Tōdai moto kurashi von Himi_und_Nami (fruity anthology 4) ================================================================================ Kapitel 1: Reitas Geheimnis --------------------------- Todai moto kurashi Satoshi räkelte sich entspannt in den zerwühlten Laken. Weich schmiegte sich der Stoff der Bettdecke an seine nackte Haut und verführte ihn dazu, doch noch länger liegen zu bleiben. Im Zimmer roch es ein wenig nach Aftershave, nach Schweiß, nach Anstrengung und – Satoshi rümpfte die Nase und öffnete ein Auge. Zigaretten. Warum ausgerechnet in seinem Schlafzimmer? Der weißliche Rücken, der da vornüber gebeugt aus dem Bett ragte, endete in einem zarten, oft burschikos gestrecktem Nacken, der allerdings samt seiner rötlich schimmernden Geheimnisse unter den blondierten Haaren versteckt war. Er leuchtete in der Dunkelheit über den Dächern Tokios. Es war noch dunkel; vielleicht vier oder fünf Uhr? Seit dem letzten Herbst, seit dem Rock Full Level-Festival trafen sie sich alle paar Wochen und machten miteinander rum. ‚Ich bin nicht schwul’, hatte der blonde Mann ihm gesagt und Satoshi bestätigte mit einem Nicken auch seine Heterosexualität. ‚Ich habe noch nie mit einem Mann geschlafen’, versuchte er sich zu erklären, doch der Sänger hatte schmunzelnd den Kopf geschüttelt. ‚Das war ein unglücklicher Unfall!’, konstatierte er hochrot. Auf seinen Vorschlag hin, sich eine Freundin zu suchen, um seine ‚Krankheit’ zu bekämpfen, hatte der Blonde nur müde gelächelt. ‚Ich bin nicht so wild aufs Vögeln. Es geht mir echt nicht um Sex.’ Und trotzdem war er hier, um zu küssen und geküsst zu werden. Trotzdem fanden sie immer wieder in das selbe Bett, um sich nackt aneinander zu pressen und zu streicheln. Höhepunkte waren dabei nicht ausgeschlossen, auch wenn sie sich bemühten, nicht erregt zu sein. Dank ihrer Treffen sei seine Quote des nächtlichen Übergriffs gesunken, behauptete er. Ja, es stimmte. Satoshi kuschelte sich mit Reita zusammen alle paar Wochen zum Orgasmus. Reita zog genüsslich an seiner Zigarette. Sie waren die ganze Nacht wach gewesen; langsam zweifelte er wirklich an seiner Sexualität. Wie konnte er sich bei einem Mann wohl fühlen, sich gar gehen lassen, wenn er doch nicht schwul oder bi war? Gehörte er etwa auch zu Denen? Er hatte letzte Woche genau gesehen, was da abging. Tora und Shou saßen Händchen haltend in der Cafeteria. Er wusste, was bei Tora los war, wenn er ohne eine Kamera posierte. Die Beiden waren zusammen. Und wie Reita zu seinem Unmut feststellen musste, jetzt auch noch ganz dicke mit dem anderen schwulen Pärchen der PSC. Reichte es nicht, dass er an Uruha nicht mehr herankam? Musste man ihm jetzt auch noch Tora vor der Nase als Kumpel wegschnappen? Da blieben ihm ja nur noch Ruki, Kai und – Satoshi. »Hey ...«, schreckte ihn dieser aus seinen Gedanken, legte seinen Kopf auf Reitas nur leicht bedeckten Schoß und strich über die tiefe Falte. »Eigentlich wollte ich dich ja anschnauzen, warum du mein Schlafzimmer zuqualmst ... aber so wie du gerade aussiehst, glaube ich, dass du dann anfängst zu weinen.« »Quatsch nicht«, flüsterte der Bassist und zog noch ein Mal an der Zigarette, bevor er sie am Rand einer Getränkedose ausdrückte und dann in die Öffnung warf. »Was ist denn los?«, fragte Satoshi weich und streichelte ihm über die Wange. »Nichts ... nur ... na ja ... Die PSC ist um ein Pärchen reicher.« »Echt? Wer denn?« »Tora und -« »Shou-san? Echt? Dann ist Tora-san endlich glücklich, das ist toll!« Reitas Augen weiteten sich überrascht. »Woher weißt du ...?« »Auf dem Festival. Ich bin ja nicht blind. Sie scharwenzelten so umeinander herum, als würde jeden Moment ein Sturm, Orkan oder so was ausbrechen!