Die Seele der Zeit von Sechmet (Yu-Gi-Oh! Part 6) ================================================================================ Kapitel 29: Ins Licht --------------------- Es hat gedauert, aber nun geht es wieder weiter. Es ist wirklich verwunderlich, dass man während des Semesters mehr Zeit hat, als in den Semesterferien... Viel Spaß und Danke an 3sakuraharuno3 für den Kommentar zum letzten Teil! Im übrigen ist ihre FF "Auf hoher See" nicht von schlechten Eltern, als ruhig mal reinschauen! *Ende der Schleichwerbung* Ins Licht „Hey, Yugi!“ Der Angesprochene und seine drei Begleiter blieben augenblicklich stehen, als sie die Stimme vernahmen. „Tea!“, rief der Kleinste von ihnen erfreut aus. „Ist alles in Ordnung bei dir?“, erkundigte er sich sogleich. Die Brünette kam keuchend vor ihm zum Stehen. Auch die Feuerprinzessin gesellte sich zu ihnen. „Ja, mit mir ist soweit alles in Ordnung. Wenn man einmal davon absieht, dass ich diesen Wahnsinnigen im Schlepptau habe. Er kann echt noch gruseliger sein, als ich ihn in Erinnerung hatte“, erwiderte sie und deutete dabei nach hinten. Alle Augen richteten sich auf die von ihr besagte Stelle. Bakura verzog angewidert das Gesicht. „Großartig. Den kann auch gar nichts umbringen – fast wie eine Kakerlake.“ „Ich glaube beinahe, Marlic ist noch schlimmer“, kommentierte Ryou daraufhin, während die Reinkarnation Mariks zu ihnen herüber kam. „Na ihr, alles fit soweit?“, meinte er schon beinahe ausgelassen, als er die Gruppe erreichte. „Du musst wissen, dass er einen unheimlichen Spaß an dieser ganzen Sache hat“, flüsterte Tea derweil Yugi zu, der nur seufzend die Schultern hängen ließ. Warum hatte er nichts anderes erwartet? „Hast du sonst noch jemanden gesehen?“, warf Riell plötzlich die Frage in den Raum. „Ja“, bestätigte die junge Frau. „Deine Schwester ist uns kurz über den Weg gelaufen, ist aber genau so schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht ist. Keine Ahnung, wohin sie wollte.“ „Sonst niemand?“, fragte Ryou. Tea verneinte. „Aber ich habe zwischenzeitlich so eine Art Explosion gehört. Sie schien vom Marktplatz zu kommen.“ „Das kann gut oder schlecht sein. Aber eines steht fest, wenn wir nur hier herum stehen, finden wir die anderen nie“, gab Yugi zu bedenken. „Wir sollten weiter gehen.“ „Doch wo könnten sie sein?“, überlegte Tea. „Wie wäre es, wenn wir uns einfach an dem Standpunkt dieser großen, roten, hässlichen Eidechse orientierten, die über der Stadt schwebt?“, schlug Bakura vor. Zuerst richteten sich alle Augen auf ihn, dann folgten sie seinem Blick. Tatsächlich. Selbst von hier auf war Slifer, der Himmelsdrache, zu sehen. Immer wieder attackierte er irgendetwas, das sich unter ihm befand. Vermutlich handelte es sich dabei um Soldaten Caesians. „Durchaus eine Möglichkeit“, erwiderte Riell grinsend. „Worauf warten wir dann noch?“, drängte Marlic. „Gehen wir bevor der Pharao den ganzen Spaß für sich alleine haben kann!“ Mit diesen Worten eilte er den anderen voraus. „Dem ist echt nicht mehr zu helfen“, seufzte Bakura, dann wollte auch er sich in Bewegung setzen. Doch er und alle anderen erstarrten urplötzlich. Gleißendes Licht blendete sie, der Knall ließ sie die Hände auf die Ohren drücken, als sich Slifer brüllend aufbäumte. Atemu ging zu Boden. Die Arme hatte er um die Brust geschlungen. Er begann zu husten, spuckte dann einen kleinen Schwall Blut aus. Der Schlag hatte ihn völlig unvorbereitet getroffen. „Bei den Göttern, ist alles in Ordnung?“, schrie Mana und stürzte zu ihm. „Sein Ka … “, presste der Pharao zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor. „Kümmere dich um es!“ Die Hofmagierin kam der Aufforderung nur ungern nach. Lieber hätte sie sich vergewissert, dass mit ihrem Freund und König alles in Ordnung war. Doch sie durfte sich jetzt nicht von ihren Gefühlen leiten lassen. Es stand zu viel auf dem Spiel. Entschlossen fuhr sie herum … und entdeckte das Wesen, das mitten in der Luft über der Stadt schwebte. Die verkrümmten Hände formten bereits die nächste Kugel. „Darla! Beeil' dich und setz' es fest!“ Das schwarze Magiermädchen hielt sich versteckt, richtete jedoch seinen Zauberstab auf die feindliche Kreatur. Die Spitze des Zepters begann zu glühen, dann legte sich ein kaum sichtbarer, grüner Schimmer um die gegnerische Bestie. Jetzt konnte sie nur hoffen, dass dieses Ungetüm derartig auf den Kampf fixiert war, dass es von der Magie nichts mitbekam. „Wir müssen es beschäftigt halten. Anubis! Greif es an!“, sagte Marik. Sein Monster kam der Aufforderung augenblicklich nach. Es begab sich zunächst an den äußerten Rand des Daches, um möglichst viel Anlauf nehmen zu können. Dann preschte es los. Mit den kräftigen Hinterbeinen stieß sich der riesige Schakal schließlich ab und sprang dem Feind entgegen. Doch dieser reagierte sofort. Zwar war sein Angriff noch nicht vollständig ausgearbeitet, aber er richtete ihn dennoch gegen Anubis. Mitten im Sprung wurde Mariks Zwillingsseele von dem Schlag getroffen. Ein jämmerliches Jaulen von sich gebend, wurde sie zu Boden geworfen. Sand wirbelte auf, während sich der junge Ägypter, der die Kreatur befehligte, zusammensackte. Mana musste den Drang, sofort zu ihm zu eilen, unterdrücken. Doch sie durfte dieses Biest nicht aus den Augen lassen. So erschrak sie beinahe, als Atemu plötzlich neben ihr auftauchte. „Slifer! Wirf dieses Ungetüm nieder!