Schuld - Bis du mir verzeihst... von Phase (RobertxJohnny) ================================================================================ Kapitel 12: Zusatz: Das Näherkommen ----------------------------------- Zusatzkapitel: Das Näherkommen Seit einer geschlagenen Stunde wartete er jetzt schon auf diese verfluchte Antwort-SMS. Was bildete dieser Typ sich überhaupt ein? Vermutlich hatte er über seiner heißgeliebten Arbeit vollkommen die Zeit vergessen. Das wäre ja nichts Neues. Es war bereits sechs Uhr Abends und nachdem er seit Stunden vergeblich auf einen Anruf wartete, hatte er sich kurzerhand dazu entschlossen gehabt, Robert eine SMS zu schreiben: „Wir haben im Übrigen den 24.Dezember, es wäre schön, wenn du dich endlich mal melden würdest.“ Nicht unbedingt freundlich, aber er war wirklich, wirklich wütend. Robert hatte gesagt, dass er nicht genau wisse, wann er mit der Arbeit fertig würde – das war ja auch durchaus in Ordnung! -, hatte ihm jedoch versprochen, dass er vor Weihnachten bei ihm sein würde. Aber er ließ nicht von sich hören und Johnny hatte in den letzten Wochen oft genug miterlebt, dass er über seiner Arbeit so manche Sache vergaß. Und dieses Mal war es ihm wirklich wichtig. Gut, seit sie eine Beziehung hatten, hatte Robert ihn noch nie wirklich sitzen lassen, auch wenn er es so manches Mal gedacht hatte, aber er hatte die Sorge, dass es irgendwann einmal tatsächlich so weit kommen würde. Zumal er sich wirklich irgendwie darauf gefreut hatte, Heiligabend gemeinsam mit Robert zu verbringen, auch wenn Robert lediglich von Weihnachten gesprochen hatte. Aber das konnte er sich vermutlich abschminken, denn Robert war in seinem Freundeskreis noch nie für seine Pünktlichkeit bekannt gewesen. Mit einem frustrierten Schnauben schob Johnny sich ein Plätzchen in den Mund, spülte mit etwas warmen Tee nach und zog dann die Decke, in die er sich gewickelt hatte, etwas fester um sich. Er saß auf einem der Sessel in seinem dunklen Wohnzimmer, lediglich ein paar Kerzen brannten und spendeten Licht. Johnny griff nach der Fernbedienung, schaltete den Fernseher ein. Bis Robert sich dazu herabließ, sich endlich einmal zu melden, konnte er durchaus auch ein wenig fernsehen und sich von der weihnachtlichen Stimmung, die überall herrschte, berieseln und vielleicht sogar anstecken lassen. Denn wirklich weihnachtlich war ihm nicht zumute. Schnell war er von seiner Müdigkeit und der stimmungsvollen Musik eingelullt, versank langsam in einen leichten Schlaf, sodass er das leise Vibrieren seines Handys gar nicht mehr mitbekam. Erst als ihn eine warme Hand an seiner Wange berührte, fuhr er erschrocken zusammen, öffnete seine Augen. Robert hockerte neben dem Sessel, lächelte ihn freundlich an, als er sich müde mit den Händen über sein Gesicht rieb. „Du bist spät.“ „Ich weiß“, flüsterte Robert leise und gab ihm einen Kuss auf die Stirn, „Tut mir Leid.“ Während Johnny sich aufrichtete und leise gähnte, schaltete Robert das Fernsehgerät aus, wandte sich dann mit skeptischem Blick den Kerzen zu, um sie auszublasen. Johnny kannte Robert gut genug, um zu wissen, dass er vermutlich mit sich selbst kämpfte, ob er Johnny nun eine Standpauke hielt, dass es gefährlich war, Kerzen brennen zu lassen, wenn niemand aufpasste, oder nicht. Vielleicht hatte er ein schlechtes Gewissen, weil er erst so spät gekommen war, oder er wollte nicht gleich nach wenigen Minuten für einen Streit sorgen, anders konnte sich Johnny nicht erklären, dass er lediglich leicht den Kopf schüttelte, ehe er sich wieder an ihn wandte und ihn sanft anlächelte. Sein Herz schlug schneller, als Johnny bewusst wurde, wie lange er auf Roberts Nähe hatte verzichten müssen. Vier Monate. Die Zeit war ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen und es tat gut, ihn endlich wieder bei sich zu haben. Robert kam ein paar Schritte auf ihn zu und Johnny streckte ihm die Arme entgegen, um ihn in eine Umarmung zu schließen und ihm einen flüchtigen Kuss auf den Mund zu geben. Er musste sich eingestehen, dass er viel zu müde war, um sich auf irgendwelche anderweitigen Zärtlichkeiten einzulassen. Der Deutsche nutzte die Gelegenheit, schob ihm vorsichtig seine Hände unter den Hintern, hob ihn hoch. „Was hältst du von der Idee, ins Bett zu gehen, und morgen weiterzureden? Ich muss gestehen, dass die Reise ziemlich anstrengend war.“ „Mmmm“, mehr bekam Robert nicht als Antwort und wenngleich er sich nicht sicher war, ob es sich bei dem Brummen um eine Zustimmung oder um Verneinung handelte, so wurde ihm zumindest, sobald er im Schlafzimmer und am Bett angekommen war, bewusst, dass Johnny bereits wieder eingeschlafen war. Mit einem gequälten Seufzen und einem müden Lächeln auf den Lippen machte er sich daran, den Schlafenden aus seiner Kleidung zu befreien, ihn bettfertig zu machen und ihn dann zuzudecken, ehe er sich selbst umzog und sich schlafen legte. Das beständige Tippen der Tastatur war das erste, das er wahrnahm, als er langsam wieder zu sich kam. Er verzog sein Gesicht, murrte verschlafen etwas vor sich hin, zog die Decke fester um sich. Robert war seine Arbeit sehr wichtig und Johnny war bereits bei seinem letzten Besuch ziemlich schnell dahinter gekommen, dass er die Zeit, in der Johnny noch schlief und er bereits wieder wach war, grundsätzlich damit verbrachte, e-Mails für die Arbeit zu beantworten oder auch Aufträge und Meetings zu strukturieren. Da er die Arbeit grundsätzlich beiseite legte, sobald Johnny aufwachte, war es für den Schotten bisher noch nie ein sonderliches Problem gewesen. Der Deutsche war nun mal Chef eines riesigen Unternehmens und Johnny war überhaupt dankbar, dass er sich die Zeit und das Geld genommen hatte, über Weihnachten und Silvester zu Besuch zu kommen. Aber so war das nun mal bei einer Beziehung. Beziehung. Das Ganze hörte sich immer noch irgendwie falsch an, doch es war so wunderbar real. Auch wenn sie nach wie vor genügend Schwierigkeiten hatten – ganz abgesehen von der Distanz ihrer Fernbeziehung. Mit mürrischem Blick lugte Johnny aus seiner Decke hervor und konnte deutlich das Grinsen auf Roberts Gesicht erkennen, der in diesem Augenblick seine Hand nach ihm ausstreckte und ihm durch die Haare wuschelte. „Guten Morgen. Ich dachte schon, du hast heute gar nicht mehr vor, aufzustehen.“ Ein kurzer Blick auf die Uhr an der Wand verriet dem Schotten, dass es gerade einmal halb zehn war. Er verzog sein Gesicht und bedachte Robert mit einem skeptischen Blick. „Nicht jeder Mensch hat das Bedürfnis, an einem freien Tag um fünf Uhr aufzustehen.“ „Ich bin erst um sieben aufgestanden“, stellte Robert klar und legte seinen Laptop auf den Boden neben das Bett, während Johnny lediglich genervt „wie auch immer“ murmelte und sich die Bettdecke erneut über den Kopf zog. Mit einem gequälten Seufzen verdrehte Robert die Augen und fuhr sich durch die Haare. „Willst du etwa den ganzen Tag im Bett bleiben?“ „Kommt drauf an“, nahm er Johnnys Stimme dumpf unter der Decke wahr, „Sofern du mir dabei Gesellschaft leistest... warum nicht?