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Himitsu no Mahou

von

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Das Schwert des Tausendtöters

 

 

1560 – Hikari-Regime Hikari Seijitsu Shoujiki Safiya

 

 

 

Der spitze Schrei eines Mädchens schallte durch die Gänge des Tempels und selbst viele Gänge weiter wussten die anwesenden Wächter somit, was der Grund für diesen Schrei war und obwohl er ziemlich entsetzt klang, setzten alle ihre Arbeit wie gewohnt fort. Denn sie wussten, es gab keinen Grund zur Beunruhigung; Seigi war von seiner Mission zurückgekehrt.  

Schon damals war Seigi für sein auffälliges Grinsen bekannt, welches auch jetzt auf seinem Gesicht zu erkennen war, seine kleine Schwester Safiya aber nicht beruhigen konnte. Ganz gleich seiner guten Laune war sie absolut entsetzt von dem Auftritt ihres großen Bruders, von seiner zerrissenen Uniform, dem vielen auf ihm haftenden, sich bereits in seiner Kleidung festgesaugten Blut, und offenen Wunden, die er scheinbar komplett ignorierte. Aber Safiya konnte es nicht ignorieren; die momentane Regime-Führerin war keine Person, die irgendetwas ignorierte. Obwohl sie sich immer selbst befahl, ruhig zu bleiben, sich an die für Hikari typische Aura der Ruhe zu halten, war sie dennoch eine Person, die sehr leicht von ihren Gefühlen übermannt wurde; eine Person, die leicht zu reizen war, weshalb Seigi es umso lieber tat.

Seigi hatte gerade die Eingangshalle verlassen und Safiya war ihm, froh ihren Bruder wieder zu sehen, entgegen gerannt, um ihn nach seiner Abwesenheit zu begrüßen – jetzt hatte sie sich allerdings angewidert von ihm abgewandt. Sie konnte es einfach nicht ertragen, Blut zu sehen.

„Was hast du denn, Safi? Bekomme ich keine Umarmung als Begrüßung?“

„Tu nicht so unschuldig, Seigi! Ich weiß genau, warum du deine Verletzungen nicht geheilt hast, ehe du den Tempel betreten hast…?!“ Das in weiß gekleidete Mädchen schielte über die Schulter, fixierte seine Füße, die blutige Flecken auf dem weißen Marmor hinterließen:

„Mit deinem Blut machst du hier alles dreckig!“    

„Mit meinem Blut?“ Seigi blickte unschuldig an sich herunter:

„Aber, Safi, das ist doch nicht mein Blut – das ist Dämonenblut!“

„Das ist ja noch schöner!“ Safiya unterdrückte ein aufgebrachtes Gestikulieren mit den Händen, sich an ihre gute Erziehung erinnernd; sie musste sich zusammenreißen und sich nicht von ihrem Bruder provozieren lassen – das war es doch, was er wollte. Das war genau das, was er wollte!  

„Zieh dich aus, sofort!“, fuhr sie mit Nachdruck fort, immer noch versuchend, die Ruhe zu bewahren, doch Seigi wusste schon, welche Geschütze er auffahren musste, um seine kleine Schwester aus der Fassung zu bringen. Voller Vorfreude auf ihre Reaktion wurde sein Grinsen noch breiter und mit verschränkten Armen blickte er sie neckisch an:

„Ich soll mich mitten auf dem Gang ausziehen? Ouuuu….Safi! Ich wusste ja schon immer, dass auch du etwas Verwegenheit in dir hast!“ Genau wie von Seigi vorausgesehen folgte ihre Reaktion sofort; sie lief so rot an, dass Seigi glaubte, dass sich sogar ihre weißen Haare rot färbten. Mit Ohren rot wie Erdbeeren rief sie aufgebracht:

„Seigi, darf ich dich daran erinnern, dass ich verlobt UND schwanger bin!? Ein wenig Rücksicht und Umsicht wären angebracht!“ Immer noch grinsend antwortete ihr Bruder achselzuckend:

„Wieso, dein Herr Verlobter hat doch schon längst ins Gras gebissen.“ Safiya war die Taktlosigkeit ihres Bruders bereits gewohnt, weshalb sie angesichts dieser harten Worte relativ ruhig blieb, nur die Röte verschwand langsam von ihrem Gesicht:

„Du hast wirklich überhaupt kein Feingefühl, Hikari Meiyo Hikaru Seigi. Du wirst niemals wissen, wie es ist, verliebt zu sein.“ Seigi sah sie verwundert an.

„Doch doch! Ich weiß, wie es ist, verliebt zu sein; das kannst du mir ruhig glauben, Safi.“

„Du sprichst wohl von dir und deinem Schwert…“, bemerkte Safiya säuerlich.

„Genau! Du hast es erraten.“ Während er dies sagte, tätschelte er lobend die Haare seiner kleinen Schwester, die seine Hand allerdings hastig beiseite schlug und das Blut, das sich dabei auf ihre eigene Hand übertragen hatte, wischte sie ebenso eilends angewidert mit einem Taschentuch ab.

„Hör endlich auf hier herumzualbern und zieh dich um! Mutter kommt heute zu Besuch, da kannst du doch so nicht aussehen! Und wenn du damit fertig bist, könntest du dein Zimmer mal in Ordnung bringen. Es sieht nämlich aus, als hättest du Dämonen eingeladen!“ Seigi verschränkte lässig die Hände hinter seinem Kopf und verdrehte die Augen Richtung Decke.

„Wozu hab ich denn eine Tempelwächterin? Dann langweilt die sich wenigstens nicht!“

„Sie ist nicht deine Sklavin, vergiss das bitte nicht.“

„Ich weiß wirklich nicht, wo da der große Unterschied ist!“

„So wie du sie behandelst, ist da wirklich kein großer Unterschied…“ Seigi erwiderte gelangweilt von diesem Thema, dass seine Tempelwächterin dann doch wenigstens etwas zu tun hätte und entledigte sich seines Umhangs, den er sich über den angewinkelten Arm hängte. Mit einem Grinsen erklärte Seigi seiner Schwester, dass er sich erstmal waschen würde, damit sie nicht noch mehr Schreikrämpfe bekäme. Er löste sein treues Schwert aus dessen Halterung, behielt es allerdings in der Hand.

„Ach, Safi…“

„Was?“

„…Ich brauche nur noch 115.“ Safiya drehte sich zu ihrem Bruder um, doch er sah nur auf die Klinge seines Schwertes und verschwand kurz darauf um die Ecke, in Richtung eines der Bäder. Safiya blieb kurz stehen und schaute ihm nachdenklich hinterher, dann wandte sie sich seufzend ab und ging in die Richtung ihres eigenen Zimmers. 

