zu können. Die schreckliche Neuigkeit, dass Green genau wie ihre Mutter gestorben war, hatte sich schon vor dieser offiziellen Stellungnahme verbreitet - zusammen mit großer Unsicherheit, die die Freude verdunkelt hatte.

Das war noch nie geschehen. Noch nie hatte es keinen Lichterben gegeben. Was sollten sie nun tun? Was würde nun geschehen?

Grey wünschte so sehr, dass dieser Tag nicht existiert hätte; er mochte es nicht, dort oben an der Seite seiner Mutter zu stehen und zum ersten Mal in seinem noch jungen Leben waren ihm die weißen Augen seiner Vorfahren, die er im Nacken spüren konnte, eine Bedrohung. Warum musste das geschehen?

„… unter diesen traurigen Umständen muss ich verkünden, dass das Wächtertum zum ersten Mal seit seiner Entstehung regimeführerlos ist.“ Grey verstand das alles nicht. Warum sagte seine Mutter das? Es stimmte doch nicht, es war doch nicht wahr! Green lebte doch. Sie war in der Menschenwelt. In Sicherheit. So hatte seine Mutter es formuliert. In Sicherheit. Aber wovor in Sicherheit? Es gab doch nichts, was sie bedrohte? Der Krieg war vorbei.

„Bangt nicht, meine Mitwächter…“ Aber Grey hatte Angst. Er hatte große Angst. Aber der Krieg war doch vorbei! Wovor hatte er Angst? Vor den Lügen? Vor den Worten seiner Mutter, die doch Lügen waren; er wusste doch, dass es welche waren, aber lügen durfte man doch nicht! Aber sie tat es; seine Mutter tat es, log sie alle an. Die Wächter, deren Familie. Alle. Nur ihn nicht, er war eingeweiht, er wusste, dass Green am Leben war. Er wollte zu ihr. Er wollte, dass sie wieder abgeholt wurde. Sie gehörte doch zu ihm, zu Mutter – sie gehörte doch hierhin… warum war sie nicht hier? Warum musste seine Mutter sagen, dass Green tot war? Warum durfte Grey nur mit White über die Wahrheit sprechen, warum ganz besonders nicht mit deren Familie, warum ganz ganz besonders nicht mit seinem Großvater?

„… das Licht wird uns einen neuen Weg zeigen; es wird uns geleiten und uns beistehen. Das Element bleibt bei uns, beschützt uns und wird uns ein neuen Erben zeigen, sobald die Zeit reif ist. Bis dahin…“ White löste ihre Hand aus dem Griff ihres Sohnes und legte eben diese Hand auf seinen Rücken.

„… wird Grey den Posten seiner Schwester stellvertretend einnehmen. Ja, meine Mitwächter, ich weiß, es ist eine sehr schwere und ungewohnte Zeit für uns alle, aber der Frieden ist in unsere Welt zurückgekehrt – lasst uns darauf vertrauen, dass auch das Licht wieder Einzug hält in unser Leben! Vertrauen wir auf das Licht, so wie das Licht uns vertraut in dieser schwierigen Situation!“

Grey erinnerte sich an die vielen besorgten, nun aber gerührten Gesichter. Er erinnerte sich daran, wie er in den darauffolgenden Tagen immer wieder gehört hatte, wie tapfer White war, wie stark sie war, dass sie ihren Mitwächtern noch Stärke und Zuversicht hatte übertragen können, obwohl es doch so schwer für sie sein musste, all das zu ertragen… Es war ja ihre Tochter, die gestorben war. Es war so grausam… nicht einmal ihren Hikari-Namen hatte sie erhalten… Laut der öffentlichen Erklärung war Green einem Dämon zum Opfer gefallen. Ein geplantes, hinterhältiges Attentat mit einem unbekannten Dämon als Mörder.  

Grey mochte diese Lügen nicht. Er mochte sie nicht. Er hielt sie nicht aus. Seine Schwester war nicht tot. Sie war nicht tot!

„Mutter, ich… ich…“ White war vor ihrem kleinen Sohn in die Hocke gegangen; dem kleinen Jungen, dessen Schmerz so deutlich erkennbar war; in seinen Augen, in seiner Haltung, seinen hochgezogenen, bebenden Schultern.

„… ich kann das nicht… Green… sie ist doch nicht tot, aber ich muss sagen… dass sie das ist… warum, ich verstehe das nicht! Ich will zu Green, ich will, dass sie wieder hier ist! Sie ist schon eine Woche – e-eine Woche alleine!“ Er gab nach, die blauen Augen des kleinen Greys gaben nach, begannen zu weinen; Tränen, die von Whites weißem Stoff verschluckt wurden, als sie ihren Sohn an sich drückte.

„…W-Was ist, wenn sie weint, Mutter?“ Die kleinen Hände Greys klammerten sich an White.