« Der Girugämesh-Sänger machte mit den Händen unkoordinierte und schnelle Bewegungen. »Aber wo ist das Problem?« Reita starrte in Satoshis Augen und wusste es nicht mehr. War es nicht unwichtig, ob er schwul, bi oder hetero war? Hauptsache glücklich? Er schüttelte den Kopf und beugte sich herab, um Satoshi einen umständlichen, aber sanften Kuss aufzudrücken. »Ist schon gut.« Sie küssten sich ein paar Minuten lang, bis Satoshi Reita zurück aufs Bett stieß und eine Bettdecke über ihre nackten Körper warf. »Bist du auch so müde?« Ein Nicken antwortete ihm. »Lass uns noch ein paar Stunden schlafen«, schlug der Kleinere vor und zog seinen Kuschelpartner zu sich. »Nachher machen wir ein großes Frühstück!« ~~~~~ Die Nacht war eindeutig zu lang gewesen ... Seine Füße taten vom Tanzen weh, die Augen schmerzten vom flirrenden Licht der Diskokugel. Uruha liebte das Nachtleben in Tokio – unerkannt, versteht sich. Und mit Aoi zusammen war es noch viel schöner, wie er fand. In Verschnaufpausen konnten sie sich in den VIP-Bereich zurückziehen, um von dort aus den Überblick über ihr Tawamure zu behalten. In den letzten Stunden war ihnen so einige Male ein Schmunzeln über die Lippen gehuscht. Heute – fast zwei Jahre nach seinem Zusammenkommen mit Aoi – konnte er sich nur dunkel daran erinnern, dass er so schüchtern gewesen war – so schüchtern wie Tora und Shou, als sie letzte Nacht das erste Mal allein in den Club gekommen waren. Fast schon ängstlich klammerten sie sich aneinander, vor Angst, man könnte sie ja anmachen, antanzen, erkennen und dergleichen. Nach einer halben Stunde Eingewöhnungsphase hatten sie sich jedoch überwunden und begannen zu tanzen. Aoi holte sie nach einer weiteren Stunde ebenfalls in den VIP-Bereich. Irgendwie war es lustig, ein befreundetes gleichgesinntes Pärchen zu haben ... Nach weiteren Stunden, in denen sie tanzten und lachten, fielen beide Paare auf die ausgestellten Sessel. Shous anfängliche Scheu, sich vor ihren Augen auf Toras Schoß zu setzen, verflog, sobald Tora ihn mit etwas Nachdruck und Überzeugungskraft auf sich zog und ihn sanft hinterm Ohr küsste, an der Haut nippte, bis Shou die Augen schloss, sich sinken ließ und aufatmete. Uruha war nicht sehr überrascht gewesen, dass tatsächlich Tora Shous vermeintlich geheimer Verehrer war. Nach Toras Kuss- und Aois Eifersuchtsattacke war ihm einiges durch den Kopf gegangen. Und da er Shous Parfum getragen hatte, machte es Klick – und da kam die Antwort. Etwas über vierundzwanzig Stunden später hatten Aoi und er es sogar Schwarz auf Weiß: ‚Euch Beiden, vielen Dank! Wir sehen uns morgen in der Arbeit. Kazamasa und Shinji.’ Alles war friedlich. So fiel es dem ausgepowerten Leadgitarristen nicht schwer, im Auto neben seinem Freund einzuschlafen, während dieser nach Hause fuhr. Die Wohnungssuche durch den Makler hatte noch nichts ergeben; Aois Leuchtturm hatten sie noch nicht besichtigt – es war einfach keine Zeit da gewesen. Irgendwie konnte er sich jedoch unter einem Leuchtturm als Wohngelegenheit nichts vorstellen. Sicherlich war er begeistert von der Aussicht, ein Haus noch soweit selbst renovieren zu können, dass zum Beispiel tatsächlich sein Traum vom Master-Bathroom wahr werden könnte, doch er fürchtete sich vor Aufgaben, die er vielleicht nicht bewältigen könnte. Dank Aois Erbe ja sozusagen schon vor der Tür stand und in seinen Händen lag, hatten sie aber eigentlich zusammen genug Budget, um alles zu schaffen, was sie sich erträumten. Aoi öffnete während der Fahrt das Fenster, Uruha wehte der frische Wind um die Nase. Er fröstelte. »Yuu ... nicht, ich friere doch so schnell ...