Gate of Destiny von Dabi (Into The Nothing) ================================================================================ Aufbruch (Part 1) ----------------- Keiichi Ein verdunkeltes Zimmer in einer Wohnung, erfüllt vom Klang der Tastatur und dem Klicken der Maus. Zudem vernahm man die leisen Klänge der Kopfhörer, die die Lieder von Rockbands wiedergaben. Mehr war da nicht. Die einzige Lichtquelle war das blaue Schimmern des Flachbildschirmes, das sein kaltes Licht auf das Gesicht des sechzehnjährigen Keiichi warf. Jeden Tag nach der Schule, jede freie Sekunde, verbrachte der Junge seine Zeit am Computer, wo er sich sein eigenes Leben aufbaute, fernab von all dem, was ihm zuwider war. Abgeschottet von seiner Familie, Menschen, die sich seine Freunde schimpften, und auch abgeschottet von dem kleinen rosa Wesen auf seinem Bett. So nah dieses Wesen - was sich Digimon nannte - auch war, schaffte er eine Distanz beizubehalten, die das Geschöpf vor langer Zeit aufgebaut hatte. Sie wechselten nie ein Wort miteinander. Nur wenn ab und an Schritte seines Vaters im Flur erklangen, fing die kleine Gestalt an, irgendwas zu brabbeln, er hörte es dank den Kopfhörern nie. Er wollte es auch nicht hören. Es gab noch jene Momente, wo sie allesamt am Esstisch saßen. Das waren wohl die schlimmsten. Ein falsches Lächeln, freundschaftliches Geplänkel, der Versuch, eine Fassade aufrechtzuerhalten, nur um Ruhe zu bewahren. Diese Ruhe ersehnten sich Kei wie auch sein Koromon, die beide davor schützte, den Fragen von Tai ausgeliefert zu sein, sollte dieser je dieses Spiel durchschauen. Kei wusste nicht einmal, wann dies angefangen hatte, es gab Zeiten, da liebte er sein Digimon abgöttisch, wo dieses kleine Wesen, noch voller Wärme, alles für ihn gewesen war. Aber irgendwann, ohne Vorwarnung, wurde er abgelehnt. Nach nur wenigen Versuchen war dem Jungen klar geworden, wie sinnlos weitere Versöhnungsversuche gewesen wären, also gab er es auf. Er konnte damit leben, wohl der Einzige zu sein, der seinen Digimon-Partner nicht leiden konnte, genau wie umgekehrt. Er hatte irgendwann resigniert und sich ganz in sich zurückgekehrt. Die Zeiten mit seinen so genannten Freunden, durch die Digiwelt zu reisen, lagen schon ewig in der Vergangenheit zurück und sollten dort auch bleiben. Er brauchte sie nicht mehr. Sein Vater bemerkte diese krassen Veränderungen, die sein Sohn durchlebte, sowieso nicht, da dieser meist mit Abwesenheit glänzte. Angeblich verlangte man nach seinen diplomatischen Fähigkeiten im Bezug zur Digiwelt, doch kannte Kei die Wahrheit wohl besser als Tai es ihm zutrauen würde. Kei wusste, dass sein scheinbarer Vorzeige-Vater sich allzu oft in der Digiwelt aus purem Vergnügen und Abenteuerlust herumtrieb. Aber was war schon von einem Menschen wie Tai zu erwarten? Zwar gab er als Vater sein Bestes, doch war es absehbar wie unqualifiziert er eigentlich für diesen Job war. Er hätte seinen Vater niemals als „Rabenvater“ beschimpft, weil er erkennen konnte, wenn sich jemand Mühe gab. Tai war schlichtweg unfähig. Aber Kei konnte sehr gut auch darauf verzichten, Heile-Familie zu spielen und genoss jede Minute, die Tai in der Digiwelt verschwendete und tat, als würde es vollkommen normal sein, Heim und Kind sich selbst zu überlassen. Doch war dies nicht der einzige Grund für das Fehlen Tais, es gab noch einen anderen, entscheidenden Faktor in seinem Leben, den man wahrlich als Fleck auf der Weißen Weste bezeichne konnte. Seine immerwährende Liebe zu Sora, schon zu ihrer Jugend waren diese Gefühle scheinbar vorhanden gewesen, oft merkbar, oft aber auch verschleiert durch dumme Taten. Und irgendwann gaben beide diesen Gefühlen nach, nur leider hatte Sora einen Mann. Die Ehe von Sora und Yamato war auf dem Papier wohl relativ lang gewesen, doch beendete sie diese schon nach den ersten Wochen. Wohl war erst das Jawort von Sora und Yamato ausschlaggebend gewesen, dass ihre und Tais Gefühle beide überwältigten und sie von einer wilden Nacht zur nächsten führten. Die Ehe zerbrach natürlich, wie auch nicht anders zu erwarten. Aber nicht nur diese, auch die Freundschaft der drei. Aber dies hielt Tai nicht davon ab, weiterzumachen, endlich wo er die Frau seiner Träume bei sich hatte. Doch all dies warf bei Kei keine Fragen seiner Herkunft auf, er entstand einer Laune heraus, ein Unfall, über den es nichts weiter zu besprechen gab. Der Junge würde sich deswegen nicht seinen Kopf mehr zerbrechen, es war ihm meist gleich, solang er seine Ruhe hatte und sich selbst seinem Leben widmen konnte. Wegen so manches Nachsinnens erhob sich der Braunschopf, zog die Stöpsel der Kopfhörer aus den Ohren und legte sie achtlos auf den Tisch. Er ging zu seinem