„… dann hören wir es doch nicht! Wir hören es nicht und wir… wir können nicht bei ihr sein… Green, ich will zu ihr… ich will da sein, wenn sie weint!“

Aber stattdessen musste er so tun, als wäre seine kleine Schwester gestorben.

White wusste, dass sie ihrem Sohn, seinem reinen, unschuldigen Herzen, eine schwere Last aufgebürdet hatte und dass sie auch nicht in der Lage war, diese Last wieder von ihm zu nehmen. Lügen hatte sie ihm aufgebürdet – aber noch schlimmer: sie hatte ihm die Schwester weggenommen, auf die er so lange gewartet, sich so lange gefreut hatte.

Es hatte keinen anderen Weg gegeben als diesen, nur den Weg der Lügen; heute wusste Grey das auch. So schmerzhaft diese Zeit auch gewesen war, er wusste, dass es keinen anderen Weg gegeben hatte. Eine Zeit des ständigen Hoffens und gleichzeitig auch eine Zeit der Hoffnungslosigkeit. Auf der einen Seite hatte er Green vermisst, hatte darauf gehofft, dass eines Tages der Tag kommen würde, an dem er sie wiedersehen konnte, wenn auch nur für einen kurzen Moment – manchmal hatte er auch geglaubt, sich vorgestellt, dass sie zurückkehren würde. Dass die Unreinheit, die ein Teil ihres Namens war, ein Fehler, ein Missverständnis war; dass die Welt, der gemeine Lauf des Schicksals, die Hikari, nicht zulassen würden, dass Green ewig von ihren Wurzeln getrennt wurde; von ihrer Familie, von ihm, von White. Sie sehnten sich doch so sehr nach ihr – und sie sich doch sicherlich auch nach ihnen! Ihr Herz musste doch spüren, dass sie gerufen wurde, dass kein Tag verging, an dem White und er nicht an sie dachten.

Aber auf der anderen Seite war da die Traurigkeit, die er verspürte, als wäre Green wirklich gestorben. Vielleicht hatte sich dieses Gefühl auf ihn übertragen, weil die anderen Wächter davon überzeugt waren; vielleicht war es ein Schutzmechanismus, weil er mit dem Heranwachsen lernen musste, seine Hoffnung, jemals ein Leben zu leben, in dem es Green gab, aufzugeben. White und Grey würden Green beim Erreichen ihres 17. Lebensjahres aufsuchen und das ohnehin versiegelte Element von ihr befreien – das war ihr geheimer Plan. Es würde sich dann, so lautete jedenfalls der Plan, einen neuen Wirt suchen, vielleicht auch auf Grey übergehen. Er würde sie nur noch einmal sehen; es gab keinen Grund, zu hoffen. Sie war tot. Seine Schwester war tot. Sie war für immer von ihm gegangen.

Aber dann kam Pink. Pink, das kleine Puzzleteil, das niemand erwartet hatte. Pink, die Green das Glöckchen brachte, das einst für sie vorbestimmt war – Pink, die das Element entsiegelte und Green als Hikari erweckt hatte.

Green lebte wieder. Sie war zurückgekehrt.

Und wieder hing das Fallbeil kurz über ihrem Nacken.     

Aber dieses Mal…

 

 

„Auf frischer Tat ertappt, Onii-chan!“

Einen kurzen Moment sah Grey geschockt aus, als Green hinter einer Säule hervorkam und sich Ryô und ihm mitten in den Weg stellte, die Arme in die Hüfte gestemmt - mit finsterem, aber entschlossenen Gesichtsausdruck. Er war wohl zu freudetrunken gewesen, um ihre Aura zu bemerken; trotz aller Vorsicht nicht vorsichtig genug – auch seine Kleidung verriet ihn nun, denn er hatte sich nicht wieder umgezogen, trug noch seine offizielle, vornehme und golden verzierte Uniform, die er zu öffentlichen Gegebenheiten als vertretender Regimeführer zu tragen pflegte und der sogar Green ansah, dass sie nicht zu seiner Alltagsgarderobe gehörte.

„Du hast dich aber sehr schick gemacht dafür, dass du nur ins Jenseits wolltest – und lange weggeblieben bist du auch!“ Grey spürte, wie Ryô ihm einen nervösen Blick zuwarf; ob er sich wohl fragte, wie Grey sich aus der Affäre ziehen würde? Ob er über eine Ausrede nachdachte? Und wenn ja, welche – welche war gut genug, um Green zu überzeugen, die die beiden wahrlich auf frischer Tat ertappt hatte?

„Ich weeeeiß ja nicht, irgendwie finde ich, dass dieses Outfit besser auf eine… ach, keine Ahnung – Hochzeit passt?!“ Ryôs besorgter Blick nahm nur noch weiter zu – nahm allerdings einen geschockten Ausdruck an, als Grey antwortete:

„Es stimmt, Ryô und ich kommen von einer Hochzeit.“ Ryô war absolut geschockt angesichts der ehrlichen Antwort, doch auch Greens Augen weiteten sich – ihr Bruder hatte es… zugegeben? Einfach so? Das… warf sie ein wenig aus dem Konzept.