« Schmollend und mit weiterhin geschlossenen Augen zog er sich die Jacke enger um den Hals. »Quengel doch nicht so«, säuselte Aoi neben ihm leise und seufzte. »Riechst du das nicht?« »Was denn?« Das Einzige, was seine Nase wahrnahm, war der Geruch der Nebelmaschine, der an seiner Kleidung haftete. »Kouyou, schäm dich ... Du bist mit mir zusammen und riechst das nicht?« »Hm?« Jetzt hob er doch den Kopf und öffnete die Augen. Erstaunt sah er sich um – sie waren nicht auf dem Weg nach Hause. »Wo fährst du hin?« Die niedliche Kirschbaum-Allee verführte Uruha zum Träumen. »Na ja ... In dreißig Minuten ist Sonnenaufgang – und ich hab mir überlegt, wo wir dieses kleine Wunder heute erleben.« »Im Bett?«, fragte Uruha hoffnungsvoll und biss sich auf die Lippen, als Aoi ihn strafend betrachtete. »Nicht?« »Nicht direkt.« Jetzt lächelte er wieder und hob die Hand, deutete mit dem ausgestreckten Finger in die Ferne vor Uruhas Kopf. »Siehst du das da vorne oder brauchst du deine Brille?« Der Jüngere kniff die Augen zusammen und blickte auf den Punkt, den Aoi ihm gezeigt hatte. Ein weißer Leuchtturm auf einer kleinen Erhöhung. Ihm blieb der Atem weg. »I-ist das ...?« »Ja, das ist er«, sagte sein Partner stolz und brüstete sich. Er schaltete in einen niedrigeren Gang, fuhr um verschiedene Kurven, während sich Uruha von jenem umher wanderndem Leuchtturm hypnotisieren ließ. »Warum jetzt?« »Der Sonnenaufgang?« »Ich seh doch nachts so schlecht. Und drinnen haben wir bestimmt keinen Strom, oder? Dann seh ich doch gar nicht alles ... und außerdem-« »Du hast Lampenfieber?« Aoi schien überrascht zu sein. Uruha nickte und fischte nach seiner Brille, um besser sehen zu können. Seine Hände zitterten. Er war tatsächlich nervös. »Kouyou ...« Aoi griff nach seiner Hand, sie verschränkten die Finger und schalteten gemeinsam in den nächstniedrigeren Gang. »Beruhige dich ... es ist nur ein -« »Leuchtturm, ja – es ist dein Leuchtturm!« Uruha begann zu hyperventilieren. »Mit etwas Glück unser Leuchtturm.« »Eben!« Der ältere Mann bremste und stellte den Motor ab. »Möchtest du es nicht sehen?«, fragte er ruhig. »Doch, natürlich ... aber ich habe Angst davor, es nicht zu mögen.« »Wenn du es nicht magst, suchen wir weiter – das ist doch gar kein Problem.« Uruha starrte hinauf zur Spitze und atmete wieder ruhiger. Der Turm selbst stand auf einer kleinen Erhöhung, wurde aber noch zusätzlich von zwei Stockwerken gestützt. Ein weißes Gebäude, sehr beeindruckend erschienen ihm auch die Terrasse mit den französischen Fenstern und auch die Aussicht war Atem beraubend. Vor ihnen lag die Tokio Bay und über das Wasser hinweg führte die Rainbow-Bridge, hell erleuchtet und im Wasser spiegelten sich ihre Lichter. »Koibito?« »Lass uns reingehen.« Uruha lächelte und zog an Aois Hand, bis er sich auch loseisen konnte und sie beide aus dem Wagen stiegen. Es war frisch, wesentlich kühler als im Club oder im Auto. Eine milde Brise zog über sie hinweg und spielte mit seinen blonden Strähnen. Er genoss das Gefühl. Hand in Hand durchquerten sie die Räume, zumeist noch im alten Zustand mit antiken 70er-Jahre-Fliesen am Boden. Aoi sagte nichts. Der Treppenaufgang führte bis nach oben zum lichten Stockwerk, wo Uruha der Atem wegblieb. Die Aussicht von hier oben war noch viel besser, der Himmel wurde langsam heller. Aoi zog ihn an sich und küsste ihn auf die Wange, dann führte er ihn zu einer kleinen Couch, die in Richtung Osten aufgestellt war. Gemeinsam ließen sie sich auf die Polster fallen und eine Fliesdecke umhüllte sie. Uruha seufzte. Mit Aoi an seiner Seite, in diesem Leuchtturm mit dieser Aussicht war