Seigi brauchte also nur noch 115 – dann hatte er den Rekord gebrochen und würde in die Geschichte der Wächter eingehen… als der, der die meisten Dämonen getötet hatte. In innerhalb von nur acht Jahren war er so weit gekommen. Er war jetzt neunzehn und mit elf Jahren hatte er sich das Ziel gesetzt, dreizehntausendfünfhundertsiebenundachtzig Dämonen zu eliminieren. Die meisten dachten, er wollte dieses Ziel erreichen, weil er es liebte zu kämpfen. Teilweise lagen sie mit dieser Annahme auch richtig; aber Safiya wusste, dass da auch andere Gründe mitmischten. Seigi hatte seit seiner Geburt keine besonders starke Lichtmagie gehabt; er war nicht einmal in der Lage, seine eigenen Verletzungen zu heilen. Deshalb hatte er sich auf die Schwertkunst spezialisiert, denn das war etwas, was er trotz seines Mangels an Lichtmagie konnte. Mehr als dies – er und sein Schwert bildeten eine unschlagbare Einheit. Er hatte es geschafft, auch ohne Lichtmagie zu einem Schrecken der Dämonen zu werden. Doch Seigi hatte schon immer eine leicht brutale Seite, die von seinen Vorfahren nicht gerade gerne gesehen wurde. Besonders wegen seines Strebens nach dem ersehnten Rekordbruch wurde er zunehmend brutaler und rücksichtsloser; die Kämpfe hinterließen ihre Spuren, genau wie das Blut. Egal, wie oft er sich seine Hände waschen würde, kein Wasser könnte diese Spuren jemals wieder rein waschen. Es war Ironie des Schicksals… Seigi hatte mit dem Ganzen nur angefangen, um sich vor seiner Familie beweisen zu können und umso mehr Dämonen er tötete, umso mehr wurde er von ihnen verachtet… Obwohl Safiya versuchte, die Ohren zu verschließen und sich so gut es ging davon abzuschotten, hatte sie schon öfter Gerüchte über ihren Bruder gehört; Gerüchte, dass er bald selbst zu einem Dämon werden würde und sogar Menschen angriff, um seine angeblich „unermessliche Blutsucht“ zu stillen, die sogar unter Dämonen ihresgleichen suche.

Diese Gerüchte schmerzten Safiya.

Ihr Bruder war nicht so schlecht, wie alle ihn hinstellten. Seigi war weit entfernt davon, ein Dämon zu sein… 

Das unter ihrem Herzen ruhende Kind trat heftig, als ob es seine Mutter von ihren Gedanken ablenken wollte. Safiya lächelte traurig und strich sich über den runden Kinderbauch, während sie in die Sonne sah.

 

 

Seigi hielt sich nicht lange in seinem Zuhause auf; kaum eine halbe Stunde, nachdem er gewaschen und angezogen war, kam wieder eine neue Dämonenmeldung und schon war er weg; ohne an das Treffen mit seiner Mutter zu denken oder sich überhaupt für seine Abwesenheit zu entschuldigen. Safiya konnte nicht gerade behaupten, dass ihr dies gefiel und während ihre Mutter sich einfach nur besorgt zeigte, spürte sie während dem Teetrinken wieder die Wut in ihr hochkommen. Sie freute sich wirklich schon darauf, wenn er endlich seine letzten 115 Dämonen getötet hatte und hoffte, dass er es dann alles ein wenig ruhiger angehen würde – sie hoffte es, aber glauben tat sie es nicht immer. Dazu kam, dass er sich jedes Mal weigerte, einen seiner Wächter mitzunehmen, womit er immer wieder alleine loszog –  sie könnten ihm immerhin einen seiner Dämonen wegnehmen! Und das ging ja nicht, natürlich nicht. 

Doch dieses Mal musste Seigi zugeben, dass er die heilende Hand seiner Schwester gut hätte gebrauchen können. Wie immer war er mit Blut besudelt, aber diesmal war es nicht nur Dämonenblut, sondern auch sein eigenes. Einer der Dämonen, welcher jetzt natürlich schon nichts mehr außer Funken war, hatte es geschafft, seine linke Schulter in Mitleidenschaft zu ziehen – er spürte seine Finger nicht mehr und es blutete stark von seiner Schulter; ob die Nerven beschädigt waren? Er hätte im Unterricht besser aufpassen sollen, als sie die Anatomie des Wächterkörpers durchgenommen hatten, aber Seigi hatte sich wie immer mehr für die Dämonen interessiert… und war der rechte Arm gebrochen? Seine linke Schulter wollte nicht aufhören zu bluten und seine verdammte Heilmagie sah mal wieder lieber dabei zu, wie er immer mehr Blut verlor, als die Wunde zu heilen. Seigi musste sich beeilen und sich schnell von Safiya heilen lassen.

Aber zuvor musste er noch die erledigten Dämonen zählen!

„Eins… zwei… drei… vier…“ Verdammt. Es tanzten schon schwarze Punkte vor seinen Augen, aber er musste es noch schaffen, sie zu zählen; er hatte schon welche verpasst, weil sie sich aufgelöst hatten, das passierte immer zu schnell... Mit letzter Kraft kam Seigi auf sieben. Doch das Teleportieren gelang ihm nicht mehr, nicht einmal das Schwert konnte er zurück in die Scheide schieben, bevor er das Bewusstsein verlor und rücklings in ein Flussbett fiel.

 

 