“ Robert konnte nicht anders und er brachte ein schwaches Lächeln zustande. Er hob das Ende der Decke an und Johnny blickte ihn mit einem frechen Grinsen an. „Darf ich daraus schließen, dass du deine Zeit gerne mit mir verbringst und du mich vermisst hast?“ „Ein bisschen. Vielleicht.“ „Oh, ich sehe schon. Mister McGregor ist einfach zu gütig, dass Er mir die Erlaubnis erteilt, etwas Zeit in Seiner Nähe zu verbringen. Wie konnte ich nur annehmen, dass Er diese gemeinsame Zeit ebenfalls genießen könnte?“ Johnny schlang seine Beine um Roberts Körper, zog ihn mit seinen Händen näher zu sich und küsste ihn auf den Mund, ehe er leise flüsterte: „Sorg’ doch dafür.“ Die angenehme Wärme von Johnnys Nähe und sein lustvoller Blick ließen Robert sanft erschaudern und obwohl er sich eigentlich vorgenommen hatte, sich diesmal zurückzuhalten und ihre Beziehung nicht wieder alleine auf den Sex zu reduzieren, konnte er doch nicht anders, als das Bedürfnis zu verspüren, der Einladung nachzukommen. Bei Gott, wie lange war es jetzt her? Vier Monate vielleicht? In jedem Fall viel zu lange. Er wurde von dem jungen Mann unter ihm vollkommen in den Bann gezogen, und als Johnny seine Hände langsam und behutsam seinen Körper herabgleiten ließ, wartete er bereits sehnsuchtsvoll darauf, dass sie zärtlich in seine Shorts gleiten würden. Sein Atem wurde schwerer und Robert versuchte, bei Verstand zu bleiben, während Johnny ihm das, was er wollte, mit quälender Absicht vorzuenthalten schien. Robert wusste, dass wenn er etwas von Johnny haben wollte, er es sich diesmal wohl selbst holen musste. Mit einem leisen Raunen nagelte er den Schotten unter sich am Bett fest und presste ihm fordernd seine Lippen auf den Mund. Wie jedes Mal, wenn sie Sex gehabt hatten, hatte Johnny dieses unbeschreibliche Gefühl, dass das der beste Sex gewesen war, den sie je gehabt hatten. Er seufzte leise und ließ sich auf sein Bett zurücksinken. Nur manchmal wünschte er sich wirklich, dass sich Robert nach dem Akt noch ein wenig mehr Zeit nehmen würde, um die Zweisamkeit des Augenblicks noch ein wenig zu genießen. Zum Kuscheln oder Reden. Stattdessen stand Robert schon wieder unter der Dusche, um sich für den anstehenden Tag fertig zu machen und Johnny kämpfte mit sich, ob er überhaupt aufstehen wollte. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten sie ruhig den ganzen Tag im Bett verbringen und kuscheln oder miteinander schlafen können. Nach den vielen Monaten, die sie jetzt getrennt gewesen waren, war es durchaus überaus angenehm gewesen, Robert einfach wieder zu spüren. Aber vermutlich hatte Robert mit dem Tag ganz andere Pläne. Mit einem gequälten Murren zwang Johnny sich dazu, aus dem Bett aufzustehen, sich seine Shorts anzuziehen und durch das Wohnzimmer in Richtung Küche zu trotten, um das gemeinsame Frühstück vorzubereiten. Als er am Wohnzimmertisch vorbeikam, fiel sein Blick auf sein Handy. Er hatte eine neue SMS. Robert musste ich wohl am gestrigen Tag noch auf seine Beschwerde geantwortet haben. In diesem Moment bereute er, dass er so grob gewesen war und er rang mit sich selbst, ob er die Nachricht überhaupt lesen wollte. Vielleicht würde es ihm ja den herrlichen, gemeinsamen Morgen ruinieren. Auf der anderen Seite kannte er sich und seine Neugier gut genug, um zu wissen, dass er wohl nicht eher zur Ruhe kommen würde, ehe er wüsste, was Robert ihm geschrieben hatte. Zögerlich bestätigte er den Befehl „Mitteilung anzeigen“. In dem Moment, als er die Nachricht sah, machte sein Herz einen Satz. Gut, er hatte mit vielem gerechnet. Aber mit Sicherheit nicht mit einem „Ich liebe dich, Johnny. Robert“. Mit hochroten Kopf, aber erhobenem Handy, um die Zeilen noch einmal zu überfliegen, eilte Johnny in die Küche. Bisher hatten sie sich in ihrer Beziehung mit so direkten Liebesbekundungen immer sehr stark zurückgehalten, umso schneller schlug nun sein Herz. Es war erstaunlich, wie gut Robert die Situation zu seinen Gunsten gewendet hatte. Eiskalte Berechnung vielleicht? Er legte das kleine Gerät beiseite und suchte Geschirr, Besteck und Lebensmittel zusammen, die er auf dem Küchentisch anrichtete. Währenddessen dachte er angestrengt darüber nach, wie er Robert dazu bringen konnte, ihm die drei magischen Worte ins Gesicht zu sagen. Wie er sich selbst dazu durchringen konnte, sie Robert zu sagen. Erst durch die SMS war ihm bewusst geworden, wie sie sich bisher darum gedrückt hatten, klar herauszusagen, worum es ihnen überhaupt ging. Eine SMS schien als Bote für solch eine Nachricht vielleicht ein wenig unangemessen, aber das war Johnny in diesem Moment reichlich egal. Er hatte Roberts Liebesbekundung schwarz auf weiß. Das bedeutete nicht nur, dass Robert in der Tat etwas für ihn empfand, sondern auch, dass er ihm soweit vertraute, dass er ihm sogar einen stichfesten Beweis dafür überließ. Johnny zuckte erschrocken zusammen, als ihn zwei angenehm warme Hände von hinten packten und ihn in eine Umarmung zogen. „Das Badezimmer ist jetzt frei“, meinte Robert leise und gab dem Schotten einen sanften Kuss auf den Hinterkopf. Gerade in dem Moment als Johnny sich zurücklehnen und Roberts Nähe einfach nur genießen wollte, klingelte Roberts Handy. Der Deutsche zögerte einen Augenblick, seufzte kurz und meinte dann: „Ich muss ran gehen...“ Johnny rollte nur genervt mit den Augen: „Ich bin dann unter der Dusche.“ Als Johnny fünfzehn Minuten später frisch geduscht und umgezogen aus dem Badezimmer trat, konnte er Robert immer noch telefonieren hören. Skeptisch verzog er sein Gesicht und ging ein paar Schritte auf die angelehnte Wohnzimmertür zu. Wer auch immer Robert anrief – Johnny vermutete fast, dass es irgendetwas mit der Arbeit zu tun hatte, obwohl verdammt noch mal Feiertag war! – würde sich damit abfinden müssen, dass er Robert jetzt in Beschlag nehmen würde. Er hatte Hunger und wollte endlich frühstücken. Und anschließend sehen, wie Robert auf sein Weihnachtsgeschenk reagierte. Zielgerichtet streckte Johnny seine Hand aus, hielt dann jedoch in seiner Bewegung inne. „Ich habe nie behauptet, dass das der Grund war, dass die Beziehung von Sophie und mir damals in die Brüche ging“, hörte er Roberts Stimme im genervten Tonfall, „Ich bin nicht schwul.“ Johnny spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. Innerlich kochte er vor Wut und kämpfte mit sich selbst, nicht einfach in den Raum zu stürmen und Robert zur Rede zu stellen. Worum, verdammt noch mal, ging es hier eigentlich?! Er zögerte, presste seine Lippen aufeinander. Vertrauen. Er hatte es doch schwarz auf weiß: „Ich liebe dich“. Warum fiel es ihm nur so schwer, Robert dennoch zu vertrauen? Vielleicht war es einfach nur ein Missverständnis, wie das letzte Mal, als Johnny Robert eine verpasst hatte, weil er fälschlicherweise angenommen hatte, dass Robert mit ihm seine Frau betrog... „Nur weil ich mit einem Mann zusammen bin, heißt das noch lange nicht, dass ich generell auf Kerle stehe, das ist der Unterschied.