Blickwinkel von Capulet (Taito) ================================================================================ Kapitel 1: Teil I ----------------- Musiker ist ein Traumberuf. Mein Traumberuf. Entgegen aller Erwartungen hatte ich es geschafft. Mich durchgesetzt, aus tausenden von Newcomern in diesem Jahr bin ich hervorgestochen. Die Konkurrenz haus hoch geschlagen. Nun beneideten sich mich, ich wusste es, denn ich war ihnen einen Schritt voraus. Man sagte mir ich habe Gefühl in meiner Stimme, lebe die Lieder, die ich schreibe. Als würde jedes einzelne meinen Erlebnissen entspringen. Fange die Menschen ein mit meinem Charme, meiner Sympathie, meinem Charisma. Ich strahle von Innen nach Außen und von außen nach innen. Sie wissen nichts. Ich bin hübsch, keine Frage. 20 Jahre jung, zwar nicht übermäßig groß, ich meine es sind fast 1,80, aber schlank, athletisch, obwohl ich Sport mehr verabscheue als alles andere auf der Welt, naturblonde Haare, helle Haut - eine Seltenheit in dieser Region, die Kälte und Winter so wenig kannte wie die Menschen um mich herum mich. Meine Mitmenschen sind meist braungebrannt, solariumdressiert oder sonnengeküsst, haben diese dunklen Latinohaare und irgendeine Augenfarbe, die mir recht egal ist. Ich legte nie besonders wert auf meine Umgebung. Wie ich es hinauf auf mein Podest der Konzerte, Plattenfirmen, Werbeverträge und Fernsehauftritte geschafft hatte, war mir bis heute ein ungeklärtes Mysterium. Ich sah an mir selbst keine Besonderheit, nichts außergewöhnliches - eher andersartiges, abschreckendes. Aber meine Meinung hat wenig Gewicht auf dieser Goldwaage, die sich Musikbranche schimpfte. Es begann wie es beginnen musste. Mit einer Band, denn als Solokünstler wird man nicht entdeckt. Überflüssig zu sagen, dass der Rest meiner damaligen Kameraden nicht denselben Weg einschlagen konnten, wie ich es mit Leichtigkeit tat. Der Sänger war das Herz der Gruppe. Riss man es heraus, gab es keinerlei Chance für Wiederbelebung. Auch künstliche Fremdkörper als Ersatz halfen nicht annähernd. Wir nannten uns mit einer Menge an schlechten Geschmack und mangelndem Improvisationstalent: Crossover. Vermutlich, weil wir dies waren. Unterschiedlicher hätten wir nicht sein können. Unsere Interessen unterschieden sich wie Tag und Nacht. Unser einziges gemeinsames Leitstück war und blieb die Leidenschaft zur Musik. Recht passendes Motivationsmaterial, wenn man sich des Zieles besah. Trotzdessen gab es nur einen einzigen Grund warum ich dieser seltsamen Konstellation betrat: an unserer Schule war es Pflicht einer Art AG beizuwohnen. Da ich, wie bereits erwähnt zu Sport eine innige Hassbeziehung führte, Schachspiele meine geistige Zurechnungsfähigkeit ebenfalls weitestgehend überforderten und ich bereits jede Kochstelle in eine weiträumige Mondkraterlandschaft verwandelt hatte - blieb mir nur diese Alternative. Wir - nun, eigentlich ich, wurde entdeckt auf einem unserer Pflichtkonzerte, bei denen wir unser können unter Beweis stellen sollten. Natürlich hätte ich beim Singen meiner übertrieben rockigen, aber peinlich simpel komponierten Songs (ich spiele übrigens auch Gitarre - was für ein Klischee), nicht den blassesten Schimmer, dass sich unter den Zuschauern - der gesamten Elternschaft unserer Schule, ein Manager befand. Bei späteren Nachforschungen stellte sich heraus, dieser Mann war der Vater eines Jungen aus unserem 2. Jahr. Wie dem auch sei, er fand mich. Der Rest ging schneller als mir lieb war. Schule beendet. Es war sowieso mein letztes Jahr. Rausgerissen aus der gewohnten Umgebung, weit Weg von Familie und Freunden. Es sei nicht gut für meine Karriere. Ich glaubte ihnen, schließlich wollte ich es. Musik, Geld, Luxus, welcher Junge aus einfachen Arbeiterfamilienverhältnissen träumt nicht von einem Sprung in Welt der High Society? Sie sollten es mir nicht übel nehmen. Sie taten es dennoch. Schon bald bemerkte ich, wie eintönig es war in dieser vorgefertigten Einsamkeit. Ich bekam Fanpost, jeden Tag zwei Postsäcke voll, warf sie weg ohne Elan sie je zu beantworten. Ich kannte die Fragen die in ihnen standen, jede einzelne, war mir bereits bekannt. Kaum eine hatte nicht mit zweitklassigen Anhimmelversuchen und somit Datingangeboten zu tun. Sogar Sex wurde mir angeboten, aber ich ignorierte sie alle, diese Macht- und Erfolgsgierigen Mitmenschen. Ich lag lieber vor dem Fernseher, High Definition, Dolby Surround, LCD Plasma Bildschirm. Ich wohnte in einem dieser 1000 Apartments, im 8. Stock in schwindelerregender Höhe und ich fragte mich so oft, warum eigentlich, wo ich doch panische Höhenangst hatte. Es lag in Mitten dieser gigantischen Metropole mit dem Stand der Anonymität aller Menschen. Ich kannte keinen meiner Nachbarn persönlich. Es war groß, bereits fertig eingerichtet als ich einzog. Ein überdimensionales Wohnzimmer, große Ledercouch, ein Kamin, eine elegante Küche nebenan, die wahrscheinlich für immer unberührt bleiben sollte. Das Schlafzimmer mit gefühltem einem Quadratkilometer Spielwiese, das Badezimmer mit den braunmarmorierten Fliesen. Jeder zweitklassige Promi fand hier sein geheiligtes Land - nur ich nicht, für mich wirkte alles penibel steril, so dass ich, obwohl es mein eigenes Zuhause war, mich kaum traute irgendwo einen Fettfinger zu hinterlassen. Manchmal hingegen gab ich dem Drang nach, drückte meine Hand direkt an eine der glänzenden Fliesen im Badezimmer. Ich hinterließ einen höchst schmierigen Abdruck. Am nächsten Tag war der unpassende Fleck verschwunden, als sei hier nie jemand gewesen. Zauberei? Nein, nur eine höchst zuverlässige Putzfrau die auftauchte, wenn ich das Haus verließ und verschwand bevor ich wieder kam. Ich bekam sie niemals zu Gesicht, nur durch den Hotelleiter wusste ich, dass es sich bei der Putzkolonne keinesfalls um fleißige Heinzelmännchen handelte. Da war ich nun, verbrachte die tristen Tage meines Daseins als super-mega-angesagter Rockstar, damit zu lächeln - Fotos von mir machen zu lassen, von diesen Menschen die sich Paparazzis, Journalisten oder Fans (Stalker) schimpften. Ich trat in Fernsehsendungen auf, gab dort meine vermeintlich tiefsten und dunkelsten Geheimnisse preis, flirtete mit der Moderatorin, so wie man es von einem Sternchen eben erwartete. Ich ließ mich hier und da für eine Werbesport breit schlagen, leckte lasziv an der neusten Eissorte - Milchreis-Pflaumen-Sorbe oder posierte in ‚cooler‘ Pose vor dem neusten Modell des Mercedes. Natürlich gab ich Konzerte mit einer nach dem Programmierbefehl Randomize zusammengewürfelten Band, die jedes Mal etliche Tonproben brauchten um meinen Stücken das nötige Einfühlvermögen zu gewähren. Vergebens, selbst wenn ich Gefühle mit meinen Liedern hätte verkörpern WOLLEN, wäre es mir durch diese Stümper nicht gelungen. Letztendlich gab es nur noch wenige Tätigkeiten bei denen ich mich entspannt fühlte, aber auch diese standen mit der Arbeit in Verbindung: Songs schreiben. Man sollte meinen meine Muse brodelte über, ein Song nach dem anderen ließ sich aus meinen Fingern saugen - nein, so war es nicht, auch wenn diese ganze Show hier mein Einkommen sicherte. Meine Inspiration war weg, vollkommen ausgebrannt, so dass jeder Song der zu Papier kam nicht nach mir klang, fremd, gepresst, gezwungen waren, diese Wörter, diese Noten aneinander gereiht. Ich wusste was mir fehlte, doch der Rest der Welt schien die Tatsache, dass sich meine Lieder unweigerlich wandelten nicht im Geringsten zu interessieren. Vielleicht, weil sie schon zu Beginn nicht mehr enthielten als Schall und Rauch. Auch bei mangelhaften Interesse am Rest der Welt, ließ sich meinerseits feststellen: auch die anderen Musiker waren wie ich. Es gab niemanden der mein Herz mit seiner Stimme erweichen konnte. Nicht in diesem Leben. Aber auch diese Gedanken hielten mich nicht davon ab, es erneut und erneut zu versuchen, mit dem minimalen Gefühl an Hoffnung, dass etwas entstand, was mein Leben ungemein bereicherte. Meist war jedoch in meinen Songs nur die ernüchternde Wahrheit auf Papier gebracht, so dass auch andere Leute, falls Neugierde an dem Wesen hinter dem Schein und Sein bestand, in meine Welt hineinblicken könnten, denn solche Texte wurden nicht veröffentlicht. Here you are on the top of the world gained experience, success, which is nothing worth. You should know, that your dream already passed by. You should know, that big cars and campaign aren’t enough. You should know, that there was someone before. You should know… You should know… The time runs slower, the space becomes lower, under a constant speed. You lost the constitution, never knew, how to plan a revolution, to stroke down the illusion. You should know, that your dream already passed by. You should know, that big cars and campaign aren’t enough. You should know, that there was someone before. You should know… You should know… You are like a bird, caught in a metallic cage. Run, run , run you won’t touch the edge. Fail to use your wings - ‘cause only who believes can fly. You should know, that your dream already passed by. You should know, that big cars and campaign aren’t enough. You should know, that there was someone before. You should know… You should know… You Social Links become zero, no one come to visit, the bitterest lifestyle in this century. Look away, look away your heart just charge: You turn wrong, while he stayed. So entstanden Lieder. So entstanden Geschichten, eine Welt die ich niemanden erzählen durfte, weil es schlicht und ergreifend nicht in meine momentane Vermarktung passte. Stattdessen sang ich Texte, von deren Inhalt ich selbst alles andere als überzeugt war. Lieder wie ‚Scream me a love song‘. Our cold story began, Just a picture stole my heart, Made it bleed without mercy! Looking forward, to hear your voice, to see your smile, and feel your touch! Chorus: Cry loud! Scream it out! This lovely song. It makes my heartbeat faster...faster. Finally we met, It was the best thing I ever did! And from the first moment, I knew that this love was for real, Don't think I didn't notice your view, It'll never be like mine, Never. Chorus: Cry loud Scream it out! This lovely song! It makes my heartbeat faster...faster. The time passed by, I wonder why, but we became closest friends, We often stay together, Learn to laugh together and cry together, You told me everything and I remained silence. This bond won't be cut! Chorus Cry loud! Scream it out This lovely song! It makes my heartbeat faster...faster. You dance to our song, sang it all night long. Did you scream a lovesong? Why can't I tell you those 3 words to be with you?! Chorus: Cry loud! Scream it out! This lovely song! It makes my heartbeat faster...faster. And until now, it was just a song. In this world without words, I screamed. But you had never listened! Auch dieses Lied war von mir selbst verfasst, trotz der Tatsache, dass ich mir hier das Blaue vom Himmel erlog. Ideen geklaut aus irgendwelchen zweitklassigen Fernsehsoaps oder aus dem Leben fremder Leute. So sang ich tag ein tag aus über unerwiderte Liebe, obwohl Liebe für mich heute ein Wort ohne Bedeutung ich. Ich kannte die Liebe zur Familie, die Liebe zu Gegenständen - neu gekauften Sachen, die noch glänzten, wenn man sie aus der Verpackung riss, ich kannte die Liebe zu Freunden, wenn man mit ihnen lachte, herumalberte, die Zeit genoss. Aber verliebt war ich nie gewesen. Zumindest nie so, wie ich es in meinen Werken des Öfteren besang. Oder ich hatte es schlicht und ergreifend vergessen, denn was heute zählte war die Lüge. Ich fragte mich sooft, ob mir auch nur ein einziger Mensch auf dieser Welt glauben konnte, was ich da von mir gab - aber vermutlich hatten sie es aufgegeben, jeder Popstar, jeder Rockstar, jede Band, jeder sang das was sich am besten vermarkten ließ und das war nun einmal die gescheiterte Liebe - denn diese verband Menschen über unvorstellbare Weiten. So viel zu meiner Geschichte. Nun etwas zur genaueren Lagebeschreibung. Ich sitze, nun vielmehr liege der Länge nach ausgestreckt auf meiner sündhaft teuren schwarzen Ledercouch, von keiner geringeren Firma als Prada hergestellt. Wie jedes Stück dieser Wohnung ein Unikat. Ich starrte direkt auf den vor mir stehenden flachen Bildschirm, fragte mich ob die kaum vorhandene Entfernung wohl schlecht für meine Gesundheit sei. Es liefen gerade die Nachrichten auf CNN über Gott und die Welt, naja vielmehr über die Welt und das Geld. Gerade besah man sich der Aktienkurse näher, da wandte ich meinen Blick bereits desinteressiert ab. Einige Millionen Aktienhaie werden gerade aufheulen, weil der Aktienindex irgendeines Landes mal wieder gefallen war, mich ließ das unbeeindruckt. Die einzigen Zahlen die mich interessierten waren die Millionenangaben der neuen verkauften Single oder die meines gerade erschienenes Album. Es war ein Abend wie ein jeder, ein Bier in meiner rechten und die Fernbedienung in der linken Hand platziert. Ich sah fern, nippte gegebenenfalls an der Flasche mit dem edlen Gebräu und wartete geduldig bis mein Manager mich durch ein Telefonat über die morgigen Pläne informierte. Meine absolute technische Neuheit – das Handy, was fiel mehr einem Minicomputer ähnelte, lag dazu griffbereit auf dem kleinen gläsernen Couchtisch vor mir - auch er ein Designerstück, darunter der weiße Teppich, der so weich war, dass man ohne Probleme auch auf diesem hätte nächtigen können. Mein Apartment war eine Fundgrube der Klischees. Ich langweilte mich schrecklich, jeden Abend dasselbe Spiel, eine endlose Wiederholungsschleife aus der ich nicht entkommen konnte. Ich war wie ein Computer, der immer und immer wieder denselben Prozess wiederholte - ohne Fremdeinwirkung oder Absturz des Systems: kein Entkommen. Wie bereits erwähnt, hatte ich in dieser Umgebung keine Freunde, war also allein, völlig auf mich gestellt. Raus durfte ich ebenfalls nicht, man hatte Angst jemand könnte den ach so berühmten Rockstar erkennen, Klatsch und Tratsch aufgreifen und üble Geschichten in irgendwelchen Boulevardmagazinen veröffentlichen. Alles nur zu meiner Sicherheit, sagte man