Bücherregal hinüber und betrachtete dort die gesammelten Werke. Eine Reihe von Büchern stach ihm jedes Mal ins Auge. Es waren die Erzählungen Takerus, über die Reise von ihm und seinen Freunden zur Digiwelt. Diese Erzählungen umfassten fünf ganze Romane, jede davon als Bestseller betitelt und unzählige Male neu aufgelegt. Kei griff nach dem ersten Band der Reihe, blätterte es gedankenversunken durch und steckte es zurück zu den anderen. Er entsann sich wie oft er wohl jedes dieser Bücher verschlungen hatte und sie trotzdem immer wieder verinnerlichen musste. Mit dem Älterwerden erkannte er jedoch, dass sie nicht wirklich eine Bereicherung waren und warum dieses Geschreibsel so begehrenswert war, wollte nicht in seinen Kopf gehen, so hatte er doch neuere Arbeiten von anderen Erkundigungen der Digiwelt gelesen, die mehr Wissen vermittelten als diese hier. Aber es lag wohl an den echten Abenteuern, die erlebt wurden und woran sich doch jeder so gut erinnern konnte, bei geschilderten Ereignissen, wo die Digiwelt in die ihre Welt übergriff und sie bedrohte. Kei wandte sich wieder seinem PC zu und betrachtete das, in kaltes Licht getauchte Koromon, das einfach in der Gegend herumstarrte und keine Notiz von ihm nahm. Bei dem Anblick fühlte er nur wieder die Schwere seines Digivices in der Hosentasche und nahm es heraus. Mit prüfendem Blick betrachtete er dieses. Ein 0815-Digivices. Jeder hatte das gleiche, vielleicht noch eine andere Variante der Farbe, aber trotzdem das gleiche langweilige, klumpige, unhandliche Model. Ein Handy war praktischer als dieses Ding, was bei Kei nur noch der Dekoration diente als dem eigentlichen Zweck. Alles, was mit dieser elenden Digiwelt und den Digimon auf sich hatte, war eine Norm. Jeder hatte einen Partner, ein Digivice und anderes unsinniges Zubehör. Das Schlimmste jedoch war diese elende Zufriedenheit über all das. Er war es nicht. Warum auch? Sein Partner hasste ihn und er auch diesen, als dieser ihm so lästig geworden war. Eine Welt ohne ihn wäre Kei um so viel lieber gewesen als dieser heitere Sonneschein, was einem zum Würgen brachte. Für einen Moment spiegelte sich sein Antlitz im matten Display des Digivices. Ein Anblick, der ihm unangenehm war. Er war seinem Vater so schrecklich ähnlich, und als Kind um so vieles mehr. Damals wirkte er wie eine Jungversion Tais, ein für ihn irgendwann unerträglicher Zustand. Und er entledigte sich jeder Ähnlichkeit, die mit Schere und neuen Klamotten möglich gewesen war. Zerzaustes kurzes Haar, eine Vorliebe für Schwarz. Mehr war nicht drin, aber ihm half es persönlich ein bisschen, zumindest machte es erträglicher und brachte Kei sich selbst näher. Der Sechzehnjährige setzte sich wieder wie gewohnt auf seinen PC-Stuhl, lehnte sich zurück und wollte gerade die Kopfhörer aufsetzten, als ein unerträgliches, penetrantes Gepiepe ihm fast den letzten Nerv raubte. Jenes sorgte dafür, dass der rosafarbige Ball ihn heute das erste Mal beachtete. Dieses elende Geräusch kam von seinem Digivice, er nahm es wieder an sich und schaute auf den, eigentlich sonst so schwarzen Bildschirm. Nun leuchtete eine Karte, mit einem blinkenden Punkt, der passend zum Piepen aufflackerte, auf. Kei versuchte fünf Minuten lang alles Erdenkliche, um das Ding auszuschalten, sogar der Versuch mit dem Gegen-die-Wand-werfen blieb nicht aus. Alles erfolglos. Kei beschlich das Gefühl, dass es wohl erst aufhören würde, wenn er sich aufraffte und dorthin gehe, wohin ihn das Digivice führen wollte. Eine ätzende Erkenntnis. Er erhob sich, warf einen genervten Blick zu Koromon. „Ich geh ja schon, aber du kommst mit!“ „Wenn ich keine andere Wahl habe…“ Koromon war keineswegs so putzig und niedlich wie es den Anschein machte. Kei war Kormons Unlust recht egal, er würde sich das sicherlich nicht allein zumuten, dieses Digivice war ja nur wegen Koromon überhaupt bei ihm. Er schnappte sich seinen Mantel, der an der Stuhllehne hing und warf ihn sich um, danach nahm er das Plüschtier ähnliche Digimon auf seinen Arm, obwohl er es lieber in eine Plastiktüte gestopft hätte. Der Braunschopf begab sich zur Wohnungstür, ohne leise sein zu müssen, da Tai mal wieder die Nacht wo anders verbrachte, und verließ sie schließlich. Aufbruch (Part 2) ----------------- Naoki und Yumiko Spät am Abend saßen der junge Naoki, seine ältere Schwester und ihren beiden Digipartnern vor einem Brettspiel beisammen. Die Achtzehnjährige mit den schwarzblauen Haaren strich gedankenverloren über das rosa Gefieder ihres Digimon, ihr Blick starr auf das Brett gerichtet. Dem Jüngeren fiel schon seit einer Weile diese beklemmende Stille auf, bis auf das penetrante, scheinbar immer lauter werdende Ticken der Uhr. Ihm fiel