Gate of Destiny von Dabi (Into The Nothing) ================================================================================ Aufbruch (Part 1) ----------------- Keiichi Ein verdunkeltes Zimmer in einer Wohnung, erfüllt vom Klang der Tastatur und dem Klicken der Maus. Zudem vernahm man die leisen Klänge der Kopfhörer, die die Lieder von Rockbands wiedergaben. Mehr war da nicht. Die einzige Lichtquelle war das blaue Schimmern des Flachbildschirmes, das sein kaltes Licht auf das Gesicht des sechzehnjährigen Keiichi warf. Jeden Tag nach der Schule, jede freie Sekunde, verbrachte der Junge seine Zeit am Computer, wo er sich sein eigenes Leben aufbaute, fernab von all dem, was ihm zuwider war. Abgeschottet von seiner Familie, Menschen, die sich seine Freunde schimpften, und auch abgeschottet von dem kleinen rosa Wesen auf seinem Bett. So nah dieses Wesen - was sich Digimon nannte - auch war, schaffte er eine Distanz beizubehalten, die das Geschöpf vor langer Zeit aufgebaut hatte. Sie wechselten nie ein Wort miteinander. Nur wenn ab und an Schritte seines Vaters im Flur erklangen, fing die kleine Gestalt an, irgendwas zu brabbeln, er hörte es dank den Kopfhörern nie. Er wollte es auch nicht hören. Es gab noch jene Momente, wo sie allesamt am Esstisch saßen. Das waren wohl die schlimmsten. Ein falsches Lächeln, freundschaftliches Geplänkel, der Versuch, eine Fassade aufrechtzuerhalten, nur um Ruhe zu bewahren. Diese Ruhe ersehnten sich Kei wie auch sein Koromon, die beide davor schützte, den Fragen von Tai ausgeliefert zu sein, sollte dieser je dieses Spiel durchschauen. Kei wusste nicht einmal, wann dies angefangen hatte, es gab Zeiten, da liebte er sein Digimon abgöttisch, wo dieses kleine Wesen, noch voller Wärme, alles für ihn gewesen war. Aber irgendwann, ohne Vorwarnung, wurde er abgelehnt. Nach nur wenigen Versuchen war dem Jungen klar geworden, wie sinnlos weitere Versöhnungsversuche gewesen wären, also gab er es auf. Er konnte damit leben, wohl der Einzige zu sein, der seinen Digimon-Partner nicht leiden konnte, genau wie umgekehrt. Er hatte irgendwann resigniert und sich ganz in sich zurückgekehrt. Die Zeiten mit seinen so genannten Freunden, durch die Digiwelt zu reisen, lagen schon ewig in der Vergangenheit zurück und sollten dort auch bleiben. Er brauchte sie nicht mehr. Sein Vater bemerkte diese krassen Veränderungen, die sein Sohn durchlebte, sowieso nicht, da dieser meist mit Abwesenheit glänzte. Angeblich verlangte man nach seinen diplomatischen Fähigkeiten im Bezug zur Digiwelt, doch kannte Kei die Wahrheit wohl besser als Tai es ihm zutrauen würde. Kei wusste, dass sein scheinbarer Vorzeige-Vater sich allzu oft in der Digiwelt aus purem Vergnügen und Abenteuerlust herumtrieb. Aber was war schon von einem Menschen wie Tai zu erwarten? Zwar gab er als Vater sein Bestes, doch war es absehbar wie unqualifiziert er eigentlich für diesen Job war. Er hätte seinen Vater niemals als „Rabenvater“ beschimpft, weil er erkennen konnte, wenn sich jemand Mühe gab. Tai war schlichtweg unfähig. Aber Kei konnte sehr gut auch darauf verzichten, Heile-Familie zu spielen und genoss jede Minute, die Tai in der Digiwelt verschwendete und tat, als würde es vollkommen normal sein, Heim und Kind sich selbst zu überlassen. Doch war dies nicht der einzige Grund für das Fehlen Tais, es gab noch einen anderen, entscheidenden Faktor in seinem Leben, den man wahrlich als Fleck auf der Weißen Weste bezeichne konnte. Seine immerwährende Liebe zu Sora, schon zu ihrer Jugend waren diese Gefühle scheinbar vorhanden gewesen, oft merkbar, oft aber auch verschleiert durch dumme Taten. Und irgendwann gaben beide diesen Gefühlen nach, nur leider hatte Sora einen Mann. Die Ehe von Sora und Yamato war auf dem Papier wohl relativ lang gewesen, doch beendete sie diese schon nach den ersten Wochen. Wohl war erst das Jawort von Sora und Yamato ausschlaggebend gewesen, dass ihre und Tais Gefühle beide überwältigten und sie von einer wilden Nacht zur nächsten führten. Die Ehe zerbrach natürlich, wie auch nicht anders zu erwarten. Aber nicht nur diese, auch die Freundschaft der drei. Aber dies hielt Tai nicht davon ab, weiterzumachen, endlich wo er die Frau seiner Träume bei sich hatte. Doch all dies warf bei Kei keine Fragen seiner Herkunft auf, er entstand einer Laune heraus, ein Unfall, über den es nichts weiter zu besprechen gab. Der Junge würde sich deswegen nicht seinen Kopf mehr zerbrechen, es war ihm meist gleich, solang er seine