mir fast täglich. Aber nach meiner Befindlichkeit hatte dabei natürlich niemand gefragt. Weiträumig umfahren. Auch zahlreiche neuartige Spielekonsolen hatten meinen Drang nach Beschäftigung nicht befriedigt. Xbox 360, PS3, Wii oder wie sie auch alle hießen, zerrten nur an meinen Nerven. Ich schien kein Konsolenfreak zu sein. Unnötig zu sagen, dass man mir sogar den Computer zwangsläufig entzog, hätte ich doch sonst was für einen Mist im Internet veröffentlichen können, da die Social Networks ja alles und jeden sofort ruinieren konnten. Selbstverständlich hätte ich da sofort meinen derzeitigen Wohnort angegeben, damit die verrückten Fans hier Schlange standen. Ich war zwar Blond, aber nicht irre. Vielleicht sollte ich diesen entscheidenden Fakt irgendwann einmal darlegen. Wie auf Kommando, begann mein modernes Smartphone vor mir zu vibrieren, ich vermied es einen Klingelton zu wählen, da ich die Musik anderer Interpreten nur schlecht verkraftete - ich hatte zu oft den Drang sie mit der meinigen zu vergleichen, nicht erstrebenswert für ein angekratztes Selbstwertgefühl. Ich ließ mit gehörig Zeit mich aufzurichten und an das mittlerweile beinahe rotierende Gerät zu gehen, er sollte ja nicht denken ich hätte auf diesen Anruf gewartet. Obwohl natürlich genau dies der Fall war. Ich meldete wie üblich seriös. „Hallo?“, hörte ich meine eigene Stimme in dem tristen Zimmer wiederhallen. Sie klang definitiv anders, als wenn ich sang. Viel fremder. „Matt?“, war die sofortige Antwort in Form der rauen Stimme meines Managers. Daraufhin hätte ich normalerweise am liebsten ein sarkastisches: Wer sonst?, erwidert, hingegen sollte ich es mir mit diesem Mann nicht unbedingt verscherzen, schließlich hat er meine Freiheiten jetzt schon genug eingeengt. Ich räusperte mich unweigerlich, schluckte die scharfen Worte die meine Lippen überkommen wollten einfach runter und antwortete stattdessen mit einem knappen: „Ja, was gibt’s?“. Wie heuchlerisch, als ob ich das nicht ebenfalls wusste. „Okay, ich war mir nicht sicher deine Stimme klingt am Telefon immer so anders…egal. Ich rufe wegen morgen an, also gegen 10 Uhr sollst du in einer dieser Vormittagssendungen auftreten, toll oder?“, ich ließ mir bildlich vor Augen führen, wie seine Brust im Moment vor Stolz anschwoll, verkniff mir aber auch hierzu jegliche Erwiderung. Ja, super. Hinreißend. Hatte ich bereits erwähnt, dass ich das Fernsehen hasse? Überall diese überschminkten Gesichter und keiner weiß so recht was er eigentlich machen soll, wenn er da auf einer dieser neonfarbenen Plüschcouchen vor einem sogenannten Bluescreen, der ja eigentlich grün ist, sitzt. Wohin mit den Händen? Soll ich in die Kamera sehen oder höflich sein und meinem Gesprächspartner ins Gesicht blicken? Ich entschied mich für gewöhnlich für die Kamera, ich mochte es schlichtweg nicht den Menschen direkt in die Augen zu schauen. Wie dem auch sei, ich gab ein aufmunterndes Lachen zum Besten. Ich finde es klingt hysterisch und nicht mal im Ansatz glaubwürdig, mein Manager namentlich übrigens Jerry Hobbs, erkannte mich als die Mogelpackung schlechthin - nicht. Er fuhr unbeirrt, mit fester Stimme, wie ich es von ihm gewohnt war, fort: „Danach hast du noch ein Fotoshooting für das neue Cover, dann ein Essen mit Mr. Backer von der Plattenfirma…und du hast es schon geschafft!“ Er erwartete selbstverständlich keinen Widerspruch meinerseits. Stattdessen ein übliches zuversichtliches: „Klingt gut.“ „Wir holen dich dann gegen 9 Uhr ab, also mach‘ heute nicht solange. Bis Dann!“, ehe ich etwas auf diese netten Worte entgegnen konnte, hatte er auch schon aufgelegt und das Einzige was mir außer dem übergroßen Fernseher nun noch blieb, war dieses stetige monotone Tuten an meiner Ohrmuschel. Ein typisches Geräusch, welches alle Male die Einsamkeit einläutete. Ich betätigte ebenfalls den roten Hörer auf dem sensiblen Touchscreen und beförderte das Handy lieblos zurück auf den Tisch, wo es sich mit sicherer Wahrscheinlichkeit heute nicht mehr rühren würde. Gott, was war das für ein Leben. Ich erinnerte mich zurück an die letzten Worte und mein Blick suchte automatisch eine Uhr. Gesucht, gefunden. Es war gerade mal halb 9. Die Zeit verging einfach nicht, wenn man denn keine Möglichkeit zur Beschäftigung hatte. Also tat ich wie mir geheißen und entschied, dass es an der Zeit war zu Bett zu gehen. Gut es erscheint etwas lächerlich, denn ich war weder erschöpft noch überkam mich ein plötzlicher Anfall von Müdigkeit, es war bloß diese grausame Langeweile, der ich auszuweichen versuchte – jeden Abend vergebens, sollte man an vielleicht nochmals eindringlich erwähnen. Normalerweise wäre ich jetzt an dem Punkt angelangt, wo ich mich vor meinen schönen weißen Designerschreibtisch niederlassen würde und damit beginnen würde einen neuen Song zuschreiben und eventuell gleich danach nach meiner Les Paul zu greifen und eine passende Melodie dazu zu komponieren. Heute allerdings nicht, denn mein sonst so verblüffender Einfallsreichtum in Sachen umsetzbarer Texte war heute innerhalb einiger Stunden von einem Binnensee auf einen Tümpel geschrumpft. Irgendwann gingen auch dem Superstar überhaupt, die Ideen für schlechte Songtexte aus. Ich stellte aus Resektion mein halbleeres, wie der Pessimist so schön betonte, Bier auf den Couchtisch. Ich bemühte mich nicht um Ordnung, morgen war es sowieso verschwunden. Ich richtete mich nun endgültig auf und ging mit schleppenden Schritten in mein Schlafzimmer. Kapitel 2: Teil II ------------------ Der Morgen danach verlief stressig. An dieser Stelle wäre es vielleicht zu erwähnen, dass es sich hierbei leider nicht um den Morgen nach einer durchzechten Partynacht mit sexuellen Hintergrund handelte. Es war schlichtweg der schlimmste Fall von allen eingetreten – gefühlte 10 Stunden wach gelegen, nachgedacht und zu keinem nennenswerten Ergebnis gekommen, welches sich in Sachen Zukunftsperspektive eingliedern ließ. Ich war mir nicht mehr ganz sicher, wann genau ich in die Traumwelt abdriftete, aber es mochte so zwischen 1-2 Uhr gewesen sein. Deutlich zu spät, wenn man bedachte, dass ein normaler Mensch mindestens 8 Stunden Schlaf benötigte, um fit zu sein und ein Superstar wie ich allerhöchstens 10 Stunden durchschlafen musste, um annehmbare Laune zu haben. Dementsprechend berechenbar war mein Gemütszustand mit dem ich mich um 8 Uhr aus dem Bett pellen durfte. Warum so früh, wenn ich doch erst 9 Uhr abgeholt werde? Nicht, weil gar ein entspanntes, ausgewogenes Frühstück zu mir nehmen wollte, denn hierbei blieb es bei der großen Tasse Kaffee, sondern einzig und allein der Perfektion meines Aussehens wegen. Die Haare dauerten schon einmal glatt eine halbe Stunde und das Outfit gewöhnlich genauso lange. Ich sagte zwar bereits, dass ich stinkreich, beliebt wie geliebt, begehrt, talentiert und wahrscheinlich vollkommen realitätsfern bin, aber alles andere als zufrieden mit meinem Erscheinungsbild bin ich dennoch. Es dauerte seine Zeit bis ich im Stande war mich selbst im Spiegel zu betrachten. So