er glücklich. Und auch ohne die Wärme ihres gemeinsamen Bettes musste er feststellen, dass der Augenblick für diesen Sonnenaufgang nicht hätte schöner sein können. ~~~~~ Es war wieder einer dieser Tage, an denen Kai seinen Augen nicht traute, wenn er Reita ansah. Alle paar Wochen kam dieser Tag in periodischen Abständen. Reita war entspannt. Nicht unbedingt ausgeschlafen, aber entspannt. Sein Gesicht war weich und offen und er plauderte in einer Tour vor sich hin, machte anzügliche Witze. Sie saßen gemeinsam im Proberaum, der Basser stimmte seine Gitarre und Kai war damit beschäftigt ihn zu beobachten. Er versuchte das Geheimnis dieses Zustandes zu ergründen, doch so richtig einkommen wollte ihm keine Erklärung. Er schlürfte seinen Kaffee aus dem Pappbecher mit Deckel. Buff! Ruki stürmte zur Tür herein. »Ohayo«, sagte er knapp. »Mein Auto ist Schrott, ich muss telefonieren.« »Dein Auto?«, fragte Kai besorgt. »Ist alles in Ordnung bei dir?« »Kai, ich bin grad mit dreißig Sachen und einem Sound wie ein Tuning-Car über den Highway getrottet! Hinter mir eine Fontaine aus sprühenden Funken ...« Die Stimmlage des Sängers war eindeutig ... äh ... angespannt. Genervter konnte ein Mensch nicht klingen. »Das hört sich nach durchgerostetem Auspuff an ...«, meinte Reita nur von Weitem. »Ja, genau ... die Straßenfutzis immer und ihr Gespritze über den Winter ...« »Die Räumdienste meinst du?« »Mir egal, wie die heißen! Das Salz greift meinen Unterboden an und dann passiert so ne Scheiße.« »Dann musst du eben auf deinen Unterboden aufpassen ...«, grinste Reita fast schon lieblich und gab dem Vocal mit einem Klaps auf den Hintern und mit dem einen Schubs in die Richtung, in die er den Spruch gedeutet haben wollte. »Sag mal ...« Da war der Bassist auch schon im Flur, die Tür zu. Reita verschwand des Öfteren mal, wenn ihm nach etwas Leckerem aus dem Automat an der Ecke war. »Duhu? Kai? Weißt du, was mit dem los ist? Er klingt schon fast wie Aoi ...« Am anderen Ende der Stadt würde heftig geniest und hochgeschreckt, festgestellt, dass man sich immer noch im Leuchtturm befand, Uruha unsanft wachgerüttelt, denn gleichzeitig hatte man festgestellt, dass man vier Stunden verschlafen hatte ... Kai indes wusste seit geraumer Zeit nicht, warum er sich so für Reitas geheimen Quell der Glückseligkeit interessierte. Witterte er einen Skandal? Nein ... irgendwie nicht ... Eher vermutete er eine Affäre. Die Knutschflecken auf dem Nacken des Anderen waren auch zu verdächtig gewesen. Es konnte sich also um gar nichts anderes handeln. Warum waren in den letzten Monaten nur so seltsame und intime Dinge am Laufen in der PSC? Erst das Coming-Out von Uruha und Aoi und jetzt auch noch Tora und Shou. Warum, um alles in der Welt, hatte eigentlich jeder ein interessanteres Sex- äh ... Liebesleben als er selbst? Das strahlende Lächeln verbarg hervorragend seine Überdrüssigkeit gegenüber dem Alleinsein, die lockere Art sein einsames Herz. Er redete sich immer nur ein: Jetzt höre ich auf zu suchen! Ab jetzt höre ich auf zu warten! Die Wahrheit war: Natürlich konnte er sich gar nicht an diese Parolen halten. Niemand kann das, da musste man schon von etwas Außergewöhnlichem überfallen werden, dass man vergisst daran zu denken, und dann erst hat man überhaupt die Chance von der Liebe warm erwischt zu werden, wenn man es am wenigsten erwartet, mit einer Person, mit der man es am wenigsten erwartet. So ist das doch. Oft. Aber Kais Unterbewusstsein spielte ihm Streiche. Er konnte nicht aufhören daran zu denken, nicht aufhören zu hoffen. Natürlich ging er zum Supermarkt, auf Konzerte, auf Partys, spazieren - immer mit dem