„Und warum bin ich nicht dabei gewesen? So als Hikari? Ich dachte, ich hätte einen hohen, politischen Posten?“ Jetzt könnte Grey so etwas sagen wie dass es keine Hochzeit von wichtigen Wächtern gewesen war; ein Freund womöglich…

„Das stimmt, du bist eine wichtige Persönlichkeit.“ … was tat er denn nur?!

„Und ich glaube sogar, dass ich eingeladen war! Ist der Wächter, der heute geheiratet hat, zufällig ein Wächter mit hellblauen Haaren? Etwa im selben Alter wie du? Er nannte Tinamis Namen, also… vielleicht ein Klimawächter?“

„Oh, du kennst Shitaya-san?“, antwortete Grey und nicht nur Green war überrascht über diese ruhige Antwort, auch Ryô konnte seine Überraschung kaum zurückhalten. Was tat sein Herr denn?!

Ja, ich… ehm, ich habe ihn in Tokyo getroffen, kurz bevor du mich entführt hast.“

„Das hat er mir gar nicht erzählt.“

„Er hat mich da auch zu seiner Hochzeit eingeladen.“

„Das hat er mir ebenfalls nicht erzählt.“

„Ich wäre eigentlich gerne dabei gewesen.“ Jetzt wunderte Green sich selbst über ihre ruhige Antwort; sie schüttelte den Kopf und befahl sich, sich darauf zu besinnen, was sie eigentlich vorgehabt hatte – ihren Bruder zur Rede zu stellen! Sie war doch wütend und sie hatte allen Grund dazu!

„Ich wäre eigentlich wirklich gerne dabei gewesen, Grey! Warum war ich es nicht, wenn ich ach-so-wichtig bin?! Sowieso!“ Sie zeigte anklagend auf den immer noch recht ruhig und ernst wirkenden Grey:

„Du verheimlichst mir etwas!“ Jetzt wurde es brenzlig und Ryô verstand einfach nicht, warum Grey nichts tat, um das Eskalieren zu verhindern. Die Hikari hatten doch ausdrücklich befohlen, dass Green nicht mit anderen Wächtern in Kontakt kommen sollte – wie war sie nur in Kontakt mit Shitaya gekommen?! – und daher war es doch nur ratsam, dass Green nicht zu viel über die anderen Wächter erfuhr, also sollte Grey doch versuchen, es ihr auszureden; ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken? Gut, unter den Hikari hatte es auch bei diesem Thema einige widersprüchliche Meinungen gegeben: Green war immerhin bei Grey, weil sie mit ihrem Wächterdasein vertraut gemacht werden sollte und daher war es doch nur positiv, wenn sie andere Wächter kennenlernte, Bande knüpfte… aber die Hikari, die Green absolut und vehement als Gefahr für das Wächtertum ansahen – eine Position, die sich verhärtet und deren Anhänger sich vergrößert hatten nach den Messungen von Greens Attacke – wollten das Wächtertum vor Green und ihrem womöglich negativen Einfluss schützen. Es war alles sehr verworren und sehr kompliziert momentan, aber der aktuelle Stand war doch, dass Green von den Dämonen abgeschirmt werden sollte in der Hoffnung, dass ihre Unreinheit verschwand, also warum…?!

„Und ich verlange zu wissen, was es ist! Wo sind die anderen Wächter!? Warum sehe ich hier nie jemanden?! Warum hast du mir nie die anderen Inseln gezeigt!? Ich weiß, dass sie existieren!“

„Ich kann sie dir zeigen.“ Greens ausgestreckter Zeigefinger fiel herunter, genau wie ihre Kinnlade und Ryôs ebenfalls. Was---

„Ist es dein Wunsch, dass ich sie dir zeige? Morgen habe ich ohnehin einen Termin auf Sanctu Ele’Saces.“ Kurz schüttelte Green sich verwirrt, denn das hatte sie wohl nicht erwartet zu hören, genauso wenig wie Ryô.

„Ehm… ja, klar, warum nicht!“

 

 

Greys Verhalten würde Ryô auch am nächsten Morgen noch als außerordentlich mysteriös bezeichnen und es wunderte den Tempelwächter sehr und beunruhigte ihn auch, dass Grey ihm nichts erzählte. Das war sehr untypisch für ihn: er verbarg eigentlich nie irgendetwas vor ihm. Ryô hatte nicht mehr als einmal nachgefragt, obwohl er es zu gerne getan hätte, aber Grey hatte ihn darum gebeten, geduldig zu sein; hatte gesagt, dass er natürlich genau wisse, woher Ryôs Verwunderung stamme, aber dass er ihm jetzt noch nichts erzählen könne. Noch ein wenig müsse er warten und das, obwohl Ryô seinem Herren genau angesehen hatte, dass dieser die Nacht über nicht viel geschlafen hatte – was auch immer er vorhatte, es hatte ihn wachgehalten und geplagt. Es war also ein spontaner Einfall gewesen, der hinter dieser doch sehr eindeutigen Missetat steckte. Er verweigerte einen Befehl der Hikari! Grey!   