“ Für den Augenblick war Johnny überaus erleichtert, dass er es in der Tat geschafft hatte, sein Temperament zu zügeln und er nicht aus Zorn irgendetwas Dummes getan hatte. Zumindest gab Robert gegenüber einer dritten Person zu, dass sie in einer Beziehung waren. Das war doch schon mal ein gutes Zeichen, oder etwa nicht? Dass es sich zu großer Wahrscheinlichkeit nicht um ein Arbeitsgespräch handelte, war ihm auch inzwischen klar, und auch das beruhigte ihn. Langsam schüttelte Johnny seinen Kopf und holte leise, tief Luft. Es gehörte sich absolut nicht, was er hier tat. Es war nicht nur unhöflich, wenn er Roberts Privatgespräche belauschte, sondern bewies zudem, dass er Robert absolut nicht vertraute. Und Robert hatte ihm, seit sie sich wiedergetroffen hatten und sie zusammengekommen waren, niemals auch nur einen Anlass gegeben ihm zu misstrauen. Auf der anderen Seite fiel es ihm schwer, dem Glück zu trauen. Er hatte sich wirklich vorgenommen, diesmal in das Zimmer zu gehen, doch als Robert diesmal mit sanfter Stimme sprach, erstarrte er erneut. „Weil er perfekt ist und ich ihn liebe.“ Mit hochrotem Kopf schlug sich Johnny die Hand vor den Mund, um nicht versehentlich auf sich aufmerksam zu machen. Er holte tief und regelmäßig Luft, um sein Herzschlagen zu beruhigen, während er spürte, wie seine Knie weich wurden. Bei Gott. Wie konnte Robert nur so etwas sagen? Und dann auch noch über ihn? Es war gut, dass er nicht ins Zimmer gegangen war, andernfalls wäre er wohl schlicht und ergreifend über Robert hergefallen und hätte ihn sofort auf dem Zimmerboden verführt. Langsam ließ Johnny seine Hand sinken und schloss seine Augen, um sich zu beruhigen – jedoch nur mit mäßigem Erfolg. Denn in seinen Gedanken konnte er nicht anders, als sich vorzustellen, wie Robert diese wunderbaren Worte zu ihm sagte. Wort für Wort. Und wie er ihm dabei tief in die Augen sah. Er schauderte und schüttelte den Kopf, ehe er seine Augen wieder öffnete und sich dazu entschied, dass es mit Sicherheit irgendetwas Wichtiges gab, das er in der Küche zu erledigen hatte. Doch auch in der Küche kam er nicht umhin, neugierig seine Ohren zu spitzen, während er seinem Sudoku nur sehr, sehr leise und eher schlecht als recht nachging. „Das ist mir durchaus bewusst, ja.“ Was würde er nur dafür geben, wenn er wüsste, mit wem Robert nun genau sprach und was genau die andere Person ihm antwortete. Mit düsterer Miene starrte er eines der Sudoku-Kästchen an, als ihm bewusst wurde, dass er sich verschrieben hatte. „Sonja, ich weiß nicht, wo genau dein Problem liegt. Du meintest selbst, ich solle nicht immer vor möglichen Beziehungen davonrennen und-...“ Verärgert strich Johnny das Rätsel vor ihm mehrfach grob durch, während er leise seufzte. Zumindest eine Frage war geklärt: Robert telefonierte mit seiner Schwester, die in Glasgow wohnte. Roberts einzige Familie, die noch lebte, da seine Eltern vor etlichen Jahren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen waren. Das hieß, dass es schon irgendwie offiziell war, dass sie ein Paar waren, oder? Johnny runzelte die Stirn. Oder zumindest, dass Robert mit jemandem, einem Mann, zusammen war, denn Johnnys Name war bisher kein einiges Mal gefallen. „...darum geht es dir? Weil ich ‚perfekt‘ gesagt habe? Damit meinte ich nicht, dass er keine Macken hat, sondern dass ich mich bei ihm einfach gut fühle. Für mich ist er perfekt. Ich habe keine rosarote Brille auf und finde alles gut und toll, was er macht. Wenn du das meinst.“ Johnny lehnte sich vor und legte seinen Kopf in seine Arme auf den Tisch. Vielleicht war es nicht gut und nicht nett, wenn er Roberts private Gespräche mithörte, aber irgendwie erleichterte es ihn, all das zu hören. Es machte ihn froh und stolz, dass Robert solche schönen und netten Dinge über ihn sagte, obwohl er nicht wusste, dass er lauschte. Er bedeutete Robert also tatsächlich etwas... Oder zumindest war das sehr wahrscheinlich. Robert schnaubte gereizt. „Weißt du, ich wollte Weihnachten sicherlich nicht damit verbringen, mit dir am Telefon über meine erste Beziehung seit Jahren zu diskutieren. Ich wollte nur Missverständnisse vermeiden und dir klar machen, dass ich keine feste Freundin, sondern einen festen Freund in Glasgow habe und deshalb diesmal nicht bei euch übernachte.“ Einige Zeit herrschte Schweigen. Johnny seufzte und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. Ob das Telefonat noch lange dauern würde? Das Frühstück stand verlockend vor ihm, kombiniert mit der Tatsache, dass er im Augenblick nicht wirklich etwas zu tun hatte. Es wäre wohl reichlich unhöflich, wenn er ohne Robert mit dem Essen anfangen würde. „Ja, Danke.“ Klang das nach einem Gesprächsende? Hoffnungsvoll hob Johnny den Kopf und überlegte, ob er Robert nicht vielleicht doch einfach vom Handy wegholen sollte. „Natürlich hatte ich vor, morgen mal vorbei zu kommen. Ich habe ja schließlich-...“ Johnny griff gelangweilt nach dem Teelöffelchen und drehte es mehrmals hin und her, ehe er es mit einem lauten Klappern in seine leere Tasse fallen ließ. Nachdenklich runzelte er die Stirn, als ihm klar wurde, dass er noch keinen Kaffee zubereitet hatte. Gemächlich trottete er zur Kaffeemaschine und schaltete diese ein, nicht zuletzt in der Hoffnung, dass Robert bemerkte, dass er fertig mit Duschen war und darauf wartete, zu frühstücken. „Um ehrlich zu sein...“, Robert zögerte am Telefon einen Augenblick, seufzte dann leise, „Da muss ich erst fragen. Ich weiß nicht, ob er Lust dazu hat.“ Er betraf wohl Johnny, sodass er erneut neugierig aufhörte, ein genauerer Zusammenhang blieb ihm jedoch verwehrt. „Oh nein, fang nicht schon wieder damit an! Lass es einfach.“ Johnny schob seine Tasse unter den kleinen Ausschank der Maschine und betätigte den Knopf, während Robert allem Anschein nach endlich zu einem Ende fand: „Ja, also bis morgen. Genieß den Tag. Auf Wiedersehen.“ Gerade als sich Roberts Tasse mit Kaffee füllte, trat ebenjener in die Küche. „Du bist schon fertig mit Duschen?“ „Scheint wohl so“, kommentierte Johnny und zuckte lediglich mit den Schultern, „Mit wem hast du denn so lange telefoniert?“ „Mit meiner Schwester, Sonja“, Robert huschte ein Grinsen über das Gesicht, als er anfügte: „Du weißt schon, die mit den zwei Söhnen.“ Johnnys Blick verdüsterte sich schlagartig und ein leichter Rotschimmer legte sich auf seine Wangen. Musste Robert ihn nun ausgerechnet wieder daran erinnern?! Die ganze Angelegenheit war ihm immer noch höchst unangenehm. „Ich kenne deine Schwester auch so“, murmelte er genervt. „Sollte bloß ein Scherz sein“, flüsterte Robert dann leise und umarmte ihn vorsichtig von hinten, der Schotte schnaubte jedoch nur abfällig, während er innerlich mit einem Gefühl des Aufgewühltseins kämpfe. „Worum ging es?“, Johnny lehnte sich gegen ihn. „Um dich“, meinte Robert knapp und gab ihm einen Kuss auf die Stirn, „Und darum, ob du Lust hast, morgen mit zu meinen Neffen zu kommen.“ Er zögerte einen Moment, ehe er anfügte: „Sonja würde dich gerne kennenlernen.“ Johnny hob skeptisch seine Augenbrauen, griff dann nach der Kaffeetasse, um sie zum Tisch zu tragen, während Robert von ihm abließ. Das Schweigen seines Gegenübers machte Robert jedoch ein wenig nervös. „Und? Was sagst du?“ Der Angesprochene blickte erstaunt auf. „War grad in Gedanken, sorry.