Gedanken im Hinterkopf: Vielleicht treffe ich dort jemanden, der mir gefällt, vielleicht ... Das ließ sich nicht vermeiden. So ging er seit ein paar Monaten in jeder Minute, an jede Sache mit dieser Erwartungshaltung heran. Er konnte nicht aufhören zu hoffen, nicht aufhören zu denken: Vielleicht ... Und er war schließlich schon so lange allein geblieben, allein mit sich und dem Hoffen. Er hätte es nie gesagt, aber oft drehte er sich weg, wenn Uruha und Aoi sich küssten. Warum tat es ihm weh, das Glück anderer Menschen zu sehen? War das Neid? War das Frust? Nein, es war einfach die Erkenntnis, dass er selber nicht in der Art glücklich war. Was blieb, war immer das Gefühl: Was mache ich heute denn falsch? Es war doch auch schon mal anders ... Ich war doch schon glücklich. Ich will das zurück. Das alles blieb und die Unzufriedenheit mit sich selbst. Kai suchte in solchen Dingen immer die Schuld bei sich selbst. Vielleicht war er zu anspruchsvoll geworden, zu anstrengend für eine Frau, zu ... berühmt, zu ... es gab eigentlich immer eine Menge Zus. Mist, jetzt hing er schon wieder seinen Gedanken nach. Aoi und Uruha waren zu spät ... Was sie wohl wieder die Nacht über getrieben hatten? Kai konnte nur seufzen. An romantische Nächte mit Leidenschaft ohne Ende konnte er sich nur ganz dunkel erinnern. Wo war diese Zeit geblieben? Rukis Auto war Schrott, das war jetzt viel wichtiger! Es war eben nicht immer leicht für Leader-san seine Küken zusammen zu halten. Da. Reita schrieb SMS. Zu gerne hätte er jetzt gewusst mit wem. Aber ihn ging das ja alles nichts an. Am Nachmittag saß er für zwei Stunden fest. Es hatte ein riesiges Problem mit Uruhas Kostüm gegeben, was heute unbedingt beim Fitting abgesegnet werden sollte. Zum Shooting in vier Tagen würde es dann durch einen Kurier gebracht, dann konnte man nichts mehr ändern. Für eine komplette Jacke einen absolut falschen Stoff zu wählen war schon ein richtiger Hammer. Uruha hörte sich mit dem Plastik-Lederimitat an, wie ein großes Stück knatterndes Styropor. Er würde bei der Geräuschkulisse, die dieses Kleidungsstück verursachte, nach 20 Minuten durchdrehen und alle, die in seiner unmittelbaren Nähe arbeiten mussten, ebenfalls. Schrecklich, also musste die Jacke heute noch einmal komplett neu genäht werden, zumindest der Grundschnitt. Allen Schmuck und Verzierungskrimskrams konnte man dann immer noch ohne Reallife-Modell aufbringen. Kai musste also auf seine Anprobe noch warten. Zwischendurch mal unerwartet zwei Stunden frei zu bekommen, hatte auch mal was für sich. Kai durfte zwar das Gelände nicht verlassen, aber nur physisch nicht. Virtuell war das kein Problem. Er lud Pidgin auf einen zur freien Nutzung herumstehenden PC. Natürlich die Portableversion von seinem Stick. Er meldete sich an und sah sofort, dass Satoshi online war. Ein kleines Symbol leuchtete grün neben dem Namen »BlackBlubb« - wer sonst würde sich einen dermaßen grenzdoofen Usernamen einfallen lassen? Er schrieb den Anderen einfach an, denn sie hatten in den letzten Wochen und Monaten schon des Öfteren miteinander gechattet. Er bekam sofort eine Antwort. Satoshi war gerade in der Drehpause, chattete via PDA und knabberte nebenbei etwas, dass sich ChuckChi nannte und bonbonrosa war. BlackBlubb: Tüdelü~ SunnyWine: Tüdelü? BlackBlubb: Japp SunnyWine: Gut gelaunt? BlackBlubb: Japp ^_^ SunnyWine: Reita auch. Er summt die ganze Zeit ... Einen winzigkleinen Moment hatte Satoshi überlegt, ob Kai über alles Bescheid wusste. Aber Reita hätte sich lieber nackt auf die 5th Avenue gestellt, als auszuplaudern, dass er sich ab und an zum Zwecke sozialer und sexueller Auslastung