„Warum hast du mich gestern nicht mitgenommen? Ich meinte es ernst, als ich sagte, dass ich gerne dabei gewesen wäre! Es hätte mich wirklich total interessiert, wie eine Hochzeit bei den Wächtern aussieht… und Ilang und Tinami waren ja auch da!“, beschwerte Green sich, während sie ihre Pfannkuchen in kleine, runde Stückchen schnitt – zu Beginn hatte sie ihre Pfannkuchen mit Pflaumenmus mit den Fingern essen wollen, aber das hatte Grey ihr ausgeredet. Nur Dämonen aßen mit den Fingern!

„Ich muss zugeben, dass ich nicht angenommen hatte, dass du daran Interesse hättest. Eine so große Hochzeit ist eine wichtige, politische Begebenheit und du hast schon sehr oft sehr deutlich verlautbart, dass die Politik dich von den vielen anderen Dingen, die du zu lernen hast, am wenigsten interessiert.“

„Du hättest mich fragen können“, antwortete Green mit einem kleinen Schmollmund. Am liebsten hätte sie verneint, aber sowohl Grey als auch sie wussten, dass das gelogen wäre: Politik interessierte sie wirklich nicht.

„Das ist wahr und dafür entschuldige ich mich. Aber ohnehin hätte ich dich nicht mitnehmen können, immerhin konzentrieren sich unsere Lehrstunden allein auf dein kämpferisches Können und nicht auf deine politischen Fertigkeiten.“

„Um eine Hochzeit zu besuchen, muss man Lehrstunden absolvieren?“

„Aber natürlich. Ich hielt eine Hochzeit daher für etwas sehr viel für den Anfang, besonders im Anbetracht dessen, dass du noch so gut wie keine Wächter kennst und sie dich nicht! Stell dir das doch nur einmal vor, Green – du hättest die ganze Aufmerksamkeit an dich gerissen, sobald du durch die Tür gegangen wärst. Wäre das dem Brautpaar gegenüber fair gewesen?“ Ganz zu schweigen davon, dass Green die Hochzeit wahrscheinlich ruiniert hätte, schoss es Itzumi durch den Kopf, als sie sah, dass Green mal wieder die falsche Gabel benutzte und wieder einmal mehr Teller dreckig gemacht hatte, als es Not getan hätte. Aber gut, immer noch weniger als Pink – sie hatte nicht nur die Teller und ihr Gesicht mit Schokolade beschmutzt, sondern auch die Tischdecke. Schon wieder! 14 Jahre alt und nicht in der Lage, anständig zu essen; hatte Green sie denn gar nicht irgendwie erzogen?!

„Wie viele Wächter werde ich heute denn eigentlich sehen?“

„Hm, um die 10.000 würde ich schätzen.“ 10.000 Wächter, die Green gar nicht sehen durften, dachte Ryô und bemerkte beim Nachschenken des Saftes, dass er schweißnasse Hände hatte – wusste Grey wirklich, was er tat? Grey hatte ihm doch gestern noch erzählt, wie angespannt die Stimmung im Jenseits war und sie hatte sich sicherlich nicht nur wegen einer Hochzeit entspannt… Die Anspannungen waren sicherlich für die Festlichkeiten nur pausiert gewesen. Grey selbst hatte angemerkt, dass er Mary ansehen konnte, dass sie nur so tat, als würde sie Spaß am Fest haben – und was war mit Grey selbst gewesen? Zu Beginn der Hochzeit war er ebenfalls noch angespannt gewesen und Ryô war nicht unbemerkt geblieben, dass seine Gedanken immer wieder von der Sorge um Green vernebelt wurden. Es hatte lange gedauert und viele von Ryôs beruhigenden Worte gebraucht, bis Grey sich einigermaßen hatte fallen lassen können.

Grey hatte Ryô erzählt, wie nahe Green gerade einer Hinrichtung stand. Wie viele Hikari sie nun lieber so schnell wie möglich tot sehen wollten, weil sich doch gar keine Besserung abzeichnete… Die 47% nicht-definierbare Magie war genauso gedeutet worden wie von Grey befürchtet, also warum…

„Boah, das sind ganz schön viele!“ … war es… gerade deshalb?