auch auf, dass Yumiko immer wieder auf die Uhr sah. Sie beide wussten, dass gleich diese Stille, die schon den Ärger ankündigte, nicht mehr von langer Dauer sein würde. Beide waren froh, dass ihr jüngerer Bruder dieses Szenario nicht wieder miterleben musste, da dieser seinen Frieden bei ihrer Großmutter hatte. Für Naoki was dies nur beneidenswert. Gerade als Naokis Minomon, ein in ihrer Muschel ähnliches Krabbenwesen, am Zug war, konnten alle vier die Haustür hören, die ins Schloss fiel. Nun war der Moment gekommen, der unausweichlich war, und sie alle wussten, wessen Stimme gleich durch das ganze Haus hallen würde. Wie zu erwarten war es Yoleis schrill hysterische Stimme, die ihren eintreffenden Mann in Empfang nahm. Eine Flut aus Vorwürfen, Anschuldigungen und dergleichen sprudelten aus ihrer Mutter heraus. Obwohl sie eine Etage höher waren und die Tür verschlossen, war alles gut vernehmbar. Auch zu hören war Hawkmon, ein rotweißes Digimon, ähnlich einem Vogel, das mit Engelszungen auf die aufgebrachte Frau einredete, sie zu beruhigen versuchte. Dieses redete auf Yolei unaufhörlich ein, doch alles vergebliche Liebesmüh. Es war wie ein immer wiederholendes Ritual, dem keiner der Beteiligten entkommen konnte. Naoki lauschte dem Lärm, während seine Schwester resigniert wirkte - wie auch ihr Digimon. Aber er wusste, dass sie auch genau hinhörte und auf jedes Wort achtete. Mehr noch als er selbst. Das Einzige, was Yumiko immer nur hörte war die Stimme ihrer Mutter, aber nie die ihres Vaters, manchmal vielleicht, aber dieser war meist die Ruhe selbst. Die Schwarzhaarige entsann sich der Zeit, wo nicht fast jeder Abend in solch einem Lärm unterging. Es gab Zeiten, da lief die Ehe ihrer Eltern gut, fast vorbildlich. Auch wenn ihr Vater meist reserviert wirkte, was sie aber seinem Wesen zuschrieb, schien er sehr bemüht um ein harmonisches, ruhiges Leben. Meist war Ken viel mit seiner Arbeit beschäftigt, viel auf Einsätzen und viele Überstunden. Er verbrachte nicht viel Zeit mit Freunden, sondern kam meist etwas ermattet nach Hause. Er hatte kaum Zeit für sich und seine Interessen, und ihrer Mutter war das sehr recht gekommen. Es änderte sich jedoch: Ken bekam eine Beförderung, was ihm mehr Freiraum für vieles verschaffte. Zu einer der Sachen, die er gerne machte, gehörte auch Daisuke zu besuchen. Yumiko hatte als Kind ihrem Vater gerne zugehört, wie er von ihren früheren Abenteuern berichtete, auch erwähnte, was für eine einzigartige tiefgehende Freundschaft er zu Daisuke aufgebaut hatte. Es war nicht nur wegen der besonderen Art der Digitation ihrer Digimon, vorher war Daisuke auch schon sehr darum bemüht gewesen, eine Freundschaft zu Ken aufzubauen. Diese Freundschaft wollte ihr Vater vor einiger Zeit wieder vertiefen, da Daisuke selbst wieder mehr Zeit für dergleichen hatte. Also verbrachte ihr Vater seine wenig gewonnene Zeit damit, seinen besten Freund zu besuchen, es war nicht absehbar gewesen, was für Folgen das auf ihre Familie haben sollte. Die Oberschülerin merke schnell, dass die Treffen der beiden ein Dorn im Augen ihrer Mutter waren, sie hieß Daisuke lange nicht mehr gut und auch deren Freundschaft. Sie hatte eine Besitzgier bei Ken entwickelt, die vielleicht einer Besessenheit hätte gleichen könnten. Eines Abends, als ihr Vater früher als sonst nach Hause kam, wirkte dieser in sich gekehrt und besonders ruhig, für seine Verhältnisse. Er ging sofort zu Bett. Ihre Mutter gönnte Wormon jedoch keinen Schlaf und führte an dem Digimon fast schon eine Art Verhör durch, wurde jedoch nur mit Schweigen gestraft. Dies führte zu wirren Schlussfolgerungen. Nach diesem Abend begannen die Streitereien und das Geschrei im Haus, eine unerträgliche Tortur für die Kinder und für die Digimon. Und Yumiko fand es immer noch fraglich, wie viel Wahrheitsgehalt diese Vorwürfe der Mutter wirklich hatten. Es war wohl mehr als deutlich, dass vieles den irrwitzigen Hirngespinsten Yoleis entstammte und sie sich diese selbst einredete. Das plötzliche Knallen der Haustür riss das Mädchen aus ihren Gedanken, ihr Vater war wohl wieder mal dieser Situation nicht gewachsen gewesen und ging wieder. Yumi wusste wie sensibel er eigentlich war und wohl keiner würde den ganzen Abend so etwas ertragen können. Er würde wohl erst wiederkommen, wenn er sich für den nächsten Ausbruch seiner Frau bereit fühlte und dann wieder zu Daisuke zurückkehren, bei diesem er einen Unterschlupf fand. Die nun aufkommende Ruhe war noch bedrückender und unerträglicher als vorher, es lag allen im Zimmer schwer im Magen. An das Beenden des Spieles war für keinen mehr zu denken, daher beschlossen sie das Brett einzupacken und sich schlafen zu legen. Seufzend räumte