“ „Bist du sauer, weil ich ihr erzählt habe, dass ich in einer Beziehung bin?“ „Was? Nein. Mach dir deshalb keinen Kopf. Das mit Sonja ist schon okay, ich weiß nur nicht, ob sie so angetan ist, wenn sie herausfindet, mit wem du da zusammen bist.“ Er verzog das Gesicht und Robert blickte ihn ein wenig irritiert an. „Sie konnte mich noch nie so wirklich leiden, das weißt du. Und nach der Sache mit ihrer besten Freundin vor einem Jahr, wünscht sie mir vermutlich sogar die Pest an den Hals“, erklärte Johnny ein wenig verlegen und Robert beschloss, dass er nicht weiter nachfragen würde. Was Johnnys unzählige frühere Beziehungen betraf, so war er sich allgemein nicht ganz sicher, ob sie nun einmal darüber reden oder es einfach auf sich beruhen lassen sollten. Vielleicht wäre es besser für sie beide, wenn er sich einen Beziehungsratgeber kaufen und lesen würde. „Ich komme mit“, meinte der Schotte nach einer Weile des Schweigens feststellend und setzte sich auf seinen Platz, zögerte dann jedoch einen Moment. „Allerdings“, er holte tief Luft, „haben meine Eltern uns beide für morgen Abend zum Essen eingeladen.“ Auf Roberts Blick hin fügte er hinzu: „Ja, sie wissen, dass wir beide zusammen sind. Ich hielt es nicht für sinnvoll, sie deshalb anzulügen.“ „Und deine Mutter hat dich wahrscheinlich so lange bearbeitet, bis du ihnen einen Namen genannt hast“, kommentierte Robert mit einem Lächeln auf den Lippen und setzte sich nun ebenfalls. „Ja, das auch“, murmelte Johnny, konnte ein Grinsen jedoch nicht vermeiden. „Wir könnten vormittags zu Sonjas Familie gehen und nachmittags dann direkt zu deinen Eltern weiterfahren.“ Johnny nickte und seufzte. „Wird dann wohl ein Besuchstag werden.“ „Dafür haben wir ja heute und den Rest der Woche für uns.“ Das Frühstück verlief relativ ruhig und sie unterhielten sich über relativ allgemeine Dinge – wie sie es auch meist taten, wenn sie miteinander telefonierten. Nach dem gemeinsamen Frühstück räumte Johnny den Tisch ab, während Robert sich an den Abwasch machte. Daran, dass Weihnachten war, erinnerte relativ wenig, außer vielleicht die Tatsache, dass Robert in Glasgow und nicht in Deutschland war. Aber das war in Ordnung. Johnny wollte gar keinen absolut besonderen, weihnachtlichen Tag. Er wollte Robert bei sich haben und gemeinsam mit ihm ein wenig Zeit verbringen, nicht zuletzt, um sich besser kennen zu lernen. Denn auch wenn sie sich von früher kannten, auch wenn sie nun schon einige Zeit zusammen waren, hieß das noch lange nicht, dass sie sich gut genug kannten, um die Vorlieben des anderen zu kennen. Um überhaupt zu sehen, ob ihre Beziehung von Dauer sein konnte. Ob Robert immer noch das gleiche Lieblingsessen hatte? Johnny bezweifelte es. Dennoch hoffte er innständig, dass sich einige Dinge nicht geändert hatten und er mit seinem Geschenk, das er für Robert gekauft hatte, nicht absolut daneben lag. Es wäre sehr Schade um das Geld, das er dafür hatte ausgeben müssen. Umso gespannter wartete er darauf, Robert das Geschenk überreichen zu können. Ob es ihm gefallen würde? Mit einem Lächeln auf den Lippen dachte er an die bevorstehende Woche und fragte sich, was sie wohl alles gemeinsam unternehmen würden. Er musste augenblicklich an den nächsten Tag denken und auch wenn er es nicht laut vor Robert zugeben würde, graute es ihm nicht nur davor, Sonja gegenüber zu treten (er befürchtete, dass sie Robert so lange von seinen schlechten Eigenschaften erzählte, bis dieser sich tatsächlich von ihm trennte), sondern auch vor dem anstehenden Abendessen mit seinen Eltern. Seine Eltern wussten zwar, dass er jetzt in einer festen Beziehung mit seinem ehemaligen besten Freund war, aber er hatte mit seinem jüngeren Bruder noch nicht darüber gesprochen. Er hatte William seit der Versöhnung mit seinen Eltern erst zwei Mal gesehen, wobei das zweite Mal nur ein kurzes Treffen gewesen war. William hatte schon immer sehr zu ihm aufgesehen – Johnny ging davon aus, dass ihm sein damaliges Verhalten schwer zugesetzt hatte und er deshalb ein wenig zurückhaltend ihm gegenüber war – und Johnny wusste absolut nicht, wie er reagieren würde, wenn er herausfand, dass sein älterer Bruder nicht nur auf Frauen, sondern auch auf Kerle stand. Und dann auch noch in einer festen Beziehung mit Robert war. Der Person, die an seinem plötzlichen Wandel nicht ganz unschuldig war. „Alles in Ordnung?“, fragte Robert besorgt, als er den düsteren Ausdruck auf Johnnys Gesicht bemerkte. Der Schotte nickte nur, doch sein Gegenüber besah ihn skeptisch, bis er letzten Endes doch nachgab. „Ich hab mir nur Gedanken wegen morgen gemacht. Sonst nichts.“ Robert besah ihn nachdenklich. „Du musst nicht mitkommen, Johnny. Ich bin dir nicht böse, wenn du dich dabei nicht wohlfühlst.“ „Wir sind zusammen“, meinte Johnny nachdrücklich, „Früher oder später wird es zu dieser Konfrontation kommen. Ich kann davor nicht weglaufen.“ Robert fasste sanft nach seiner Hand. „Außerdem ist es ja nicht so, als würdest du alleine gegen den Rest der Welt stehen. Ich bin ja auch noch da und passe auf dich auf.“ Johnnys Stirn legte sich in Falten und seine Augenbrauen zogen sich angespannt zusammen, während er seine Hand aus Roberts Griff befreite. Robert wurde schlagartig klar, dass er wohl bei seinem Aufmunterungsversuch etwas Falsches gesagt haben musste. „Du meinst also, ich kann nicht alleine auf mich aufpassen und bin auf Hilfe angewiesen, um mein Privatleben zu bestreiten?!“ „Das habe ich nicht gesagt, Johnny, ich-...“ „Was denn dann?!“ Es herrschte kurze Zeit Schweigen, denn Robert wusste, dass er die folgenden Worte sehr sorgfältig wählen musste, um ihren gemeinsamen Morgen nicht endgültig in eine Katastrophe ausarten zu lassen. Warum nur reagierte Johnny plötzlich so verdammt empfindlich? „Ich meinte damit nicht, dass du nicht fähig bist, deine Probleme selbst zu lösen, sondern dass ich da bin, wenn du mich brauchst und-...“ „Du meinst, wenn ich mein Leben mal wieder nicht auf die Reihe kriege.“ „Nein. Wenn du jemanden brauchst, der für dich da ist. Nur für dich und deine Sorgen.“ Johnny musterte ihn immer noch wütend, doch Robert wusste, dass er den Konflikt erfolgreich entschärft hatte, wenngleich ihm immer noch nicht ganz klar war, warum Johnny so aufgebracht reagiert hatte. Dass Johnny immer noch so düster dreinblickte, lag vermutlich daran, dass es ihm einfach – wie früher auch schon – schwer fiel, eine Möglichkeit zu finden, einfach abzuschalten und das Ganze wieder gut sein zu lassen. Als Robert ihn behutsam in seine Arme schloss, sträubte er sich anfangs ein wenig, ließ es dann jedoch, wenn auch nur zögerlich, zu. Robert strich ihm sanft durch das Haar, während er sich größte Mühe gab, den kleinen Pferdeschwanz nicht versehentlich zu zerstören. „Du lässt deine Haare wieder wachsen?“, fragte er mit sanfter Stimme. Die Antwort kam nur äußerst zögerlich: „Ich dachte, es gefällt dir vielleicht.“ Erstaunt blickte Robert auf Johnny, der sich an ihn kuschelte und seine Arme um ihn schloss, brachte dann jedoch ein Lächeln zustande. „Wegen mir?“ Johnny schwieg und schien sich allem Anschein nach nicht weiter dazu äußern zu wollen, so fügte Robert einfach noch hinzu: „Es sieht gut aus. Steht dir.