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Himitsu no Mahou

von

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Dämonen alleine im Tempel

 

 

Green gähnte herzhaft, ohne sich die Hand vor den Mund zu halten und erntete sich von ihrem großen Bruder einen tadelnden Blick, den sie natürlich gekonnt ignorierte. Sie, Grey und das Tempelwächterzwillingspaar standen in der Eingangshalle des Tempels; Green hatte sich allerdings an eine Säule gelehnt und war mehr dabei einzuschlafen als dem Gespräch zu folgen, obwohl das Gespräch eigentlich nur sie betraf. Aber es war kurz nach Mitternacht und Green war gerade aus dem Bett geworfen worden: konnte man da wirklich erwarten, dass sie fit war? Gut, sie war extra früh ins Bett geschickt worden, aber dennoch.  

„Onii-chan, was soll das hier eigentlich werden?“ Grey wandte sich von Ryô und Itzumi ab und ging hinüber zu seiner Schwester; sie natürlich erst einmal darauf hinweisend, dass sie ordentlich stehen solle, ehe er ihr antwortete:

„Trainingsauftrag, Green!“

„Was? Um diese Uhrzeit? Kann das nicht bis morgen warten?“

„Warum glaubst du habe ich dich so früh ins Bett geschickt? Es geht nur jetzt. Ich will nicht, dass du bei Nacht irgendwo herumläufst.“

„Grey. Es ist Nacht.“

„Ja, aber dort, wo dich dein Trainingsauftrag hinführt, nicht.“ Green legte fragend den Kopf schief.

„Ahja…? Was genau soll ich denn machen?“ Der Angesprochene verschränkte die Arme.

„Tinami-san hat heute Mittag einen unserer fehlenden Wächter geortet. Den Wächter der Erde, um genau zu sein. Es liegt nun an dir, diesen Wächter ausfindig zu machen und hier herzubringen. Es ist also kein besonders schwerer Auftrag.“

„Und wie soll ich das bitte machen? Der rennt sicherlich nicht mit einem Schild rum.“ Grey legte ihr ein kleines Gerät in die Hand: ein Gerät von der Größe eines Handys, mit einem hellen, weißen Bildschirm. Fragend blickte sie ihren Bruder an:

„Was ist das?“ Grey lächelte entschuldigend:

„Ich muss ehrlich gesagt zugeben, dass ich dir das nicht genau erklären kann… du weißt, ich bin nicht so stark auf diesem Gebiet. Es ist eine von Tinami-sans Erfindungen… Sie hat mir erklärt, dass dieses Gerät ausschlagen wird, sobald sich Erdmagie in der Nähe befindet. Wir haben auch den Aufenthaltsort des Wächters; es sollte dir also ein Leichtes sein, ihn zu finden, denn ich bezweifle, dass er seit heute Mittag eine Weltreise gemacht hat. Das Merkwürdige an der Sache ist nur, dass die Magie sofort wieder verschwunden ist…“ Grey überlegte kurz, ging aber nicht weiter darauf ein:

„Die typischen Merkmale eines Erdwächters sind braune Haare und braune Augen. Darüber hinaus sind sie für ihren angriffslustigen und sturen Charakter bekannt: es könnte also sein, dass er dir Probleme bereitet…“ Green nickte leicht, ein weiteres Gähnen unterdrückend und schob das Suchgerät in ihre Jackentasche. Aber trotz ihrer Müdigkeit kam sie nicht drum herum, über das Offensichtliche zu stutzen:

„Was ist denn daran Training? Wird dieser Typ von Dämonen verfolgt oder wie?“ Der Angesprochene schüttelte den Kopf.

„Noch nicht. Aber es könnte bald der Fall sein, weshalb du auf die Anwesenheit von Dämonen gefasst sein solltest. Die Tsuchi sind unsere stärkste Angriffsmacht… sollten unsere Feinde das Erwachen des Wächters gespürt haben, dann könnten sie es auf ihn abgesehen haben.“ Green nickte abermals, sich den Schlaf aus den Augen wischend, weshalb sie den Blick nicht sah, den Grey und Ryô sich zuwarfen, der auch sofort verschwand, als Green sich noch einmal an ihren Bruder richtete:

„Warte mal, wenn ich mich richtig erinnere… hat Tinami mir erklärt, dass Elemente, die in Menschen leben, nur durch meine Anwesenheit geweckt werden?“ Überrascht weiteten sich Greys Augen; er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass Green das wisse:

„Das stimmt in der Tat, Green! Wie erfreulich, dass du das weißt…“ Der beleidigte Blick Greens brachte Grey schnell dazu, diese Worte zu bereuen. Er hüstelte und fuhr fort:

„… Es stimmt, dass sich schlafende Elemente eigentlich nur durch den Kontakt mit dem Licht aktivieren, aber es gibt auch Ausnahmen. Das Element der Erde ist sehr dominant und eigensinnig. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass es von sich aus erwacht ist. Wir werden das genauer untersuchen, sobald du den Wächter hergebracht hast.“ Ebenso wie sie auch untersuchen würden, in welchem Zusammenhang der neuerwachte Wächter mit Green stand. Darüber schien sie nicht gestolpert zu sein; und es war eine Tatsache, dass ein Element immer nur einen Menschen als Wirt auswählte, der sich in der Nähe der Hikari befand. Es wäre sehr ungewöhnlich, wenn das dieses Mal anders wäre – aber sie hatten auch nicht viele Vergleichsfälle, denn dass eine Rasse komplett ausgerottet wurde und das Element sich somit einen Menschen suchen musste, war nur sehr selten vorgekommen. Es war daher ein Gebiet, auf dem noch geforscht werden musste.  

„Du kannst mich kontaktieren, wenn du Hilfe benötigst, Green. Ich werde natürlich nicht ins Bett gehen.“ Ein sachtes, kaum hörbares Hüsteln ertönte, welches Green nicht bemerkt hatte, Grey aber schon, denn es war das unauffällige Hüsteln seines Tempelwächters gewesen, zu welchem sich sein Herr nun auch umdrehte.

„Wenn Ihr erlaubt, dass ich Euch in diesem Fall widerspreche, Grey-sama, dann würde ich Euch eigentlich dazu raten, Euch zur Ruhe zu begeben. Ihr wart lange wach und Ihr solltet an Eure Gesundheit denken…“ Grey wollte gerade die schmollende Antwort geben, dass er wohl kaum schlafen gehen konnte, wenn er nicht wusste, wie es um Greens Wohlergehen stand, als eben diese ihm zuvorkam:

„Zum Glück achtest wenigstens du auf seine Gesundheit, Ryô, wenn schon Grey es nicht macht!“ Sie lachte unbeschwert, besonders als sie die sanfte Errötung auf dem Gesicht des Tempelwächters erkannte, der sich am liebsten abgewandt hätte, den Blicken der beiden Geschwister allerdings standhielt, sich nur kurz verbeugte, als hätte Green ihm ein großes Kompliment gemacht.

„Ich finde, Ryô hat recht“, begann Green mit einem Grinsen:

„Der Auftrag scheint doch leicht zu sein; das schaffe ich schon, ohne dass du auf deinen Schlaf verzichten musst! Du kannst ruhig ins Bett gehen.“ Wieder kam Grey nicht zum Antworten, denn Ryô pflichtete Green bei:

„Ich danke Euch für Euren Beistand, Hikari-sama.“ Dann sahen seine bernsteinfarbenen Augen zu Grey:

„Ich werde Euch natürlich wecken, wenn etwas passieren sollte.“ Dem musste Grey sich wohl beugen, aber dennoch; beruhigt war er nicht.