“ Der rote Drache hatte sich durch die Ablenkung, für die Anubis gesorgt hatte, wieder aufrichten können. Drohend öffnete er das Maul, ehe er einen knisternden Lichtblitz formte … „Nicht!“, rief Mana aus und packte Atemu am Arm. „Wenn du es angreifst, verschwindet es vielleicht. Bei Mariks Ka war ich mir noch sicher, dass es bleibt, aber vielleicht nimmt es bei einem Göttermonster reiß aus. Dann können wir es nicht mehr festsetzen.“ Sie sah ihm schon beinahe entschuldigend in die Augen. „Ich weiß, welchem Risiko ich dich aussetzen will. Es tut mir leid. Aber es ist … “ Sie verstummte, als sich plötzlich ein Finger auf ihre Lippen legte. Verwirrt blinzelte sie, während Atemu freundlich lächelte. „Es ist in Ordnung. Es ist deine Pflicht, so zu handeln. Und ich bin stolz zu sehen, dass du für Ägypten alles tun würdest.“ So grotesk es in der momentanen Situation auch wirkte: Mana wurde rot. Nur langsam fand sie den Weg in die Realität zurück. Doch endlich gelang es ihr. Sie nickte dankbar, dann wandte sie sich an Darla. „Wie weit bist du?“ „Nicht mehr lange. Gleich habe ich es“, erwiderte die Ka-Bestie knapp. „Dann wollen wir es mal noch solange beschäftigt halten“, meinte Marik, der inzwischen wieder zu ihnen gekommen war. Er hielt seinen linken Oberarm, durch seine Finger sickerte Blut. „Nein“, befahl Atemu. „Wenn du es noch einmal angreifst, könnte es das Letzte sein, was du tust.“ „Aber es wird Verdacht schöpfen, wenn wir nichts tun!“, widersprach der junge Ägypter. „Dafür bin ich ja da!“ In dem Moment, da die Stimme erklungen war, stürzte sich plötzlich Des Gardius auf Caesians Monster – oder wollte es zumindest. Denn es war gezwungen, seinen Angriff abzubrechen und auszuweichen, als ihm eine der gleißenden Kugeln entgegen geschossen kam. Die drei auf dem Dach Kauernden blickten überrascht nach unten, nur um einen offenbar überaus entschlossenen Marlic zu sehen. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich nochmal freuen würde, den zu sehen“, murmelte Marik, während er dabei zusah, wie Des Gardius immer wieder Attacken vortäuschte, um den Feind beschäftigt zu halten. Er blickte sich um, als er weitere Stimmen vernahm. Kurz darauf tauchten auch Tea, Yugi, Ryou, Bakura und Riell auf. An ihrer Seite ihre Kreaturen, die sich ebenfalls in den Kampf stürzten. Binnen weniger Sekunden hatte das feindliche Biest alle Hände voll zu tun. Jedoch hielten sich seine Gegner soweit zurück, dass es sich nicht gezwungen sah, zu verschwinden. Risha hatte die Soldaten abgeschüttelt. So konnte sie ihre ganze Aufmerksamkeit nun dem widmen, was dort am Himmel über der Stadt vor sich ging. Dieses verhüllte Ding war wieder schienen und hatte seinen Angriff begonnen. Caesian konnte nicht weit sein, wenn es in der Nähe war. „Cheron? Flieg voraus und hilf ihnen. Ich bin sofort bei dir“, befahl sie, ehe sich das geflügelte Pferd in die Luft erhob und davon rauschte. Gerade wollte sie sich in Bewegung setzen, da hörte sie ein Scharren hinter sich. Sofort fuhr sie herum – doch da war niemand. Wohl nur der Wind … Sie wandte sich zum Gehen – als sie plötzlich jemand am Hals packte und gegen die nächste Hauswand drückte. Instinktiv versuchte sie, sich zu wehren, unterließ jedoch sämtliche Anstrengungen, als sie etwas kaltes an ihrem Hals spürte. Eine Klinge, die bereits in die oberste Hautschicht schnitt. Erst jetzt betrachtete sie ihren Angreifer. Und sie erstarrte, obgleich sie im darauf folgenden Augenblick nicht mehr verwundert war, ihn zu sehen. „Hab' ich dich gefunden … “, zischte er. „Was soll das, Keiro?“, presste sie hervor. Bei jedem Wort spürte sie das Metall in ihre Kehle schneiden. „Du hast da etwas, das mir gehört. Rück' es raus, wenn dir dein Leben lieb ist, und zwar sofort.“ Er hatte also nicht halb so viel abbekommen, wie sie gehofft hatte. Im Idealfall wäre er für den Rest des Tages außer Gefecht gewesen. Noch mehr ärgerte sie jedoch, dass sie diesen Angriff nicht hatte kommen sehen. Er hatte sie überlistet, kannte sie wohl doch zu gut. „Ich wiederhole mich nur ungern. Wo ist das Relikt, Risha?“ Dabei ließ er seine Hand an ihrer Hüfte hinab wandern, was ihr einen unangenehmen Schauer über den Rücken jagte. Schließlich fanden seine Finger den Beutel, den sie an ihrem Gürtel trug. Sie glitten hinein, kramten darin herum und fanden schließlich, was sie gesucht hatten. „Sieh mal einer an, was haben wir denn da?“, murmelte er und hielt das Amulett der Göttin Bastet empor. „Hab' ich mir doch gedacht, dass nur du es genommen haben kannst.“ „Wenn du hast, was du wolltest, dann geh mir vom Leib!“ Er sah sie eine gefühlte Ewigkeit an, sein Blick war unergründlich. „Weißt du eigentlich, was für eine verlockende Gelegenheit das hier ist? Nur du und ich. Es würde niemandem auffallen, wenn ich dir einfach die Kehle durchschneide. Man würde glauben, du wärst einem Krieger Caesians zum Opfer gefallen. Bakura würde darüber hinweg kommen. Er hat dich die letzten siebzehn Sommer nicht gebraucht, also kann er bestimmt auch zukünftig auf dich verzichten.