Der Tag zeigte sich in seiner altbekannten Farbe – grau in grau. Ein einziger Blick in den Himmel genügte und man wusste, dass es bald anfangen würde zu regnen; dennoch ließ ein kleines Menschenmädchen sich nicht davon abhalten, mit etwas unsicheren, nackten Füßen einen kleinen, dünnen Pfad herunter zu gehen, der sie geradewegs zum Fluss führte. Das kleine Mädchen namens Elisabeth hatte sich vorgenommen, an diesem Tag ihr einziges Kleid – und auch das einzige Kleidungsstück, welches sie besaß – im reinen Wasser des Flusses zu waschen, noch ehe der nächste Regenschauer über sie hereinbrach. Zum Glück lag der Fluss nicht weit entfernt von der kleinen Hütte, in der das Mädchen lebte. Natürlich könnte sie auch wie die anderen hier lebenden Menschen im nächstgelegenen Dorf hausen, aber sie zog es vor, alleine zu leben... sie war etwas in sich gekehrt, verträumt, in ihrer eigenen Welt lebend, wie ihre Mutter es ihr gesagt hatte. Allerdings hatte sie es dieser kleinen Macke zu verdanken, dass die Dorfbewohner sie mieden, was das Mädchen zu spüren bekam, wenn sie den Markt des Dorfes aufsuchte. Zwar hatte sie selbst einen kleinen Garten, doch einiges musste sie doch mit ihrem wenigen Geld auf dem Markt erwerben. Ihre verstorbene Mutter hatte ihr die Gartenarbeit beigebracht, mit der sie auch hatte Medizin herstellen können – ein Talent, welches ihre Tochter leider nur teilweise gelernt hatte. Sie war schon sehr stolz auf sich und auch erleichtert, dass sie es bis jetzt überlebt hatte… Die Gabe, förmlich aus Nichts etwas Essbares zu machen, war nicht das Einzige, was sie an ihrer Mutter vermisste. Vor allen Dingen vermisste sie das Lächeln ihrer Mutter, ihre lebendige, fröhliche Art, die Elisabeths Leben mit einer unvergleichlichen Wärme gefüllt hatte. Ihr Leben erschien ihr so trostlos ohne ihre Mutter… alleine zu sein war...nicht angenehm... und mit jedem verstreichenden Tag, an dem Elisabeth gemieden wurde und nach der Arbeit in ihrem Garten in eine kalte, leere Hütte zurückkehrte, in der niemand auf sie wartete, fragte sie sich, ob sie sich jemals daran gewöhnen könnte.

Müde und mit knurrendem Magen stapfte das Mädchen in das kühle Wasser, bis es ihr zu den Knien ging und begann, ihr Kleid so gut es ging rein zu waschen. Doch ihre Wascharbeit wurde jäh unterbrochen, als etwas Metallenes gegen ihren Rücken stieß. Sie ließ den Stoff ihres Kleides los, drehte sich um - und staunte nicht schlecht: im Wasser treibend erblickte sie ein reich verziertes Schwert. Ohne lange zu überlegen beugte sie sich herunter und fischte das Schwert aus dem Wasser, um es gegen das Licht zu halten. Die Steine, mit denen es geschmückt war, sahen sehr wertvoll aus, sie könnte sie vielleicht gegen Münzen eintauschen und sich etwas zu essen kaufen…

Doch während sie das Schwert senkte, fiel ihr etwas ganz anderes auf und sie fing an zu rennen, das Schwert an sich drückend. Dieser Tag wurde wirklich immer merkwürdiger; keine zehn Meter von ihr entfernt, am Ufer des Flusses, halb verborgen vom Schilf, lag ein junger Mann.

Das Schwert wurde erst einmal zur Seite gelegt, denn sie kniete sich nieder, sobald sie zu ihm gelangt war, um ihn sich genauer zu beschauen. Seine kurzen, zotteligen Haare waren vom Wasser getränkt; Haare, die eine ungewöhnliche, silberne Farbe besaßen… wenn die Sonne kurz durch die graue Wolkendecke hervorbrach und auf den Regungslosen herunter schien, kam es ihr fast so vor, als wären die Haare… weiß. Weiß wie frisch gefallener Schnee. Eine Narbe erstreckte sich über seine rechte Wange und ebenfalls am rechten Ohr besaß er einen auffällig verzierten Ohrring. Die Kleidung, die er trug, war ebenso ungewöhnlich; zwar war sie von dunklem Blut befleckt, doch die weiße Farbe und die Art, wie seine Uniform geschneidert war, weckten bei ihr den Anschein, dass er von adeliger Abstammung war. An seiner Hüfte entdeckte sie eine leere Schwertscheide – also gehörte das Schwert ihm?

Doch… war er tot? Die Wunde an seiner Schulter sah ernst aus… es erschien ihr sogar so, als würde sie immer noch bluten und sein rechter Arm stach merkwürdig ab.

Langsam, mit zitternder Hand, näherte das Mädchen sich seinem Herzen, um sich zu vergewissern, dass vor ihr keine Leiche lag... und dass es in Ordnung war, das Schwert mitzunehmen, dass es kein Unding war, es gegen Essbares einzutauschen… und schrie vor Schreck fast auf, denn mit seiner gesunden Hand hatte der eigenartige Fremde hart ihr mageres Handgelenk ergriffen und packte es so fest, als wolle er es brechen.

Diesen Schmerz registrierte Elisabeth in diesen Augenblick gar nicht, denn sie war von seinen Augen in den Bann gezogen; Augen, die sie feindselig fixierten. Eigentlich hätte ihr erster Impuls sein müssen sich loszureißen, aber das tat sie nicht. Im Gegenteil: Beinahe fasziniert starrte sie in seine Augen. 

Noch nie in ihrem Leben hatte sie solch helle und klare Augen gesehen. Zuerst dachte Elisabeth, dass sie weiß wären, doch dann sah sie, dass sie minzgrün waren.

Das Mädchen bemerkte nicht einmal, dass er sich unter Schmerzen aufrichtete. Erst als der junge Mann etwas sagte, wurde sie aus ihren Gedanken geweckt. Was er gesagt hatte verstand sie allerdings nicht, denn die von ihm angewandte Sprache war ihr fremd.  

Er hatte das Schwert entdeckt und mit einer hektischen Bewegung griff er danach, was sein Körper ihm nicht gerade dankte: krampfartig zuckte er zusammen. Elisabeth wollte ihm gerade helfen, doch bevor sie ihn überhaupt berühren konnte, stieß er sie unsanft von sich weg, begleitet von wüst klingenden Worten. Er brachte den Satz jedoch nicht zu Ende, denn er stürzte vorher wieder ohnmächtig zurück ins Wasser. 

Elisabeth zögerte kurz, doch dann richtete sie sich auf unsicheren Füßen auf und blickte auf diesen eigenartigen Fremden herab.

Wenn sie ihm nicht half, würde dieser merkwürdige Mann mit diesen klaren Augen vielleicht sterben.

 

 

Noch bevor Seigi seine Augen wieder öffnete, verfluchte er seine Lichtmagie. Ganz ohne Zweifel waren seine Verletzungen noch nicht geheilt und seinen rechten Arm konnte er noch immer nicht bewegen. Dazu stieg ihm ein recht unangenehmer Geruch nach Kräutern in die Nase, was seine Stimmung nicht gerade anregte. 