„Gut, dann kontaktierst du bitte Ryô… auch wenn es mir nicht gefällt, dass ich dir somit den Schlaf raube, mein Freund.“ Der Tempelwächter versicherte ihm, dass er sich darüber keine Gedanken machen müsse und Grey fuhr fort:

„Und du passt auf dich auf, Green.“

„Alles klar! Das werde ich schon schaffen. Solange du mich nicht in die Antarktis oder nach Deut-“ Doch Green wurde von Itzumi unterbrochen:

„Es ist alles bereit, Grey-sama… Hikari-sama.“ Green überhörte das letzte Wort, das Itzumi recht säuerlich ausgesprochen hatte, Ryô hingegen warf Itzumi einen leicht tadelnden Blick zu, weil sie Green unterbrochen hatte. Es stand ihr nicht zu, unaufgefordert zu reden, besonders nicht in ein Gespräch mit der Lichterbin hineinzuplatzen. Von ihrem Tonfall ganz zu schweigen…  

Doch Grey sagte zum Glück nichts, er nickte nur und sah zu, wie Itzumi den Kopf senkte, sich neben Green stellte und ihr die Hand reichte:

„Wenn Ihr gestattet…?“ Green seufzte. Warum konnte Ryô sie nicht hinbringen? Warum war sie immer mit Itzumi bestraft? Jeder sah doch, dass Itzumi ihr die Pest an den Hals wünschte. Dennoch nahm Green leicht zögernd die Hand ihrer Tempelwächterin und es gelang ihr nur noch Grey anzulächeln, ehe sie verschwand.

Grey blickte lächelnd auf den Punkt, wo sie sein Lächeln eben noch erwidert hatte. Doch Ryô sah ihm an, dass ihn etwas beschäftigte, denn das Lächeln seines Herrn war von leichter Traurigkeit erfüllt.

„Wenn Ihr die Frage erlaubt, Grey-sama…“

Grey. Ryô… wie oft denn noch…“ Ryô senkte den Kopf und sah weg, antwortete jedoch nicht, weshalb Grey das Gespräch fortführte.

„Was wolltest du denn wissen?“

„Ihr seht traurig aus…“

„Du hast nicht wirklich vor, mich zu fragen, weshalb?“ Ryô schüttelte schnell den Kopf.

„Nein, selbstverständlich weiß ich den Grund…“ Grey lächelte, aber sein Gesicht wirkte ein wenig verkrampft.

„Hätte mich auch gewundert, wenn nicht.“ Er legte seine Hand auf die Schultern des Tempelwächters und dieser wagte es, Grey in seine himmelblauen Augen zu schauen. Der Windwächter lächelte immer noch, als er ausfuhr:

„Immerhin…“ Unterdrückte Grey da ein Seufzen?“

„…bist du mein bester Freund und Vertrauter.“ Ryô wollte am liebsten den Blick senken, aber er hielt ihn aufrecht.  

„Und dafür bin ich Euch mehr als dankbar…“ Grey zog seine Hand zurück und begann, in die Richtung seines Schlafzimmers zu gehen.

„Also… Ryô. Was wolltest du mich denn eigentlich gerade fragen?“ Ryô schwieg kurz. Er konnte es nicht fragen. Er durfte es nicht fragen. Es war viel zu privat und ging ihn überhaupt nichts an. Zu allem Überfluss war die Frage unerhört. Ein Tempelwächter durfte so eine Frage nicht stellen; sich nicht so einmischen, nicht einmal davon ausgesehen, dass er es durfte… aber ein Freund… ein Freund durfte das. Mehr sogar; es war die Pflicht eines Freundes, es anzusprechen; es war seine Pflicht, den, den er seinen Freund nannte, zu schützen. Auch vor sich selbst.

„Komm schon, Ryô. So schlimm wird es schon nicht sein“, unterbrach der Windwächter das Gedankenchaos seines Tempelwächters und zögernd brachte dieser sich zu einer Antwort:

„Eure Gefühle für Hikari-sama…“ Grey blieb schlagartig stehen und Ryô brauchte seine Frage nicht auszuformulieren.  

„…Sie ist meine Schwester.“

„Wollt Ihr damit sagen, dass Ihr nur Geschwisterliebe für sie empfindet? Genauso wie ich meine Schwester liebe?“

„Warum fragst du überhaupt? Liegt die Antwort nicht klar auf der Hand? Selbstverständlich liebe ich Green nicht anders als du Itzumi…“

„Ihr belügt Euch selbst… warum wollt Ihr es nicht zugeben?“ Grey drehte sich zu ihm herum und... sofort bereute der Tempelwächter seine Frage; dass er das Thema überhaupt angefangen hatte, denn er sah Verzweiflung in Greys Augen.

„… Wenn du die Antwort weißt… warum fragst du mich dann…?!“

„Ich bitte vielmals um Vergebung! I-Ich wollte… ich wollte Eure Gefühle nicht verletzen… Ich… mache mir Sorgen um Euch…“ Noch mehr Worte lasteten auf Ryôs Herzen, doch anstatt diese zu sagen, starrte er auf seine Füße, während Grey nicht antwortete, sondern den gesenkten Goldschopf seines Freundes nur schweigend und auch ein wenig bestürzt ansah. Es war wirklich selten, dass er Ryô so aus der Fassung erlebt hatte.

„Vergebt mir…“ Grey seufzte und antwortete:

„Es gibt nichts zu vergeben… Ich bin dir nicht böse, warum sollte ich auch? Du weißt, ich schätze deine Meinung… aber mach dir keine Sorgen. Ich… Es ist alles gut.“ Der Angesprochene sah auf, jedoch bedacht darauf, seinen Herren nicht direkt anzuschauen. Dennoch konnte er aus den Augenwinkeln sehen, dass Grey ihn anlächelte: genau wie er versuchte, das innere Gefühlschaos zu überspielen.

 

 

„Hier ist der automatische Anrufbeantworter der Familie Asuka. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Tonsignal…“ Voller griesgrämiger Wut und Ungeduld starrte Siberu auf den Telefonhörer, der schier bebte in seiner wütenden Hand, ehe er mit einem lauten „Verdammt!“ brutal zurück auf die Station geworfen wurde.

„Wie ich höre, ist es immer noch nur der Anrufbeantworter… Silver, das bringt doch alles nichts. Du kannst nicht bei jedem Wächter Telefonterror machen. Das werden sie sich nicht mehr lange gefallen lassen, was man ihnen bei deinem Terror auch nicht verübeln könnte.“ Gary sah über sein Buch hinweg und traf den grummelnden Blick seines Bruders, als dieser sich vom Telefon abwandte und zu ihm sah:

„Wie kannst du nur so ruhig bleiben und…lesen, während Green-chan wahrscheinlich in Lebensgefahr schwebt! Sie ist immerhin bei ihrem Bruder… er kommt mir einfach suspekt vor… und ist Inzest bei den Wächtern nicht normal!? Und da Green-chan sich ihm nicht freiwillig fügen wird, will er sie wahrscheinlich vergewaltigen! Oh mein Gohott!“

„Du hast eine echt lebhafte Fantasie…“ Doch Garys Worte hörte der Rotschopf nicht mehr, denn er hatte den Hörer schon wieder aufgenommen. Über die Schulter hinweg sah er zu ihm und sprach entschlossen:

„Sieh zu und staune, wie ich mich für Green-chan opfere!“ Damit tippte er die Nummer ein, wartete kurz und begann dann zu sprechen, sobald die Verbindung hergestellt war:

„Ja, hi Sho, hier Siberu, ist das Flachbre – ich meine, Firey da? … Öh ja ich habe das neue Einkaufszentrum gesehen? Ja… ich wollte mit deiner Schwester sprechen…. Ob ich Lust habe mitzukommen? Sho, darüber können wir später… Nein, was?! Das hört sich ja verlockend an…“

Gary senkte den Blick wieder und widmete sich seinem Buch. Es kam ihm so vor, als hätte er viele Seiten – womöglich ein ganzes Kapitel – durchgelesen, ehe der wütende Aufschrei seines Bruders ihn wieder unterbrach:

„Sho! Bei aller Liebe, aber ich habe angerufen, um mit FIREY zu sprechen! ... Danke! ... Was soll das heißen „Sie ist nicht da“?! Hättest du das nicht früher sagen können?! …Ja… Was ich von Firey wollte? ... Öhm… Nein, ich stehe nicht auf Flachbretter. Dazu ist sie noch eine Furie und viel zu brutal, um überhaupt als Mädchen durchzugehen… Hallo?… Firey?! Ich dachte, du wärst nicht da! ... Doch, ich meinte das ernst, war etwa der Lautsprecher an? … Dann nimm es dir mal zu Herzen und hör auf so zu schreien, taub bin ich nämlich nicht! Ich habe ausgezeichnete Ohren! … Aber, Firey! Ich wollte dich was fra – Was?! Das hat damit gar nichts zu tun! … Öh hallo? Halloooooooooo?! … Aufgelegt! Ich fass es nicht!“ Siberu schlug wieder genervt den Hörer zurück, ihn abermals anstarrend, als wäre das Gerät an sich Schuld, dass alle seine Versuche, irgendetwas über Green in Erfahrung zu bringen, nichts brachten. Gary seufzte, legte sein Buch beiseite und stand auf.