“ Sie konnte nicht leugnen, dass allmählich so etwas wie Panik in ihr aufstieg. Er schien zu allem bereit. Und dennoch glaubt sie so etwas wie … Traurigkeit aus seinen bösen Worten heraus hören zu können. Verzweifelt überlegte sie, was sie tun konnte. Doch es gab nur eine Möglichkeit und die schloss sie von vorne herein aus. Egal was geschah, sie würde niemals um Gnade winseln. „Hey, ihr … Keiro? Was tust du da?“ Der Angesprochene fuhr herum und vernachlässigte seine Deckung. Instinktiv nutzte Risha den Moment, packte die Hand, in der er das Messer hielt, und biss hinein. Ihr Cousin schrie auf, als er die Klinge fallen ließ. Ehe er sich wehren konnte, stieß sie ihn von sich, sodass er im Staub landete und zückte präventiv ihre beiden Dolche. Keuchend stand sie da und beobachtete, wie er versuchte, sich aufzurichten. Den pulsierenden Schmerz an ihrer Kehle nahm sie kaum wahr. Sie spürte lediglich, wie ein warmes, dünnes Rinnsal ihren Hals hinab lief. Erst jetzt gewahrte sie, wer hinzu gekommen war: Der Hohepriester und der Blonde, den sie nach Men-nefer geführt hatte. Letzterer stürmte gerade herbei. „Sag mal, hab ich das gerade richtig gesehen? Spinnst du, Alter?“ fauchte er gerade an Keiro gewandt, ehe er sich nach Risha umsah. „Ist alles in Ordnung?“ Sie presste einen Moment ihre Lippen aufeinander, bevor sie antwortete. „Alles bestens. Ich suche die anderen.“ Damit macht die auf dem Absatz kehrt und eilte davon. Sie musste hier weg. Und das so schnell wie möglich. Sie hielt es keine Sekunde länger in seiner Gegenwart aus. In ihr überschlug sich alles. Das gerade war kein Albtraum, sondern bittere Realität gewesen. Alleine daran zu denken, trieb sie beinahe in den Wahnsinn. Er hätte sie getötet, da war sie sich sicher. Er hätte sie umgebracht, wären nicht die beiden aufgetaucht. Er, ihr Cousin. Sie hatte mit vielen gerechnet, doch ihr Annahmen bestätigt zu sehen, schockierte sie. Ihre Welt stand Kopf. Was ist los? Bist du in Ordnung? Der Ruf riss sie aus ihren Gedanken. Mach dir keine Sorgen, Cheron. Alles gut, erwiderte sie knapp. Ein paar Soldaten. Mir ist nichts passiert. In diesem Moment war sie dankbar für die Möglichkeit, das eigene Denken teilweise von dem ihres Kas abschirmen zu können. Sie wollte jetzt nicht darüber reden. Lieber belog sie ihre eigene Zwillingsseele. Bist du sicher? Dann komm bitte schnell her. Wir können jede Hilfe gebrauchen. Bin schon unterwegs. Sie blickte kein einziges Mal zurück, während sie davon rannte. Zurück blieben nur Joey und Keiro, denn Seto hatte sich bereits wieder auf den Weg gemacht, um den anderen zu helfen. „Los, raus mit der Sprache!“, forderte der Blonde. „Was sollte das?“ Sein Gegenüber rappelte sich gerade wieder auf. „Nichts. Sie hat mich angegriffen, ich habe mich gewehrt.“ „Das sah aber ganz anders aus“, widersprach Joey. „Wenn ich es doch sage! Sie hat mich mit ihren Dolchen bedroht, daraufhin haben wir gekämpft und ich habe sie schließlich in die Enge getrieben. Ich habe mich nur verteidigt.“ „Ich bleibe dabei, dass es anders aussah. Sie hatte keine Waffe in der Hand“, setzte der Blonde seine Beweisführung fort. „Sie hat sie eben zurück gesteckt, als sie eingesehen hat, dass aus ihrem Plan nichts mehr wird.“ „Von wegen! Niemand, der ein Messer an der Kehle hat, achtet noch darauf, seine eigenen Dolche fein säuberlich zu verstauen, er lässt sie eher fallen!“ „Was soll das werden, Klugscheißer?“, zischte Keiro plötzlich. Dieser Kerl ging ihm gerade gehörig auf die Nerven. Umso mehr aber ärgerte es ihn, dass ihm Risha entkommen war. Wieder eine Gelegenheit dahin, all die Angelegenheiten, die zwischen ihnen offen waren, ein für alle Mal zu beseitigen. „Das fragst du mich?“, rief Joey empört. „Du bist es, den ich gerade dabei erwischt habe, wie er seiner Cousine eine Klinge an die Kehle gedrückt hat! Nur zur Info, wir stehen alle auf der selben Seite! Außerdem seid ihr verwandt! Wenn du unbedingt jemanden killen willst, dann nimm dir diese halb verrotteten Dinger vor, die Caesian seine Truppen nennt!“ „Halt dich einfach raus, verstanden? Du weißt nichts, absolut gar nichts!“, brüllte Keiro noch, dann wirbelte er herum und verschwand in einer Seitengasse. Nun blieb der Blonde alleine zurück. Doch auch er verweilte nicht lange, sondern setzte sich wieder in Bewegung. Anfangs hatte er den Bruder des Grabräubers für einen recht netten Kerl, eventuell gar guten Kumpel gehalten. Inzwischen war er sich da nicht mehr annähernd so sicher. Der Typ wirkte eher wie ein verdammter Psycho! Er verstand dieses Verhalten einfach nicht. Ihm würde nie im Traum einfallen, seiner Schwester Serenity etwas anzutun! Selbst seinem Vater und seiner Mutter nicht, obgleich er zu beiden nie ein sonderlich inniges Verhältnis gehabt hatte. Die Familie stand über allem anderen. Wenn man allem und jedem den Tod an den Hals wünschte, aber doch nicht dem eigenen Fleisch und Blut! Immer wieder fanden die glühenden Angriffe von Caesians Monster ihr Ziel. Diesmal traf es Diabound, der nicht mehr schnell genug hatte ausweichen können. Er wurde umher geschleudert, krachte schließlich in ein Gebäude und stieß einen gellenden Schrei aus. Bakura sackten die Beine weg, als ihn der gleiche, brennende Schmerz im Rücken durchzuckte. Für einen Moment hatte er Mühe, Atem zu schöpfen. Keuchend rang er nach Luft, bis die Pein endlich abflaute und seinen Lungen wieder erlaubte, sich zu füllen. „Ist alles okay?