auch an diesem Tag. Die zu heiße Tasse wurde förmlich hinunter gekippt, so dass ich wenigstens etwas im Magen hatte und wie auf Kommando klingelte es an der Tür, nicht in einem angenehmen Ton sondern schrill und nervtötend. Zum Glück besuchte mich nie jemand. Das Einzige was ich mitnehmen musste, war mein Portmonee und meine Gitarre, mehr Identifikationsmittel brauchte ich ja nicht. Werden mich schon alle erkennen. Die darauffolgenden, am Vortag beschlossenen, Termine verliefen routiniert, ganz meinen niedrig angelegten Erwartungen entsprechend. Die Show war sterbenslangweilig, überzogen, gestellt und keine Antwort, die ich gab reichte auch nur annähernd an mein tatsächliches Leben heran. Man lachte, freute sich mit übersteigerter Euphorie über die lockere Art über mich selbst zu reden. Erstaunlich, dass sich darüber noch jemand positiv äußern konnte – wo ich doch gelernt hatte den lieben langen Tag nichts anderes zu tun. Irgendjemand musste mein egozentrischer, augenscheinlich selbstverliebter Charakter doch genauso sehr gegen den Strich gehen wie mir selbst? Doch das erhoffte Resümee sollte nicht kommen. Nicht heute, nicht morgen, vermutlich niemals. Hätte bei dem Plattenvertrag noch gestanden, ich unterzeichne, dass ich mich selbst mehr als alles andere liebe, hätte ich mir die ganze Sache möglicherweise noch einmal überlegt. Das Fotoshooting war genauso schlimm. Es schien keine Pose zu geben, in welcher ich nicht fabelhaft, außerordentlich gutaussehend, wunderschön war und anscheinend komplett verstandvernebelnd auf die Anwesenden wirkte. Ein Glück waren so die Bilder schnell im Kasten. Auf dem Titelbild meiner neuen Single sollte ich mich nämlich auf einem dieser sündhaft teuren Sofa’s aus mittelalterlichen Königszeiten rekeln, wahrscheinlich war es auch noch aus England importiert und König Henry der VII hatte persönlich darauf Platz genommen! Es konnte eben nicht exquisit genug sein. Da ich bereits an vielerlei Stellen mehr oder minder detailliert ausgeführt hatte, hielt ich nicht viel von den Menschen, die mich Tag für Tag umgaben. Dementsprechend wortkarg fiel das Essen oder besser ‚das Trinken‘ mit meinem Produzenten aus, denn niemand von uns bestellte etwas in dem überteuerten Restaurant, indem wir saßen. Es kam mir sogar vor, als wären die meisten Leute nicht hier, um gar Nahrung aufzunehmen, damit sie nicht Zuhause kochen mussten, sondern schlichtweg um ihre Anwesenheit zu präsentierten. Wirklich alles andere als erstrebenswert. Wir sollten in diesen quälend langen Gespräch von ganzen 15 Minuten nur einen Entschluss fassen: Ich sollte einfach so weiter machen wie bis her, denn so lief es ganz gut! Genau, sogar mein vermeintlich auf Gewinn orientierter Vorgesetzter hielt mich anscheinend für unfehlbar. Langsam aber sicher begann ich es selbst zu glauben. Spätestens, als ich in mein trautes Heim zurück kehrte und sogar eine alte Frau mir den Vorrang beim Eintreten in die Drehtür gewährte, wurde mir klar, dass in meinem Leben etwas absolut nicht stimmte. Es fehlte etwas, jemand, eine Sache, die mich auf dem Boden der Tatsachen hielt und nicht abheben ließ, so wie alle anderen Stars und Sternchen. Doch was war es? Das da war und irgendwie auch fehlte? Mich insgeheim dabehielt, wo ich sein sollte. Egal wie lange, wie intensiv oder wie oft ich nach diesem Vorfall noch am Abend desselben Tages darüber nachdachte, ich mochte einfach zu keinem Ergebnis kommen. Was einen unwillkürlich zu der Frage kommen ließ, wer wusste schon, warum er so war, wie er eben war? Ich hatte weder Psychologie, Pädagogik, noch sonst irgendeine Geisteswissenschaft studiert, um einen Leidfaden für dieses Problem zu finden, aber prinzipiell nahm ich mir vor, es selbst – ganz ohne fremde Hilfe herauszufinden. Früher oder Später. Heute jedenfalls nicht mehr, denn etwas störte meine weitschweifenden Gedankengänge, während ich so seelenruhig auf meinem Stammplatz der Couch hockte. Ein schrilles Geräusch ließ mich aufschrecken, ich hatte die Klingel am Morgen bereits verflucht, aber diesmal war es eher Verwunderung, die sich in meinem Gesicht abzeichnete. Ich bekam nie Besuch, geschweige denn gab es hier Nachbarn die eventuell um eine Tasse Zucker oder ein Ei bitten könnten. Wer nahm hier schon Lebensmittel in die Hand? Aber statt mich weiterhin mit der Frage zu beschäftigen, wer es denn sein könnte, denn das würde bei 7 Milliarden Einwohnern der Welt recht lange dauern, entschloss ich mich einfach nachzusehen, der Einfachheit halber. Ich stand also teilweise aus akuter Neugier aber aus der Angst heraus, diesen markerschütternden Laut noch einmal hören zu müssen auf, sah dabei recht beiläufig noch einmal an mir herab, nur um festzustellen, dass ich immer noch annehmbar aussah. Glücklicherweise hatte ich mir noch nicht die Mühe gemacht mich in eines der gefühlten 100 XXL Schlafshirts zu werfen. Nein, die enge Röhrenjeans saß einwandfrei und auch das mintgrüne Shirt mit dem leichten V-Ausschnitt war nach wie vor knitterfrei. Komme was wolle, ich war bereit. Als ich allerdings dann die Wohnungstür öffnete, dummerweise ohne vorher durch die videoüberwachte Gegensprechanlage zuschauen wer mich hier erwartete, traf mich beinahe der Schlag. Auch wenn Jahre vergangen waren, man sich nach Beendigung der Pubertät verändert hatte wie nie zuvor, auch wenn man sich seitdem nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte, auch wenn mindestens 1000 Kilometer Luftlinie zwischen uns gelegen hatten– wusste ich ganz genau, viel besser als es mir eigentlich lieb war, wer hier vor mir stand. Ich musste zugeben, im ersten Moment stockte mir förmlich der Atem, ich konnte spüren wie sich meine Augen vor Überraschung weiteten und mein Blick an dem jungen, trotz dessen durchtrainierten, Körper vor mir auf und ab wanderte, darauf bedacht sich jedes noch so kleine Detail anzusehen und zu beurteilen, ob das hier eine Sinnestäuschung oder die knallharte Realität war. Sie war es. Die braunen Haare, schon immer widerspenstig und unmöglich zu bändigen gewesen, machten eine Verwechslung unmöglich. Die braungebrannte Haut in Zusammensetzung mit den haselnussbraunen Augen, die mir beinah spöttisch entgegenblickten, hätte ich nie vergessen können. Jahrelang hatte ich sie fast täglich zu Gesicht bekommen, mal lachend, mal verärgert, mal grübelnd, mal mit Verunsicherung oder mit einem liebevollen Ausdruck hatten sie mich angesehen. Nach wie vor war er einen knappen Kopf größer als Ich, es schien nahezu als wäre keine Zeit vergangen. So gern ich es auch leugnen würde, die Person, die vor mir Stand war Tai, Taichi Yagami. Ich musste einen ziemlich bekloppten ersten Eindruck machen, wie ich so in meiner Apartmenttür stand, unfähig ein Wort über meine sonst so redefreudigen Lippen zu bringen, in meinem intensiven Starren eingefroren und mit dem Ausdruck der völligen Überforderung im Gesicht. Tai schien diesen Fakt entweder nicht zu bemerken oder gekonnt zu ignorieren, stattdessen schlängelte er sich nämlich grazil an mir vorbei um in das innere meiner