Langsam und widerstrebend öffnete er die Augen und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, in dem er gestrandet war. Seigi musste in einer kleinen Holzhütte oder etwas Ähnlichem sein; der Raum war nicht sonderlich groß, nur ein kleines Rechteck mit einer einzigen Tür. An die Wand gelehnt und aufgehängt entdeckte er mehrere Körbe und Krüge, gefüllt mit Kräutern und Wasser. Doch er verzichtete darauf, sich weiter umzusehen, denn nun wo seine Sinne langsam wiederkehrten bemerkte der Schwertkämpfer,  dass jemand ihn anstarrte und langsam wandte er den Kopf nach links.

Trotz Schmerzen und Verletzungen war er sofort bereit, die Person anzugreifen, doch als er sich umdrehte, verflog seine Alarmbereitschaft wieder, denn diejenige, die ihn anstarrte, war nur ein junges Menschenmädchen, wohl in dem gleichen Alter wie Safiya. Sie wirkte recht armselig; man konnte sie nicht gerade als „hübsch“ bezeichnen und ihre offensichtliche Armut schmeichelte ihrem Aussehen nicht gerade. Ihre mittellangen, dunkelbraunen Haare waren zottelig und ungepflegt, ihr Körper wies mehrere Schrammen und Narben auf und das Kleid, welches sie trug, war eher ein Lumpen. Das Einzige, was noch als einigermaßen hübsch durchging, waren ihre großen, nussbraunen Augen, die ihn aber momentan nervten, da das Mädchen Seigi immer noch anstarrte, als wäre er ein Engel, der vom Himmel gefallen war.

„Hör auf mich anzustarren!“, herrschte er sie mit einem verächtlichen Tonfall an, aber sie sah ihn nur verwirrt an und Seigi wurde klar, dass das vergeudete Liebesmüh war: kein Mensch verstand die heilige Sprache der Wächter.

„Es tut mir Leid… Ich verstehe Eure Sprache nicht“, antwortete das Mädchen auf Englisch, was Seigi natürlich genauso wenig verstand wie umgekehrt. Seigi allerdings achtete sowieso nicht mehr darauf, denn in diesem Moment bemerkte er, dass sein Schwert nicht länger an seiner Hüfte hing; nicht einmal die Scheide war noch an ihrem Platz. Mehr oder weniger hektisch schaute Seigi sich um, ohne auf ihre fragenden Blicke oder seine Schmerzen zu achten. Als er es dennoch nicht fand, schnauzte er das Mädchen an:

„Hey, Menschenpack! Wo in Lights Namen hast du mein Schwert versteckt?!“ Aus einem ihm unverständlichen Grund hellte ihr auf einmal Gesicht auf. Sie zeigte auf Seigi und schien ihn etwas zu fragen:

„Light?“ Seigi schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn und erntete sich wieder einen merkwürdigen Blick.

„Nein! Sehe ich aus wie ein Gott?!“ Seigi zeigte auf sich selbst und sagte langsam und deutlich:

„S-e-i-g-i.“ Sie ahmte seine Bewegung nach und wiederholte:

„Seiji?“ Seigi sah sie mit hochgezogenen Brauen an: noch nie hatte er seinen Namen in so einer merkwürdigen Aussprache gehört – und er konnte nicht gerade behaupten, dass er fand, dass sein Name so gut klang. Im Gegenteil: es klang schrecklich. 

Das Mädchen zeigte nun auf sich selbst und erklärte:

„Elisabeth!“ Aber dieser Name klang in Seigis Ohren einfach nur nach fremdartigem Gestammel:

„Was bitte?!“

„Elisabeth?“ Seigi versuchte, diesen eigenartigen Namen auszusprechen, doch es gelang ihm nicht im Entferntesten. Das Mädchen begann zu lachen, was Seigi zu einem genervten Erröten brachte.

„So – aus Ende! Dieses Spiel spiele ich nicht länger mit!“, entfuhr es dem Hikari genervt und immer noch errötet. Er zeigte auf Elisabeth, die aufgehört hatte zu lachen, und verkündete:

Elly! Du heißt jetzt Elly!“

„Elly?“ 

„Elly.“ Das Mädchen lächelte. Was für ein unschuldiges Lächeln – wie das eines Kindes. Unschuldig und aufrichtig. Seigi wandte sich von diesem Anblick ab, denn aus irgendeinem Grund ertrug er es nicht, ein solches Lächeln zu sehen. Es weckte ein beklemmendes Gefühl in ihm, welches er nicht mochte.

 

 

Seigi war der merkwürdigste Mann, der Elisabeth je begegnet war. Einmal hatte sie sogar geglaubt, einen Funken… ein kleines Glitzern… über seiner Wunde gesehen zu haben, aber das musste sie sich wohl eingebildet haben.

Seitdem Seigi sein Schwert wiederbekommen hatte, hatte er es nicht aus der Hand gelegt und Elisabeth hatte das merkwürdige Gefühl, dass er sie damit abstechen wollte. Ein gewisses Gefühl sagte ihr, dass er sie nicht sonderlich gut leiden konnte – und ein anderes Gefühl, dass er auch sehr wohl in der Lage dazu war, sie jederzeit zu töten, wenn er wollte.

Elisabeth wusste nichts über ihn außer seinen Namen. Immer wieder versuchte sie, ein Gespräch zu beginnen, denn seine Sprache klang in ihren Ohren einfach wunderschön. Noch nie hatte sie eine andere Sprache als Englisch gehört, weshalb sie keinen Vergleich zwischen anderen Sprachen aufstellen konnte – sie kannte nicht einmal die Namen der Länder auf dem Festland. Sie kannte nur das Leben, das sie hier auf diesem kleinen Fleckchen Erde führte. Ihre kleine Hütte und das Dorf – das war ihre Welt, mehr kannte sie nicht. Aber neugierig war sie dennoch und Seigi schürte ihre Neugierde ins Unermessliche. Wer war er? Wo kam er her? Was hatte ihn so verletzt? Was waren das für Fünkchen, die sie ab und zu über seinen Verletzungen sehen konnte? Seine weißen Haare, die fremdartige, unmenschliche Aura um ihn… all das erinnerte sie an die Engel, von denen sie in der Kirche hörte.

Dass Seigi ein etwas anderer Engel war, das würde sie schneller herausfinden, als es ihr lieb war; nämlich gleich am ersten Tag.

Der Tag neigte sich seinem Ende zu; es war dunkel in der kleinen Hütte, nur eine einzige Kerze brannte. Dennoch bestand Elisabeth darauf, sich noch einmal Seigis Verband anzuschauen. Da Seigis Lichtmagie nach wie vor kläglich versagte beim Heilen seiner großen Brustwunde und des rechten, gebrochenen Armes, ließ Seigi es über sich ergehen, dennoch kam er ihr nicht entgegen, indem er für ein bisschen mehr Licht sorgte; er wollte alle seine Magie aufsparen und auf seine Heilung konzentrieren. Elisabeth fand zwar selbst, dass sie gar nicht so schlecht darin war, sich um Wunden zu kümmern, denn sie hatte viel von ihrer Mutter gelernt, aber Seigi hielt von ihrer Arbeit natürlich nicht viel – immerhin kannte er die fabelhaften Heilkünste seiner Schwester.