“, erkundigte sich Ryou. „Kümmer' dich um deinen eigenen Kram“, presste der Grabräuber hervor, während er mühsam versuchte, sich wieder aufzurichten. Darlas Zauber nahm allmählich an Stärke zu, doch es reichte noch immer nicht. Die Beschwörung war kompliziert und sie durfte nicht die Hau-Drauf-Methode anwenden. Sie musste ihre Magie so sorgfältig wirken, wie sie konnte, um Caesians Kreatur nicht darauf aufmerksam zu machen, was enorm viel Zeit kostete. Die Ka-Bestien sahen sich jedoch inzwischen nicht mehr nur mit dem Biest des feindlichen Feldherren konfrontiert. Immer mehr Krieger strömten in die Stadt und fanden ihren Weg zu der Truppe. So mussten sich die Zwillingsseelen auch gegen diese Männer zur Wehr setzen. Nach und nach trudelte der Rest von ihnen ein. Der weiße Drache und Rotauge erwiesen sich als besonders hilfreich in dem Kampf, aber auch Shadara erbrachte seinen Beitrag. Risha erreichte sie aufgrund des Umwegs, den sie zuvor eingeschlagen hatte, als Letzte – was nicht viel änderte, war Cheron doch schon vorher zugegen gewesen. Donnern und Krachen schallten über der Stadt hinweg, als immer neue Attacken ausgetauscht wurden. Dann endlich meldete sich Mana zu Wort. „Atemu! Es ist fast so weit! Der Zauber wird jeden Augenblick zu wirken beginnen!“ „Sehr gut! Haltet euch zurück! Gleich kommt unsere Chance!“, befahl der König daraufhin an alle gewandt. Augenblicklich änderten die Bestien ihre Taktik. Sie konzentrierten ihre Angriffe mehr auf die Soldaten, während sie vornehmlich darauf achteten, den Schlägen von Caesians Biest auszuweichen. Gebannt verfolgte die Hofmagierin das Wirken ihrer Kreatur. Jeden Moment war es so weit, der Wall hatte sich schon fast geschlossen. Nur noch ein wenig mehr, dann … Die Kugel leuchtete für einen kurzen Moment grell auf, als sie sich endgültig im das gegnerische Monster schloss. „Perfekt, Darla! Zum Angriff!“ Sofort schoss das schwarze Magiermädchen aus seinem Versteck hervor und positionierte sich vor dem Feind, was Zeichen genug für seine Mitstreiter war. Sie ließen von ihren menschlichen Zielen ab, die sie durch Ryous neu entdeckte Methode erfolgreich hatten in Schach halten können, und lenkten ihre Aufmerksamkeit auf die verhüllte Gestalt am Himmel, die inzwischen realisierte hatte, was geschehen war, und panisch versuchte, sich zu befreien. „Das ist dein Ende, Caesian! Slifer, zermalme seine Ka-Bestie zu Staub!“, brüllte Atemu über den allgegenwärtigen Lärm hinweg Der Drache senkte sich vom Himmel herab und bezog Stellung. Die Zwillingsseelen würden in diesen Angriff alles legen, was sie noch hatten. Jeder von ihnen fokussierte seine ganze Kraft, beschwor seinen Schlag sorgsam herauf, um dieses Ungetüm ein für alle Mal zerstören zu können. Schließlich war es soweit. Flammen vereinten sich zu einem glühenden Tosen, andere Attacken folgten auf der Stelle. Sie alle zogen, einem unheimlichen, bedrohlichen Regenbogen gleich, über den Himmel Men-nefers und suchten ihr Ziel. Meter um Meter rückten sie vor … und wurden von einer urplötzlich auftauchenden Wand aus Sand aufgefangen. Für Flüche, Beschimpfungen und Schreie der Angst blieb ihnen gar keine Zeit mehr. Die tausenden feinen Körner glichen einem gigantischen Strudel, als sie die Attacken mit sich rissen und anschließend in sämtliche Himmelsrichtungen wieder von sich stießen – einige davon auch direkt auf den Pharao und seine Mitstreiter. Die Welt versank für sie in einem ewigen Donnern und blendendem, weißen Licht. Schmerz durchzuckte ihre Körper, als sie davon gefegt wurden und erst dutzende Meter weiter neben ihren Zwillingsseelen auf dem Boden aufschlugen, über welchen sie noch ein ganzes Stück schlitterten und sich die Haut aufschürften, ehe sie endlich liegen blieben. Dann war alles still. Jedoch nur für einen kurzen Moment. In ihren Ohren herrschte ein Pfeifton, vor ihren Augen tanzten Sterne, als sie einer nach dem anderen versuchten, wieder auf die Beine zu kommen. Überwiegend blieb dieses Vorhaben ohne Erfolg. Atemu stöhnte vor Pein, als er zumindest seinen Oberkörper aufrichtete. Sein Kopf fühlte sich an, als habe man ihn zertrümmert. Blut floss ihm ins Gesicht, seine Platzwunde hatte sich erneut geöffnet. Wie durch einen Schleier nahm er den Schatten wahr, der sich über ihn beugte. Langsam sah er hinauf und blickte in das verstümmelte Gesicht eines Kriegers, der das Schwert erhoben hatte. War es vorbei? Er wurde ins Hier und Jetzt zurück gerissen, als der Ruf eines Horns über die Stadt hinweg schallte. Gerade wollte er einen Versuch unternehmen, dem tödlichen Schlag zu entkommen, da musste er feststellen, dass der Mann die Klinge gesenkt und sich zurück gezogen hatte. Was, bei den Göttern, ging hier vor sich? Die Frage wurde ihm beantwortet, als er das Klappern von Hufen vernahm. Sein Kopf schnellte herum – und er blickte zum ersten Mal seit Beginn dieses Krieges direkt in die Augen des Feindes selbst. Hoch zu Ross ritt Caesian persönlich auf ihn zu, immer weiter die breite Straße hinunter. Das lange, schwarze Haar bauschte sich im Wind. Die braunen Augen blitzten hoch erfreut, wie er sie da liegen und kauern sah. Seine Lippen zierte ein