heiligen Vierwände zu gelangen. Als wäre er schon öfters hier gewesen oder es das normalste der Welt in fremde Behausungen einzumarschieren. Sagen tat auch er kein Wort, nein, es machte den Anschein –zumindest wie ich das aus meinem Augenwinkel verfolgen konnte – als würde er sich erst mal der Einrichtung besehen und diese fachmännisch bewerten. Ich stand immer noch wie zu Eis erstarrt da, beobachtete ihn so gut es aus meiner momentanen Position eben ging und kam mir so blöd vor wie schon lange nicht mehr. In der gefühlten Ewigkeit, die ich als teilnahmsloser Zuschauer, überlegte ich mir hundert des sinnlosesten Gründe für seinen unvorhergesehenen Besuch. Natürlich hätte ich auch einfach nachfragen können und so das Rätsel mit einem Mal lösen, aber ich fühlte mich vollkommen fehl am Platz, unwohl in meiner eigenen Wohnung und wollte am liebsten mit sofortiger Wirkung die Flucht ins Freie ergreifen. Statt aber meinem ersten Affekt Folge zu leisten, schloss ich gegenteilig zuerst einmal die Tür, um neugierige Ohren vorerst zu enttäuschen. Jetzt hatte ich immerhin schon eine Bewegung durchgemacht und lehnte nun an der geschlossenen Tür, die Augen unaufhörlich auf den Braunhaarigen gerichtet, der sich nun völlig frei in meinen Zimmern umsah. Zuerst führte ihn sein Weg in das riesige Wohnzimmer, was ja unwillkürlich das erste Zimmer war, in welches man sich nach der Tür begeben musste. Von dort aus in die Küche, ins Bad und letztendlich in mein Schlafzimmer. Den Balkon mit der fantastischen Aussicht auf die gesamte Stadt bemerkte er nur flüchtig, schenkte ihm aber keine weitere Beachtung. Nach dem eigenständigen Rundgang, den ich weiterhin nur von der Tür aus registrieren konnte, schloss Tai das Ganze mit einem fast ironisch klingenden: „Schön hast du es hier.“ ab. Erwidern konnte ich darauf nichts. Ich hätte nicht gewusst was, es erforderte schon alleine eine ganze Menge Überwindung mich überhaupt von der, in meinem Rücken angenehm kühlen, Tür wegzubewegen. Aber ich schaffte es nahtlos einen Fuß vor den anderen zu setzen, obwohl ich das Gefühl hatte, ich würde sogleich den Boden unter genau diesen verlieren. Nicht mal die Kraft mich über meine verletzte Privatsphäre zu beschweren hatte ich. Langsam, schier zögerlich begab ich mich schließlich in den Raum, wo Tai ebenfalls zum Stehen gekommen war – das größte Zimmer, den Wohnbereich. Wir wirkten beide nicht minder deplatziert, ich in meiner zusammengezogenen Haltung mit verschränkten Armen, kam mir kümmerlich vor und er in seiner weiten Jeans und dem sportlichen Shirt passte ganz und gar nicht zum Rest der schicken Einrichtung. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, für ein normales ‚Hallo‘ begleitet von einem aufgesetzten Lächeln, war es längst zu spät. Für ein grobes ‚Was willst du hier?‘ allerdings noch zu früh. In diesem vermeintlichen Zwiespalt gefangen, schob ich Tai die Aufgabe zu die bedrückende Stille zu durchbrechen. Anscheinend hatte er es nicht sonderlich eilig, im Gegenteil, als nächstes ließ er sich auf der schwarzen Ledercouch sinken, machte es sich bequem und verbreitete somit die unmissverständliche Ansage, dass er nicht vor hatte allzu bald wieder zu gehen. Mich wunderte nur, dass er nicht gleich auch noch den Fernseher einschaltete. Vielleicht wäre es schlauer gewesen mich ebenfalls hinzusetzen, allein wegen der akuten Angst ich könnte jeden Moment umfallen, so sehr brachte mich diese neue Situation aus dem Konzept, aber ich blieb stehen. Es brachte mir ein bisschen mehr von dem an der Tür zurückgelassenen Selbstvertrauen zurück, wenigstens größer als mein Gegenüber zu sein. Hätte ich doch nur den Hauch einer Ahnung gehabt, was ich ihm sagen soll. Im nächsten Moment nahm der Braunhaarige mir alle meine Überlegungen ab, indem er Dinge aussprach, mit denen ich am allerwenigsten gerechnet hatte. „Es hat wirklich verdammt lange gedauert dich zu finden. Es war nicht schwer deinen Wohnort herauszufinden, so oft wie du im Fernsehen bist… aber der Rest, hätte ich genauso gut bei jedem einzelnen Bewohner klingeln können.“, er machte eine beiläufige Handbewegung, sprach in demselben Tonfall der mir noch so bildhaft in Erinnerung war. Gelassen, ruhig und doch mit diesem Witz, der auf jeden Gesprächspartner ungewollt charismatisch wirkte. Als wäre unser letztes Treffen erst gestern gewesen, nicht 2 oder fast 3 Jahre her. Ich wöllte es wäre gestern gewesen. Aber das war es nicht. Mit den 1000 km Entfernung hatten sich auch die Dinge, die zwischen uns standen summiert, umso irritierter war ich über sein Auftreten. Zwischen uns lagen Welten, damals, früher hatte ich allem und jeden den Rücken gekehrt, war der festen Überzeugung gewesen ich müsse gehen, allein – auf mich gestellt zurechtkommen, hatte dabei so viel Vertrauen in meine Plattenfirma gelegt. Sie haben mich hinsichtlich des Erfolges nicht enttäuscht, ich hatte alles was ich als Kind einer mittelständischen Arbeiterfamilie je haben wollte. Überflüssig zu sagen, dass ich aufgrund meiner durcheinanderwirbelnden Gedankengänge nicht fähig war zu antworten. Ich blieb stehen, starrte Tai an, als wäre er das ungewöhnlichste Geschöpf auf Erden, welches sich je in meiner Unterkunft befunden hatte. Zugeben, er war es. Tai machte nicht den Eindruck, als hätte er auf eine Antwort meinerseits gewartet, nein, es stellte sich heraus: er wollte auch gar keine. Er nutzte meine Schweigsamkeit, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen. „Ich denke ich werde wegen der Mühen, die ich mir deinetwegen gemacht habe, eine Weile bleiben. Die Stadt ist schön und die Menschen scheinen nett zu sein.“, mit diesen Worten lehnte er sich entspannt zurück, schloss sogar friedvoll die Augen. Derweil spürte ich wie sich meine unweigerlich weiteten, der Schock stand mir ins Gesicht geschrieben und das nicht nur, weil Tai den Entschluss gefasst hatte zu bleiben ohne mich vorher zu fragen, sondern auch weil ich langsam befürchtete durch diese vielen Überraschungen eine Herzattacke zu erleiden. Ich war zu paralysiert, um zu widersprechen und mein monotones Schweigen wurde selbstverständlich als Zusage interpretiert. Wo keine Widersprüche existierten, war bekanntlich auch kein Problem. Normalerweise hätte ich mir eine solche Dreistigkeit nie bieten lassen – falsch, eigentlich wagte es kein existierender Mensch auf Erden mit einer solchen bodenlosen Frechheit über mich herzufallen, vielleicht war es gerade dieses regelreche Überfallen was mich komplett aus der Fassung zu bringen vermochte. Niemand hätte es je gewagt – aber Tai war nicht niemand, er war jemand – der jemand. Der eine jemand, den Zwänge, Regeln und vor allem soziale Stände nicht interessierten. Es war als würde er nicht den Superstar Matt besuchen, sondern den Freund als Schulzeiten Yamato, den Menschen hinter dieser ganzen Fassade. Und er tat es, ja, ich wusste es nicht, vermutete aber aus dem einfachen Grund: weil er es eben konnte. Kapitel 3: Teil III ------------------- Ein ganzer Monat war seit diesem schicksalhaften Tag