„Lass mich mal.“

„Als ob du es besser könntest. Ich habe jetzt echt schon alles versucht! Sogar diese Kaira hab ich angerufen! Aber von der kannst du dich ja auch gerne anschreien lassen. Besonders wegen den Todesdrohungen ist ein Anruf bei ihr sehr lohnenswert. Viel Spaß!“ Gary blieb von diesen Drohungen unbeeindruckt, nahm furchtlos den Hörer in die Hand und tippte eine Nummer ein, die Siberu nichts sagte, der seinen Bruder natürlich genauestens beobachtete.

„… Guten Abend, Ilang-san… Ja, Gary hier, ich wollte dich etwas fragen… Ja, genau darum geht es… Ja…“ Erstaunt sah Siberu dabei zu, wie Gary das aufs Papier schrieb, was er die ganze Zeit versucht hatte zu erlangen: die Koordinaten, um sich in den Tempel teleportieren zu können.

„So viel dazu, dass ich mich in Lebensgefahr bringe“, antwortete Gary, sobald er sich von Ilang verabschiedet hatte und der Telefonhörer sich wieder auf der Station befand. Angesichts von Siberus erstauntem Blick konnte er sich allerdings den Hauch eines triumphierenden Lächelns nicht verkneifen.

„Das ist gemein!“, entfuhr es Siberu aufgebracht als erster Impuls:

„Woher hast du überhaupt die Telefonnummer von dieser Naturfutzi?! Seit wann seid ihr denn…“

„Auf dem Weihnachtsfest haben wir ein paar interessante Gespräche geführt und auf jenem Fest bat ich Ilang-san um ihre Nummer.“

„Was!? Mein Aniki hat die Nummer eines Mädchens bekommen!? Ich bin ja sprachlos! Ich wusste ja gar nicht, dass du Interesse an der hast, aber gut, ihr passt zusammen. Ihr seid beide langweilig, soll mir recht sein; Green-chan gehört ja ohnehin mir!“

„Silver, man kann auch mit Mädchen sprechen, ohne dass man…“

„Warte, wenn du die Nummer die ganze Zeit gehabt hast, warum hast du mich dann durch die Weltgeschichte telefonieren lassen?!“

„Vielleicht weil ich verhindern wollte, dass du dir noch mehr Feinde unter den Elementarwächtern machst… ohnehin haben die Teleportationsdaten für uns keinen Nutzen.“

„Was? Wieso? Wir haben doch…“ Siberu deutete mit dem Zeigefinger auf einen alten, ziemlich in die Jahre gekommenen Gegenstand, welchen er gerade von der Kommode genommen hatte: ein kleines, viereckiges, bereits recht abgenutzt wirkendes Gerät mit einem kleinen Eingabefeld, wo die Koordinaten eingegeben werden konnten – so war es möglich, sich an Orte zu teleportieren, ohne dass man sie vorher selbst besucht hatte. Das Gerät würde einem dann als eine Art Leitfaden dienen und somit könnte man an jene Orte gelangen.

„… das hier. Damit sollte das doch kein Problem sein! Einfach eingeben und fertig. Hast du wohl lange nicht mehr benutzt, was?“ Siberu nahm sich den Zettel, auf den Gary die Daten geschrieben hatte und gab sie in das Gerät ein, ohne auf den Blick seines Bruders zu achten.

„Wenn es so einfach wäre, hätte ich Ilang-san doch sofort angerufen, aber so einfach ist es nicht. Glaubst du denn wirklich, dass der Tempel dann noch existiert hätte, wenn wir Dämonen uns einfach dorthin teleportieren könnten? Natürlich können wir das nicht. Der Tempel ist, genau wie alle anderen Inseln der Wächter, von einer starken Barriere umgeben, die dafür sorgt, dass alle Unwillkommenen draußen bleiben.“

„Dann machen wir die kaputt“, erwiderte Siberu unbeeindruckt von den Worten seines Bruders, immer noch dabei, die Koordinaten einzugeben und Gary daher nicht ansehend:

Kaputt? Silver, hast du mir nicht zugehört? Es ist die womöglich stärkste Barriere, die bis jetzt noch von keinem Dämon…“

„Und los!“

„Wa-“ Und schon war die Wohnung leer.

 

 

Greens Herz begann bereits zu rasen, noch ehe sie die Augen aufgeschlagen hatte. Sie wusste nicht, wo sie war, aber sie wusste, dass sie an einem Ort war, wo sie nicht sein wollte. Kälte kroch wie langsam aufsteigendes Wasser in ihr hoch; ihre Haut begann schmerzhaft zu pochen--- sie stand im Schnee, sie befand sich im Schnee, Schnee war überall um sie herum, sie spürte es, ohne die Augen zu öffnen, ohne die Augen zu--- ihr Herz, ihr Herz, es schlug zu schnell, es würde bersten, die Panik übermannte sie; sie musste ruhig bleiben, ruhig bleiben… oh nein, sie war einen Schritt rückwärtsgegangen, sie hörte das Knautschen des Schnees, spürte, wie er unter ihren Füßen nachgab – er war hoch, er war so hoch, er würde sie---

„Hikari-sama, wenn Ihr mich nicht länger braucht, kehre ich zurück.“ Green, die Itzumis Anwesenheit ganz vergessen hatte, schreckte auf und öffnete die Augen. Sie musste ruhig bleiben, ruhig bleiben – Itzumi runzelte bereits die Stirn über das Verhalten ihrer Hikari. War sie etwa schon blass geworden?

Green hörte, wie sie versicherte, dass sie schon klarkommen würde und dass Itzumi natürlich wieder zurückkehren durfte – und obwohl ihr wahrscheinlich deutlich anzusehen war, dass garantiert nicht alles in Ordnung war, verneigte Itzumi sich und verschwand. Green verfluchte ihren Stolz umgehend, als sie auf den Punkt starrte, wo ihre Tempelwächterin gerade verschwunden war. Warum hatte sie ihr nicht einfach gesagt, dass sie sie wieder mit zurücknehmen sollte? Sie kannte die Antwort: wenn sie das getan hätte, dann hätte sie Grey unweigerlich von ihrem… Problem… erzählen müssen… und nein, es reichte, dass Siberu und Gary davon wussten. Das reichte. Nicht noch mehr.

Aber dennoch verfluchte sie ihren trotzigen Stolz. Denn dank ihm befand sie sich jetzt an einem Ort, der aus ihren Albträumen hätte stammen können.

 

Schnee, Schnee – überall Schnee.

 

 

Das Erste, was Gary mit noch geschlossenen Augen auffiel, war die Luft: sie war unnormal rein und ohne jegliche Luftverschmutzung. Eine absolut reine, natürliche Luft, zusammen mit einer angenehmen Ruhe – hatte Siberu sie etwa wirklich in den Tempel gebracht? Ja, das hatte er, wie Gary feststellte, als er die Augen öffnete und sich… tatsächlich im Tempel wiederfand. Er konnte es natürlich nicht wissen, weil er noch nie im Tempel gewesen war, aber Siberu hatte ihn und seinen Bruder in den runden Hauptteleportationsraum gebracht. Einen Raum, den Gary nun anstarrte; völlig fassungslos, dass er als Dämon hier war und dass… nichts passiert war und auch nichts darauf hindeutete, dass irgendetwas im Begriff war zu geschehen.