Naoki alles zusammen. Er wünschte sich mittlerweile nichts sehnlicher als aus diesem Haus zu verschwinden, es war alles nur noch so unerträglich. Die Ehe seiner Eltern war ein Scherbenhaufen und eine Scheidung nur noch eine Frage der Zeit. Dies war vielleicht nicht mal schlecht, vielleicht würde dann alles wieder erträglicher werden. Es war eh eine Ehe gewesen, die keinen guten Start hatte, mehr entstanden aus Pflichtgefühl, weil ihr Vater sich von Yolei in eine unüberlegte Nacht stürzten ließ, nach der es für Ken zur Pflicht wurde, Yolei zu ehelichen, da diese davon Yumi in sich trug. Naoki wollte aber nicht mehr weiter darüber nachdenken, es drehte sich eh schon zu vieles darum und um Sachen, die er nicht mal wissen wollte, oder verstand, wo seine Schwester mehr den Durchblick hatte. Als das Spielbrett weggeräumt war, schnappte sich Naoki sein Minomon, das schon schlief. Er betrachtete es kurz und schmunzelte leicht, als er sah, wie es dreinschaute im Schlaf. Er liebte sein Digimon sehr, es heiterte ihn immerzu auf, wie auch Yumikos Digimon sie, wo dessen leichte Dummheit seine Schwester wirklich belustigte. Sie beide hingen sehr an ihnen, besonders in solchen Situationen und auch waren die Geschwister sich untereinander sehr nah. Auch wenn sie keine kleinen Kinder mehr waren, so war es für sie beide dennoch wichtig, dieses Verhältnis zueinander aufrechtzuerhalten. In dem Moment, als Yumi sein Zimmer verlassen wollte, ertönte ein zwar nicht lautes, aber sehr penetranteres Piepen im Zimmer des Jungen. Dies ließ die Schwarzhaarige innehalten. Das Geräusch kam aus zwei Richtungen: Aus dem Bett des Jungen und der Hosentasche Yumis. Beide nahmen ihre Digivices, beobachtet von ihren Gefährten. Als Naoki seines in der Hand hielt, erkannte er nur eine Karte und einen immerwährenden aufflimmernden roten Punkt. Er wusste nicht, wie er dies abschalten sollte, das Ding hatte ja nicht mal eine Bedienungsanweisung. „Das hat es noch nie gemacht…“, murmelte er mehr zu sich selbst. Aber in ihm kam was auf, ein Gefühl, dem folgen zu müssen, ein Drang, dem er zu gern nachgab. Ohne noch weiter auf die Digimon oder seine Schwester zu achten, machte er sich fertig, um zu gehen. Sogar seine Laptoptasche nahm er hastig mit. „Willst du da hin?!“, fragte seine Schwester leicht entsetzt. Aber auch er sah das Glitzern in ihren Augen. „Du doch auch.“ Mehr musste der Junge nicht sagen, um sie zu überzeugen, nur ihr Poromon wirkte unlustig, es war müde. Das hielt sie doch nicht daran, sie verschwand aus seinem Zimmer in ihres, mit ihrem Digimon im Arm. Naoki selbst schnappte sich seines, was immer noch schlief und auch wohl sobald nicht mehr aufwachen würde, und ging in den Flur. Der Flur war dunkel und auch von unten kam kein Licht, seine Mutter hatte sich wohl wieder ins Schlafzimmer verkrochen, sie hatten also freie Bahn um zu verschwinden. Für eine Nacht zumindest. Yumi kam aus ihrem Zimmer mit einem halb offenen Rucksack. Der Mittelschüler war sich sicher, dass die Hälfte des Rucksacks mit ihrem Poromon gefühlt war, der Rest würde sich zeigen, was sie noch bei sich hatte. Die Geschwister schlichen die Treppe hinunter zur Haustür. Schnell schlüpften beide in ihre Schuhe und verließen rasch das Haus, um dem Signal des Digivices zu folgen Aufbruch (Part 3) ----------------- Setzuna Die Einbauküche in der kleinen Wohnung Yamatos glich einem immer wiederkehrenden Chaos. Das war jedoch meist normal, wenn der vierzehnjährige Setzuna für sich und sein Digimon das Essen zubereitete. Der Rotschopf war viel allein zuhause, abgesehen von seinem Tsunomon, welches ihm nie von der Seite wich. Das pelzige Wesen mit dem Klingenhorn saß auf dem Tisch, beobachtete stillschweigend wie Setzuna das Chaos beseitigte und wieder Ordnung schuf. Eine mühselige Arbeit. Set war meist schweigsam, wenn er sich auf etwas konzentrierte, da der Junge immer dies sehr gewissenhaft erledigte. Tsunomon entging nicht die immer wiederholenden Blicke des Jungen auf die Uhr. Es war schon sehr spät, und dessen Vater und Gabumon würden wohl nicht mehr nach Hause kommen, vermutlich weil Yamato wieder mal in seine Arbeit vertieft war. „Ich glaube nicht, dass sie heute noch nach Hause kommen“, informierte das runde Wesen mit piepsiger Stimme seinen Partner, und er sah das Set diese Erkenntnis wohl auch hatte und sich schnell damit abfand. Yamato war meist nicht zuhause, oder kam erst, wenn Setzuna schon im Bett lag und schlief, sie bekamen sich kaum zu Gesicht. Bevor die Ehe von Yamato in die Brüche ging, war er mehr zuhause und bei seinen Kind gewesen, aber nun nach diesem ganzen Drama in dessen Leben, flüchtete der Vater des Jungen sich steht’s in seine Arbeit und ließ sich