vergangen. Mehr als 4 Wochen lebte Taichi jetzt schon in meiner Wohnung, die mir erstmals viel zu eng vorkam. Wir redeten nicht miteinander, das klang eigentlich unmöglich - war aber so. Ich, der sowieso den lieben langen Tag irgendwo rumtourte und absichtlich erst am späten Abend wieder nach Hause kam und Tai, von dessen Treiben ich absolut keine Ahnung hatte. Ich wusste, dass er jeden Tag auf der Couch schlief und ich seitdem er dies zu tun pflegte, kein Fernsehen mehr geschaut hatte. Wir gingen uns sozusagen aus dem Weg – oder viel besser ich vermied es ihm überhaupt unter die Augen zu treten. Ging also so früh es nur irgend möglich war und kam so spät es nur irgend möglich war. Zusätzliche Termine, die ich mir selbst aufhalste, halfen mir dabei sehr. Das Ganze war verrückt, wenn man bedachte, dass ich ihn längst nach dem Grund seines Kommens hätte fragen müssen oder zumindest, wann er denn vorhatte wieder zu gehen. Es wirkte allerdings beinahe so, als würde dieser Zustand bis in die Ewigkeit andauern und ich musste sagen, dass ich mich mittlerweile sogar daran gewöhnt hatte, dass jemand da war, wenn ich wieder eintraf. Jemand der vor der laufenden Flimmerkiste eingeschlafen war, dem ich nachdem ich den Fernseher ausgeschaltet hatte auch noch die schützende Decke über den Körper legte und dies alles ohne das er etwas davon mitbekam. Vermutlich würde er denken, er hätte es im Schlaftrunkenen Zustand selbst getan. War mir nur recht, denn Hinterfragungen meines Verhaltens konnte ich so absolut nicht gebrauchen. Auch der Kühlschrank war seitdem gefüllt, Taichi musste wohl eingekauft haben, da er –wie sämtliche Sportler, die ich je kannte, eine gesunde Ernährung vorzuziehen schien. Vielleicht zeugte daher auch sein makelloser, durchtrainierter Körper? Aber sein Erscheinungsbild mal beiseitegelegt, der morgige Tag, seinerseits 32. den mein ehemaliger bester Freund hier verbrachte, sollte sich als ernsthaftes Problem herausstellen. Morgen war mein freier Tag, seit vielen Monaten der erste. Und diesen musste ich, wie eigentlich all meine Freizeit, in der ich mich nicht öffentlich zur Schau stellen musste, Zuhause verbringen. In einem Apartment mit Tai, von dem ich immer noch nicht wusste, ob er tagsüber das Haus verließ oder nicht. Da Tai mich aber bereits am ersten Abend seines Eintreffens nach einem Schlüssel gefragt hatte, vermutete ich fast, dass er ab und zu nach draußen ging, um sich die Zeit mit was auch immer zu vertreiben. Nur misstrauisch zu werden schien niemand, keiner sprach mich auf den hübschen jungen Mann an, der regelmäßig aus meinem Apartment kam. Auch die Presse und mein Management bekamen keinen Wind von dieser filmreifen Story, was daran liegen mochte, dass man uns nie zusammen sah und hier so viele Menschen wohnten, dass einer mehr nicht sonderlich auffiel. Tai würde unter den vielen Prominenten Profi-Sportlern, die hier ein und aus gingen, bestimmt keine große Aufmerksamkeit erregen. Ausschließlich die Putzfrau hätte meinen unfreiwilligen Mitbewohner entdecken können, aber diese arbeitete wie gesagt Top Secret. Um zu meinem freien Tag zurückzukommen: Ich entschied mich diesen erst einmal solange wie nur irgend möglich in meinem geheiligten Schlafzimmer zu verbringen – zumindest bis mich das natürlichste aller menschlichen Bedürfnisse erfasste und ich das Bad aufsuchen musste oder ich vor Hunger zu sterben drohte und ich einen Lieferdienst anrufen musste. Mich aus meinem Schlafdress pellen, tat ich trotzdem vorerst, man wusste ja nicht, ob Tai wieder einmal alle seine guten Manieren über Bord warf und einfach reingestürmt kam, wäre ja kein Erstvergehen seinerseits. Ausgesucht wurde wie üblich eine Röhrenjeans und am heutigen Tag ein schlichtes schwarzes Tshirt einer Designermarke. Normalerweise hätte ich mich nicht so ‚fein‘ herausgeputzt, sondern es einfach bei ein paar Schlabberklamotten belassen, aber selbst bei meinem alten Freund Tai konnte ich mir die Blöße nicht geben. Selbst wenn meine momentane Absicht nur darin lag mich an meinen Schreibtisch zu setzen und den ein oder anderen neuen Liedtext zu verfassen oder zu bearbeiten. Gesagt, getan. Nur diesmal war etwas entscheidendes, etwas sich als gravierend herausstellendes, anders als sonst. Zuerst fiel mir nur auf, dass meine bereits fertig geschrieben sowie komponierten Liedblätter anders dalagen, als ich sie hinterlassen hatte. Sie waren nicht mehr feinsäuberlich übereinander gestapelt, sondern lagen breit gefächert auf dem Tisch verteilt. Bei genauerem Hinsehen war an ihnen allerdings nichts komisches zu bemerken, alle Noten stimmten überein und auch der Text entsprach meiner feingeschwungenen Handschrift, vermutlich hatte nur die Putzfrau, das erste Mal in ihrem Leben eine Art Spur hinterlassen. Als mein Blick dann allerdings auf die unwichtigeren, vermarktungsungünstigen Texte fiel, erkannte ich, dass hier doch etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Nein, augenscheinlich hatte jemand in meinen Unterlagen herumgewühlt, denn auch diese waren durcheinander und nicht mehr nach Fertigstellung sortiert. In meinem letzten Werk, welches ich in einer meiner destruktiven Phasen zu Papier gebracht hatte, war sogar hineingeschrieben wurden. Ich erkannte diese krakelige, beinahe unleserliche, eindeutig einem Jungen zuzuordnende, Handschrift neben meiner eigenen und wusste sofort wem sie gehörte. Es gab schließlich nur eine Person, die ungehinderten Zugriff auf meine Habseligkeiten hatte. Ich spürte, wie zum ersten Mal die Wut in mir aufstieg – ich wusste Tai hatte eine Grenze überschritten, so wie ich erkannte, dass es an der Zeit war zu handeln, mich zu wehren. Tai klar machen, wie sehr mir sein plötzliches Auftauchen missfiel, ihn zurechtstutzen, dass er nicht machten konnte, was er wollte, ihn vor die Tür setzen, aus meinem Leben werfen, ihm für immer Lebe wohl sagen und wieder für unbestimmte Zeit alleine sein! All diese Entscheidungen traf ich binnen Sekunden, so viele wie ich in den ganzen 4 Wochen nicht hatte treffen können. Ich hätte jede einzelne von ihnen bereut, wäre meine Neugier nicht überdrüssig gewesen und hätte mich gezwungen, zumindest zu lesen, was er da ungefragt hinzugefügt hatte: Here you are on the top of the world gained experience, success, which is nothing worth. Was dich zu dem macht, der du bist. You should know, that your dream already passed by. Dass deine Träume jetzt erst beginnen. You should know, that big cars and campaign aren’t enough. Sondern noch viel mehr auf dich wartet. You should know, that there was someone before. Dass da jetzt jemand ist. You should know… You should know… The time runs slower, the space becomes lower, under a constant speed. You lost the constitution, never knew, how to plan a revolution, Jetzt ist es Zeit für einen Ausbruch. to stroke down the illusion. You are like a bird, caught in a metallic cage. Der freier sein kann, als irgendjemand sonst. Run, run , run you won’t touch the edge. Fail to use your wings - Und flieg mit mir davon. ‘cause only