„Wir sind ja auch ein ganzes Volk - oder dachtest du, das Wächtertum bestände nur aus den Wächtern, die du hier gesehen hast?“ Grey lachte ein wenig in sich hinein, während Ryô versuchte, seine Unruhe zu verbergen:

„Wir kommen zwar nicht an die Dämonenanzahl heran, aber nach dem letzten Krieg zählt unsere Bevölkerung gut 25.000…“

„Was?! Wieso zum Teufel weiß ich davon nichts?! Gut, ich habe mir gedacht, dass wir schon mehr sind, aber so viele… und warum hab ich noch nie, also, mehr davon getroffen?!“ Grey lächelte; scheinbar gefiel es ihm, dass Green diese Fragen stellte und damit Neugierde an den Tag legte – Neugierde, die Grey gerne stillte, in ausgiebiger Form, die Green nicht überraschte, aber Ryô.  

„Der siebte Elementarkrieg mündete in einer Evakuierung des Tempels; etwa 2000 Wächter lebten vor diesem Zeitpunkt hier im Tempel, die daraufhin nach Sanctu Ele’Saces evakuiert wurden; einige wenige allerdings auch in die Menschenwelt. Sanctu ist mittlerweile der größte unserer vier Stützpunkte, gefolgt von dem vormals größten Stützpunkt Espiritou del Aire – der siebte Elementarkrieg wurde mit der Auslöschung dieser Insel eingeleitet.“

„Ich habe eigentlich immer geglaubt, dass der Tempel das Zentrum ist.“

„Das ist er auch. Er ist das kulturelle und politische Zentrum – jedenfalls war er das bis vor 16 Jahren. Aber der Tempel war nie die größte Insel, sondern nur die älteste. An sich ist der Tempel nicht dafür ausgelegt, als Wohnsitz für viele Wächter zu dienen. Geringfügig wurde der Tempel zwar während dem Verlauf seiner Geschichte ausgebaut, damit hier mehr Wächter leben konnten, doch man wünschte, die Natürlichkeit und Heiligkeit des Tempels nicht zu schädigen, weshalb hier nur eine begrenzte Anzahl Wächter leben dürfen - nämlich nur die Hikari-Familie und die wichtigsten, hochrangigsten Wächter. Seit jeher ist es nur erlaubt hier im Tempel zu leben, wenn man entweder hier geboren worden ist oder einen Antrag gestellt hat. Der Tempel ist ein Heiligtum, das nicht beschmutzt werden darf. Das war auch der Ursprung der Tempelwächter: eigentlich…“ Grey blickte lächelnd zu Ryô, als bräuchte er seine Bestätigung – in Wahrheit aber hatte er die Unruhe seines Tempelwächters bemerkt und wollte ihn irgendwie aufheitern, ablenken:

„… waren die Tempelwächter nämlich die Behüter des Tempels, bis sich ihr Aufgabengebiet über die Zeit hinweg veränderte.“ Ryô nickte und spürte da auch wieder ein Lächeln auf seinem Gesicht aufkommen, eine kleine Beruhigung seines besorgten Herzens…

„Der Tempel ist ein Heiligtum? Warum leben wir dann hier?“

„Weil wir Mitglieder der Hikari-Familie sind. Die Hikari leben immer im Tempel.“

„Weil wir heilig sind?“, fragte Green mit einer hochgezogenen Augenbraue, die Grey wählte zu ignorieren.

„Exakt. Wir sind dem Kern unserer Gesellschaft am nahesten; praktisch gesehen sind wir der Kern.“ Green könnte dazu einiges sagen und ihre Augenbrauen noch weiter anheben, aber das war wohl kein Gesprächsthema, bei dem Grey von seinem Standpunkt abweichen würde, weshalb Green das Thema wechselte:

„Und die 2000 evakuierten Wächter? Was ist mit denen? Warum sind die nicht zurückgekehrt?“

„Der Tempel wurde von jenem Kampf sehr stark beschädigt; besonders die Wohnflügel. Es war nicht möglich, 2000 Wächter wieder aufzunehmen. Auch ich musste einige Monate auf Sanctu Ele’Saces verbringen, ehe ich hierher zurückkehren konnte.“ Green pikste lachend in die letzte Erdbeere, die noch auf ihrem Teller lag:

„Die Wächter scheinen nicht so schnell zu bauen, huh? Ich meine, es ist mehr als zehn Jahre her seit diesem Kampf und immer noch ist hier einiges kaputt, hihi!“ Ryô unterdrückte den Drang, Grey einen vielsagenden Blick zuzuwerfen: war es wirklich so klug, darüber zu reden?

„Wie gesagt, Green, der Tempel ist ein Heiligtum, also muss die Restauration mit besonderer Umsicht vonstattengehen.“ Eine notdürftige Lüge, aber scheinbar glaubte Green sie – oder interessierte sich nicht genug für das Thema, um darüber zu stolpern, dass diese Worte nun einmal nichts anderes als eine Lüge waren.  