„W-Wir sind im Tempel“, brachte Gary völlig fassungslos über die Lippen, dessen Augen nun verdattert durch den runden Raum huschten, bis er aufgebracht zu seinem unschuldig grinsenden Bruder herumwirbelte:

„Du hast uns mitten in das absolute Feindesland gebracht?! Ohne dass wir irgendetwas planen konnten?! Bist du denn wahnsinnig?! Weißt du, wie viele Wächter hier sein könnten?! Wächter, die uns garantiert schon gespürt haben?!“

„Naja, aber wenigstens sind wir hier, oder?“

„Das an sich ist schon unmöglich! Wie haben wir die Barriere überwunden-“

„Ist das nicht egal, Hauptsache wir sind hier?“

„- an dieser Barriere beißen sich die mächtigsten Dämonen die Zähne aus und wir sind einfach…“ 

„Während du dich mit diesen langweiligen Fragen aufgehalten hast, habe ich mal die Tür da gecheckt.“ Siberu zeigte auf die verschnörkelte Doppeltür an der Stirnseite des Raumes. „Versperrt. Mit irgendeinem Bannkreis. Ich kann versuchen, den zu brechen, aber das löst sicherlich einen Alarm aus.“ Gary musste sehr viel Mühe aufbringen, um sich von den offensichtlichen und sehr deutlichen Fragestellungen abzubringen, um sich den Problemen zu widmen, denen sie gerade gegenüberstanden. Konzentration. 

„Da das hier die Zentrale der Wächter ist, nehme ich stark an, dass sie schon längst wissen, dass wir hier sind. Bei deren Stand der Technik…“

„Also: was tun?“ 

„Wir machen es auf die primitive Art.“ Siberus Augen strahlten auf.

„Wir sprengen alles in die Luft?!“

„Bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen?! Ich meinte damit, dass wir den Luftweg nehmen, du hirnloser Idiot!“ Gary zeigte auf den Nachthimmel, der zwischen den Säulen sichtbar war. Siberu maulte etwas von „langweilig“, doch folgte seinem Bruder trotzdem und die zwei Dämonen stiegen in die Nacht hinauf. 

„Wow, das ist ja ein Riesenteil!“, entfuhr es dem Rotschopf, als sie weit genug in die Nacht hinaufgestiegen waren, um die gesamte Tempelanlage überblicken zu können, die sich wie ein helles Lichtermeer unter ihnen erstreckte.  

„Kein Wunder. Dieses „Teil“ besitzt laut Green immerhin auch über 1200 Zimmer. Der Tempel ist nicht ohne Grund die Zentrale der Wächter.“ Er wandte sich zu Siberu herum, der sich gerade die wehenden Haare aus dem Gesicht fischte.

„Warum auch immer, aber es scheint sich noch kein Sicherheitssystem aktiviert zu haben und das mit der Barriere irritiert mich immer noch…“ Gary sah nach oben in die schwarze Nacht:

„Denn da oben kann ich eindeutig das Flimmern einer Barriere ausmachen.“ Der Angesprochene folgte seinem Blick, konnte aber nichts sehen.

„Vielleicht machen sie Wartungsarbeiten oder so?“ Auf diese dumme Aussage wollte Gary nicht antworten, was Siberu aber weniger störte – er wollte das Thema schnell abhaken:

„Komm, Aniki, lass uns irgendwo landen, wir müssen immerhin dieses ganze Teil durchkämmen und wir haben nicht die ganze Nacht, also…“ Er wollte schon ohne auf die Antwort seines Bruders zu warten heruntersteigen, als dieser ihn am Arm packte:

„Oh nein! Wir werden nicht einfach kopflos in den Tempel gehen. Wir werden das Ganze jetzt systematisch besprechen.“ Jaaah, natürlich, dachte Siberu aufgebend mit himmelnden Augen. Als ob Siberu immer nur Chaos verbreitete; als ob er nie etwas richtig machte, als ob er nicht wüsste, dass deren „Rettungsaktion“ höchste Diskretion benötigte. Immerhin retteten sie Green nicht von sonstwo, sondern aus dem Tempel. Vielleicht sollte Siberu bei der Gelegenheit… einem gewissen… Bruder… einer gewissen Freundin… Der Rotschopf grinste und musste diesen Gedanken aus dem Kopf schütteln, damit er Gary antworten konnte:

„Das müssen wir gar nicht besprechen, denn ich weiß schon alles! Eben genau wie immer. Ich darf nichts anfassen, nichts kaputtmachen, niemanden beleidigen, niemanden angreifen, niemanden umbringen… nicht reden, nicht atmenAber! Ich darf mich tot stellen!“ Gary sah seinen kleinen Bruder mit hochgezogenen Brauen an und sagte dann:

„Wehe, du hältst dich nicht daran. Besonders was Grey angeht.“ Konnte er Gedanken lesen?

„Was denkst du von mir?! Natürlich halte ich mich daran – es geht um Greenichanichanchens  Wohlergehen… und ihre Unschuld!“

„Du hast eine wahrlich krankhafte Fantasie. Ist das der negative Einfluss von Rui?“

„Mag sein… aber haben nicht alle Dämonen eine anrüchige Ader?“

Du auf jeden Fall. Ich nicht“, stellte Gary trotzig fest. Siberu grinste breit und musste sich ein Kommentar verkneifen; denn natürlich würde sein Bruder an nichts anderes als an mathematische Formeln denken, wenn er Green unbekleidet sehen würde – aber als würde er das jemals!

Siberu begann zu kichern und erntete sich einen genervten Blick seines Bruders.

„Wisch dir das Grinsen aus dem Gesicht!“ Der Rotschopf spielte den Geschockten:

„Aber ohne mein berühmtes Grinsen fehlt ein Teil meiner Persönlichkeit! Dann bin ich nicht mehr komplett – mein Eins A Aussehen leidet dann darunter. Willst du das verantworten? Meinen Fans antun? Du würdest zahlreichen Mädchen das Herz brechen! …Vielleicht würde dein Aussehen auch davon profitieren, wenn du…“

„Silver…! Mein Geduldsfaden ist am Reißen! Wie kommst du überhaupt darauf, so etwas hier an diesem Ort…“

„Ouuuuhu! Ich habe sooooooolche Angst! … Ja, schon klar! Du hast ja recht, lass uns Green-chan retten. Sonst muss ich dein trauriges Gesicht noch länger ertragen.“

„…“Trauriges Gesicht“?“

„Glaubst du etwa, ich hätte nicht gemerkt, dass du Green-chan heute in der Schule vermisst hast? Du hast immer wieder auf ihren Platz gesehen.“ Gary sah ihn schweigend an, fast schon verwundert, aber dann wurde er plötzlich wie auf Kommando  rot und drehte sich weg. Dass sie sich eigentlich einen Plan ausdenken wollten, hatte er plötzlich vergessen, denn mit hochrotem Kopf folgte er seinem Bruder, als dieser zur Landung auf einem Balkon ansetzte.

„Du…du siehst Hirngespinste!“ 

„Green-chan vermisst mich eh mehr als dich“, bemerkte Siberu mit einem neckenden Grinsen, als er Garys verwunderten Blick sah, den er ihm über die Schulter hinweg zuwarf:

„Ist doch so! Glaubst du etwa sie vermisst dich? Also ich würde niemanden vermissen, der mich immer nur anschnauzt, ständig mit seinem langweiligen Mathe ankommt und total unnett zu mir ist…du etwa? Naja, gut, Mathe ist für dich ja spannend.“ Zu Siberus Überraschung bekam er kein Kontra. Gary hatte das Gesicht wieder abgewandt, womit Siberu seinen Blick nicht sehen konnte. Hatte er ihn etwa… traurig gemacht?

„… Obendrein siehst du nicht einmal halb so gut aus wie ich!“ Nun reagier schon, dachte Siberu.

„Ich meine, mich kann man vermissen, alleine schon wegen meinem Aussehen!“ Nichts. Hallo?! Schlief der Typ im Stehen oder was? Das hatte ihn ja wohl nicht ernsthaft verletzt?

„Aniki?!“  

„Was?“ Gary drehte sich zu ihm herum und sah ihn keineswegs verletzt an, sondern nur genervt. Siberu blickte ihn prüfend an.

„Ist was?“  

„Ja, es „ist was“? Wir sind im Tempel, wenigstens einer von uns sollte vorsichtig sein?“

„Und warum bist du nicht darauf angesprungen?“

„In der Hoffnung, dass du dann endlich ruhig sein würdest. Aber nein. Du bist wirklich der nervigste Dämon – Rui ausgeschlossen – den ich kenne.“ Siberu grinste erfreut, als wäre das ein großes Kompliment und beließ es dann dabei.