noch weniger blicken. Man konnte die Stunden in einer Woche an einer Hand abzählen, wo sie sich sahen. Das Digimon merkte schnell, wie der meist ruhige Junge darunter litt und sich oft allein fühlte, verlassen von der Mutter und dem Vater. Doch war es um das Verhältnis dessen Schwester nicht besser bestellt gewesen, sie mied ihren kleinen Bruder wie einen Todkranken. Dem Digmon fiel es immer schwerer, die Laune seines Freundes zu heben, aber es gelang ihm immer noch, was erleichternd war. Set setzte sich zu ihm, und sie beide sahen sich schweigend an. Tsunomon versuchte es mit einem Lächeln und Set erwiderte dieses matt. Er freute sich, wenn Setzuna etwas fröhlicher war und sie beisammen waren. Sie waren immer beisammen. Der Pelzknäuel fühlte die Hand des Jungen über sein Fell streicheln, bevor Setzuna aufstand und ihn in die Arme hob. Es war Zeit, dass sie sich hinlegten, Setzuna musste morgen früh raus, und es dauerte immer so schrecklich lange, den Jungen zu wecken, da musste er ausgeschlafen sein. Plötzlich ertönte ein immer wiederholendes Geräusch. Sie wussten beide nicht woher es kam. „Vielleicht aus deinem Zimmer?“ Setzuna hörte auf den Vorschlag und ging in dieses, das Geräusch wurde wirklich lauter und penetranter als im Flur. Sie beide sahen wie das Digivice, welches auf dem Tisch lag, immer wieder aufleuchtete. Der Rotschopf ging auf dieses zu und setzte das Digimon auf dem Tisch ab. Eine Zeit lang war nur das Piepen des Gerätes zu hören gewesen, auf welches Setzuna die ganze Zeit starrte. „Scheint eine Karte zu sein. Der zeigt an, was in der Nähe ist. Sollen wir da hin?“ Der fragende Blick von Set ruhte auf dem Digimon. Der Junge verließ sich sehr auf das Urteilsvermögen von Tsunomon und dieser stimmte einfach mal zu. „Kann nicht schaden.“ Als der Junge diese Worte hörte, schnappte er sich sein Digimon und verließ auch schon sein Zimmer. Am Eingang streifte er sich schnell die Jacke über und wickelte seinen Partner in einen Schal, da es draußen doch recht kalt war. Es sah auch nach Schnee aus. Set zog noch schnell die Schuhe an, nahm Tsunomon direkt wieder in seine Arme und verließ schnellen Schrittes die Wohnung, gepackt von Neugierde. Yuuki Das fünfzehnjährige Mädchen saß auf der Couch, in dem von Stoff und Stoffresten übersäten Wohnzimmer. Überall lagen diese Fetzen herum, genauso wie Skizzen mit Entwürfen und angefangenen Kleider oder Kimonos. Yuu hatte nicht das Bedürfnis, dem Chaos ihrer Mutter Einhalt zu gebieten. Sie hatte ja nicht diese Unordnung gemacht, also musste sie auch nichts aufräumen, abgesehen davon, dass, wenn sie das ordnen müsste, würde wohl vieles im Müll laden, vielleicht sogar alles. Auch wenn Sora eine angesagte Modedesignerin war, so traf nix vom dem, was sie schuf, den Geschmack ihrer Tochter. Yuu ähnelte dem Äußerem her eher dem Bild einer Yankee als dem ihrer Mutter, diese ja viel Wert auf ihr Äußeres gab. Die Blondine lauschte der lauten Musik aus der Anlage, auf ihrem Schoß ihr Yokomon, ein pflanzenähnliches Digimon in Rosa mit violetten Ornamenten verziert. Das Digimon war für Yuu schon ein hübscher Anblick. Ein wohliger Seufzer war von dem Digimon zu vernehmen. „Scheint dir ja grad super zu gehen, Kleine“, säuselte Yuu leicht vergnügt. „Warum auch nicht, endlich wieder alleine. Die Musik schön laut und Ruhe vor Sora, wo auch immer sie wieder ist.“ Yokomon hatte keine besondere Zuneigung zu Sora, es hatte keinen Grund, es war einfach eine geborene Antisympathie. Aber was die Frage des Aufenthalts der Designerin ging, so wusste die Schülerin genau wo ihre Mutter war. Yuu hätte ihr ganzes Geld drauf verwettet, dass ihre Mutter sich mit Tai mal wieder traf. Sie wusste gar nicht, was die Alte an dem Kerl bloß fand. Ihr Vater war doch ein Bild von einem Mann und dazu ein Super-Vater. Kein Vergleich zu Taichi. Sie konnte ihre Mutter da einfach nicht verstehen und wollte es auch nicht, warum auch? Ihre Mutter hatte die ganze Familie auseinandergerissen für so einen dahergelaufenen Trottel auf zwei Beinen. Nur weil sie mal in den Typ verknallt war. Es ging Yuu nicht in den Kopf, warum Sora dann überhaupt Matt geheiratet hatte, wenn diese doch eh in den Armen eines anderen Mannes landen würde. Sie musste sich wieder daran erinnern, was an einem Abend früher einmal gewesen war. Die Scheidung ihrer Eltern war in vollem Gange gewesen und sie lebte schon bei ihrer Mutter und ihr kleiner Bruder, der Glückspilz, bei ihrem Vater. Sie war bei ihnen zu Besuch gewesen, wollte mit Setzuna ein bisschen Zeit verbringen und ihrem Vater eben. Sora hatte sich an diesem Abend sehr verspätet. Set lag schon im Bett und schlief und sie selbst war auch kurz davor gewesen, einzudämmern, als sie