Grinsen. Die ganze Visage wirkte höhnisch, während seine Rüstung im Sonnenlicht glänzte. Wider all den Schmerzen folgte Atemu seinem Instinkt und richtete sich so schnell er konnte auf. Dieser Mann würde ihn nicht im Staub knien sehen. Niemals. Auch seine Freunde und Mitstreiter kamen langsam wieder auf die Beine, auch wenn sie sich dabei gegenseitig zur Hand gehen mussten. Sie alle waren schwer verletzt, so viel stand fest. Atemu wünschte, er hätte die Zeit, sich nach dem Befinden der anderen zu erkunden, doch er musste einsehen, dass dafür jetzt nicht der richtige Moment war. Auch wenn es schwer war, sie durften ihm so wenig von ihrer Pein zeigen, wie sie konnten. Doch hatte das überhaupt einen Sinn? Wenn es jetzt zu einem Kampf kam, wären sie alle in dermaßen schlechter Verfassung, dass es nur eines Winks mit dem Zepter des Seth bedurfte, um sie endgültig zu vernichten. Und dennoch war der Pharao fest entschlossen, es darauf ankommen zu lassen. Bis zum letzten Atemzug würde er seine Heimat verteidigen, wenn es nötig war. „So stehen wir uns endlich von Angesicht zu Angesicht gegenüber, Pharao“, sprach Caesian schließlich und sein Grinsen wurde noch breiter, als er gewahrte, wie schlecht es dem anderen ging. „Ich dachte schon, dazu käme es nach dem Angriff meiner Bestie nicht mehr. Doch wie ich merke, seid Ihr zäher, als ich dachte.“ Atemu zwang ein selbstbewusstes Lächeln auf seine Züge. „Wenn Ihr glaubt, uns mit dergleichen außer Gefecht setzen zu können, habt Ihr Euch geschnitten. Außerdem hättet Ihr mir längst von Mann zu Mann gegenüberstehen können, doch offenbar habt Ihr vorgezogen, Eure Soldaten vorzuschicken.“ Caesians Miene verfinsterte sich augenblicklich. „Ich würde Euch raten, Eure Zunge zu zügeln, Ägypter. Wenn Ihr es wirklich darauf anlegt, können wir gerne gegeneinander kämpfen. In Anbetracht Eures Zustandes würde ich Euch jedoch davon abraten. Hiermit gebe ich Euch ein letztes Mal die Chance, Euch zu ergeben. Händigt mit diese beiden aus“, sagte er und deutete mit dem Finger auf eine Stelle hinter Atemu, an der Riell gerade dabei war, seiner Schwester auf die Beine zu helfen, „ebenso wie ihren Vater und übergebt mir Euren Thron und Ihr werdet nichts zu befürchten haben.“ „Nichts dergleichen wird geschehen, Caesian! Sobald ich mit dir fertig bin, wirst du sehen, dass du zurück nach Hause kommst!“, entgegnete der Pharao und ließ nun alle Formen der Höflichkeit fallen. „Und er ist nicht allein!“ Caesian zog irritiert eine Augenbraue in die Höhe, als sich Yugi, Tea und Joey, die ebenfalls mit ihrem Zustand zu kämpfen hatten, an die Seite des Königs von Ägypten stellten. „Wir werden ihm helfen! An unseren vereinten Kräften kommst du nicht vorbei!“, verkündete der Kleinste von ihnen. „Wir treten dir dermaßen in den Arsch, dass dir dein widerliches Grinsen vergeht, du Großkotz!“, fügte Joey hinzu. Das Gesicht des feindlichen Herrschers veränderte sich bei dieser Ansage kein bisschen. „Und was ist mir dir, Kleines? Willst du mir etwa auch drohen?“, erkundigte er sich dann gelangweilt an Tea gewandt. „Das nicht. Aber sie kann Freundschaftspredigten halten, bis du blutest.“ Caesians Kopf schnellte herum und fixierte Marlic, von dem die Aussage gekommen war. „Und im übrigen bin ich auch noch da, um dich in Einzelteile zu zerlegen!“ Der Angesprochene würdigte auch diese Drohung nicht wirklich. Er ließ seinen Blick über den restlichen Haufen schweifen – und blieb plötzlich an Bakura haften. „Sagt, seid Ihr nicht der, den sie 'König der Diebe' nennen? Ich hätte von den Geschichten her, die man sich erzählt, eigentlich gedacht, dass Ihr dem Pharao nicht gut gesonnen seid?“ „Um diesen Möchtegern-König geht es hier gar nicht, sondern darum, dass dich in Ägypten einfach niemand leiden kann, kapiert? Also zieh lieber ab, bevor ich noch richtig sauer werde!“, konterte der Grabräuber, während er sich die rechte Seite des Brustkorbs hielt, an der er verwundet war. „Du hast ihn gehört!“, rief Risha dazwischen. „Zieh ab oder es knallt!“ Sofort schlich sich wieder ein Grinsen auf Caesians Züge. „Noch immer genau so bissig wie vor kurzem, als ich dich beinahe getötet hätte? Du lernst auch nicht dazu, habe ich recht?“ „Du lernst hier offenbar nicht dazu!“, mischte sich nun auch Seto ein. „Ansonsten hättest du aus den vielen Malen, da du an unserer Verteidigung abgeprallt bist die Schlussfolgerung gezogen, dass es besser wäre, zu verschwinden!“ „Falls es euch noch nicht aufgefallen ist: Ich stehe hier mitten in Men-nefer!“, rief Caesian und breitete die Arme zu beiden Seiten aus, um seine Worte zu unterstreichen. „Aber nicht mehr lange!“, brüllte Atemu, dem das hochmütige Gehabe des Feindes zunehmend auf die Nerven ging. Vor allem in Anbetracht seines Zustandes. „Ich sehe, du willst nicht freiwillig von dannen ziehen! Also trage die Konsequenzen und stirb!“ Slifer erhob sich fauchend in die Luft. Blut tropfte auf den Boden herab, doch das Wesen hielt sich tapfer. Die anderen Ka-Bestien folgten seinem Beispiel und begaben sich schützend vor ihre Träger. Caesian stutzte ob des Anblicks keinen einzigen Moment. „Ihr Narren … “, murmelte er, während sich sein Monster zu ihm gesellte. „Töte sie, Askalon!“ Das verhüllte Biest schoss vor und formte augenblicklich eine der gleißenden Kugeln. „Angriff!