“ Nachdem der Schotte weiterhin keine Anstalten machte, ihn loszulassen, wanderte Roberts Blick zum Fenster. Kleine Schneeflocken bahnten sich ihren Weg vom Himmel hinab zur Erde und erinnerten ihn daran, dass er für den Tag einiges geplant gehabt hatte. Auf der anderen Seite hatten sie in der kommenden Woche noch genügend Zeit, all das nachzuholen. Vermutlich war es sogar besser, wenn sie die ganze Sache am heutigen Tag etwas langsamer angingen. Die letzten Monate hatte Robert, sofern er sich in seiner Firma nicht mit Arbeit eingedeckt hatte, damit verbracht sehr ausführlich über ihre Beziehung nachzudenken. Ob es wirklich richtig war, dass sie zusammen waren, miteinander schliefen und es wohl noch eine ganze Weile so weiter gehen würde. Neben Sonjas Worten, die ihn immer wieder davon abhielten, sich die Beziehung aus rein zeit- und arbeitstechnischen Gründen auszureden, war da noch dieses dämliche Gefühl, das dafür sorgte, dass er sich wie ein verliebter Teenager fühlte. Als Johnny wegen irgendeiner Angelegenheiten einmal angerufen hatte, als Robert sich in seinem Firmenbüro aufgehalten und dort gearbeitet hatte, hatte er angefangen, gedankenverloren auf ein vor ihm liegendes, eigentlich höchst offizielles und wichtiges Dokument Herzchen zu malen. Die Angelegenheit war ihm immer noch äußerst peinlich. Ja, er war aus unerklärlichen Gründen in diesen sturen Dickkopf verliebt. Und ja, er war zu dem Schluss gekommen, dass er durchaus bereit war, derartige Ablenkungen in Kauf zu nehmen. Aber was ihm Sorgen bereitete war, dass sie sich, auch wenn sie sich körperlich so nah und vertraut waren, gar nicht wirklich kannten. Wer war Jonathan McGregor eigentlich, in den er sich da wider allen Verstandes verliebt hatte? Es war nicht so, als wäre es wirklich unglücklich mit der Situation. Ganz im Gegenteil. Auch wenn es ihn beunruhigte, dass sie sich doch so wenig kannten, hatte er einfach das Gefühl, dass alles passte. Wenn Johnny bei ihm war oder zumindest mit ihm telefonierte, konnte er abschalten und einfach mal an etwas anderes denken, frei sein von allem Stress. Johnny war kein einfacher Mensch, aber wenn er an seine Zeit mit Sophie zurückdachte, war „einfach“ und „unkompliziert“ vermutlich auch gar nicht das, was er brauchte. Als er Johnny damals abgewiesen hatte, war es anders gewesen. Damals hatte er wirklich nichts außer Freundschaft für Johnny empfunden und auch wenn es ihm nach wie vor schwer im Magen lag – die Tatsachen waren damals einfach andere gewesen. Er hatte sich nach langem Hin und Her dafür entschieden, sich nicht mehr länger gegen alles zu sträuben. Es einfach zu akzeptieren. Vielleicht würde ihre Beziehung scheitern. Aber wirklich wissen konnten sie es nur, wenn sie es überhaupt erst einmal versuchten. Robert schloss seine Arme enger um den jungen Schotten. „Was hältst du davon, wenn wir ins Wohnzimmer gehen und ein wenig weihnachtliche Stimmung aufkommen lassen?“ Johnny schwieg einige Zeit, ehe er leise seufzte und dann langsam nickte. Er löste sich zögerlich von Robert und ärgerte sich über sein eigenes Temperament, dass er sich nicht so gut unter Kontrolle hatte. Für seine doch recht unnahbare, berechnende und ernste Art hatte er Robert schon immer sehr bewundert. Im Gegensatz zu ihm war Robert kontrolliert, eine bewundernswerte Eigenschaft. Auf der anderen Seite konnte er auch so wahnsinnig zärtlich und liebevoll sein, so rücksichtsvoll, was er in ihrer Beziehung regelmäßig unter Beweis stellte. Was genau Robert allerdings dazu brachte, trotz seines schwierigen Charakters bei ihm zu bleiben, wusste er nicht. Er erinnerte sich an das Telefonat und fragte sich, ob es tatsächlich irgendetwas gab, das man an ihm besonders finden konnte, war er nicht einmal unbedingt ein guter Mensch. Angespannt presste er seine Lippen aufeinander, blickte Robert in den Augen. Es kostete Johnny einige Überwindung, das auszusprechen, was er selbst so gerne hören wollte. Irgendwie war es ihm peinlich. „Ich liebe dich.“ Die Augen des Deutschen weiteten sich für einen kurzen Augenblick vor Überraschung, dann lächelte er sanft, fasste Johnny am Handgelenk und küsste ihn auf die Stirn. „Wenn du das mit so einem Gesicht sagst, wirkt es fast so, als sei es etwas Schlimmes.“ Johnny wirkte ob dieser Aussage sichtlich bestürzt und Robert presste ihm hastig die Lippen auf dem Mund, um zu verhindern, dass er die scherzhafte Bemerkung zu ernst nahm. Ihm wurde bewusst, dass es sicherlich kein leichter Schritt für Johnny gewesen war und es war vermutlich nicht sonderlich fair, das Ganze durch einen dummen Kommentar ins Lächerliche zu ziehen. Was hatte er sich nur dabei gedacht? „Jonathan McGregor, du bist unmöglich. Aber trotzdem liebe ich dich.“ Sein Gegenüber boxte ihm in die Seite und blickte ihn düster an, zeigte sich jedoch wieder ein wenig entspannter und ruhiger, was Robert dazu brachte, seinen Arm um seine Hüfte zu legen und ihn zum Wohnzimmer zu geleiten. Im Wohnzimmer angekommen, machte Johnny es sich auf dem Sofa bequem, während Robert die Kerzen anzündete und das Radio anmachte. Leise dudelte die weihnachtliche Musik vor sich hin und Johnny beobachtete mit einem Stirnrunzeln, wie Robert in Richtung Zimmertür ging. Er hatte wirklich gehofft, dass ihr Liebesspiel vom frühen Morgen seine Fortsetzung finden würde, doch Robert schien daran keinerlei Interesse zu haben – was Johnny in der Tat ein wenig frustrierte. Denn das Liebesbekenntnis hatte deutliche Spuren hinterlassen und – bei Gott – nach all den Monaten, in denen er auf den Sex verzichtet hatte und brav darauf gewartet hatte, dass Robert ihn wieder besuchen kam, hatte er es sich die Intimitäten doch verdient. Johnny zog einen Schmollmund und rang mit sich selbst, ob er beleidigt oder lieber kooperativ sein sollte. Auf der anderen Seite würde schlechte Laune weder der gemeinsamen Zeit, noch seinen persönlichen Wünschen nutzen. Mit einem genervten Seufzen, richtete er sich auf, griff hinter das Sofa, wo er Roberts Weihnachtsgeschenk verstaut hatte, und zog ebenjenes hervor. In dem Moment, als er das doch ein wenig klobige, rechteckige Päckchen auf den Tisch legte und ein weiteres, sehr kleines Paket daneben platzierte, kam Robert zurück. Er deutete Johnny an, ein wenig beiseite zu rutschen und ließ sich anschließend neben ihm nieder, in seinen Händen ein Päckchen und einen Briefumschlag. Verwundert und neugierig zugleich blickte Johnny die Geschenke an und Robert lächelte verschmitzt. Eine Sache hatte sich mit Sicherheit in all den Jahren nicht geändert, und das war die Tatsache, dass Johnny verdammt neugierig war. Obwohl Johnny bei den Telefonaten mehrfach andeutungsweise und auch direkt gefragt hatte, was Robert ihm denn nun schenken würde, hatte dieser kein Wort gesagt – was die Spannung beinahe unerträglich gemacht hatte. Für das „Soll ich anfangen?“, erntete Robert einen düsteren Blick und er musste sich ein Grinsen verkneifen. „Ich meinte natürlich mit dem Geschenke übergeben und nicht mit dem Auspacken.