die Klingel hörte. Das Mädchen brauchte eine ganze Weile, bis sie aus den Federn kam und sich fertig machte. Bevor sie Sets Zimmer verließ, vernahm sie die bittende Stimme ihres Vaters. Yamato versprach Sora alles und noch mehr, mehr Zeit für die Familie, mehr Zeit für sie, doch sie lehnte alles höfflich ab. Matt wusste wohl nicht, warum sie sich für Tai und nicht für ihn entschieden hatte. Yuu empfand zu dem Zeitpunkt so viel Mitleid für ihn wie für niemand anderen, Sora war die Liebe seines Lebens gewesen. Er gab es bald auf, den er schien zu wissen, dass das wohl sinnlos war. Dann kam eine Bitte, mit der wohl ihre Mutter nicht gerechnet hatte, er verlangte wenigstens zu wissen, wie lang das denn schon mit seinem besten Freund lief. Eine Frage, dessen Antwort er wohl besser nie gehört hätte. Es war fast über die ganze Länge der Ehe gewesen, kurz nach Yuus Geburt. In diesem Augenblick schoss Yuu ein Gedanke durch den Kopf, denselben, den auch ihr Vater wohl gehabt hatte: War Setzuna überhaupt sein Sohn?! Als er diese Frage stellte, sagte schon allein der Gesichtsausdruck ihrer Mutter mehr als tausend Worte: Er war es nicht. Ihr Vater war am Boden zerstört. Yuu schnellte in diesem Moment ins Zimmer ihres kleinen Bruders zurück und legte sich hin. Sie wusste, dass das Gespräch ein Ende gehabt hatte und wollte nicht beim Lauschen erwischt werden. Kurz darauf kam ihre Mutter hinein, weckte sie und nahm sie mit nach Hause. Es war wohl einer der schlimmsten Abende in Yuus Leben. An dem Tag veränderte sich ihr Verhältnis zu ihrer Mutter und ihrem Halbbruder. Ihre Mutter wies sie in jeder Hinsicht ab, aber leider auch Set, obwohl er ja nichts dafür konnte. Aber sie konnte nicht anders als ihn nun zu einem Grund der Scheidung zu machen. So gedankenverloren wie die Blondine war, war es nur die Stimme Yokomons, die sie aus dem Gedanken riss. „Hörst du das denn nicht?“ „Hm, was denn?“ Erst dann hörte die Schülerin es, ein nervendes Gepiepse von ihrem Digivice. Sie nahm es zur Hand und betrachtete den aufleuchtenden Punkt. Sie war sichtlich irritiert. Leise murmelte Yuu, eigentlich mehr zu sich selbst: „Scheint wohl eine Karte zu sein…“ „Und auf was zeigt die?“, wollte das kleine Wesen nun unbedingt wissen, gepackt von Neugier. „Irgendwo wohl in der Nähe vom Fernsehsender, da wo Opa arbeitet.“ Nach dem sie das sagte, sah sie ihr Digimon an, welches sie mit großen Augen ebenfalls betrachtete. Das kleine Digimon war immer sehr neugierig gewesen und wollte nun sicherlich – unbedingt - da hin. Der Blick von Yokomon verriet alles. „Ist ja gut, wir gehen hin…“ Mit dieser Aussage erhob sich das junge Mädchen und nahm ihr Digimon in die Arme. Da sie schon in voller Montur angezogen war, zog sie sich nur schnell ihren Parker über. Sie selbst war zwar nicht so interessiert daran, aber verließ trotzdem die Wohnung, um zu sehen, was dort sein könnte. Kira Kira lebte zwar mit seiner Mutter und den Digimon alleine hier, aber im Großen und Ganzen konnte er sich zufrieden stellen. Kari war eine liebevolle Person, die sich gut um alle in diesem Haushalt und auch um die Kinder bei ihrer Arbeit kümmerte. Alles ging seine Mutter mit besonderer Fürsorge an. Es gab für den Jungen eigentlich nichts zu beschweren, besser konnte er es ja kaum haben mit so einer Mutter, und dem war auch so. Kari war für diesen Abend mit einer Arbeitskollegin ausgegangen, hatte ihrem Sohn noch schnell was fürs Abendessen gekocht und hingewiesen, wie er sie erreichen konnte. Nur Gatomon ließ sie auch noch da, um ein bisschen auf Kira Acht zu geben, für den Fall der Fälle eben. Gatomon war aber keine gute Aufpasserin, sie schlief an solchen düsteren Tagen mittlerweile recht viel, sie verfiel mehr und mehr in die Gewohnheiten einer Hauskatze. Aber der Braunschopf gönnte dem Digimon, das einer weißen Katze mit Handschuhen glich, seinen Schlaf. Kira saß mit seinem Salamon auf der Fensterbank seines Zimmers und betrachtete den Himmel, dann konnte er sehen, wie kleine Schneeflocken langsam vom Himmel herabfielen. Jede Flocke schmolz an seinem Fenster dahin. Ein Geräusch lenkte ihn von dem Wetter draußen ab, Salamon fixierte ihren Blick auf seine Hosentasche. Er griff in diese und holte sein Digivie heraus, das immer wieder aufleuchtete. Er kannte den Ort, welches das Gerät zeigte und stand schon auf. War einmal eine nette Abwechslung etwas raus zu gehen. Salamon hüpfte von der Fensterbank herunter und folgte ihm auf Schritt und Tritt ohne Fragen zu stellen. Kira zog sich schnell für draußen an und schaute, dass sein Digimon auch was Warmes anbekam, er wollte nicht, dass Salamon sich noch erkältete bei dem Wetter. Er griff noch schnell nach seiner Seitentasche und schlich