Im Takt des trommelnden Regens – Seigi war überrascht darüber, dass es nicht rein regnete – und dem flackernden Kerzenlicht beobachtete der Hikari skeptisch, wie Elisabeth nicht nur seinen Verband wechselte, sondern auch ein langes, flaches Stück Holz mit einband. Nachdem sie für eine kurze Weile verschwunden gewesen war, war sie mit jenem Stück Holz ganz aufgeregt zurückgekommen – wozu das Stück Holz gut war, ahnte Seigi nicht; das Einzige, was er wusste, war, dass es ihn noch mehr behinderte als sowieso schon. Und das sollte etwas bringen? Das Menschenmädchen schien auf jeden Fall dieser Auffassung zu sein.

Während dem gesamten Prozedere hatte Seigi sich ruhig verhalten. Sie hatte zwar immer wieder mit ihm gequasselt, aber er hatte nicht geantwortet – warum auch, sie verstand ihn ja nicht. Als sie sich allerdings seiner Brust zuwenden wollte und dafür Seigis weiß geflügeltes Glöckchen in die Hand nehmen wollte, um es beiseite zu schieben, ergriff er umgehend ihr Handgelenk, presste es von sich weg und umschloss dann sofort das Glöckchen. Als er sich dann endlich der heillos verwirrt dreinschauenden Elisabeth widmete, war seine Stimme nicht mehr als ein Zischen:

„Fass mein Glöckchen nicht an mit deinen kleinen, dreckigen…“ In diesem Moment unterbrach das Glöckchen selbst das kleine, einseitige Handgemenge: sowohl Elisabeth und Seigi staunten nicht schlecht, als das Glöckchen plötzlich aufleuchtete. Seigi wusste natürlich, was das Aufleuchten und das schrille Läuten des Glöckchens zu bedeuten hatte, das nur er hören konnte – aber Elisabeth war von dem plötzlichen Licht schier überwältigt. Sie wollte sich gerade das Kreuz auf die Brust malen, als Seigi sie mit seinem Aufspringen davon abhielt.

„Haha! Sind die kleinen Biester also hier – denken wohl, ich wäre jetzt eine leichte Beute, haha!“ Elisabeth verstand natürlich nicht, was er sagte, genauso wenig verstand sie, warum er aufsprang – aber sie verstand, dass er es eigentlich nicht durfte, denn obwohl Seigis Arm und seine Wunde schon überraschend gute Fortschritte machen, so war er absolut nicht in der Lage aufzustehen und sollte das auch nicht tun…

Aber Seigi hörte nicht auf sie, als sie versuchte, seinen Arm zu packen und ihn zurückzuziehen; es war vergebens. Trotz seiner Verletzung war er immer noch stärker als sie und schüttelte sie ab, und ohne sie sonderlich zu beachten, griff er sich sein Schwert und verschwand auch schon grinsend aus der Tür. Noch einen Moment lang starrte Elisabeth ihm mit geöffnetem Mund hinterher, dann fasste sie sich ein Herz und rannte hinaus in das Unwetter, um Seigi zu folgen.

Sofort bereute Elisabeth diese Entscheidung und der Wunsch einfach gleich wieder umzukehren überkam sie – nicht wegen des schlechten Wetters, denn das war sie gewohnt, sondern wegen dem, was sie sah. Elisabeth hatte in letzter Zeit immer mehr und immer öfter Erzählungen von Hexen und Dämonen gehört, von Frauen, die im Pakt mit dem Teufel standen, um Unheil über ihre Mitmenschen zu bringen, viele dieserlei Erzählungen, eine schrecklicher, düsterer als die andere – aber keine dieser Geschichten konnte sich mit dem messen, was Elisabeth in diesem Moment sah.

Zehn bis zwanzig monströser Wesen, mit schwarzer Haut überzogen, allesamt mit igelartigen Stacheln auf dem Rücken, scharten sich, große, gelbe Eckzähne bleckend, um eine sehr hochgewachsene Frau – fast doppelt so hoch wie Elisabeth – deren dunkelrote Augen alles andere als menschlich waren und die spöttisch und überheblich auf Seigi herabsahen. Das, was sie sah, besonders seine Verbände, schien sie sehr zu freuen – aber auch Seigi schien erheitert zu sein, etwas worauf Elisabeth allerdings nicht achtete, denn sie war zu sehr damit beschäftigt, nicht in Ohnmacht zu fallen und Halt an der Hauswand zu finden.

Seigi konnte sich natürlich mit den feindlichen Dämonen genauso wenig unterhalten wie er sich mit Elisabeth unterhalten konnte – aber das tat auch nicht Not. Dämonen und Wächter mussten sich nicht unterhalten. Sie kamen, um einander zu töten; und töten tat man mit Taten, nicht mit Worten.

Bei seinem letzten Kampf musste ihm einer der Dämonen entflohen sein; wahrscheinlich hatte dieser gesehen, dass Seigi, der von den Dämonen gefürchtete Tausendtöter, verletzt worden war; vielleicht war der gewiefte Dämon sogar nicht sofort in seine Welt geflohen und hatte gesehen, dass Seigi nicht etwa Hilfe vom Wächtertum erhalten hatte, sondern von einem Menschenmädchen – und dass er noch nicht auf dem Damm war, weshalb es keinen besseren Zeitpunkt gab als jetzt, um ihn hoffentlich endlich loszuwerden.

Seigi interessierte sich auch gar nicht sonderlich für deren Beweggründe. Er hatte in aller Eile siebzehn Dämonen gezählt und das waren siebzehn Dämonen näher an sein Ziel. Also dachte er nicht näher über irgendwelche Beweggründe oder seine Schmerzen nach – stattdessen raste er nun auf den erstbesten Dämon zu und trennte dessen Kopf sang- und klanglos von seinem Rumpf, womit Elisabeth schnell herausfand, dass, wenn Seigi ein Engel war, dann war er kein besonders zimperlicher Engel, denn dem zweiten und dritten Dämon, die ihn zusammen hatten angreifen wollen, ging es nach einem eleganten Ausweichmanöver Seigis genauso. Das Grinsen, welches sich auf seinem Gesicht ausbreitete und welches sich weder von dem Regen noch von dem spritzenden Blut unterbinden ließ, war auch alles andere als engelshaft… aber sein gebrochener Arm behinderte ihn und Elisabeths geschultes Auge sah deutlich, dass das Blut auf Seigis Brust nicht nur das der Dämonen war.