“ Johnny rollte als Antwort nur genervt mit den Augen, was dazu führte, dass sein Gegenüber seinen Arm um ihn schlang, ihn ein Stückchen näher zu sich zog und ihm einen Kuss auf die Stirn gab. „Frohe Weihnachten, Jonathan.“ Er reichte ihm den kleinen Umschlag und der Schotte runzelte ein wenig irritiert die Stirn, während er ebendiesen öffnete. Darin befanden sich einige... Gutscheine? Johnny hob skeptisch seine Augenbrauen und fragte sich für einen kurzen Augenblick, ob Robert diesmal vielleicht einfach nichts eingefallen war, bis sein Blick darauf fiel, was für Gutscheine es waren. Ihm klappte förmlich der Mund auf. „Ich dachte dir gefällt so etwas vielleicht“, kommentierte Robert und lächelte, während Johnny einen Zettel nach dem anderen las. Tiefseetauchen, Fallschirmspringen, Motorcross. Alles Dinge, die Johnny irgendwann einmal ausprobieren wollte, wozu sich bisher jedoch nie die Gelegenheit ergeben hatte. Zumal ihm einfach das Geld gefehlt hatte. Schlagartig fragte sich Johnny, wie ausgerechnet Robert, der ihm früher dauerhaft Predigten über zu gefährliche Sportarten gehalten hatte, dazu kam, ihm soetwas zu schenken. Nicht, dass er es nicht wertschätzte oder es nicht mochte – ganz im Gegenteil – aber ein solches Geschenk von jemandem zu erhalten, der immer auf Vorsicht bedacht war, grenzte schon fast an versuchtem Mord. Mit einem leisen, ungewollten Seufzen lehnte sich Johnny gegen seinen Freund und ergriff seine Hand. „Dankeschön“, er lächelte ihn an und küsste ihn auf den Mund, zögerte dann jedoch, „Aber weißt du, du solltest nicht so viel Geld für mich ausgeben.“ Das war eine aufrichtige Bitte und Johnny hoffte, dass Robert sie auch so verstand. Klar freute er sich tierisch über solche ausgefallenen und tollen Geschenke, aber es sprengte einfach seinen finanziellen Rahmen. Und auch wenn Robert das selbstverständlich nicht erwartete, hatte er doch das Gefühl, es müsste ihm etwas Gleichwertiges schenken. Gut, diesmal mochte ihm das vielleicht gelungen sein, aber es hatte bei Weitem sein Budget überzogen und das konnte er sich auf Dauer einfach nicht leisten. Roberts Blick wirkte verständnisvoll, ihm schien die Problematik, die Johnny beschäftigte, klar zu sein, und er schloss seine Arme um Johnnys Rücken, sodass dieser auf seinem Schoß saß. „Es ist nicht so, dass ich so eine ähnliche Reaktion nicht erwartet hätte. Deswegen ist das hier auch eher ein Geschenk für mich, als für dich. Aber es wäre vom Gebrauch und Nutzen her sinnvoller, wenn du es hättest.“ Mit der rechten Hand griff Robert nach dem zweiten Päckchen und hielt es Johnny unter die Nase, der nun noch verwirrter dreinblickte. „Mach’s auf.“ Johnny zögerte einen Augenblick, wirkte unschlüssig, doch letzten Endes schien seine Neugierde zu siegen und mit einem leisen Seufzen packte er das Geschenk aus. Was dachte sich Robert nur dabei? Gut, Johnny konnte auch seine Sicht nachvollziehen, denn er hatte ja selbst lange Zeit über enorm viel Geld verfügt. Wie sollte man jemanden zeigen, dass er einem besonders viel bedeutete, wenn man ihm nur etwas verhältnismäßig billiges zukommen ließ? Es war ihm trotzdem unangenehm. „Du spinnst!“ war das Einzige, das er herausbrachte, als er sah, was Robert ihm da gekauft hatte und er konnte nicht verhindern, den Verpackungskarton in seinen Händen hin- und herzudrehen und ihn interessiert zu mustern. Um Gotteswillen, das Teil war ein Vermögen wert! „Ich finde es schwierig, wenn wir nur miteinander telefonieren“, meinte Robert und legte seine Hände auf Johnnys Hüften, „Mir wäre es wichtig, dass man sich auch mal... sieht. Mit der eingebauten Webcam könnten wir problemlos telefonieren und-...“ „Eine gute Idee, aber ich habe doch schon einen Computer, eine Webcam hätte doch genügt.“ Robert skeptisch seine rechte Augenbraue und Johnnys Miene verdüsterte sich, als ihm klar wurde, dass Robert gerade überlegte, ihn darauf anzusprechen, wie alt und langsam sein PC doch war. „Komm schon, Johnny. Das ist einfach nur ein Laptop-...“ „Einfach nur ein Laptop? Robert, ich kenne mich schon ein wenig mit den Marken und Produkten aus. Und dieses Teil kommt erst in zwei Monaten auf den Markt.“ Robert grinste ihn frech und herausfordernd an und Johnny zog einen Schmollmund. „Du wolltest dir doch sowieso einen neuen kaufen. Oder sehe ich das falsch?“ „Ja, schon. Aber ich hatte an eine andere Preisklasse gedacht. Etwa zweitausend Euro weniger hätten es für meine Ansprüche auch getan.“ Ein Seufzen folgte. „Okay, dann gebe ich ihn eben zurück.“ Johnny blickte Robert nun noch düsterer an. „Was ist denn? Wenn du ihn nicht haben willst, dann-...“ „Ich habe nicht gesagt, dass ich ihn nicht haben will. Ich habe lediglich gesagt, dass du spinnst und dass weniger auch gereicht hätte.“ „Also nimmst du ihn?“ „...vielleicht.“ „Johnny.“ „Robert.“ Für einen kurzen Moment fragte sich Robert, ob er aufgrund des kindischen Verhaltens lachen oder verzweifeln sollte, ehe Johnny sich nach vorne beugte und ihn küsste. „Danke.“ „Du bist sowas von unmöglich.“ Johnny schien das erstaunlicherweise als Kompliment aufzufassen und es fiel Robert schwer, unter dessen plötzlichem Anfall von Zärtlichkeit, seine Finger von ihm zu lassen. Sie hatten zum einen noch viel vor, zum anderen hatte Robert sich felsenfest vorgenommen, sich ein wenig mit Johnny zu beschäftigen – und zwar außerhalb des Bettes. Wie sollte er denn auch sonst feststellen, ob ihre Beziehung überhaupt gelingen konnte? Es wäre überaus frustrierend, erst nach ein paar Jahren festzustellen, dass man außer den sexuellen Vorlieben rein gar nichts vom anderen wusste. Robert nahm hastig Johnnys Hände in die seinen, als er feststellte, dass dieser sich an seiner Hose zu schaffen machte. „Jonathan, ich dachte wir wollten heute noch etwas unternehmen.“ Der Schotte hielt schlagartig in seiner Bewegung inne und musterte sein Gegenüber skeptisch. „Zunächst einmal solltest du deine Geschenke auspacken, bevor wir irgendwohin gehen.“ Langsam ließ Robert seine Hände unter Johnnys Pulli gleiten und machte Anstalten, diesen nach oben zu schieben. „Nicht mich, Idiot.“ Schlagartig wurde Johnny klar, dass er gerade seine Chance vertan hatte. Verdammt. Ein Seufzen folgte. „Jonathan, wir müssen dringend mal an deinem Vokabular arbeiten.“ Der Angesprochene verdrehte lediglich genervt die Augen und ließ sich von Roberts Schoß neben ihn auf das Sofa fallen, ehe er ihm die beiden Päckchen überreichte und anschließend seine Arme vor der Brust verschränkte. „Frohe Weihnachten und so weiter.“ Da er bereits ahnte, was sich im kleinen Geschenk verbarg, öffnete Robert dieses zuerst. Wie vermutet purzelte der Schlüssel zu Johnnys Wohnung heraus. Ein Grinsen legte sich auf Roberts Gesicht. „Ist das etwa der Schlüssel zu deinem Herzen?“ „Nein, der zu meiner Wohnungstür.“ „Prima, dann fühle ich mich nicht mehr jedes Mal wie ein Einbrecher, wenn ich dich besuchen komme.“ „Normalerweise benutzen meine Gäste auch einfach die Klingel und warten, bis ich ihnen die Tür öffne.“ „Das will ich hoffen. Andernfalls hätte ich vermutlich einen ziemlich guten Grund, eifersüchtig zu sein.