“, brüllte Atemu im Chor mit seinen Mitstreitern und Freunden. Glühende Blitze und Flammen schossen dem Feind entgegen, doch die immerzu gegenwärtige Barriere der Kreatur bewahrte sie vor jeglichem Schaden. Lediglich Slifer war in der Lage sie zu durchdringen, was sich jedoch als wenig nützlich erwies, wenn das Monster andauernd die Position wechselte, als könne es sich teleportieren. „Wenn es sich nicht greifen lässt, dann machen wir es eben anders!“, rief Mana. „Darla, direkter Angriff auf Caesian!“ Das schwarze Magiermädchen schoss eine Attacke aus der Spitze ihres Zepters. Der Feind reagierte mit einem gelangweilten Wink des göttlichen Relikts des Seth, woraufhin der Angriff an einer Mauer aus Sand abprallte. „Wisst ihr, ich würde gerne noch mit euch spielen. Aber ich warte schon zu lange darauf, endlich auf dem ägyptischen Thron zu sitzen, als dass ich diese Angelegenheit noch unnötig in die Länge ziehen könnte! Askalon, beende das Ganze!“ Die verhüllte Gestalt erschien wie aus dem Nichts vor ihrem Gebieter. Dann ging ein Hagel seiner Angriffe auf die Ka-Bestien der Ägypter nieder. Schreie gellten durch die Straßen der Stadt, als Träger und Monster einen Schmerz erlitten, der sich anfühlte, als zerreiße man sie bei lebendigem Leib. Auch Atemu erging es nicht anders. Als Slifer mit voller Wucht zu Boden geschmettert wurde, sackten ihm die Beine weg. Er ging nieder, lag im Staub, unfähig, sich zu bewegen oder seine Pein heraus zu schreien. Kurz darauf spürte er, wie sich das göttliche Biest, welches er herbei gerufen hatte, dematerialisierte und wieder in seiner Seele verschwand. Mühsam schaffte er es, sich nach seinen Freunden umzusehen. Überall suchten sich Ka-Bestien ihren Weg zurück zu ihren Zwillingsseelen. Kaum einer war noch fähig, sich zu bewegen und dennoch versuchten sie alle, irgendwie wieder auf die Beine zu kommen. Einige bekamen die Quittung dafür augenblicklich und schrien dies heraus. Grauen stieg in Atemu auf. Sie alle waren verletzt – nur wie schwer vermochte er bei dem einen oder anderen nicht zu sagen. Blut bedeckte den Boden. Er glaubte in diesem Moment, noch nie so viel von dem roten Lebenssaft gesehen zu haben. Er wusste, dass das nicht stimmte. Doch war es zumeist das Blut Fremder gewesen. Nicht das seiner Freunde. Er musste sie beschützen, sie retten. Er durfte nicht zulassen, dass Caesian ihnen noch mehr Pein zufügte. Keinem einzigen von ihnen! Doch egal, was Atemu tat, er kam nicht auf die Beine. Seine Glieder wollten sich kaum bewegen und wenn doch, so sackten sie angesichts des Schmerzes, der sie mit jeder Bewegung durchzuckte, weg. Aber er durfte nicht aufgeben! Wenn er hier verlor, so verlor mit ihm das gesamte ägyptische Königreich! Aber was sollte er tun, wenn er nicht einmal in der Lage war, aufzustehen? „Na na, zurück in den Staub!“, hörte er Caesians Stimme. Kurz darauf ein gequälter Aufschrei – Mana. Atemus Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen. Dann sah er zwei Stiefel, die direkt vor ihn traten. „So ist es brav. Jetzt seid ihr alle dort, wo ihr hingehört. Wachen! Die beiden Schattentänzer, aber ein bisschen zackig!“ Riell spürte, wie ihm die Arme unsanft auf den Rücken gedreht wurden, dann zog man ihn auf die Beine. Er konnte, sehen, dass es sich bei seiner Schwester nicht anders verhielt. Sie beide wehrten sich nach Leibeskräften, doch mussten schnell feststellen, dass sie der unermüdlichen Kraft der beiden Krieger, die sie in eisernem Griff hielten, nicht gewachsen waren. Risha gelang es zwar, sich in der Hand ihres Peinigers zu verbeißen, bis die Knochen knackende Geräusche von sich gaben, doch los ließ er sie deshalb nicht. Stattdessen kassierte sie von ihm eine klatschende Ohrfeige und wurde weiter davon gezerrt. Bakuras Herz setzte für einen Moment aus. Plötzlich flammten Bilder vor seinem Auge auf. Bilder Kul Elnas, das in Flammen stand, die Straßen überfüllt mit Soldaten, die die Leute vor sich hertrieben, schlugen, misshandelten, quälten und davon schleppten, auf dass sie niemals wieder gesehen wurden … „Lass sie … !“, wollte er ansetzen, doch noch ehe er fertig gesprochen hatte, wurde zurück auf den Boden geschleudert – durch eine einzige, kleine Bewegung des Relikts. „Das hätten wir also. Alles was ich brauche, ist außer Gefahr. Dann kann ich den mickrigen Rest von euch ja endlich aus dem Weg schaffen“, erklärte Caesian. Er umklammerte das Zepter und riss es hoch über den Kopf. „Grüße an eure Götter im Jenseits, Pharao!