Zuerst war ihre Zunge genauso gelähmt wie ihr bebender Körper, aber dann bekam sie den Mund nicht nur geöffnet, sondern brachte ihn auch dazu, etwas zu sagen:

„Seiji! Dein Arm…“ Weiter kam sie allerdings nicht, denn die Anführerin der Dämonen schien ihr Einmischen nicht gutzuheißen und brachte Elisabeth mit einer gezielten Ohrfeige zum Schweigen – sie flog einige Meter in die Luft und mit blutender Wange blieb das kleine Menschenmädchen im dreckigen Matsch liegen, ohne auch nur irgendwie von Seigi bemerkt zu werden, denn dieser dachte nur an seinen Rekord.

Er hätte aber wahrscheinlich auf seinen Körper hören sollen, denn dieser strafte ihn nun – er hatte gerade wieder einen Dämon in zwei Hälften geteilt, als ein so heftiger Schmerz ihn durchfuhr, dass Seigi ins Taumeln geriet; er war kurz davor zu stürzen, doch konnte sich gerade noch fassen, etwas, worauf die Dämonen natürlich keine Rücksicht nahmen und genau den Moment, in dem das Sichtfeld Seigi zu entgleiten drohte, zu nutzen gewusst hatten – Seigi wurde sein Schwert aus der schmerzenden, rechten Hand geschlagen und im hohen Bogen flog es davon.

Das Grinsen verging Seigi schnell, denn auch er wusste, genau wie die Dämonen, die sich nun triumphierend lachend um ihn scharten, dass der Tausendtöter einer der wenigen Hikari war, der ohne Waffe absolut ungefährlich war. Verletzt war er scheinbar immer noch eine Gefahrenquelle, aber ohne Schwert sah das Ganze ganz anders aus…

Aber sein Blick wankte dennoch nicht, auch dann nicht, als die weibliche Dämonin hervor trat. Scheinbar wollte sie die Ehre haben---

„Seiji!“ Alle wirbelten zum Ursprung der Stimme herum und sahen das Unmögliche. Es war nicht unmöglich, dass Elisabeth wieder auf den Beinen war; es war auch noch im Bereich des Möglichen, dass sie sich nicht, angesichts der Gefahr, einfach weinend irgendwo verbarg – aber es sollte eigentlich für sie als Mensch, als Nicht-Wächter, absolut unmöglich sein, das Schwert eines Wächters halten zu können. Aber sie tat es. Ziemlich plump, aber sie hielt sein Schwert mit beiden Händen am Griff fest, die Klinge Richtung Boden gesenkt.

Seigi starrte sie daher genauso fassungslos an wie die Dämonen – und sein Blick wurde ziemlich dümmlich, als er bemerkte, dass sie sein Schwert zu ihm werfen wollte, sobald sie, dank eines aufzuckenden Blitzes genug sehen konnte.

„Fang!“ Seigi verstand das Wort „catch“ natürlich nicht, aber genau wie die Dämonen, die nicht versuchten, das Schwert abzufangen, sondern der wirbelnden Waffe lieber aus dem Weg sprangen, verstand er sehr wohl, was sie meinte und fing das Schwert auch wie ein wahrer Meister auf – guckte sie aber noch genauso dümmlich an wie zuvor, während er das Schwert von der linken in die rechte Hand legte.

„Wie in Lights Namen konntest du mein Schwert berühren?!“, rief er ihr zu, aber sie verstand ihn natürlich nicht; sie zeigte sich einfach nur verwirrt darüber, dass Seigi gerade jetzt, mitten in einem Kampf, auf die Idee kam, ein Gespräch zu führen – sah er denn nicht, dass diese eigenartigen Wesen sich von ihrem Schock erholt hatten und zum Angriff ansetzten?

„Du bist doch wirklich nur ein Mensch, oder, Mädchen?! EY! Ich rede hier mit jemandem! Hinten anstellen! Ich töte euch…“ Und wieder sauste sein Schwert durch den Torso eines der Dämonen:

„… noch schnell genug! Alles zu seiner Zeit!“ Ein weiterer wurde durch eine wirbelnde Attacke Seigis, fast schon beiläufig ausgeführt, unter den verblüfften Augen Elisabeths auseinandergerissen.

„Hey, Mädchen – ich meine Elly, kannst du die Dämonen zählen, die ich töte?!“ Um seine Worte für sie verständlich zu machen, machte er eine zählende Bewegung mit seinen Fingern, während er einem Dämon seitlich auswich – Elisabeth schien zu verstehen, denn sie nickte. Viel Erfahrung mit dem Zählen hatte sie nicht, aber als am Schluss nur noch die Anführerin der kleinen Horde übrig war, war es nicht sonderlich schwer auszurechnen, wie viele von Seigi und seinem Schwert schier vernichtet worden waren – ohne, dass der Hikari selbst noch einen weiteren Kratzer abbekommen hatte.

Dennoch war sein Atem beschleunigt, als er sich der Dämonin entgegenstellte, die trotz Seigis gelassenen geschultertem Schwert Gefahr witterte und nach hinten zurückwich. Aber Seigi hatte nicht vor, sie anzugreifen; nicht, weil sie eine Frau war, denn Geschlechter waren ihm egal; er erhoffte sich etwas.

„Zu schade, dass wir uns nicht verständigen können“, seufzte Seigi, das in Blut getränkte Schwert ein wenig hin und her wippend:

„Ich hoffe, du verstehst das Ganze hier dennoch deutlich genug: renn zu deinem Fürsten und schick mir entweder mehr Dämonen oder eine ordentliche Herausforderung. So wie ihr es heute versucht habt, werdet ihr mich garantiert nicht los. Und jetzt – hau ab!“ Seine Worte verstand sie nicht, aber ganz, wie Seigi es sich erhofft hatte, verstand die Dämonin, dass er sie gehen ließ; ob sie dann aber Bericht erstatten würde, war eine gänzlich andere Sache.

Die Chance, dem Tausendtöter ohne eine Schramme zu entfliehen, wusste sie allerdings zu nutzen und Elisabeth traute ihren Augen nicht – sie verschwand einfach. Aber ihre Augen waren sowieso schon die ganze Zeit geweitet angesichts dieser Unglaublichkeit, der sie gerade Zeuge geworden war, als hätte sie vergessen zu blinzeln.