Das Zimmer, in das sie durch die zum Glück nicht verriegelte Tür gelangten, lag völlig im Dunklen, doch für die beiden Dämonen war das kein Problem und daher erkannten sie auch, dass sie sich in einem Arbeitszimmer befanden. Die Regale waren überfüllt mit Schriftrollen, Akten und Büchern. An der Wand hing eine alte Weltkarte aus dem 18. Jahrhundert, sicher eingerahmt hinter einem dicken Glas. Unter dem Bild auf den Schreibtischen lagen Federn verstreut und alle Computer, bis auf einer, waren ausgeschaltet.  

Das war eine Goldgrube an Informationen.

Während Gary abgelenkt war von der wahrlich wundervoll instand gehaltenen Karte, setzte Siberu sich grinsend vor den eingeschalteten Computer und fing an, auf der Tastatur zu tippen. Das Wappen der Wächter erschien auf dem Bildschirm und eine Frauenstimme forderte mit einer mechanischen Stimme nach einem Passwort: jedenfalls nahm Silver das an, immerhin konnte er die Sprache der Wächter nicht verstehen.

Gary schreckte durch die Stimme auf und drehte sich gereizt zu seinem Bruder um.

„Lass das! Willst du, dass sie uns finden?! Wir sind nicht wegen Informationen hier, sondern wegen Green…“

„Warte, warte!“, beschwor der Rotschopf flüsternd und sprach deutlich:

„Hikari.“ Siberu wartete auf eine Reaktion, die auch sofort folgte:

„Passwort negativ. Stimme nicht identifizierbar. System wird heruntergefahren.“ Der Bildschirm erlosch und wurde schwarz. Siberu maulte, denn er hätte zu gern gesehen, was sich so auf einem Wächtercomputer befand.

„Ich hoffe für dich, dass sie uns dadurch nicht finden!“

„Mach dir nicht ins Hemd!“, antwortete Siberu, ließ sich aber protestlos von Gary emporziehen:

„Außerdem scheinen hier ja nicht viele Wächter zu sein – ich kann jedenfalls nicht gerade viele Auren spüren.“ Das war Gary auch schon aufgefallen – und das war nur noch ein Grund mehr, stutzig und damit auch vorsichtig zu sein. Irgendetwas war hier doch faul. Warum befanden sich im Tempel, der doch das Zentrum des Wächtertums war, nur so wenige Auren? Hier sollten doch die meisten Wächter leben… und weiterhin keine Anzeichen darauf, dass sie entdeckt worden waren. Irgendetwas…

Während Gary sich zu recht über all diese Merkwürdigkeiten den Kopf zerbrach, übernahm Siberu das Handeln: er ging an seinem Bruder vorbei zur Tür, legte sein Ohr daran und urteilte:

„Die Luft ist rein… aber so was von.“ Damit öffnete er die Tür vorsichtig und Gary folgte ihm, womit sie auf einen weiß erhellten Korridor gelangten, der für deren Augen alles andere als angenehm war, nachdem sie in einem ziemlich dunklen Zimmer gewesen waren. Lange blieben sie allerdings nicht stehen, denn Siberu begann voller Tatendrang schnell geradeaus zu gehen, ohne besonders auf die Richtung oder deren Umgebung zu achten.

Im Gegensatz zu seinem Bruder: dieser blieb beinahe bei jedem zweiten Gemälde oder jeder Statue stehen und betrachtete sie intensiv. Schnell wurde Siberu von diesem Verhalten genervt, denn jedes Mal musste er seinen Bruder dazu bewegen, weiterzugehen – und das, wo sein Bruder es doch eigentlich gewesen war, der Vorsicht geboten hatte! Was fand er nur an diesen eigenartigen Bildern und den komischen Statuen, die sich wohl Kunst schimpften? Wenn der Rotschopf die steinernen Statuen ansah, hatte er jedes Mal aufs Neue das Gefühl, dass deren Augen ihn finster anschauten und ihn dafür anklagten, dass er es wagte, diesen geheiligten Boden zu verunreinigen.

Gary lachte auf diese Bedenken nur hinter vorgehaltener Hand und erklärte seinem Bruder, dass das sicherlich auch der Sinn war und dass die Statuen ein solches Gefühl in Siberu wecken konnten, doch nur ein Beweis dafür war, wie sehr diese Künstler ihr Handwerk beherrschten.

„Aber von Steinstatuen will ich nicht angestarrt werden! Schon gar nicht von Steinstatuen, die ihre Speere auf mich richten!“, gab Siberu bockig von sich, denn ihm war das mehr als peinlich.

„Keine Sorge, Silver. Ich bin doch da und beschütze dich vor den bösen, fiesen Steinfiguren!“ Der Angesprochene wurde rot vor Zorn.

„Verarsch mich nicht, Blue!“

Ich doch nicht.“ Der Rotschopf hatte schon den Mund geöffnet, um seinem Bruder eine lauthalse Antwort zu geben, da kam ihm Gary zuvor:

„Sei lieber ruhig! Wenn sogar unsere Schritte an den Wänden widerhallen, wird man dein Geschreie bis ans andere Ende hören. Also spar dir das für später auf!“ Damit war das Gespräch für Gary beendet und seine Aufmerksamkeit lag wieder bei einem Acrylbild. Siberu grummelte, sich hinter die Ohren schreibend, dass das auf jeden Fall noch Folgen haben würde für seinen Bruder! Und für dieses verdammte Acrylbild – dafür war die richtige Zeit und Gelegenheit da, oder wie?!

„Das ist doch kein Museum! Nun beeil dich doch endlich mal!“, fauchte der Rotschopf Gary an, der zwei Minuten später immer noch mit verschränkten Armen das Kunstwerk studierte und nicht antwortete. Er legte den Kopf schief und schien wirklich angestrengt über die Bedeutung des Bildes nachzudenken.

„Silver, was siehst du auf dem Bild?“

„Eine schwarz-rote Spaghetti Bolognese.“ Gary schielte finster zu ihm herüber:

„Du hast kein Auge für Kunst.“

„Und stolz drauf! Nun ko-“

„Das ist ein Krieg, du Kunstbanause. Siehst du da oben… das sind die Wächter, die mit den hellen Farben… und da…“ Siberu riss der Geduldsfaden. Kurzerhand packte er seinen neugierigen Bruder am Arm und wollte ihn von dem riesigen Gemälde wegzerren, als ihr dämonisches Gehör Schritte vernahm. Zwei Personen, die auf sie zu kamen. Siberu zeigte auf eine Flügeltür, die angelehnt und somit beinahe einladend dastand, und sie huschten in den Raum. Siberu lauschte angestrengt und hörte auch sofort Greys Stimme:

„Danke für deine Hilfe, Ryô.“

„Nichts zu danken, Grey-sama. Zum Glück sind wir schnell fertig geworden. Aber Ihr solltet jetzt wirklich ruhen. Eure Gesundheit würde Euch danken.“ Grey lachte.

„Du redest schon genauso wie Tinami-san! Aber ja, ich habe deine Worte und die Greens nicht vergessen. Ich werde mich zur Ruhe begeben.“ Ein Seufzen war zu vernehmen:

„Ich beanspruche deine Zeit wirklich viel zu sehr. Jetzt findest du auch wegen mir und Green keinen Schlaf.“

„Ich leiste Euch gerne Gesellschaft. Tut mir einfach den Gefallen und geht ins Bett.“

„Ach, was würde ich nur ohne dich tun, Ryô. Ich werde mich deinem Wunsch beugen; ich werde nur vorher noch einmal ins Arbeitszimmer gehen, denn ich befürchte, dass ich vergessen habe, den Computer auszuschalten…“ Oh oh.  

„Das werde ich gern für Euch übernehmen.“

„Ach nein, lass gut sein. Du hast heute wirklich schon genug für mich getan. Außerdem liegt das Arbeitszimmer sowieso auf meinem Weg…“

„Ihr versprecht mir, nicht weiterzuarbeiten?“

„Aber natürlich. Ich schalte nur den Computer aus. Ich verspreche es dir! Also, ich wünsche dir eine gute Nacht.“

„Ich Euch auch…“ Die beiden Wächter trennten sich voneinander und Siberu hörte, wie sie sich entfernten.