Der Tempel war zwar ein Heiligtum und die Restauration war mit viel Vorsicht gehandhabt worden, aber sie war nach dem Krieg die oberste Priorität gewesen und hatte nicht mehr als fünf Jahre in Anspruch genommen…   

„Und, Green? Noch Fragen? Wir müssten sonst nämlich langsam los.“ Wie um deren Eile zu unterstreichen, legte Grey auch schon sein Besteck von sich – Green schien es dann plötzlich sehr eilig zu haben, denn kaum, dass Greys Besteck auf dem Teller lag, war sie auch schon aufgesprungen und war zusammen mit Pink schon im Begriff, um den Tisch zu sprinten, obwohl ihr Bruder noch seine Medizin austrinken musste, ehe sie aufbrechen konnten.

„Ja, ich habe wirklich noch eine Frage – du hast vorhin die Anzahl der Wächter erwähnt! Wie viele Dämonen gibt es denn?“ Angesichts der bitteren Medizin hatte sich Greys Gesicht ohnehin wie jeden Morgen bereits verdunkelt, aber bei dieser Frage wurde es nur noch dunkler, als würden sie plötzlich über den Untergang der Welt sprechen.

„Zu viele.“ Green stemmte grinsend die Hände in ihre Hüften:

„Bekomme ich auch eine Zahl?“

„Sie ändert sich ständig, da sie sich auch gegenseitig umbringen und gegeneinander Krieg führen. Die letzte Hochrechnung ist eine Weile her, aber da waren es 50.000.“

„Boah, die sind aber fleißig! Das sind ja doppelt so viele wie wir!“ Grey gab Ryô das geleerte Glas Medizin zurück, schluckte noch eine Tablette und antwortete düster:

„Vermehren sich wie die Ratten, diese Mistviecher.“

„Grey-chan ist schon wieder ein Rassist!“, verkündete nicht Green mit einer quietschenden Stimme, sondern Pink, die allerdings trotz ihrer harten Wortwahl einfach weiterhin auf und ab hoppelte, sich dabei die Schokolade von den Mundwinkeln leckend.

„Besser hätte ich es gar nicht sagen können!“, pflichtete Green Pink bei, ehe Grey etwas erwidern konnte; stattdessen sah er mit hochgezogenen Augenbrauen dabei zu, wie Pink und Green einen Handschlag austauschten.

„Ich glaube wirklich, dass wir aufbrechen sollten, Green.“ Aber bevor Green dem zustimmen konnte, mischte Pink sich ein:

„Darf ich auch miiiiit?“ Grey musste sich selbst eingestehen, dass er am liebsten ablehnen würde, aber die großen, strahlenden Augen seiner Cousine waren eindeutig ein zu effektives Mittel…

„Also…“

„Mir wäre es lieber, wenn du hierbleiben würdest, Pink.“ Die Angesprochene sah Green sofort bestürzt an – sie hatte schon Tränen in den Augen – aber auch Grey sah seine Schwester verwirrt an. Die Verwirrung hielt jedoch nicht lange, denn die Freude kam zu schnell und zu überrumpelnd:

„Ich möchte gerne ein wenig Zeit alleine mit meinem Bruder verbringen. So ein Geschwister-Ausflug eben.“ Grey hätte Green wahrscheinlich am liebsten in diesem Moment stürmisch umarmt, während Pink einfach nur weinerlich und schmollend aussah, aber nachgab – Itzumi himmelte verärgert mit den Augen, Ryô betrachtete das ganze nervös, beinahe den absoluten Anfängerfehler machend, als er beinahe ein Glas fallen gelassen hätte. Eine Nervosität, die Ryô doch noch einmal dazu brachte, sich an Grey zu wenden, sobald Pink und Green den Speisesaal verlassen hatten, damit Green sich umziehen konnte.

Grey strahlte immer noch bis über beide Ohren, kehrte aber in die Wirklichkeit zurück, als er den Blick seines Tempelwächters sah.

„Oh, Ryô, wie besorgt du aussiehst! Das musst du wirklich nicht sein…“

„Ich weiß, ich darf eine solche Frage nicht stellen, aber, Grey-sama, Ihr… wisst wirklich, was Ihr tut? Ihr seid Euch darüber im Klaren? Eure Sicherheit… die Konsequenzen, die es für Euch bedeuten könnte?“ Grey hätte allen Grund gehabt, um wegen diesen Fragen verärgert zu sein, aber stattdessen legte er seine Hand aufmunternd auf die Ryôs, die bis jetzt auf dem Tisch gelegen hatte und blickte ihn mit einem aufheiternden Lächeln an:

„Ich danke dir für deine Fürsorge, mein Freund, aber ich weiß genau, was ich tue.“

 

 

„WOAH! Die Wächter müssen in Geld schwimmen!“ Dieser Ausdruck der Überraschung, nein, der Überwältigung, war das erste, was Green herausbrachte, nachdem sie ein paar Sekunden geschockt war von dem, was sich ihr bot: die beiden Geschwister waren zusammen mit Ryô auf einem Hügel gelandet, von wo aus Greens strahlende Augen einen wunderschönen Ausblick hatten über eine wahrlich gigantische, ebenso wie der Tempel schwebende Insel in einem Meer aus Wolken. Aber diese Insel war um einiges größer und wurde auch nicht von einem einzigen Gebäudekomplex ausgefüllt, sondern von einer ganzen Stadt.