who believes can fly. You Social Links become zero, Einer war und ist immer da. no one come to visit, the bitterest lifestyle in this century. Look away, look away Schau nicht weg, Your heart charge: Solange mein Herz bittet, You turn wrong, dir zu folgen, while he stayed. wenn du in die falsche Richtung gehst. Eigentlich bemerkte ich in diesem Moment nur noch, wie mir beim Lesen des letzten Satzes, das dünne Stück Papier aus den Händen glitt. Mehr routiniert als mit voller Beabsichtigung bückte ich mich gleich darauf wieder, um es aufzuheben, merkte allerdings zu spät, dass ich es unbeabsichtigt mit der Hand zerknitterte. Ich war mir sicher, dass dies daran liegen musste, dass ich nun mehr keine große Kontrolle über meine Feinmotorik hatte. Ich zitterte, wie ich beim Ansehen meiner geballten Faust mit Inhalt bemerkte und auch der dazugehörige emotionale Ausbruch ließ nicht lange auf sich warten, nein, er war längst eingetreten. Lautlos rannen mir die Tränen über die Wangen und versiegten in meinem Shirt, wo man sie zum Glück nicht weiter bemerken würde. Denn noch machte ich mir die Mühe mir mit dem Handrücken über die Augen zu fahren, doch der Effekt, dass ich aufhören würde zu weinen, blieb leider völlig aus. „Arschloch…“, war das einzige, was so brüchig über meine Lippen kommen sollte. Ja, Beschimpfungen würden mir wohl in keinem Moment meines Lebens ausgehen. Wie lange es wohl her war, dass ich zum letzten Mal geweint hatte? Irrelevant, alles mir jetzt gleichgültig, bis auf den verbrauchten Zettel, den ich mittlerweile an meine linke Brust gedrückt hielt und der den Anschein machte, als wäre er das einzig wichtige auf der Welt. Und das war es. Tausend Dinge gingen mir durch den Kopf, so dass es unmöglich war einen klaren Gedanken zu fassen und mich eventuell auf die kommenden Minuten vorzubereiten. Einzig und allein die Frage nach dem, Warum‘ trieb mich dazu, Tai aufzusuchen. So dringend, so sehnsüchtig, wie ich es mir in den letzten Tagen nicht hätte vorstellen können. Es war hilfreich, dass sich hierbei meine Beine geradezu von selbst bewegten. Plötzlich schien es unvorstellbar einfach die Tür meines Schlafzimmers zu öffnen, ins Wohnzimmer zu gelangen, mich frei und ohne Vorsehen in meinem Apartment zu bewegen, auf der Suche nach nur einer Person. Und diese sollte ich finden. Zwar befand sich der Braunhaarige nicht im Wohnzimmer, aber im nächstgelegenem Raum, der Küche, wurde ich schließlich fündig. Da stand er, werkelte an der Kaffeemaschine herum und versuchte anscheinend sie mit bloßem Anstarren dazu zu bewegen das heiße Wasser schneller durch den Filter und den darin befindlichen Kaffeesatz fließen zu lassen. Bald sollte es ihm egal sein. Das einzige was ich noch bemerkte war, dass Tai ein weißes T-Shirt und eine schwarze kurze Hose trug. Ehe ich es zum ersten Mal, die Eigenschaft meiner Diele zu Knarren, sobald jemand mit nennenswertem Gewicht drauftrat, guthieß. Als er mich, gerade wegen dieses Geräusches, bemerkte, stellte ich zufrieden fest, dass ihn mein Anblick nicht komplett kalt ließ, auch seine Fassung schien zu schwanken und besonders die warmen braunen Augen vermittelten ein Bild der inneren Aufwühlung. Ohne zu Zögern ging ich auf Tai zu, ich hatte schließlich auch keine Sekunde Zeit gehabt mir Sorgen zu machen, was denn im schlimmsten Fall passieren könnte. Kaum stand ich vor ihm, so nah wie wahrscheinlich bis vor etlichen Jahren nicht mehr, konnte ich nicht anders, als meine Hand samt dem malträtierten Blattpapier an sein Herz zu pressen. Dabei sah ich ihm direkt in die Augen, überging somit mein Laster mit anderen Menschen keinen Blickkontakt aufzubauen komplett. Ebenfalls egal war es mir, dass ich nach wie vor die Tränen nicht zurückhalten konnte, trotz dessen bemühte ich mich durch schnelles Wegwischen keine verschwommene Sicht zu bekommen. Ich erwartete eine Antwort, eine Erklärung, irgendetwas was mich in meiner vollkommenen Unsicherheit befrieden konnte. Doch Tai sah mich nur an, mit diesem Blick, den er schon seit unserer Kindheit auf mich richtete, mitfühlend, liebevoll, tröstend, weil er mich nicht weinen sehen konnte oder wollte. Und dann tat Taichi die vermutlich einfachste Sache der Welt, um jemanden zu trösten. Er nahm mich in den Arm, jenes sollte ihm nicht besonders schwer fallen, da zwischen uns nur eine Armlänge meinerseits lag. Er drückte mich an sich, ohne ein Wort zu verlieren. Mein erster Affekt war es ihn schlicht von mir zu stoßen, ihn anzuschreien gegen seine verflucht warme und in gleichem Maße weiche Brust zu schlagen. Ihn nach dem verdammten Grund für diese ganze Show zu fragen. Aber selbst, wenn ich gewollt hätte, wäre wohl kein einziges Wort meinem Mund entwichen, da ich soeben in einen wahrhaftigen Heulkrampf verfiel. ‚Erbärmlich‘ wäre wohl das mit Abstand passendste Wort mit dem man mich nun beschreiben konnte, Matt der gefeierte Superstar, steht in der Küche seines Apartments und heult sich in den Armen seines besten Freunds die Seele aus dem Leib. Aber seit ich Taichis Nähe spürte, hatte ich das Gefühl ein genau solcher Ausruf der Weltpresse könnte mir rein gar nichts anhaben. Erst als mein Atem daran war sich wieder zu normalisieren, registrierte ich wie auch Tais Umarmung lockerer wurde, erneut versuchte ich die Tränen aus meinem Gesicht zu verbannen und diesmal sollte es mir sogar gelingen, vermutlich hatte ich längst alle verfügbare Flüssigkeit aufgebracht. Wir sahen einander an, weiterhin schweigend. In seinen Augen konnte ich sehen, dass es meine Aufgabe war, die Stille zu durchbrechen. „Warum, Tai? Warum bist du hergekommen, warum schläfst du seit 4 Wochen auf meiner Couch, warum schreibst du in meine Texte und warum interessierst du dich verdammt nochmal noch so viel für mein Leben?“, brach es förmlich aus mir heraus und ich hatte wirklich Mühe und Not den aufkommenden Schluchzer zu unterdrücken, egal wie leise und brüchig meine Stimme sowieso schon klang. Mir entglitten beinahe die Gesichtszüge, denn seine Reaktion war ein einfaches Lächeln. Warm und ehrlich war es und trotzdem hätte ich ihn dafür einen Kinnhacken oder ähnliches verpasst. Ich war einem Nervenzusammenbruch näher als je zuvor und er konnte nicht mehr als mich mit einem Lächeln abspeisen? Gerade als ich meinen Mund öffnete und somit zu einem zweiten Worthagel ausholte, spürte ich Tais Hand auf meiner eigenen liegen, fühlte wie seine Finger sich um die meinigen schlossen und konnte nicht verhindern, dass mir als Reaktion der Mund offen stehen blieb. Als Folge dessen flog der mehrmals beschriebene Zettel, abermals zu Boden und diesmal blieb er unbeachtet auf diesem liegen. Sollte ich in den ganzen Jahren wirklich vergessen haben, was Taichi für eine Wirkung auf mich hatte? Dass jede seiner Berührungen, so zärtlich wie sie waren, mein Herz dazu brachte höher zu schlagen? Nie hätte ich mich seinem Bann entziehen können. Auch hier, in meiner neuen Wohnung, mit meinem neuen Charakter, in meinen neuen Klamotten, in meinem neuen Leben war seine Wirkung auf mich allgegenwärtig. Einer der Gründe, warum ich ihm die ganze Zeit aus dem Weg gegangen war. Angst. Taichi hingegen wirkte momentan alles andere als ängstlich oder zurückhaltend, nein, er machte keinen Heil daraus, es mir noch unangenehmer zu machen, ihm nah zu sein. Er beugte sich ganz einfach zu mir hinunter, schmiegte seine Wange förmlich an die meinige, so dass sein Geruch mit sofortiger Wirkung in meine Nase stieg. Ich musste trocken schlucken. Berauschend, wie früher. „Du kennst die Antwort, Yamato.