Ruhe hatte und sich selbst seinem Leben widmen konnte. Wegen so manches Nachsinnens erhob sich der Braunschopf, zog die Stöpsel der Kopfhörer aus den Ohren und legte sie achtlos auf den Tisch. Er ging zu seinem Bücherregal hinüber und betrachtete dort die gesammelten Werke. Eine Reihe von Büchern stach ihm jedes Mal ins Auge. Es waren die Erzählungen Takerus, über die Reise von ihm und seinen Freunden zur Digiwelt. Diese Erzählungen umfassten fünf ganze Romane, jede davon als Bestseller betitelt und unzählige Male neu aufgelegt. Kei griff nach dem ersten Band der Reihe, blätterte es gedankenversunken durch und steckte es zurück zu den anderen. Er entsann sich wie oft er wohl jedes dieser Bücher verschlungen hatte und sie trotzdem immer wieder verinnerlichen musste. Mit dem Älterwerden erkannte er jedoch, dass sie nicht wirklich eine Bereicherung waren und warum dieses Geschreibsel so begehrenswert war, wollte nicht in seinen Kopf gehen, so hatte er doch neuere Arbeiten von anderen Erkundigungen der Digiwelt gelesen, die mehr Wissen vermittelten als diese hier. Aber es lag wohl an den echten Abenteuern, die erlebt wurden und woran sich doch jeder so gut erinnern konnte, bei geschilderten Ereignissen, wo die Digiwelt in die ihre Welt übergriff und sie bedrohte. Kei wandte sich wieder seinem PC zu und betrachtete das, in kaltes Licht getauchte Koromon, das einfach in der Gegend herumstarrte und keine Notiz von ihm nahm. Bei dem Anblick fühlte er nur wieder die Schwere seines Digivices in der Hosentasche und nahm es heraus. Mit prüfendem Blick betrachtete er dieses. Ein 0815-Digivices. Jeder hatte das gleiche, vielleicht noch eine andere Variante der Farbe, aber trotzdem das gleiche langweilige, klumpige, unhandliche Model. Ein Handy war praktischer als dieses Ding, was bei Kei nur noch der Dekoration diente als dem eigentlichen Zweck. Alles, was mit dieser elenden Digiwelt und den Digimon auf sich hatte, war eine Norm. Jeder hatte einen Partner, ein Digivice und anderes unsinniges Zubehör. Das Schlimmste jedoch war diese elende Zufriedenheit über all das. Er war es nicht. Warum auch? Sein Partner hasste ihn und er auch diesen, als dieser ihm so lästig geworden war. Eine Welt ohne ihn wäre Kei um so viel lieber gewesen als dieser heitere Sonneschein, was einem zum Würgen brachte. Für einen Moment spiegelte sich sein Antlitz im matten Display des Digivices. Ein Anblick, der ihm unangenehm war. Er war seinem Vater so schrecklich ähnlich, und als Kind um so vieles mehr. Damals wirkte er wie eine Jungversion Tais, ein für ihn irgendwann unerträglicher Zustand. Und er entledigte sich jeder Ähnlichkeit, die mit Schere und neuen Klamotten möglich gewesen war. Zerzaustes kurzes Haar, eine Vorliebe für Schwarz. Mehr war nicht drin, aber ihm half es persönlich ein bisschen, zumindest machte es erträglicher und brachte Kei sich selbst näher. Der Sechzehnjährige setzte sich wieder wie gewohnt auf seinen PC-Stuhl, lehnte sich zurück und wollte gerade die Kopfhörer aufsetzten, als ein unerträgliches, penetrantes Gepiepe ihm fast den letzten Nerv raubte. Jenes sorgte dafür, dass der rosafarbige Ball ihn heute das erste Mal beachtete. Dieses elende Geräusch kam von seinem Digivice, er nahm es wieder an sich und schaute auf den, eigentlich sonst so schwarzen Bildschirm. Nun leuchtete eine Karte, mit einem blinkenden Punkt, der passend zum Piepen aufflackerte, auf. Kei versuchte fünf Minuten lang alles Erdenkliche, um das Ding auszuschalten, sogar der Versuch mit dem Gegen-die-Wand-werfen blieb nicht aus. Alles erfolglos. Kei beschlich das Gefühl, dass es wohl erst aufhören würde, wenn er sich aufraffte und dorthin gehe, wohin ihn das Digivice führen wollte. Eine ätzende Erkenntnis. Er erhob sich, warf einen genervten Blick zu Koromon. „Ich geh ja schon, aber du kommst mit!“ „Wenn ich keine andere Wahl habe…“ Koromon war keineswegs so putzig und niedlich wie es den Anschein machte. Kei war Kormons Unlust recht egal, er würde sich das sicherlich nicht allein zumuten, dieses Digivice war ja nur wegen Koromon überhaupt bei ihm. Er schnappte sich seinen Mantel, der an der Stuhllehne hing und warf ihn sich um, danach nahm er das Plüschtier ähnliche Digimon auf seinen Arm, obwohl er es lieber in eine Plastiktüte gestopft hätte. Der Braunschopf begab sich zur Wohnungstür, ohne leise sein zu müssen, da Tai mal wieder die Nacht wo anders verbrachte, und verließ sie schließlich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)