mit einem anderen Mann traf. BlackBlubb: So? SunnyWine: Hai. Er ist alle paar Wochen mal total entspannt und gut gelaunt, danach ist er wieder konzentriert und unausgeschlafen ... Ausgeschlafen ist er jetzt auch nicht, dachte der Girugämesh-Sänger und kaute weiter auf den seltsamen Flocken umher, während ShuU schon dabei war, Niis Haare damit zu dekorieren. BlackBlubb: Hast du ne Vermutung, warum? SunnyWine: Nein, aber ich wüsste gerne, wer sie ist. Wie muss eine Frau sein, dass er so happy ist, nach dem er mit ihr zusammen war? BlackBlubb: Muss ne Turboschnitte sein *gg* SunnyWine: Du wieder ... Ich glaub, sie ist eine ganz normale Frau. BlackBlubb: Glaube ich auch. Denkst du, sie ist verheiratet? Wenn Satoshi eines konnte, dann war es seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen und geschickt von sich abzulenken. SunnyWine: Irgendwas wird schon sein, dass er es so geheim hält. BlackBlubb: Meinst du, er vergnügt sich auf Bezahlung? Einen Augenblick stand Kai unter Schock! Er wusste nicht, ob er schockiert darüber sein sollte, dass Satoshi Reita so etwas zutraute, oder ob er schockiert über Satoshis Idee an sich sein sollte. SunnyWine: Ich glaube nicht, dass er so etwas tun würde, da hat er sicher ganz andere Möglichkeiten. BlackBlubb: Kann ja sein, aber er ist auch nur ein Mann ... Ein einsamer ... War da in Satoshis Zeichenkette ein Hauch von Melancholie? Wo kam denn das auf einmal her? SunnyWine: Meinst du, er ist einsam? Er ist Single, das weiß ich, aber er macht nicht gerade den Eindruck, als würde ihm das was ausmachen ... Wenn du wüsstest ..., sinnierte Satoshi nachdenklich und ließ den Cursor ein paar Sekunden wartend blinken. Er dachte an gestern Nacht. Wie zerbrechlich Reita ausgesehen hatte. Er erinnerte sich auch an die verzweifelten Liebkosungen. Die paar Stunden in ein paar Wochen, waren noch lange nicht genug, um Reitas Liebeshunger und seine Krankheit zu besänftigen. Was er brauchte, war eine feste Beziehung, aber die war bei dem Bassisten einfach nicht in Sicht. Auch diese Kuschelaffäre mit ihm würde nicht den gewünschten Erfolg haben. Zumal Satoshi Reita nur half, weil er ihn mochte, nicht aber liebte. Es war verwirrend, aber für ihn relativ einleuchtend. SunnyWine: Blubb Blubb … Erst jetzt wachte Satoshi wieder aus seinem Dämmerzustand auf. BlackBlubb: Ich denke, er grübelt auch sehr oft. Vielleicht solltest du mal mit ihm sprechen. Ich glaube, dir geht es nicht anders als ihm. Darauf bekam Satoshi keine Antwort, nur ein Kurzes »Bis dann ...« Dann war SunnyWines Symbol wieder grau. Kai lehnte sich zurück. Es war gar nichts. Er wurde nicht weggerufen, nicht angesprochen, auch die Internetverbindung war nicht zusammengebrochen ... Kai hatte aus Reflex den Schließenbutton gedrückt. Sein Kopf hatte von jetzt auf gleich einfach »Stopp!! Bis hier hin und nicht weiter!!« gedacht und noch gehandelt, bevor Kai selber sich noch einen Reim darauf gemacht haben konnte. Er sollte mit Reita reden? Er? Mit Reita? Was ... was war das denn für eine Idee? Wie abwegig, weil Reita doch gerade den Quell zumindest partieller Glückseeligkeit gefunden zu haben schien. Andererseits, vielleicht war das, was ihn so entspannen ließ ja neutral? Ein Objekt, ein Ort, ein Tun und keine reale Person. Vielleicht würde ihm das Ganze ja auch helfen ... Das war es wieder ... das Vielleicht ... Als Kai in diesem Abend das Studio verließ, war er sogar noch aufgewühlter als vorher. Wie ein unruhiges Raubtier schlich er vor dem Haupteingang umher unter dem innerlichen Vorwand seinen Schlüssel vor der Tür in der Dunkelheit verloren zu haben. Das hatte er auch, aber, wie er ahnte im Studioraum. Trotzdem wollte er hier zuerst schauen; man wusste ja nie. Er vernahm die schwere Sicherheitstür und gleich darauf latschte ein lässiger wie müder Reita auf ihn zu. »Hey, ich hab deinen Schlüssel gefunden ... wenn du den suchst ...