“ Johnny starrte ihn für einen kurzen Moment ein wenig baff an, ehe sich ein leichter Rotschimmer auf seine Wangen legte. Robert eifersüchtig? Wegen ihm? Dann verdüsterte sich jedoch sein Blick, als ihm bewusst wurde, dass Robert ihm gerade unterstellt hatte, dass er untreu wäre. Verdammt noch mal, was hatte Robert nur an sich, dass ihn seine scherzhaften Bemerkungen emotional immer so sehr trafen? Verärgert über sich selbst, warf er dem Deutschen einen scharfen Blick zu. „Du willst also damit sagen, dass ich mit jedem, den ich in meine Wohnung lasse, gleich in die Kiste steige?“ Na ja, Johnny musste zugeben: die Vermutung war gar nicht so abwegig. Es hatte tatsächlich eine Zeit gegeben, da war das der Fall gewesen. Aber er hatte sich geändert. Ja, er versuchte wirklich, ein guter Freund zu sein, und auch wenn Robert die Bemerkung sicherlich nicht so gemeint hatte, machte es ihn wütend. Vermutlich, weil er befürchtete, dass Robert ihm tatsächlich ein solches Verhalten zutraute und ihn das ungemein verletzte. Er bemerkte den betroffenen Blick seines Freundes, presste seine Lippen aufeinander und fasste sich an die Stirn. „Sorry, es war nicht so gemeint. Ich habe überreagiert.“ Als er aufstand, um den Raum zu verlassen, packte Robert ihn am Handgelenk und zog ihn zurück auf das Sofa. Johnny sträubte sich ein wenig, als er jedoch Roberts ernstes Gesicht sah, seufzte er gequält auf und fügte sich. „Ich muss mich entschuldigen, ich wollte dich mit der Bemerkung sicher nicht verletzen.“ Der Angesprochene zuckte nur beiläufig mit den Schultern, er ahnte, was folgen würde. „Im Ernst, Johnny, wir müssen da endlich einmal darüber reden. Es frustriert mich, wenn du alles, was ich sage, als Beleidigung auffasst.“ Weiterhin starrte Johnny nur gerade aus. Was sollte er auch darauf sagen? „Warum nimmst du alles immer gleich so persönlich?“, nachdem sein Gegenüber wiederum nicht weiter reagierte, fügte Robert hinzu: „Du solltest so viel Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl besitzen, um zu wissen, dass-...“ Johnny schnaubte und sah ihn düster an. „Ganz im Ernst? Woher sollte ich so etwas haben?“ Es mochte vielleicht lächerlich klingen, wenn ausgerechnet er so etwas sagte, obwohl er schon immer für seine große Klappe bekannt gewesen war, aber es war schlicht und ergreifend eine Tatsache, dass es ihm schwer fiel, zu sehen, ob er selbst überhaupt irgendjemandem irgendetwas bedeutete, ob er so etwas wie einen „Wert“ überhaupt besaß. Und das war auch der Grund, weshalb er immer so empfindlich reagierte. Eine Mischung aus Angst vor Verletzungen und dem Wunsch nach Selbstschutz führte dazu, dass er das Positive, was man über ihn sagte, nicht glauben wollte, und überall etwas Negatives gegen ihn heraushörte. „Als ich das allererste Mal wirklich geglaubt habe liebenswert zu sein, hast du mir eiskalt den Laufpass gegeben und ich habe mich absolut gedemütigt gefühlt. Du verstehst es wirklich nicht, oder? Alle Mädchen, mit denen ich eine Beziehung hatte, waren einfach nur der Versuch mir selbst zu beweisen, dass es irgendwas an mir geben muss, das man lieben kann.“ Robert blickte ihn ernst an und Johnny wurde klar, dass das genau das Gespräch war, das er hatte führen wollen. Er seufzte schwer, ließ sich ein wenig tiefer in das Polster sinken und murmelte genervt: „Okay, reden wir.“ „Jonathan, was damals geschehen ist, lässt sich nicht ungeschehen machen. Wir beide wurden dadurch sehr geprägt.“ Johnny schnaubte skeptisch und verschränkte die Arme vor der Brust, als er den Mund öffnete, um allem Anschein nach eine abfällige Bemerkung zu äußern, fuhr Robert fort. „Ich weiß, dass ich damals einen schlimmen Fehler gemacht habe und ich weiß wirklich nicht, was mich damals dazu gebracht hat, dich zum Sex zu verführen. Ich hatte damals keinerlei Gefühle für dich – zumindest nichts, was über eine sehr tiefe Freundschaft hinausging. Mir wäre damals nichts Wichtiger gewesen, als die ganze Angelegenheit zu klären. Als ich gesehen habe, was ich durch meine Dummheit alles zerstört habe, hatte ich mir fest vorgenommen, so etwas nicht noch einmal passieren zu lassen. Als dann Sophie eines Tages zu mir kam und mir ihre Gefühle gestand, wollte ich den gleichen Fehler nicht noch einmal machen. Der Grund, dass die Beziehung zwischen uns am Ende nicht funktioniert hat, war, dass ich, selbst wenn ich sie glücklich machen und ihr alles geben wollte, was sie sich wünschte, ich sie doch nie lieben konnte, weil da einfach keine Gefühle waren. Das hat sie nicht ertragen. Ich habe mich danach einfach nur noch in meine Arbeit gestürzt, um jede weitere Beziehung zu vermeiden.“ Johnnys Blick war nach wie vor düster und Robert berührte ihn sanft an den Händen. „Ich weiß, dass du denkst, ich sei nur mit dir zusammen, um so etwas wie Schadensbegrenzung zu betreiben. Dass wir uns nach so vielen Jahren wieder über den Weg gelaufen sind, war ein glücklicher Zufall und sicherlich nicht beabsichtigt. Zumindest nicht von meiner Seite. Aber jedes Mal, wenn wir aneinander geraten waren, habe ich einfach bemerkt, dass mir die ganzen letzten Jahre etwas gefehlt hat. Jedes Mal, wenn ich beschloss, dass ich die Sache mit dir endlich abschließen möchte, indem ich nicht auf deine Provokationen anspringe, habe ich mich doch wieder dazu hinreißen lassen, von deinem Temperament in den Bann gezogen zu werden“, Robert musterte Johnny aufmerksam, als er weiter sprach, „Und sobald ich deinem unheimlichen Sturkopf erlegen war, war es kein sonderlich großer Schritt mehr gewesen, sich wie ein frischverliebter Teenager zu fühlen.“ Entgegen dem, was Robert erwartet hatte, hatte Johnny tatsächlich ruhig zugehört und auch er wirkte ernst und aufrichtig, als er sprach. „Das ändert trotzdem nichts an der Tatsache, dass es immer noch weh tut, wenn ich daran denke.“ „Ich weiß.“ „Weißt du, ich hatte mir wirklich vorgenommen, es dir heimzuzahlen. Ich wusste zwar nicht genau wie, aber ich wollte dir einfach nur irgendetwas Schlimmes antun, damit du weißt, wie ich mich gefühlt habe und fühle. Und trotz allem warst du am Ende so rücksichtsvoll und nett. Ich dachte immer, ich hätte diese dämliche Jugendliebe hinter mir gelassen, aber als wir in dem Hotelzimmer Sex hatten, wurde mir bewusst, wie angenehm mir deine Nähe immer noch war und wie sehr ich alles genoss. Es hat mich wahnsinnig gemacht, als mir bewusst wurde, dass du mich nach all den Jahren immer noch so fest im Griff hattest und ich mich einfach nicht dagegen wehren konnte. Es war einfach nicht fair“, er unterbrach sich, starrte auf seine Hände, „Du hast mir schon mal das Herz gebrochen. Ich habe Angst davor, dass du es noch mal tun wirst.“ Es war kein Vorwurf. Sanft fuhr Robert Johnny durch die Haare und dieser schloss die Augen. „Man ist diesen verdammten Gefühlen hilflos ausgeliefert und am Ende treffen sie einen hart und unvorbereitet.“ „Aber sie versprechen einem auch vieles“, fügte Robert hinzu und küsste den jungen Schotten liebevoll auf die Wange. Johnny sah ihn müde aus den Augenwinkeln an. „Diese ganzen Mädchen, mit denen ich ausgegangen bin. Ich habe sie alle gemocht. Nicht geliebt, aber zumindest gemocht. Jedes Mal habe ich mir etwas vorgemacht und mir gesagt, dass ich es nur mit ihnen treibe, weil sie es selbst so wollen und ich ihnen damit einen Gefallen tue. Dass es nicht wichtig ist, ob ich jetzt sonderlich viel für sie empfinde oder nicht. Tu mir das nicht an, ja?