Als Seigi vor sie trat, blinzelte sie zum ersten Mal und bemerkte dabei, wie trocken ihre Augen geworden waren. Sie rieb sie sich erst einmal, ehe sie ungläubig zu Seigi empor starrte.

„Elly“, sagte er leise, sich bewusst, dass sie sowieso nichts anderes verstand. Das Schwert hatte er, nachdem er dessen Klinge an seiner Kleidung abgewischt hatte, in dessen Scheide zurückgleiten lassen, womit er nun die freie Hand ausstrecken konnte, um diese Elisabeth zu reichen. Diese starrte die Hand ein wenig ungläubig an, ergriff sie dann aber wie in Trance – sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie auf die Knie gefallen war.

Aber eines bemerkte sie dafür umso deutlicher: Seigis Hand an ihrer Wange, der Wange, die die Dämonin mit ihren spitzen Fingernägeln aufgerissen hatte. Ihr feuchtes Gesicht errötete, als sie aufsah, aber das bemerkte sie selbst nicht, zu sehr war sie von dem, was Seigi tat, gefesselt – und von seiner schönen Sprache.

„Ich kann zwar nicht viel Magie einsetzen, aber um diese paar Kratzer zu heilen, wird das schon genügen.“ Wieder erschienen die leuchtenden Pünktchen; nur dieses Mal wirbelten sie um ihr Gesicht herum, aufmerksam von Elisabeths weit aufgerissenen Augen verfolgt, die nun bemerkte, wie die schmerzende Wange immer wärmer wurde.

Elisabeth hatte absolut keine Ahnung, was geschehen war; ihre Kleidung war bis auf die Knochen durchnässt, der Wind peitschte ihre zotteligen Haare hin und her und so viel Blut, so viel Tod hatte sie noch nie auf einem Ort versammelt gesehen – von nur einem Mann und einem Schwert verursacht. Seigi war gewiss kein Engel; das war ihr jetzt mehr als bewusst. Nicht, weil sie gesehen hatte, wie er all diese monströsen Wesen getötet hatte, sondern weil sie gesehen hatte, mit welchem Vergnügen er dies getan hatte.

Sie hatte für all das keine Erklärung; die Bibel gab ihr keine, ihr eigener Menschenverstand tat es nicht – aber, wenn sie dieses Gesicht vor ihr so lächeln sah, fast… irgendwie… stolz, dann fühlte sie eine gänzlich unbekannte Geborgenheit in sich.

 

Wenn Elisabeth zurücksah auf diesen Moment – und das tat sie oft – dann wusste sie, dass es dieser Moment war, in welchem sie sich in ihn verliebt hatte. 

              

„Und? Wie viele hast du gezählt?“

Eine Frage, die sie jetzt noch nicht verstand, aber in Zukunft oft zu hören bekommen würde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

    

 

 

 



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  Keiko-maus
2014-11-30T16:50:59+00:00 30.11.2014 17:50
Yay, endlich kann ich das Kapitel lesen *Q* Bin ich ja mal gespannt, hehe :D

Hahah, Seigi und Safiya xD Was ein Duo^^ Die beiden muss man einfach mögen^^ Mich wundert es nur ein wenig, dass Safiya die Führerin ist, obwohl sie jünger als Seigi ist ö.ö Irwie dachte ich, dass erst Seigi der FÜhrer sein müsse, aber hm xD ist dann wohl nicht so, dass der Erstgeborene zuerst kommt xD Ist vllt auch besser so^^" Seigi ist eben der bessere K#mpfer auf dem Feld xD

Ah, Elisabeth :D Die süße kleine Elisabeth^^ Ich liebe die beiden ja, höhö :D Elly <3 Ach, sind die beiden nicht süß >o< Also, mich interessiert es auch brennend, warum Elly das Schwert halten konnte ö.ö Vllt hat sie ja Wächterblut in sich, wer weiß xD

Auf jeden Fall war die letzte Szene so unglaublich toll *Q* Ich liebe es, hihi^^
Von:  Cleo-San
2014-11-29T20:13:20+00:00 29.11.2014 21:13
So, jetzt starte ich einfach mal eine HERBSTLICHE HERZCHNATTACKE =P

Obwohl ich ja eifrig beta lese, habe ich bisher noch nicht hier kommentiert, was eigentlich eine echte Schande ist XD Dabei freue ich mich auf jedes neue Kapitel :3 von allen, die ich bisher gebetat habe, mochte ich die mit Seigi am Liebsten XD Ich mag den Burschen einfach, er hat Stil - und ich glaube, ich werde ihn dir bei Gelegenheit nochmal zeichnen XD