zur Tür. Sein hundegleiches Digimon tippelte ihm schweigend nach und schlüpfte schnell durch den Türspalt. Der Junge tat es dem Digimon gleich und verließ die Wohnung lautlos. Das Zusammentreffen ------------------- Der Weg, dem ihm das Digivice wies, war nicht sehr weit. Doch die Dunkelheit an diesem Tag und der nun fallende Schnee machten es unangenehm dorthin zu gehen, hinzukommend auch dieses nervende Piepen was einfach nicht aufhören wollte. Koromon schien das alles egal zu sein, der äußerte sich nicht dazu. Das Wesen in Rosa machte eher einen gleichgültigen Eindruck. Keiichi fragte sich langsam, warum er ihn überhaupt mitgenommen hatte, es war nur eine Last. Die Kälte fraß sich schnell durch den dünnen Stoff seines Mantels, was ihn aber nicht daran hinderte, weiter zu gehen - auch nicht der stärker werdende Wind und Schneefall, der im Nu die ganze Stadt in Weiß getaucht hatte. Aus einer Notwenigkeit heraus musste er Koromon unter dem Mantel verstecken. Das Digimon und er mochten sich zwar nicht, aber das machte ihn nicht zu einer verantwortungslosen Person, die so ein kleines Wesen unnötig diesem Wetter aussetzte. Trotz der knappen Entfernung kam es dem Jungen doch sehr lang vor, bis er endlich das Gebäude des Fernsehsenders erkannte. Zu seinem Bedauern war dort noch eine Ansammlung von anderen Menschen zu erkennen, doch erkannte er von dieser Entfernung her noch keinen der anderen, aber es war sehr wahrscheinlich, dass sie alle Digimon bei sich hatten. Wer läuft den heute noch ohne sein ach so geliebtes Digimon herum?, ging es Kei durch den Kopf. Dieser Gedanke hatte jedoch bei ihm einen bitteren Beigeschmack, weil er selbst es auch tat, aber nur weil es sein musste, nicht weil er es wollte. All die Personen waren an einer großen Bildschirmwand versammelt, die nach seines Wissens her erst vor wenigen Wochen angebracht wurde. Er kam manchmal hier entlang und musste irgendwann einmal feststellen, dass dieser Bildschirm neu errichtet wurde, um nervende Werbungen von Pflegeprodukten oder anderen unnötigem Kram an den Mann zu bringen. Er konnte jedoch eine gute Sache endlich all dem abgewinnen, das nervende Piepen hatte endlich aufgehört und nagte nicht mehr an seinen Nerven. Eine andere Sache jedoch ließ ihn ganz anders zumute werden, sein gelassener Gesichtsausdruck wandelte sich zu einer gleichgültigen Maske. Es waren alles Menschen, die er am liebsten nie wieder sehen würde, doch war es nun zu spät um umzukehren, da sie ihn ebenfalls entdeckt und zur Kenntnis genommen hatten, was wiederum nicht positiv war. So wie es für Kei aussah, waren sie alle auch erst gerade eben angekommen. Einst schimpften sie sich alle seine Freunde, heute wohl würde das keiner mehr von ihnen tun, vielleicht nur der großgewachsene Junge, der ihn wohl um fast einen Kopf überragte, aber das mehr aus verwandtschaftlichen Gründen oder Pflichtgefühl, als aus wirklicher Überzeugung. Die Erste, die ihn scheinbar erkannte, war das junge Mädchen mit dem langen blonden Haar und dem verhüllten Yokomon auf ihrem Arm. Die Verabscheuung, mit der sie ihn ansah, war wirklich nicht einmal zu übersehen, wenn man es gewollt hätte. Es war ihm jedoch gleich, weil er wohl genauso eine große Anti-Sympathie für sie hegte wie sie für ihn. Wie Keiichi vermutet hatte, hatte jeder der anderen Fünf seinen Digipartner bei sich und umsorgten sie wegen des kalten Wetters. Der Rosaball unter seinem Mantel wollte wohl nicht mehr als nur ein bisschen Schutz vor dem Schnee, aber mehr erwartete dieses Digimon wohl auch nicht von ihm, und mehr wollte er auch nicht geben als nur das. Bis auf ein kurzes Aufflackern des Bildschirmes geschah nichts, die Anzeige war ansonsten Schwarz, wohl wegen des Wetters. Der Braunschopf fragte sich langsam, warum er überhaupt hergekommen war. Nichts geschah, das Digivice hatte ihn schlicht an einen Ort geführt, voll von Leuten, die er auf den Tod nicht ausstehen konnte. Die Sympathie, die er mal für sie alle empfunden hatte, war gänzlich verschwunden. Für Kei war das alles hier nur noch eine Sinnlosigkeit, er wusste etwas Besseres als hier wie ein Idiot herum zu stehen. Daher wandte er sich schon zum Gehen ab, als ihn jemand der anderen ansprach. Eine Stimme, die er öfters hörte als er wollte. „Kei?“ Automatisch drehte sich der Angesprochene seinem Cousin Kira zu und schaute leicht hinauf. Dass er zu Kira aufschauen musste, war auch eine Tatsache, die den Jungen nervte, er kam sich wegen solchen Nichtigkeiten schon unterlegen vor, oder das man auf ihn herabsah. „Was?“ Er war von sich selbst erstaunt, dass er dieses Wort seinem Cousin vollkommen ruhig gesagt hatte. „Bist du auch hier, weil das Digivice es zeigte?