« Schon klapperte das Metall zwischen Nichtzeigefingern und Daumen. Das obligatorische Reitagrinsen gab es gleich mit dazu, was in diesem Fall mal wieder sagte: Ach Kai, dass du immer wieder deine Sachen vergessen musst ... Kai antwortete mit einem dankbaren Lächeln. »Arigatou«, machte er und strahlte wie von ihm gewohnt. »Also, wir sehen uns morgen ...« »Hai, mata ne!« Schon verschwand Reita in der Dunkelheit, war nur noch halb zu sehen. Von Weitem konnte Kai nur noch hören, wie der Aufsteller von seinem Motorrad eingeklappt wurde. Ein seltsames Gefühl, heute war überhaupt alles seltsam. »Reita, warte mal!« Was, was, was sollte das denn? Ehe er überlegen konnte, war er auch schon auf dem Weg durch die Dunkelheit zu seinem Bandkollegen. »Was ist denn noch?«, fragte Reita und es klang keinesfalls ablehnend. »Ich ...« Kai kam wieder zum Stehen. Immer noch flutete ein nachhaltig merkwürdiges Gefühl seine Blutbahnen. Er wusste in diesem Moment, dass etwas Besonderes passieren würde, etwas, mit dem er noch nicht rechnete. »Ich hab eine Frage ...« »Dann schieß mal los!« Der Blondierte hatte inzwischen vollkommen eingehalten in seinem Tun. Er betrachtete den Anderen aufmerksam über sein Bandana hinweg, doch Kai blieb ihm undefinierbar. Er ahnte aber bereits, dass nun etwas höchst Untypisches passieren würde. Eine kleine Weile standen beide Männer beinahe hilflos vor einander. Kai, weil er nicht wusste, wie er diese Sache nun anfangen sollte und Reita war hilflos, weil Kai hilflos war. »Ich ... ich ...« »Einfach raus damit!« »Ich ... mir ist aufgefallen, dass du alle paar ... Wochen mal unglaublich entspannt und happy zur Arbeit kommst ... und ich wollte wissen ... warum das so ist.« Okay. Nun fühlte sich Kai, als hätte er indirekt »Mama, was ist Sex?« gefragt. Wie bescheuert. Na ja, nicht mehr zu ändern. Reita wurde rot. Aber er ließ sich erstens nichts anmerken, zweitens war es dunkel und drittens hätte man unter dem Bandana so und so nichts gesehen. Einen Moment brauchte er noch, um sich zu fangen. Dann kam ihm eine fixe Idee; es kam auf einen Versuch an. »Du willst wissen, was ich alle paar Wochen treibe?« »Ähm ... Ja.« Kai zitterte wirklich, was war denn auf einmal los? »Also gut«, sprach der Bassist selbstsicher und gefasst. »Dann steig auf!« Das war für Kai wie eine Einladung in eine andere Welt. »Steig auf?« »Hai, ich zeig dir, was mein Geheimnis ist ...« Und der Drummer hatte keine Ahnung, was sich hinter dieser Einladung versteckte, als er sie annahm und sich mit Reita aufs Motorrad schwang. Ohne ein Wort zu wechseln fuhren sie durch die Stadt. Kai fühlte sich dabei komisch, auch wenn er mit dem Motorradhelm sowieso kaum etwas hörte außer dem Rausch der Geschwindigkeit. Was tat Reita? Was wollte er ihm zeigen? Sie fuhren in die Tiefgarage des Hochhauses, in dem Reita wohnte. »Reita?« Seine Stimme klang vorsichtig, während der Bassist das Motorrad wieder abstellte, die Helme verstaute und mit einem selbstsicheren Grinsen seinem Blick begegnete. »Hab keine Angst, Kai ...« Weiterhin grinsend griff er nach der Hand des Drummers und zog ihn mit sich hinüber zum Aufzug und drückte den Pfeil, der nach oben zeigte. »Ist es ... eine neue Bassgitarre?« Reita lachte. »Du bist so unschuldig ...