“ Robert beugte sich zu ihm vor, hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Niemals.“ Johnny schlang seine Beine um Robert und für einige Zeit verfielen sie in den Rausch einer liebevollen Zweisamkeit. Als Robert Anstalten machte, ihm seinen Pulli über den Kopf zu ziehen, keuchte Johnny überrascht auf. „Ich dachte, wir wollten heute noch etwas unternehmen?“ „Das ist jetzt nicht so wichtig.“ Johnny zögerte einen Moment, stöhnte jedoch unkontrolliert auf, als Robert sich an seiner Hose zu schaffen machte. „Moment...“, murmelte er und richtete sich halb auf, fuhr sich mit der Hand über die Stirn, „Lass mich erst eine Decke unterlegen. Das Sofa passt nicht in die Waschmaschine.“ Robert lachte trocken und lächelte sanft, ehe er Johnny erneut auf den Mund küsste. „Ich hole derweil ein Kondom.“ Es war bereits kurz nach halb zwei, als Johnny sich mit einem Seufzen dazu aufraffen konnte, sich aus Roberts Armen zu befreien und er sich anschließend mit einem Murren aufrichtete. Das Sofa war auf Dauer ungemein unbequem und ein wenig eng. Er schwang seine Beine von der Couch, setzte sich auf und genoss für einige Augenblicke Roberts warme Hand, die ihm sanft über den Rücken strich. „Wie fühlst du dich?“ Die Frage hallte dumpf in Johnnys Ohren wieder und er fuhr sich mit einem Seufzen mit beiden Händen über das Gesicht. „Besser.“ Robert lächelte und nahm die Gelegenheit wahr, kleine Küsse über Johnnys Arm zu seinem Nacken hin zu verteilen, sodass auch er aufrecht saß. „Ich liebe dich“, flüsterte er ihm leise ins Ohr und Johnny lehnte sich gegen ihn, schloss die Augen und schwieg. Eine ganze Weile lang saßen sie so aneinandergekuschelt da, bis Johnny mit einem Seufzen meinte: „Du hast dein Geschenk immer noch nicht aufgemacht.“ Er zog das Päckchen vom Tisch und Robert, zwischen dessen Beinen er mittlerweile saß, nahm es ihm lächelnd ab. Mit seinen Armen hatte er Johnny immer noch umschlossen und er legte ihm seinen Kopf auf die Schulter, um besser auf das Geschenk blicken zu können. „Dann bin ich doch mal gespannt, was du mir Schönes gekauft hast...“ Vorsichtig und behutsam entfernte Robert das Geschenkpapier und legte es beiseite, um sich den Inhalt genauer betrachten zu können. Es war ein überaus edles, mit Sicherheit antiquarisches und sehr gut erhaltenes Schachbrett aus wertvollem Holz mit eleganten Verzierungen und feinen Intarsien. Die Figuren waren außerordentlich gut gearbeitete Schnitzereien mit geschmackvollen und wohlproportionierten Formen. Ein Lächeln bildete sich auf Roberts Gesicht und er küsste Johnny zärtlich an den Hals. „Vielen Dank, Jonathan. Es ist wirklich wunderschön.“ In Anbetracht der Tatsache, dass sie sich am heutigen Tag schon mehrfach in den Haaren gehabt hatten, verkniff er sich eine Bemerkung über Johnnys Bitte um kostengünstige Weihnachtsgeschenke. Robert war sich darüber im Klaren, dass das Schachbrett einiges wert war. Johnny entspannte sich merkbar in seinen Armen und lehnte sich sanft gegen ihn. „Was hältst du von einer kleinen Partie?“, erkundigte sich Robert mit einem Grinsen im Gesicht, was Johnny dazu brachte, ihn entgeistert anzusehen. „Ich habe seit Jahren kein Schach mehr gespielt!“, protestierte er halblaut und verzog sein Gesicht, als sei er sich ziemlich sicher, dass das Ganze sowieso nur wieder darauf hinauslaufen würde, dass er verlor. „Nun, Jonathan, aufgrund eines fehlenden Schachpartners habe ich auch seit Jahren kein Schach mehr gespielt. Umso mehr reizt es mich, mal wieder Hand anzulegen.“ Johnny wirkte wenig überzeugt und sah ihn skeptisch an. „Ich weiß Dinge, bei denen es mir weitaus angenehmer wäre, wenn du dort deine Hand anlegst.“ „Kommt es mir nur so vor, oder hast du keine Lust gegen mich zu spielen, weil du Angst hast, zu verlieren?“ Robert war nicht nur im Schachspiel, sondern auch in vielen Bereichen seines Lebens ein ausgesprochen guter Stratege. Und gerade bei Johnny war er sich über dessen Schwächen durchaus im Klaren, dass er immer das Bedürfnis hatte, sich zu beweisen, zu zeigen, dass er etwas konnte. In all den Jahren, in denen Johnny bei ihren gemeinsamen Schachspielen vielleicht ein einziges Mal ein Patt zustande gebracht hatte, hatte er ihn immer wieder ködern können, indem er seine Fähigkeiten und seine Motivationen in Frage stellte. Er wusste, dass es Johnny nie darum gegangen war, zu beweisen, dass er besonders gut Schach spielen konnte, sondern dass er vor allem zeigen wollte, dass er vor dem Verlieren keine Angst hatte. Johnny zog einen Schmollmund und verengte seine Augen zu Schlitzen. „Okay“, murmelte er genervt, „Ich nehme schwarz.“ Er befreite sich aus Roberts warmen und sanften Griff und blickte suchend auf den Boden. „Wo sind meine Shorts?“ „Brauchst du die denn?“ Johnny ignorierte Roberts Einwand geflissentlich, kramte seine Klamotten zusammen und zog sich wieder an, bevor er sich in den Sessel setzte und seine Figuren auf dem Brett aufstellte. Erwartungsvoll blickte er Robert an, der sich gerade seinen Pulli wieder über den Kopf zog, und deutete auf das Brett auf dem Tisch. „Weiß beginnt, Schwarz gewinnt.“ Ein Grinsen legte sich auf Roberts Gesicht und er setzte sich ebenfalls. „Das wollen wir doch erst einmal sehen.“ Das Spiel führte in der Tat zum erwarteten Ausgang. Als Johnny sich mit verschränkten Armen und schmollender Miene bei seinem Schachmatt zurücklehnte, lächelte sein Gegenüber nur freundlich, was den jungen Schotten ein wenig kränkte. „Was ist?!“ „Ich habe mich nur darüber amüsiert, dass deine Art zu spielen sich in all den Jahren nicht geändert hat.“ Johnny runzelte die Stirn. „Was meinst du?“ „Na ja, der Grund, dass du verlierst, ist immer noch der gleiche.“ „Und zwar...?“ Robert sah ihn einen kurzen Moment nachdenklich an, ehe er sich ein wenig tiefer in das Sofa sinken ließ. „Was bekomme ich denn dafür, wenn ich meinen unbestrittenen Vorteil im Schachspiel gegen dich aufgebe?“ Sein Freund schien allerdings nicht wirklich in Flirtlaune zu sein und verdrehte nur genervt die Augen. „Dann eben nicht.“ Ein gequältes Seufzen folgte. „Johnny, bitte, sei doch nicht gleich wieder eingeschnappt! Es sollte ein Scherz sein. Aber weißt du, genau das ist dein Problem.“ Johnny runzelte die Stirn und wirkte ein wenig grantig. „Was?!“ „Sobald die erste Figur von dir geschmissen wurde, spielst du absolut defensiv und nutzt keinerlei Chancen mehr, irgendwie anzugreifen. Vorher bist du eigentlich immer ziemlich gut im Spiel.“ Für einen kurzen Augenblick starrte Johnny ihn an, ehe er den Blick abwandte und gekränkt zur Seite blickte. Allem Anschein nach wurde ihm diese Tatsache eben zum ersten Mal bewusst. „Es ist bereits kurz vor drei, was hältst du davon, wenn wir uns so langsam auf den Weg machen?“, er streckte dem sturen Schotten seine Hand entgegen, der ihn jedoch nur skeptisch ansah. „Wohin?“ „Das wirst du schon noch sehen.“ ~*~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)