“ Es war schon erstaunlich wie viel Freundlichkeit und Vertrauen in diesen Worten von Kira ihm entgegenschlug, dass es dem Jungen vorkam, als wolle der Größere ihn damit reizen. „Sind wir wohl alle, würde ich mal so vermuten.“ Die Verachtung für den anderen, mit der es dies sprach, war wirklich für keinen zu verkennen. „Aber das unser so brave Vorzeigesohn um so eine Zeit noch draußen herumläuft, da wird meine arme Tante ja schrecklich besorgt sein, den lieben Kira nicht schon im Bettchen zu finden.“ All dies strotzte nur so von Spot. Die Reaktion Kiras war für Keiichi vorhersehbar, ein mattes freundliches lächeln, mit einem bedauernden Blick, und schon wandte sich der größere wieder den anderen zu ohne weiter darauf eingegangen zu sein. In diesem Moment flackerte der Bildschirm aus neue auf, aber ging dann von alleine an und übertrug ein Bild. Es war jedoch nichts von den normalen Werbesendungen, die auf diesem Gerät dauernd liefen, oder irgendwelche wichtigen Nachrichten. Es war eine Person zu sehen, verhüllt von Dunkelheit. Das einzige Klare, was man erkannte, dass es sich hierbei um eine Frau handelte. Der Oberkörper und ihr Gesicht waren perfekt mit der Dunkelheit verschmolzen. Das, worauf sie saß, war wohl ein thronähnlicher Stein. Ein Arm, der in Ketten gelegt war, lag auf einen der Lehnen, der andere verschwand wie so vieles in der Dunkelheit des Raumes, in dem sich diese Frau befinden musste. Kei kam nicht umhin festzustellen, dass diese Frau wohl eine Vorliebe für Lack haben musste, da alles, was diese Frau am Leibe trug, in schwarzem Lack gehüllt war. Eines jedoch ließ ihn vermuten, dass sie vielleicht gar keine normale Frau war, eigentlich war er sich sogar zu hundert Prozent sicher, dass sie kein Mensch war. Keine normale Frau, kein Mensch hatte in der Dunkelheit rotleuchtende Augen, jene, die die Gruppe von Menschen zu fixieren schien. Aber noch ein zweites Paar Augen starrte sie alle an, aber jedoch nicht so eindringlich wie die der Frau, vermutlich eine zweite Person. Gebannt von dem Bild vor ihnen schreckte sie das lautschrillende Gelächter dieser Frau auf. Es war eines dieser Lachen, die man schwerlich wieder vergessen konnte, so sehr fraßen sie sich ins Gedächtnis. Koromon in den Armen des Schülers kämpfte sich durch den Mantel, um ebenfalls Anteil an diesem Moment zu haben, es wirkte nun mehr angespannt als gleichgültig. Kei fühlte wie das kleine Wesen in seinen Armen zu zittern begann, aber es war keine Angst, das sah er in den großen Augen, die das Bild anstarrten. Dies war ein Blick, den er nie zuvor bei seinem Digimon gesehen hatte. War es Aufregung? Freude? „Alle sind meiner Einladung gefolgt.“ In diesem Worten schwang ein vorfreudiges Kichern mit, was zu einem lauten Lachen umschlug. Diese Frau schien wirklich erfreut zu sein, weil alle gekommen waren. „So viele Nachfahren der Digiritter. Ich musste so lange warten, endlich ist es so weit.“ In all ihren Worten schwang Sehnsucht und eine finstere Freude mit. Kein weiteres Wort kam über die Lippen dieser Frau, nur ihr Lachen wollte nicht verklingen. Sie alle wirkten recht irritiert von dieser Offenbarung und wussten nicht, wie sie nun reagieren sollten. Es geschah auch nichts weiter, worauf man hätte reagieren können. Erst nach einigen Sekunden machte sich allgemeine Erleichterung scheinbar breit, bei Kei jedoch nicht. Er war sich sicher, dass dies nicht alles sein konnte, das noch mehr kommen musste als nur das. Die übergroße Mattscheibe flackerte wieder auf, das Abbild der Frau in Schwarz war verschwunden. Anstelle des Bildes wurde eine Reihe von Zahlen abgerufen. Aber dies geschah nicht nur auf dem Bildschirm, die Digivices der anderen, wie auch sein eigenes, leuchtete nun auch auf. Kei holte seines aus der Tasche. Das zeigte ebenfalls ein Abrufen von Zahlen. Ihm wurde zu spät bewusst, dass der Bildschirm, die Frau dahinter, eine Verbindung zu ihren Digivices aufbauen wollte. Es wurde ihm erst klar, als es schon zu offensichtlich wurde. Das Gerät in seiner Hand leuchtete grell auf, verband sich mit diesem Licht an die Mattscheibe und die Geräte der anderen ebenfalls. Mit Entsetzen mussten die Kinder und ihre Digimon feststellen, dass sie sich plötzlich in ihre Bestandteile auflösten und diese auf die große Fernsehfläche übertragen wurden. Kei beschlich das böse Gefühl, dass diese Einladung, alles andere als wohlwollend gemeint war und sie nun alle ins Verderben stürzen würden. Es war wohl das erste Mal im Leben des Jungen, dass er so etwas befürchten musste. Bevor er sich ganz auflöste, konnte er noch eines vernehmen, bis auf die Kälte, den Schnee und den Wind, das schallende Gelächter der Frau. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)