„Blue, wir können wieder raus…. Blue?... Oh nein… bitte, alles nur das nicht…“

 

 

Grey hielt sich die Hand vor den Mund, um ein Gähnen zu unterdrücken, als er sich vor den Computer setzte. Es hatte lange gedauert, bis er überhaupt so weit war, diese Maschine anschalten zu können, geschweige denn seine Arbeit damit zu erledigen. Zugegeben; auch jetzt war es meistens Ryô, der dies übernahm. Dieses Gebiet lag ihm besser als Grey und daher war es auch er gewesen, der es seinem Herren mit viel Geduld beigebracht hatte. Doch gerade als er den Computer ausschalten wollte, bemerkte der Windwächter, dass der Computer gar nicht eingeschaltet war.  

Aber er hatte ihn doch nicht ausgemacht…

Grey wurde stutzig und auch wenn das nur ein Zufall war; jetzt wollte er Gewissheit. Er schaltete den Computer wieder ein, womit sich sofort das Wappen der Wächter auf dem nun erleuchteten Bildschirm bildete.

„Bitte um Passwort.“  

„Hoffnung“, antwortete Grey der mechanischen Stimme, die ihm auch sofort den Computer freigab:

„Passwort bestätigt. Stimme identifiziert. Guten Abend, Grey-sama.“ Das Wappen erlosch und ein roter Balken erschien mit einem Ausrufezeichen. Die Computerstimme erklärte:

„Ein unbekannter Zugriff.“ Greys Augen weiteten sich überrascht; es konnte keine unbekannten Zugriffe geben, denn jeder Wächter wäre anhand der Stimme sofort erkannt worden. Das konnte nur bedeuten… 

„Wann?!“

„Zugriff liegt 41 Minuten und 37 Sekunden zurück.“ Ohne den Computer wieder herunterzufahren, sprang Grey auf und nahm über eine Sprechanlage umgehend Kontakt mit Ryô auf:

„Wir haben Eindringlinge!“

„Wa-?“

„Dämonen!“

„Aber, Grey-sama – das Sicherheitssystem funktioniert einbahnfrei-“

„Scheinbar nicht! Ich will, dass diese Zwei sofort gefunden werden!“

„Zwei? Ihr glaubt…“

„Ja! Wer denn sonst?! Ich mach mich jetzt auf den Weg-“

„Nein! Grey-sama, lasst mich…“ Doch die Verbindung war schon unterbrochen. Ryô brauchte einen Moment, um sich wieder zu sammeln und um das zu verstehen, was er gerade gehört hatte. Itzumi, die alles mitgehört hatte, zog eilends ihre Uniform an, da sie sich – im Gegensatz zu Ryô, der immerhin wach bleiben wollte – bettfertig gemacht hatte. Als der Anruf Greys gekommen war, hatte sie gerade mit dem Lösen ihrer Haarringe beginnen wollen.

„Ich weiß, warum das System die Eindringlinge nicht gemeldet hat – sie hat es manipuliert. Ich war dabei. Sie hat mich dazu gezwungen, das Sicherheitssystem zu manipulieren, so dass diese beiden Halbdämonen vom System nicht erfasst werden! Und siehe da – nicht mal zwei Tage später sind sie hier! Ist denn das zu glauben! Eine Hikari, die Dämonen in den Tempel schleust!“ Ryô drehte sich zu ihr herum und fragte mit schneidender Stimme:

„Hat Hikari-sama dir erlaubt, mir das zu erzählen? Sie hat dir sicherlich verboten, mit überhaupt jemandem darüber zu reden. Hast du ihr geschworen, zu schweigen, Schwester?!“ Die Angesprochene sah ihn eine Weile finster an, dann sah sie zu Boden, denn seinem anklagenden Blick hielt sie nicht stand.

„Sie hat sich keinen Respekt und keine Loyalität verdient gemacht…“

„Du erfüllst dein Amt als Tempelwächterin nicht. Egal wie sehr du Hikari-sama auch verabscheust, ist es deine Aufgabe, ihr treu zu dienen.“ Mit diesen Worten eilte er aus deren Zimmer und hinterließ Itzumi, die ihm verbittert hinterhersah.

 

Siberu hätte es wissen müssen. Doch er war viel zu sehr damit beschäftigt gewesen, das Gespräch der Wächter zu belauschen, als dass er den Geruch des Raumes bemerkt hätte:

der Geruch von alten, verstaubten Büchern.   

Ein Paradies für jeden Bücherwurm. Und leider Gottes zählte sein Bruder dazu. Beinahe ehrfürchtig sah dieser sich in der riesigen Bibliothek um; die meterhohen Regale, über und über beladen mit fein säuberlich geordneten Büchern, deren goldene Buchrücken im Mondlicht für Buchliebhaber wohl beinahe verzaubernd wirken mussten.

„Aniki! Vergiss es! Du kannst eh kein einziges Wort davon verstehen!“

„Warum nur besitzen wir nicht so ein Schlaraffenland an Büchern! Aber nein, unser Bestand an Büchern ist klein und kümmerlich; kaum wert, genannt zu werden…“ Der Rotschopf schlug sich die Hand vor die Stirn. War das eine Schmach, sich das anzuhören! So peinlich konnte doch nicht einmal Blue sein!?

„Ich sag dir warum: Weil wir Dämonen nicht so langweilig sind wie die und lieber Taten sprechen lassen anstatt Bücher zu schreiben, die sowieso nur verstauben! Und wenn du jetzt nicht endlich kommst, werde ich jedem Dämon erzählen, dass du Wächterbücher beschwärmt hast!“ Gary hörte nicht auf Siberus Proteste und wollte gerade ein Buch aus dem Regal holen, einfach um es anzuschauen, als gleißendes Licht plötzlich den Raum erhellte und eine eiskalte Stimme die Luft durchschnitt:

„Ich warne dich, Dämon! Wage es eines von Grey-samas Büchern anzurühren und ich reiß dir die Hand ab!“ Gary verharrte augenblicklich und sah zu Ryô, der im Portal der Bibliothek erschienen war. Etwas außer Atem tauchte auch Itzumi hinter ihrem Zwilling auf und wurde bleich, als sie die zwei Halbdämonen erblickte.

Siberu sah recht desinteressiert zu den Tempelwächtern und da er die Drohung nicht gerade ernst nahm, berührte er lässig eines der Bücher. Gary gelang es nicht zu reagieren, ehe Ryô entschlossen auf beide zeigte.

„Ich habe euch gewarnt! CATEHITSUI!“

Die Handgelenke der beiden Dämonen strahlten gleißend auf: ein Licht, das Form annahm, die Form von hell strahlenden Ketten, die sich um die Handgelenke der beiden Halbdämonen legten und sie jeweils zusammenbanden.

Sofort versuchte Siberu, sich von den Ketten zu befreien und setzte schwarze Magie gegen diese ein, doch es brachte nichts: Seine Magie wurde von den Lichtreifen absorbiert und sofort straften sie deren Träger, indem sie sich noch enger zusammenzogen und Siberu zum wütenden Fluchen brachten.

Ryô ging auf die beiden zu und seine nun wieder ausdruckslose Stimme ertönte im Raum:

„Wenn du dich weiter wehrst, hast du bald keine Hände mehr.“ Um seinen Worten Ausdruck zu verleihen, ließ er die Ketten wieder enger werden und der Rotschopf musste ein Keuchen unterdrücken, aber das hinderte Siberu nicht daran, Ryô herausfordernd anzustarren:

„Ich brauche meine Hände nicht, um mit einem Speichellecker wie dir fertigzuwerden!“

„Silver!“, herrschte Gary ihn an, denn seine aggressive Ader brachte in diesem Fall ja wohl absolut gar nichts und würde ihnen nur noch mehr Probleme einheimsen als ohnehin schon.  

„Wir wollen nur mit Green reden, das ist alles“, versuchte Gary die Situation zu entschärfen.