“ Atemus Augen weiteten sich. Konnte es sein? Konnte das hier wirklich das Ende sein? Würde er hier und jetzt, vor diesem Mann kauernd, sterben? Sein Innerstes schrie 'Nein'. Doch die Realität, die er vor Augen hatte, sprach anderes. Er ließ den Blick noch einmal zu seinen Freunden schweifen. Sie alle waren ebenso benommen wie der Pharao. Freunde … es tut mir leid … es tut mir so unendlich leid!, schoss es ihm durch den Kopf. Erinnerungen zogen vorüber. Wie er mit Mana in den Palastgärten gespielt hatte, als sie noch klein gewesen waren. Wie Seto ihn immer wieder hatte ermahnen müssen, nicht zu gütig zu werden. Wie er und Yugi sich duelliert hatten, um dem König Ägyptens endlich die ewige Ruhe zu geben. Wie Joey und er das eine oder andere Duell gemeinsam bestritten hatten. Wie Tea ihn immer wieder ermuntert hatte, an sich zu glauben. Wie Ryou nach dem Wochenende, an dem Atemu zum ersten Mal dem Geist des Rings begegnet war, mit lauter kleinen Brettspielfiguren in die Schule gekommen war, die die Clique zeigten, um sich zu entschuldigen. Wie Marik nach und nach zum Freund geworden war, nachdem der Pharao ihn von seiner böse Seite befreit hatte … Sollten all die glücklichen und traurigen Tage, die sie gemeinsam erlebt hatten, nun vorbei sein? Er sah, wie sich das Zepter langsam hernieder senkte. Dann ein erschrockener Aufschrei. Statt seine Macht gegen die besiegten Widersacher zu richten, riss Caesian das Relikt im letzten Augenblick herum und beschwor abermals Sand herauf. Gerade noch rechtzeitig, um sich gegen die peitschenden Flammen zu wehren, die seinen Körper hatten verzehren sollen. Der Angriff flaute ebenso plötzlich ab, wie er gekommen war, dann sprang der feindliche Herrscher so schnell er konnte beiseite. Nur Sekunden später schoss eine gewaltige Bestie vom Himmel herab und landete krachend an der Stelle, wo Caesian gerade eben noch gestanden hatte. Sie riss den Kopf in den Nacken, dann stieß Kiarna ein wütendes Brüllen aus. Als nächstes schnellte ihr Schwanz herum und fegte zwei gegnerische Soldaten davon – jene beiden, die Riell und Risha gefangen gehalten hatten. Atemu traute seinen Augen kaum. Das hier war im wahrsten Sinne des Wortes Rettung in allerletzter Sekunde gewesen. Sie mussten den Moment der Verwirrung nutzen. Keuchend stemmte er sich hoch, sah sich um – und erstarrte.Vom Palast her die Straße herunter kommend, sah er drei Menschen. Eine davon war Samira, die andere Kipino. Die letzte Resham … „Schon wieder dieser Alte!“, fauchte Caesian. „Aber gut, so brauche ich ihn wenigstens nicht zu suchen!“ Er wollte sich gerade Kiarnas annehmen, als sich das Wesen plötzlich zurück zog und sich hinter dem Pharao und seinen Mitstreitern positionierte. Was ging hier vor sich? „Resham“, murmelte Atemu, als ihn die drei Schattentänzer erreicht hatten. „Was habt Ihr vor?“ Der alte Mann lächelte. „Ich werde Euch helfen.“ Weiter kam er nicht, da ließ ihn ein Rufen aufblickten. Es war niemand anderes, als seine beiden Kinder, die sich mehr heran schleppten, als dass sie liefen. „Was tut Ihr hier?“, fragte Riell sofort. „Bringt Euch in Sicherheit! Noch ist es nicht zu spät!“ „Nein, mein Sohn. Ich werde bleiben. Ihr seid diejenigen, die gehen werden“, erwiderte Resham. „Was soll das heißen?“, erkundigte sich nun auch Risha. „Noch sind die Tunnel im Palast geöffnet. Seht zu, dass ihr sie so schnell wie möglich erreicht. Caesian gehört mir“, erklärte ihr Vater. Die Augen seines leiblichen Kindes weiteten sich. „Nein, Vater! Das wäre Euer sicherer Tod!“ „Das ist mir bewusst.“ Die schlichte, beinahe zuversichtlich angehauchte Antwort schockierte seine Nachkommen. Beide sahen ihn aus versteinerten Gesichter an, vollkommen überrumpelt. „Ihr wisst nicht, was Ihr da redet … “, wollte Risha ansetzen, doch er ließ sie nicht groß zu Wort kommen. „Ich bin mir der Tragweite meines Handelns durchaus bewusst. Ich habe diesen Weg für mich gewählt und ich werde ihn gehen. Keiner von euch vermag, mich davon abzuhalten. Ich bin nur ein alter Mann. Doch ihr seid jung und stark. Ihr müsst diese Stadt lebend verlassen. Ihr seid die Hoffnung, die Ägypten noch bleibt. Nicht ich. Pharao, nehmt Eure Soldaten und meine Schattentänzer und verschwindet so schnell Ihr könnt. Bedient euch Firells Fähigkeiten, um sie in Kenntnis zu setzen. Ich werde Euch die Zeit verschaffen, die Ihr braucht. Und ihr werdet ihn begleiten“, sagte er noch einmal nachdrücklich an seine Kinder gewandt. „Das ist ein Befehl.“ Noch immer sahen sie ihn vollkommen ausdruckslos an. Sie konnten beide nicht glauben, was sie da soeben gehört hatten. Resham konnte die Angst in ihren Augen sehen. Seine Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. „Ich bin stolz auf euch beide. So stolz, wie es nur ein Vater sein kann. Ihr könnt das schaffen, das weiß ich. Ihr könnt mithelfen, Ägypten vor dem Untergang zu bewahren. Doch dafür müsst ihr nun gehen.“ Riell fand als Erster wieder zu sich. Er schluckte schwer. Sein ganzer Körper zitterte, als er sich in Bewegung setzte. „Lass uns gehen … “, flüsterte er an seine Schwester gewandt, nahm sie am Oberarm und wollte sie davon führen. Einige Schritte weit begleitete sie ihn auch, doch dann riss ihre geistige Blockade ebenfalls. Sie stürzte zurück zu Resham. „Das könnt Ihr nicht tun! Vater, ich bitte Euch! Nach allem, was Ihr für mich getan habt, lasst mich an Eurer Seite bleiben!“ Doch der alte Mann legte ihr nur zwei Finger seiner gesunden Hand an ihre Lippen und brachte sie so zum Schweigen. „Ich habe meine Entscheidung getroffen. Und wenn ich wirklich so viel für dich getan habe, wie du glaubst, Risha, dann danke es mir, indem du nun gehst. Du hast noch dein ganzes Leben vor dir. Vergeude es nicht sinnlos. Es genügt, wenn einer von uns beiden die Schwelle übertritt. Und das werde ich sein.