Eine weiße Stadt, die sich unter Green erstreckte, gelegen an einem großen See, der die gesamte westliche Hälfte der Insel einnahm und dessen blaues Wasser wie kristallisiert in der hellen und warmen Sonne strahlte. Von Winter nichts zu spüren; der Wind war angenehm warm und trug eine frische Luft zu ihnen empor, die nach Blumen roch – haha, kein Wunder: der gesamte Hügel, auf dem sich die runde Teleportationsplattform befand, war fast ausnahmslos bedeckt mit weißen, gelben und blauen Blumen, deren Namen Green fremd waren. Über ihrem Kopf war eine gläserne Kuppel in denselben Farben, die dank der strahlenden Sonne farbiges Licht auf den Boden warf – ein wahrlich schöner Anblick und Green hatte fast schon kindischen Spaß daran, die farbigen Reflektierungen auf ihrer Haut zu beobachten, bis sie unter der Kuppel hervorkamen und die Spitze einer sich nach unten in die Stadt schlängelnden Treppe betraten, die ebenfalls in Weiß gehalten war.

Wie schön die Stadt war! Während sie näher herankamen, entdeckte Green, dass diese Wächterstadt sie an Fotos von Venedig erinnerte, denn diese Stadt besaß keine breiten Straßen, sondern viele kleine, von weißen Gehwegen gesäumten Kanäle, deren helles Wasser wohl aus dem See stammte, der, im Vergleich zur Stadt und der Insel, mehr wie ein Meer aussah. Auch wenn die Kanäle um einiges flacher waren als in Venedig, konnte man die Stadt mit seinen verschnörkelten Brücken fast mit ihr verwechseln – wären da nicht die eindeutigen Anzeichen darauf, dass diese Stadt magisch war; am östlichen Rand der Insel entdeckten Greens überraschte Augen tatsächlich ein schwebendes Gebäude gleich neben der eigentlichen Hauptinsel! Von Weitem glaubte Green zu sehen, dass eine lange Treppe zu diesem eigenartigen, fliegenden Gebäude führte. Was das wohl war?

Das Gebäude verschwand nach einigen Treppenstufen allerdings hinter der Stadt und schnell wurde Greens Aufmerksamkeit von etwas anderem angezogen: wie niedlich die Häuser aussahen! Green war nicht gerade ein Experte für Architektur, aber sie hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen, nicht einmal das Material, aus dem die Häuser gemacht worden waren, konnte sie bestimmen. War es Stein? Aber warum wirke es dann im Licht der Sonne leicht blau und golden? Hoch waren diese hübschen Häuser nicht gebaut worden; keins war höher als zwei Stockwerke und obwohl sie alle aus demselben Stein waren, so waren sie alle unterschiedlich gebaut. Balkone mit Blumen und Kräutern streckten sich Green entgegen, von den hohen Säulen hingen blaue Glaslampions und gefüllte Blumenkörbe herunter… und dann… und dann… Green schwirrte der Kopf; es war zu viel, sie wusste gar nicht, wo sie zuerst hinsehen sollte!

Und dann waren da natürlich die Wächter. Ihresgleichen, obwohl Green gar nicht wusste, ob sie sie so nennen konnte, sie fühlte sich nämlich gerade nicht wie eine von ihnen, sondern wie ein Mensch, der in eine Märchenwelt geworfen worden war.

So viele Wächter! Ab und an hatte Green ja schon welche im Tempel gesehen und sie hatte die Anzahl der Wächter auch von Grey gehört, aber dennoch verschlug ihr der Anblick von so vielen Wächtern auf einmal die Sprache. Vor Sprachlosigkeit war Green stehengeblieben und starrte die Wächter nun ganz unverhohlen an; sie konnte gar nicht anders.

Wie zufrieden sie alle aussahen! Kaum einer von ihnen ging alleine oder sah irgendwie missmutig aus; alle schienen ausgelassen und gut gelaunt zu sein, ob sie nun zusammen schlenderten, im Schatten der hellgrünen Bäume saßen und sich in kleinen Gruppierungen   gegenseitig etwas vorlasen oder einfach nur dastanden, um miteinander zu reden, sich auszutauschen. Tempelwächter schlängelten sich hier und dort im eiligen Treiben durch die anderen Wächter; Wächterfamilien, die Hand in Hand gingen, das Kind zwischen ihnen oder auf ihren Schultern. Alle sahen irgendwo glücklich und zufrieden aus, niemand war ausgeschlossen oder ging alleine…und sofort fiel Green auf, dass nicht nur die Hikari in Farbübereinstimmung lebten: die anderen Wächter taten es auch. Deutlich konnte man anhand der Kleiderfarbe erkennen, wer welches Element besaß. Auch die kleinen Wächter waren klar zuzuordnen. Sie trugen zwar alle eine weiße Uniform, aber diese war versehen mit einer Schleppe, die in der jeweiligen Elementfarbe gehalten wurde; hier und dort leuchteten trotz der ohnehin schon sehr deutlichen Elementerkennung die Wappen der Elemente auf. Na, jetzt verstand Green, warum ihr Bruder so erpicht darauf gewesen war, dass Green eines seiner weißen Kleider hatte tragen müssen…