„Ach, das ist alles?“, ertönte eine Stimme hinter Ryô. Dieser senkte den Kopf, als Grey neben ihn trat und die Arme verschränkte, kalt auf die beiden dämonischen Besucher herabsehend. Aber auch davon ließ sich Siberu nicht beeindrucken:

„Ja, genau, das ist alles, du Inzest-Typ! Du wirst Green-chan nichts Perverses antun! Das werden wir zu verhindern wissen! Sie gehört uns, kapiert?!“ Sowohl Ryô, Itzumi als auch Gary und Grey starrten den Rotschopf schockiert an – wie kam er dazu, so etwas in so einer Situation zu sagen?! Wie kam er überhaupt darauf?! Ryô war der Erste, der etwas erwidern konnte:

„Du wagst es, Grey-sama solch eine ungeheuerliche Tat zu unterstellen?!“

„Das ist doch ja wohl offensichtlich!“  

„Silver! Bitte sei doch endlich ruhig!“

Was soll ich… ich versteh nicht…“

„Grey-sama! Macht Euch keine Gedanken… Wer versteht schon die wirren Gedankengänge eines Dämons…“

„Das sind logische Gedanken, du Speichellecker!“  

„Silver, jetzt reicht es aber!“ Die Hände Siberus waren bereits im Begriff, sich blau zu verfärben; aber Garys Versuche, den Streit zu schlichten, hatten keinen Effekt auf den sehr hitzigen Rotschopf, der, wenn er so fortfuhr, noch dafür sorgte, dass sie Bekanntschaft mit den Kerkern des Tempels machten!

„Ich verlange, sofort mit Green-chan zu sprechen!“

„Du verlangst hier gar nichts! Ryô! Schmeiß sie raus!“

„Mit dem allergrößten Vergnügen!“ Ryô packte Siberu an der Schulter, doch dieser hatte absolut nicht im Sinn, sich irgendwie herausschmeißen zu lassen; nicht, nachdem er sich so sehr um diese verdammten Teleportationsdaten bemüht hatte! Dass es im Endeffekt Garys Verdienst war, beachtete er nicht, genauso wenig wie dessen alarmierenden Blick, als Siberu seine Drohung tatsächlich wahr machte und nach Ryô trat, der ihm nur knapp ausweichen konnte.

„Ich hab doch gesagt, ich brauche meine Hände nicht!“ Die Antwort auf diesen versuchten Angriff folgte umgehend: die Fesseln um Siberus Handgelenke zogen sich enger – dunkles Blut tropfte zu Boden, aber von Siberu war kein weiteres Stöhnen oder sonstige Anzeichen von Schwäche zu hören.

„Du Idiot! Siehst du denn nicht, dass das nicht der richtige Weg ist?! Deine Hände sind schon ganz blau! Lass das endlich…“

„Nein! Es ist mir egal, ob du es auf die friedliche Art machen willst, aber ich gehe nicht ohne Green-chan! Mit oder ohne Gewalt! Ich lasse nicht zu, dass dieser Inzest-Typ ihr etwas antut!“ Tief atmete Grey durch, der ohne Zweifel derjenige war, gegen den Siberu seinen anklagenden Tonfall richtete – seine zornigen Augen schienen Grey nur mittels ihres Blickes töten zu wollen. Grey konnte nicht gerade behaupten, dass er umgekehrt nicht denselben Zorn verspürte, aber er befahl sich, ruhig zu bleiben. Ein Kampf in der Bibliothek war viel zu riskant; viele der Bücher waren handgeschrieben, absolute Unikate…  

„Was sollte ich ihr bitteschön antun? Ich bezweifle, dass ein bisschen Schnee meine Schwester umbringen wird!“ Jetzt wurde Gary hellhörig und er wandte sich von seinem Bruder ab, der ebenfalls die Augen weitete.

„Schnee?“

„Ja. Ein Auftrag. Aber das geht euch wohl kaum etwas an.“ Siberu wandte seinen Blick nun an seinen Bruder:

„Der Typ weiß es nicht, Aniki… Er weiß es nicht!“

Was weiß ich nicht?!“

„Grey-sama, hört nicht auf sie, sie wollen Euch nur verunsichern“, mischte sich Ryô ein, während Siberu sich ein kurzes, fieses und sehr triumphierendes Grinsen nicht verkneifen konnte – aber es war Gary und nicht sein hitzköpfiger Bruder, der Grey dazu brachte, zu erstarren:

„Was bist du für ein Bruder, der so etwas Gravierendes nicht über seine Schwester weiß? Sollte ein älterer Bruder nicht alles über seine kleine Schwester wissen?“

 

„Es tut mir leid, Onii-chan. Aber das kann ich nicht: Ich habe bereits ein Zuhause, wo eine Familie auf mich wartet, mit der ich noch nicht einmal verwandt bin.“

 

„Sie sieht sie sogar als ihre Familie an, als wären sie ihre Brüder. Sie liebt die beiden mehr als dich und das obwohl du ihr leiblicher Bruder bist! ...“

 

„Ihr belügt Euch selbst…

 

„….Meinst du nicht auch, dass der Aufstand, den du hier machst, sich überhaupt nicht lohnt?

          Deine Schwester kann dich doch überhaupt nicht leiden. Du lügst sie ja auch die ganze Zeit an. Du wirst sie immer nur anlügen. Aber das macht doch nichts!

 

Sie wird doch sowieso sterben.“

 

Itzumi stieß einen spitzen Schrei aus, als Grey auf Gary zuraste und ihn schier an das sich hinter ihnen befindende Bücherregal nagelte – und das mit einer ungeheuren Schnelligkeit, die niemand hatte kommen sehen.

„Wer bist du, dass du mir Vorschriften machst, wie sich ein großer Bruder zu verhalten hat?!“, spie Grey voller Wut und Zorn, nicht länger auf seine Umgebung achtend – weder auf die schockierten Blicke der anderen Anwesenden, noch auf die Bücher, die bei dem Aufprall aus dem Regal gefallen waren und achtlos zu Boden klatschten. Doch Gary blieb sowohl angesichts von Greys Unterarm, der sich unter seinem Kinn platziert hatte, als auch seinem hasserfüllten Blick ruhig und ernst:

„Ich wundere mich nur darüber, dass du es nicht weißt – und Green somit blindlinks in die Gefahr hast laufen lassen.“ Wutentbrannt löste Grey die eine Hand vom Regal und streckte sie hinter sich aus. Ryô wusste sofort, was diese Bewegung bedeutete:

„Grey-sama! Die Bücher – das ist viel zu riskant!“

„Schweig, Ryô!“ Der Angesprochene zuckte zusammen als hätte man ihn geschlagen. Noch nie hatte sein Herr ihn angeschrien – noch nie hatte er ihn spüren lassen, dass er in einer Position war, in der er ihm Befehle erteilen konnte und dass Ryô diesen unter allen Umständen Folge leisten musste. Ryô unternahm daher nichts, als Greys Hand himmelblau aufleuchtete und ein plötzlicher Wirbelwind in der Bibliothek ausbrach---

„Sag mir sofort, was ihr wisst!“  

Siberu hingegen sprang auf und wollte Gary zu Hilfe eilen, doch dieser sah zu ihm und ließ ihn mit einem Blick verstehen, dass er seinem Bruder nicht helfen sollte; dass er alles unter Kontrolle hatte. Sie hatten schon so viele Missionen als Team erfolgreich hinter sich gebracht, dass Siberu genau wusste, wie er diesen Blick zu deuten hatte. Auch wenn er nicht sah, wo Gary in dieser Situation die Kontrolle haben sollte, so vertraute Siberu ihm, schluckte und hielt sich dennoch in Position, um Gary so schnell wie möglich helfen zu können.   

Gary sah sein Gegenüber immer noch mit einer eisernen Ruhe an und gab ihm dann die Antwort:

„Green hat ein Schneetrauma.“ Greys Augen weiteten sich und er starrte den Halbdämon skeptisch an, als wäre er plötzlich nicht mehr in der Lage, Japanisch zu verstehen.

„Sie wäre als Kind beinahe erfroren. Seitdem hat sie Angst vor Schnee und Kälte.“ Ehe Grey überhaupt reagieren konnte, sprang Ryô vor und legte eine Hand auf die Schulter seines Herren. Jetzt, als er den plötzlich übermannenden Schmerz und Schrecken in Greys Augen sah, war es ihm egal, ob er gegen seinen Willen handelte oder was die Etikette vorschrieb.