“ Sie starrte ihn vollkommen perplex an. Mit dem, was er gesagt hatte, hatte er ihr sämtliche Argumente genommen. Es gab keinen Weg mehr … Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als sie diesmal an beiden Oberarmen gepackt wurde – von Riell und Bakura. Doch das wäre nicht nötig gewesen. Sie warf noch einen letzten Blick auf das lächelnde Gesicht ihres Ziehvaters, dann wandte sie ihm den Rücken zu und eilte den anderen hinterher, die sich ebenso wie die Soldaten des Pharao und die Schattentänzer zurück zogen. Der Kloß, der in ihrem Hals saß, schnürte ihr beinahe die Luft ab. „Seid Ihr Euch Eurer Entscheidung sicher?“, erkundigte sich Atemu ein letztes Mal. Er hatte längst eingesehen, dass Resham nicht von seiner Entscheidung abzubringen war. Zugleich sah er natürlich die Chance, die sich ihnen bot und fühlte sich schlecht, sobald er daran dachte, dass dieser Mann sein Leben für sie riskieren würde. „Ganz sicher, Pharao. Doch eine Bitte hätte ich noch an Euch“, erwiderte der alte Mann. „Alles was Ihr wollt“, erwiderte der König Ägyptens sofort. Resham lächelte noch immer. „Auch wenn ich nicht mehr bin, haltet an dem Versprechen fest, das Ihr mir gabt.“ Atemu verstand und nickte. „Das werde ich. Das schwöre ich bei unseren Göttern.“ „Ich danke Euch. Lebt wohl, König der beiden Länder!“ Der Pharao neigte leicht das Haupt zum Abschied, dann wirbelte er herum und eilte seinen Freunden und Mitstreitern hinterher, so gut es ging. Zurück blieben der alte Mann und Caesian. Letzterer wirkte verwirrt. „Was soll das hier werden, hä? Willst du dich etwa mit mir anlegen? Sieh dich doch nur einmal an! Sämtliche Kraft ist aus deinem Leib gewichen, du vermagst kaum mehr, alleine zu gehen! Und da glaubst du, dich mir in den Weg stellen zu können?“ „Ihr werdet sehen, wozu ich noch fähig bin, Caesian! Ich mag nicht in der Lage sein, Euer Antlitz endgültig von dieser Welt zu verbannen, doch ich vermag, Euch für den Moment aufzuhalten, den der Pharao benötigt, um Euren Fängen erneut zu entwischen.“ „Ach ja? Du und welche Armee? Was soll ein Einzelner gegen mich ausrichten können?“ „Ich bin nicht allein.“ Caesian wollte bei diesen Worten in Gelächter ausbrechen. Doch nur einen Augenaufschlag später blieb ihm dieses im Hals stecken. Sein Gegenüber hatte zu glühen begonnen. Hinter dem Körper des alten Mannes begann die Luft zu flimmern, greifbare Formen anzunehmen. Dann stob Staub in einem regelrechten Wirbelsturm auf. Ein gellender Schrei fegte über die Wüste hinweg, als sich gewaltige, durchscheinende Schwingen streckten. Grünes Gefieder glänzte im Sonnenlicht. Gelb-orange Schwanzfedern peitschten um die gewaltigen, mit Klauen bewährten und Ringen umschlungenen Füße. Schmuck zierte die Flügel, eine goldene Krone saß auf dem Haupt, während aus dem Rücken ein ähnlicher Ring ragte, wie ihn auch der geflügelte Drache des Ra trug. Gelbe Augen fixierten Caesian, während aus dem Schnabel ein Angst einflößendes Brüllen drang. Simorgh, Reshams Ka-Bestie, war erschienen. Ihr Träger war auf die Knie gefallen, die Beschwörung hatte zuviel Kraft gekostet. „Was soll das werden, alter Mann? Glaubst du wirklich, du könntest mir in irgendeiner Weise schaden?“ „Er mag dazu nicht mehr in der Lage sein. Doch vergiss mich nicht, verblendete Seele!“, donnerte Simorghs Stimme über den Sand hinweg. Er hatte das Reden anstelle Reshams übernommen. Er neigte den Kopf und sah sich um. Als er ein Schwert auf der Straße liegen sah, las er es mit dem Schnabel auf. „Was vermagst du schon auszurichten, Federvieh? Auch du bist nur ein Kind der Götter und ihnen nicht ebenbürtig. Du bist gar noch minderwertiger, als die Bestien, die der Pharao zu beschwören vermag. Und die habe ich alle das Fürchten gelehrt!“, höhnte Caesian weiterhin. Indes ließ Simorgh die Klinge klappernd vor Resham fallen. Der griff mit zitternden Fingern danach. „Wollen wir diesen Kampf nun mit dem Schwert entscheiden? Mir soll es recht sein, auch darin würde ich euch bemitleidenswerte Kreaturen besiegen.“ „Nicht ganz, Caesian“, antwortete wieder der gewaltige Vogel an Stelle seines Trägers. „Doch ehe das Ritual vollzogen wird, das dich abermals um die Relikte bringen wird, lass dir eines gesagt sein! Du wirst fallen. Und dann werden seine Kinder um deine Leiche tanzen!“ „Niemand kann mich besiegen! Absolut niemand!“, brüllte Caesian in irrem Gelächter. „Du bist verblendet, Menschenkind. Ebenso, wie es der Gott einst war, dessen Zepter du in Händen hältst! Doch ihm wurden die Augen geöffnet. Und so wird es auch bei dir sein!“ Ein gellender Schrei stieg aus Simorghs Kehle herauf, als Resham das Schwert packte und mit letzten Kräften in seinen eigenen Leib rammte. Dann breitete er die Hände aus und begann, einen uralten Spruch zu rezitieren. Nach und nach verschwand sein Körper in Licht, begann, sich aufzulösen. Die hellen Funken, in die er zerstob, stiegen auf zu seiner Ka-Bestie und vereinigten sich mit ihr. Brüllend nahm der gigantische Vogel die Energie in sich auf, begann zu strahlen, wie die Sonne selbst. Augenblicklich wich Caesian zurück. „Was tust du?“ „Ich bringe dir die Erleuchtung ...“ Simorghs Stimme war nicht mehr greifbar, sein Körper im Licht aufgegangen. Auf gleißenden Schwingen stieg er empor, tauchte das Land in grellen Schein. Als er wieder hernieder stieß, war es, als fiele die Sonne selbst auf die Erde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)