Ganz besonderen Spaß hatte ich beim letzten Kapitel, dem Treffen von Seigi und Elly - die beiden sind einfach nur megasüß zusammen (auch wenn Herr Tausendtöter das bestimmt nicht hören möchte XD) und ich bin schon sehr gespannt, wie es mit ihnen weitergeht :3 Zumindest hoffe ich, dass du das auch noch erzählst! ♥ bis es soweit ist, werde ich mir jedoch erst mal das Glasherz zu Gemüte führen... also dann, bis zum nächsten Kapitel ♥! ;)
Von:  KiraNear
2014-11-23T12:09:58+00:00 23.11.2014 13:09
Kann mich den anderen zu anschließen: Ein tolles Kapitel^^
Und ich bin mal gespannt, wie sie die Sprachbarriere überwinden werden.
Von:  Crimson-Butterfly
2014-11-21T14:31:44+00:00 21.11.2014 15:31
Gestern Abend war der lang gefürchtete Moment da: Das aktuellste Kapitel vom Remake war erreicht! *panisch im Kreis renn* Aber es war ein wahnsinnig tolles Kapitel, ich liebe es immer, mehr über die Vergangenheit von Charakteren zu erfahren und dabei ein besseres Verständnis für ihr heutiges Wesen entwickeln zu können.
Mit Safiya lernen wir mal wieder eine neue Hikari kennen und zum ersten Mal bekommen wir auch einen kleinen Einblick in eine andere Regime-Zeit. Bei Safiya merkt man auch viel eher als bei ihrem Bruder, dass sie Lilis Tochter ist - Seigi ist ja doch eher 'ne Klasse für sich xD
Irgendwie gefallen mir ja die Geschwisterpaare, die du bisher in Himi eingeführt hast. Jedes hat seine ganz eigene Dynamik. Klar, dass Seigi ein Typ ist, der seine Schwester gerne zur Weißglut treibt, an sowas scheint er Spaß zu haben und sich dann auch genau die wunden Punkten der jeweiligen Personen zu suchen - hat man ja schon mehr als gut bei seiner Beziehung zu "Blacky" beobachten können. Natürlich hat das bei seiner Schwester ein ganz anderes Kaliber als bei Grey, den er wirklich zu hassen scheint. Safiya neckt er einfach gerne, aber man spürt trotzdem gleich, dass seine Schwester ihm am Herzen liegt - selbst wenn er grade den Tempel mit Dämonenblut besudelt xD
Safiyas Sorge um ihren Bruder kann man sehr gut nachvollziehen - so wie ich jetzt allgemein Seigis Charakter ein wenig besser zu verstehen gelernt habe. Klar, mit seinem Gemüt möchte er natürlich allen beweisen, dass er trotz mangelhafter Lichtmagie nicht hinter der anderen Wächtern zurückfällt. Wenn ich mir die Reaktion der Hikari auf Green so anschaue, möchte ich auch gar nicht wissen, wie man mit Seigi umgegangen ist. Er ist zwar nicht unrein, aber unzureichende Lichtmagie (und dazu auch noch minzgrüne Augen statt weiße) kommen bei den Hikari sicher nicht gut an. Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass das Verhalten, was man ihm gegenüber an den Tag gelegt hat, sein heutiges Verhalten Grey als Halbhikari gegenüber beeinflusst haben könnte. Außerdem wünsche ich mir, dass vielleicht ganz tief in ihm drin doch ein kleines Fitzelchen Sympathie Green gegenüber steckt und nicht alles komplett gespielt war - aber das ist nur mein Wunschdenken. Es ist nach wie vor fraglich, ob man Seigi so viel Hirn zutrauen sollte - immerhin ist er der Sibi des Wächtertums xD
Ich finde es irgendwie traurig, dass man mit Safiyas ungeborenem Kind nun schon das zweite Kind neben Grey kennenlernt, dessen Vater bereits vor der Geburt verstorben ist. Das weckte in mir sofort die Vorstellung, dass dieser Umstand vielleicht gar nicht mal so selten im Wächtertum ist, besonders natürlich zu Kriegszeiten. Irgendwie gruselig, diese Vorstellung... Das ist eine ganz schön kaputte Welt, in der die Wächter da leben.
Ooo~kay, Seigi war schon damals in sein Schwert verliebt? oO Ich hoffe, das hat er nicht wörtlich gemeint, sondern eher so, dass ihm das Töten von Dämonen momentan wichtiger als die Liebe ist - obwohl das auch nicht wirklich gesünder klingt xD"
Ich mag die Formulierung "es sieht aus, als hättest du Dämonen eingeladen", hehe <3 Obwohl Gary mir da sicher widersprechen würde, ihn schätze ich irgendwie nicht als unordentlichen Typen ein xD
Immerhin gibt mir Safiya die beruhigende Bestätigung, dass Seigis Ansicht, man solle Tempelwächter wie Sklaven behandeln, nicht unbedingt populär zu sein scheint. Ich hoffe es einfach mal um der Tempelwächter Willen.
Oh, Seigi... Wie kann man nur so versessen auf einen Rekord sein, dass man noch die getöteten Dämonen zählt, obwohl man kaum noch grade stehen kann? Kein Wunder, dass Safiya so besorgt um ihn ist. Er ist ja so versessen auf Anerkennung, obwohl sein "Blutrausch" ja sogar eher das Gegenteil zu bewirken scheint, dass er sogar sein eigenes Leben in Gefahr bringt. Sowas sollte man seiner schwangeren Schwester echt nicht antun, Seigi Ò___ó
Elisabeth ist so eine Süße, ich hatte bei der Beschreibung am Anfang einfach nur das Bedürfnis, sie in den Arm zu nehmen und ihr zu sagen, dass schon alles wieder gut werden wird .////. Und Seigi ist so unhöflich zu ihr - hätte sie dein blödes Schwert doch wirklich eingetauscht! ;P Immerhin ist Elisabeth ein Mensch und kein Dämon, da musst du nicht gleich so doof zu ihr sein, sie hat dir nicht getan, sondern dich sogar mit zurück in ihre Hütte geschleppt und deine Wunden versorgt >////<
Irgendwie lustig, die Verständigungsprobleme der beiden, auf jeden Fall genial geschrieben von dir xD Ach Seigi, stell dich nicht so an, Seiji ist nun wirklich nicht so schlimm. Hihi, und Elly <3 Schon witzig, dass der große Tausendtöter nicht dazu in der Lage ist, einen einfachen englischen Namen auszusprechen. Man sollte meinen, wenn man die langen Hikari Namen aussprechen kann, dann schafft man "Elisabeth" auch grade noch so xD Ich frage mich, ob Seigi den englischen Satz im letzten Kapitel wegen Elisabeth benutzt hat. Mir gefällt der Gedanke, dass er zwar irgendwann ein bisschen Englisch von ihr aufgeschnappt hat, aber eben nicht so gut. Zumindest spricht das Ende des Kapitels ja dafür, dass er noch eine Weile bei Elly geblieben ist.
Mir hat gut gefallen, wie du Elisabeths Gedanken über Seigi beschrieben hast. Ihre Gedanken klingen logisch für ein Mädchen, das mit dem Glauben der damaligen Zeit aufgewachsen ist. Und Engel ist ja für jemanden, der im Himmel wohnt, nicht mal sooo~ verkehrt ;) Nachvollziehbar auch, dass sie seine Sprache faszinierend findet, wenn sie noch nie etwas anderes als Englisch gehört hat.
Dann natürlich das Auftauchen der Dämonen - mal wieder ein toll beschriebener Kampf. Vorallem hat mir gefallen, dass man hier die Dämonen durchs Seigis Gedankengänge mal ein bisschen besser verstehen konnte. Genau gezeigt zu bekommen, dass auch Volldämonen eben nicht nur hirnlose Monster sind, sondern es auch verstehen, die Verletzung eines gefürchteten Gegeners auszunutzen und ihn anzugreifen, wenn sie ihn für weniger gefährlich halten.
Elly hat sich echt gut geschlagen in der Situation und natürlich brenne ich darauf zu erfahren, warum sie Seigis Schwert berühren konnte. Und natürlich, wie es allgemein bei den beiden weiter geht <3

Von:  fahnm
2014-10-23T21:00:05+00:00 23.10.2014 23:00
Schönes Kapi^^
Von:  Vreni
2014-10-23T16:09:55+00:00 23.10.2014 18:09
Wirklich ein sehr schönes Kapitel, auch wenn ich bisher kein großer Seigi-Fan war.
Ich freue mich dennoch bereits jetzt auf das nächste Kapitel dieser Art ^^


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