„Das könnte genauso gut eine Lüge sein! Vertraut ihnen nicht!“ Der Angesprochene ließ den Arm sinken, der Wind flaute ab, die Haare bewegten sich nicht länger. Er schaute zu Boden und flüsterte:

„Nein… Er hat recht. Mir ist schon aufgefallen, dass Green auffällig reagiert bei Kälte…“

„Dann frag ich mich, warum du sie überhaupt in die Kälte geschickt hast!“, fauchte Siberu ihn von der Seite her an. Ryô wandte sich erbost zu ihm um:

„Siehst du nicht, dass ihr schon genug Schaden angerichtet habt?!“ Grey hörte das nicht. Er hatte wieder aufgeschaut und dabei Garys Blick gekreuzt. Er sah ihn kalt an, ja fast vorwurfsvoll. Der Windwächter war nicht imstande, diesem Blick standzuhalten. Er löste sich von Ryôs Griff, drehte sich weg und ging in Richtung Itzumi. Mit einer schlappen Handbewegung löste er die Ketten der beiden Halbdämonen und sagte:

„Verschwindet. Sofort! Oder ich entscheide mich doch dazu, die Foltergerätschaften entrosten zu lassen.“ Siberu wollte sich gerade darüber lustig machen, doch Gary nahm ihn am Arm – bedacht darauf, nicht sein Handgelenk anzufassen – und tat das, was Grey von ihnen verlangte.

Die drei Wächter schwiegen, bis Grey zitternd über die Lippen brachte:

„Warum… Ryô? Warum hat Green mir das nicht erzählt…?“ Hatte Seigi womöglich recht…?

Grey schüttelte den Kopf, um das Gespräch mit Seigi herauszubekommen.

„Vielleicht wollte sie Euch keine Sorgen bereiten…“, versuchte Ryô Grey aufzuheitern. Dieser drehte sich zu ihm um und lächelte traurig:

„Aber ich bin ihr Bruder… sie hätte es mir doch genauso erzählen können wie den beiden…“ Der Angesprochene wusste darauf keine gescheite Antwort und sagte deshalb nur, dass sie Green jetzt lieber abholen sollten: er könnte ja dann mit ihr sprechen…? Grey nickte, immer noch niedergeschlagen, doch verließ dennoch zusammen mit den beiden Tempelwächtern die Bibliothek.

 

 

Was hatte er eigentlich erwartet…?


Nachwort zu diesem Kapitel:
Man glaubt es kaum - es geschehen noch Zeichen und Wunder! Es neues Himitsu no Mahou-Kapitel geht online >w< Bitte entschuldigt die lange Wartezeit ;w; es gab beim Betan ein paar... kommunikative Probleme die ich *hüstl* hervor gerufen habe und dann kam ein Umzug und... ja. Es kam eines zum anderen. Aber jetzt geht es wie gewohnt weiter! Entschuldigt bitte die Unterbrechung ;W;!

Ich hoffe dieses Kapitel kann ein wenig darüber hinweg trösten: persönlich finde ich, dass es zu den witzigeren Kapiteln gehört xD ich mochte es schon sehr in der Original-Fassung und hatte beim Überarbeiten unglaublich viel Spaß! Ich habe hier wirklich sehr darauf geachtet, dass der Witz des Originals nicht verloren geht... ist mir das gelungen? Ich hoffe jedenfalls, dass ihr beim Lesen Spaß hattet, hihi >w< Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Keiko-maus
2016-01-23T18:29:03+00:00 23.01.2016 19:29
Hahahaha, ganz ehrlich? Als ich den Eigenschaften des Erdwächters jetzt so laß, musste ich sofort an einen ganz gewissen Jemand in DeA denken x'D Alter, das trifft es so unglaublich, nein, das passt so unglaublich, wie der Faust auf den Nagel :D Wirklich genial, echt^^ Herrlich, wirklich herrlich :D Einfach zum Amüsieren und lachen^^

Hm, also dieses Thema mit den Elementen, die nach Auslöschung unter den Wächtern zu den Menschen pendeln. Ich glaube, dass es da ähnlich gehen dürfte, wie bei den Hikari. Die Hikari werden nach einander ausgewählt zum neuen Regime-Führer und ich kann mir auch gut vorstellen, wie das bei den anderen Elementen ist. Nur eben etwas anders. Und ich glaube auch, dass die Elemente in den Menschen ruhen und einfach nur auf schlafen, bis sie eben benötigt werden. So dürfte die Magie sich selbst vor der Auslöschung schützen, denke ich.
Außerdem wurde nie ganz thematisiert, woher der Mensch eigentlich in Himi stammt xD Ich kann mir also sehr gut vorstellen, dass die Menschen einfach nur welche von der Sorte sind, die wie in Harry Potter nicht zaubern können, trotz magisch begabter Eltern. Und da es viele Wächter gibt, gibt es bestimmt auch einige Kinder, die einfach mal ohne Element geboren wurden ö.o Keine Ahnung, ob es so hinhaut, aber na ja, ich mag Theorien xDD Besonders zu Himi, da kann ich immer so viel spekulieren ohne je eine befriedigende Antwort zu erhalten x'D

Hahahaha xD Sibi, du bist einfach eine Wucht :D Einfach genial dein Gespräch mit Sho, ich lache immer noch >o< Ihr seid einfach ein tolles Gespann, ein tolles Paar *Q*
Oha, Gary hat die Nummer von Ilang bekommen, wie unerwartet :D Und dann noch die Koordinaten. Okay, das ist ein wenig seltsam ö.o But okay, da gibt es ja eine Barriere xDD Aber wieder richtig lustig, wie Sibi einfach drauflostürmen will ohne vorher zu denken^^ Einfach losbrausen, ab in die Weltgeschichte hinein :D Gute Reise *Taschentuch zum Abschied schwingt*
Und da sind sie schon, sicher gelandet. Vor verschlossenen Türen. Was liegt da naher, als auf den primitiven Weg einzudringen? Richtig, man sprengt sich durch :D Hahaha, Green wäre begeistert x'D Nein, sie fliegen, auch toll^^ Ich trinke hier gerade Tee und als ich Wartungsarbeiten las, musste ich meinen Tee hastig runterschlucken xDD Ach Sibi, du und dein Witz und Charme :D Und Gary und seine Vorliebe für alte Bücher bzw Bücher allgemein^^ Ehrlich, er und Grey würden sich fabelhaft verstehen, hihi^^

Das war wirklich lustig das Kapitel :D Der Witz des Originals ist definitiv geblieben, hihi :D
Von:  KiraNear
2015-09-23T18:39:35+00:00 23.09.2015 20:39
So ein Gerät ist richtig praktisch, ich frage mich, in welcher Reichweite es funktioniert und ob man seinen Einsatz von Magie davor verbergen kann. Reine Neugierde^^°
Er setzt kurz Erdmagie ein und dann ist die Magie weg? Ganz klarer Fall: Er benutzt die Schaufler-Attacke! °_°
 
Ohje, armer Ryô, er hat es mit seiner Frage doch nur gut gemeint. Aber vielleicht bringt er ja Grey damit unbewusst dazu, darüber nachzudenken?
 
Dass Grey seine Schwester vergewaltigen würde ... da geht wohl Siberus Fantasie mit ihm Gassi XD
 
Ein Gerät, mit dem man sich an Orte teleportieren kann, an denen man vorher noch nie war? Das könnte ich in so manchen Spiel gebrauchen. Und im Reallife XD
 
Ich glaube auch, dass ihn seine Worte wirklich verletzt haben. Denn sonst hätte er sicherlich etwas dazu gesagt.
 
Oh, ok, es gibt wirklich eine Erklärung dafür, warum die beiden nicht vom Sicherheitssystem erfasst wurden. Ich dachte ehrlich gesagt auch, dass es einfach defekt ist oder absichtlich ausgeschalten wurde.
 
Jetzt kennt er ihr Geheimnis - und er wird sie sicher darauf ansprechen. Auch darauf, dass sie es ihm nicht erzählt hat ...
 
Schönes Kapitel, sorry, dass ich es erst jetzt gelesen habe. Aber ich freue mich schon auf die nächsten^^
Lass dir ruhig die Zeit zum Schreiben, die du brauchst.
 
Für mehr Kommentare auf Animexx
Von:  fahnm
2015-08-02T22:16:26+00:00 03.08.2015 00:16
Hammer Kapitel
Mach weiter so


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