Zu Beginn war die Hikari zu erstaunt gewesen, um sich dem wachsenden Getuschel und den erstaunten Augen bewusst zu werden, die langsam anfingen, sich der fremden jungen Frau an Greys Seite zu widmen. Vielleicht hätte sie diese Aufmerksamkeit aber auch so nicht sich selbst zugeordnet, zu sehr unterschätzte sie noch, was für eine Wirkung eine Hikari auf die anderen Wächter hatte – wahrscheinlich war es nicht einmal eine Unterschätzung, sondern einfach nur pures Unwissen, denn das Lesen der Tagebücher war Green wie das Lesen von Romanen vorgekommen; kaum etwas von dem Gelesenen hatte sie der Wirklichkeit zugeordnet, obwohl sie jetzt herausfand, dass das alles sehr wohl der Wirklichkeit entsprang – und dass sie der Mittelpunkt der Wirklichkeit der Wächter war. 

Immer aufgeregteres Getuschel breitete sich um Grey, Green und Ryô herum aus; Green wurde mulmig zumute. Sie fürchtete sich nicht davor, angesehen zu werden – sie pflegte immer selbstbewusst zu sagen, dass sie ja hübsch war und wenn man sie anstarren wollte, dann sollte man doch – aber an diesem Selbstbewusstsein mangelte es ihr nun.

Die erschrockenen Gesichter, die Verwirrung über ihr Auftreten machte sie nervös; Kinder zeigten auf sie, wurden von ihren Eltern ermahnt – nein, sie zeigten nicht auf sie, sie zeigten auf ihr deutlich auf der Brust liegendes Glöckchen… und da war sie wieder, die gleiche gerunzelte Stirn, die sie auch schon im Jenseits gesehen hatte und obwohl die Wächter leise miteinander sprachen, konnte sie förmlich spüren, wie Green die Wächter wegen ihres Aussehens verwirrte. Braune Haare? Und waren das nicht recht dunkle Augen für eine Hikari…? War sie es wirklich? War sie wirklich eine Hikari; ihre Hikari?

Grey war zusammen mit Green und Ryô stehengeblieben, als ein Wächter auf sie zukam: ein Wächter, gekleidet in einer eleganten, vornehmen, blauen Uniform, so außerordentlich hübsch, dass Green ihn kurz für eine Frau gehalten hatte, mit seinem wasserstoffblonden Haar und einem gepflegten, absolut makellosen Gesicht.  

„Ich grüße Euch, Grey-sama.“ Er verneigte sich vor ihrem Bruder, was Green ein wenig verwirrte; der Wächter sah aus, als wäre er selbst nicht gerade von niedrigem Rang – warum verneigte er sich vor Grey?

„Ich grüße Euch ebenfalls, Pelagius-san.“ Grey lächelte zwar, aber dennoch… irrte Green sich oder war er nervös? Wegen dem Getuschel? Wegen der Aufmerksamkeit?

„Bitte verzeiht meine womöglich unverschämte Frage, Grey-sama…“ Mein Gott, was für eine Höflichkeit!

„… aber ist die sich in Eurer Begleitung befindende Wächterin…“ Jetzt schienen alle Wächter, inklusive Grey, die Luft anzuhalten.

„… die Erbin des Lichts?“ Grey atmete wieder ein, nahm sogar einen tiefen Atemzug, ehe er Green kurz einen Blick zuwarf.

„Ja, es ist Kurai Yogosu Hikari Green. Tochter Whites, meine Schwester – und die Trägerin des Elements des Lichts. Sie ist wieder zu uns zurückgekehrt.“

 

 

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  KiraNear
2016-02-28T17:39:19+00:00 28.02.2016 18:39
Muss Askeryna Recht geben, der Teil aus der Sicht des kleinen Greys ist wirklich putzig^^
Und wegen dem anderen ... hm, muss man mal sehen, ob das wirklich so ne gute Idee war O_o
Mein Gefühl sagt mir zu 40% ja, zu 60% nein. Mal sehen, welche Seite am Ende recht haben wird.
Von:  Askeryna
2015-12-21T19:02:38+00:00 21.12.2015 20:02
Mir hat der Anfang des Kapitels aus der Sicht des kleines Greys sehr gefallen, du hast sein kindliches Denken so gut rübergebracht!

(Wie hoch stehen die Chancen, dass es mal ein Bild mit klein Grey und White gibt?? :'D /versteck)
Von:  fahnm
2015-12-21T09:24:00+00:00 21.12.2015 10:24
Hammer Story.


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