“, waren die leisen Worte, nah bei meinem Ohr. Meine Nackenhärchen stellten sich auf und ich schloss für einen kurzen Moment unwillkürlich die Augen. Yamato. So hatte mich ewig niemand mehr genannt, doch aus seinem Mund klang es vertrauter denn je, wie als wäre er mit meinem Zuhause zusammen hergekommen. Oder als wäre Taichi mein Zuhause. „Ich bin gekommen, weil ich mich vergewissern wollte, ob du wirklich so bist wie die Welt dich darstellt. Oh du musst wissen, ich habe sämtliche Fernsehshows verfolgt in denen du aufgetreten bist, jeden Artikel über dich gelesen und jedes deiner Konzerte im Fernsehen gesehen. Und dann habe ich beschlossen hier her zu reisen, um zu sehen, ob das Showbusiness es geschafft hat meinen Yamato zu einem Monster zu machen. Ich musste mich selbst davon überzeugen, ob du so arrogant und selbstverliebt bist, wie du dich darstellst…“, es waren ruhige Worte und ich wusste, dass sie hundertprozentig der Wahrheit entsprachen. Viel schwerer war allerdings meine nächste Frage: „Und ist er?“. Ich bin mir sicher, wäre Tais Ohr nicht genau neben meinem Mund gewesen, so hätte er die schüchtern genuschelte Frage nicht verstanden. Seine Reaktion darauf war ein leises Lachen, dass mir mehr Hitze bereitete, als ich sowieso schon vorzuweisen hatte. „Nein“, erwiderte der Braunhaarige sanft, legte dabei seinen Kopf auf meine Schulter. „Und...und wieso bist du solange geblieben…“, es war als wäre meine Sprachbarrikade gebrochen und nun arbeitete mein Mundwerk unkontrolliert, stellte Fragen vor deren Antwort ich mich eigentlich fürchten sollte. „Aus demselben Grund, aus dem du hier stehst und dich von mir umarmen lässt.“, meinte Tai daraufhin, nach wie vor rätselhaft. Konnte er nicht einfach geradeheraus sagen, was er dachte und nicht in wirren Passagen sprechen und behaupten er würde dasselbe fühlen wie ich? Eben als hätte Taichi meine inneren Beschwerden vernommen, sah er mich auch schon wieder fast mahnend an, gerade als ich meinen Mund zum Aussprechen einer neuen Frage öffnen wollte. Anscheinend empfand er es als effektiver Taten statt Worten sprechen zu lassen. Ehe ich mich versah, hatte der Braunhaarige mir eine Hand in den Nacken gelegt und somit meinen Kopf zu sich gezogen, bis sich unsere Lippen trafen. Taichi hatte mir soeben meinen ersten Kuss gestohlen, während ich die Auffassung vertrat meine Beine würden gleich nachgeben, so weich wie sie sich anfühlten. Noch ehe ich überhaupt auf diesen völlig neuen Körperkontakt reagieren konnte, war er auch schon beendet, zum Abschied blieb mir nur Tais Zunge, die noch einmal über meine Lippen fuhr. „Du …hast mich geküsst. Und deine Zunge…“, stammelte ich recht unbeholfen, wagte dabei nicht mehr als Tais Shirt vor mir zu betrachten. „Konnte es nicht mehr zurückhalten…“, antwortete er daraufhin belustigt, ich konnte sein breites Grinsen förmlich spüren. Doch zu meiner Besänftigung sollte das nicht alles sein, was über seine Lippen kam: „Weil dir mein Herz gehört, schon so lange.“ Das war definitiv genug, um meinem blassen Gesicht eine völlig neue Farbe zu verleihen. Ich war mir sicher komplett rot angelaufen zu sein. Ich musste darauf nichts erwidern, er wusste es ja sowieso. Mein Herz war sein, und sein Herz war mein. Lediglich näher an ihn heranschmiegen konnte ich mich, zu mehr war ich nicht fähig. Das war es also, was Menschen über die Liebe sagten und wirklich ich fühlte mich so geborgen wie noch nie und trotzdem gab es da etwas, was diesen Frieden zu zerstören drohte. Mein aufgebautes Leben, das zum Scheitern verdammt war. Am liebsten hätte ich für ewig hier gestanden, aber meine erlangte Redseligkeit wollte sich nicht verbergen lassen: „Und was machen wir nun?“, meine Stimme war nicht mehr als ein Murmeln in den Stoff des weißen Shirts, welches sich so perfekt an Tais Brust schmiegte. Ich hoffte fast, er hätte es nicht gehört, denn es gab keine Antwort darauf die mir gefallen hätte, da war ich mir sicher. Anscheinend war ich mir der Sache zu sicher, denn der Braunhaarige antwortete, während er mit den Fingern durch meine Haare strich, völlig entspannt: „Na ich bin gekommen, um dich zu retten.“ Irgendwie hatte ich eine viel dramatischere Aussage erwartet. „Als Ritter auf dem weißen Ross oder wie darf ich das verstehen?“, drängte sich der Sarkasmus in mir auf. Das konnte doch nicht sein ernst sein, ehrenhaft war Taichi ja schon immer gewesen, aber er glaubte doch nicht ehrlich mich aus diesem Sumpf der Musikwelt retten zu können, oder? „Vielleicht nicht mit einem Pferd, aber mit einem Privatjet sicherlich.“, ich musste ihn daraufhin angesehen haben wie ein Mondauto. „P-Privatjet?“, fragte ich mehr als ungläubig. „Wollen wir es so sagen, mein Vater hatte vielleicht keinen Erfolg mit Yagami Kooperation, ich dafür schon.“, den Stolz in seiner Stimme konnte ich fast greifen, jetzt wurde mir auch so einiges klar. Wie Tai es geschafft hatte in mein Wohngebäude zu gelangen oder was er den ganzen Tag so trieb oder dass sich niemand zu wundern schien, dass er hier ein und ausging. Manchmal kam eben doch alles, wie es kommen musste. Epilog: Epilog -------------- 2 Wochen später „Superstar Matt oder doch Superstar Mad? Heute früh gab der Pressesprecher des bekannten Musikers Matt Ishida bekannt, dass sich der junge Künstler für immer aus dem Musikbereich zurückgezogen habe. Gründe nannte er hierfür keine. Zu vermuten bleibt nur, ob wieder ein junges Sternchen vom Himmel des Showbusiness gefallen ist, weil er dem Druck nicht standhalten konnte oder ob wie so oft Drogensucht…“ Taichi hatte gerade eine dieser Boulevardzeitschriften aufgeschlagen – die er aus einem undefinierbaren Grund abboniert hatte - und damit begonnen den Artikel über mein geheimnisvolles Verschwinden vorzulesen, von diesen gab es nämlich in letzter Zeit massig zu lesen. Gerüchte über Gerüchte. Zumindest tat er dies solange bis ich, lediglich mit einem seiner – für mich selbstverständlich viel zu großen- Hemden bekleidet vor ihm stand und mich ungeniert auf seinem Schoss platzierte. Die lügenbehaftete Zeitung ist mittlerweile zur Nebensache geworden. Ich beugte mich zu ihm hinunter und ...den Rest kann man sich ja denken. - Und letztendlich ist doch nicht alles so wie es scheint, hätte Tai sich nicht die Mühe gemacht mein Leben aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten, hätte ich vielleicht nicht meine vermeintlichen Träume aufgeben und wäre nie so glücklich geworden, wie ich es heute bin. Das ist meine Geschichte. Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)