« Kai errötete und es war ihm unangenehm, dass Reita das in dem hell erleuchteten Aufzug so gut sehen konnte. Wo war er da nur hineingeraten? Wenn man ihm schon sein unschuldiges Denken zum Vorwurf machte, womit sollte er es dann in ein paar Minuten zu tun bekommen? Hand in Hand – Kai schwitzte an den Handinnenflächen, was er sonst nie tat – verließen sie die Fahrstuhlkabine und der Bassist öffnete seine Wohnungstür, zog Kai wieder mit hinein – dann ließ er ihn los. Stumm, aber synchron zogen sie die Schuhe aus und hängten ihre Jacken an die Garderobe. Der Blonde summte wieder und ging gemächlich in die Küche, wo er eine Kanne mit Orangensaft aus dem Kühlschrank nahm und sich selbst und auch Kai ein Glas einschenkte. »Das tut gut, glaub mir.« Langsam begann Kai zu glauben, dass sein guter Freund irgendwelche bunten Pillen schluckte. »Ich ... ich hab keinen Durst, danke.« Reita zuckte die Schultern und trank seinen Saft in einem Zug aus. Klangvoll stellte er das Glas wieder auf dem Tisch ab. »Meinetwegen kannst du dir auch danach eine Stärkung genehmigen.« Das Nasenband, das er privat nur noch trug, wenn er – wie heute – so besonders gut gelaunt war, legte er ab und hängte es in seine Garderobe, wo die anderen neun Versionen hingen; er hatte erst vor zwei Monaten ausgemistet. Kai kam nicht von dem Gedanken ab, dass er hier etwas ... Verbotenes tat. Für seinen Körper aber gab es kein Zurück mehr. Irgendetwas in ihm schrie danach, dieses Verbotene zu tun. Auszubrechen und nicht der Drummer von the GazettE sein zu müssen. Dennoch ... warum mit Reita? Seine Coolness war nur gespielt. Reita schlug das Herz bis zum Hals und die Hand, die er hinter sich auf der Arbeitsplatte verkrampfte, zitterte vor Aufregung. Es mit Satoshi zu tun, war eine Sache – daran hatte er sich gewöhnt. Doch jetzt Kai hier zu haben und ihm den Grund zu offenbaren erschien ihm doch sehr zweifelhaft. Warum hatte er das getan? Aus Neugier? Gewiss hatte er keinen Gedanken an Satoshi verschwendet. Es war kein Betrug. Für beide Seiten nicht. »Wie fiel deine letzte Untersuchung aus?« »Warum fragst du das?« »Zur Sicherheit?« »Ich bin kerngesund«, murmelte Kai und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. »Langsam glaube ich wirklich, dass -« »Ich bin auch kerngesund«, unterbrach Reita ihn. »Dann haben wir beide ja eine Sorge weniger.« Mit Satoshi hatte er noch nie ein Kondom benutzt – aber auch nur, weil er wusste, dass auch der Sänger unter ständiger Kontrolle stand. Wenn etwas gewesen wäre, hätte er es ihm gesagt. »Hm?« »Komm mit.« Reita ging barfuß voraus, ohne darauf zu achten, dass Kai hinterherkam. Im Schlafzimmer ließ er die Deckenbeleuchtung aus, schaltete allerdings die Nachttischlampe an, damit das Zimmer in ein warmes, orange-rotes Licht getaucht wurde. Hinter sich hörte er die Schritte seines Freundes. Kai blieb in der Tür stehen und hob das Kinn ein wenig an, wahrscheinlich, um größer zu wirken – und sich selbst zu beweisen, dass er der Situation sprichwörtlich gewachsen war. »Warum im Schlafzimmer?«, fragte er und sah auf das Bett, das in diesem diffusen Licht sehr einladend und weich auf ihn wirkte. »Weil ich es immer im Schlafzimmer tue«, antwortete Reita und überlegte, ob Kai wirklich immer noch nicht wusste, was er vorhatte. Oder ob er gar dachte, er würde weitergehen und mit ihm schlafen? Dass ihm dafür die Intimität dieses Raums zu viel Angst einjagte? Der Bassist seufzte innerlich und dachte, dass ihm persönlich für so ein Geschehnis das Wohnzimmer eines Fremden nicht lieber wäre ... schließlich saß man dort doch öfter herum als im fremden Schlafzimmer – und würde an das erinnert werden, was geschehen war. »Reita ...« Der Jüngere trat von einem Bein aufs andere, wirkte verunsichert. Nach einer Handbewegung später stand er bei ihm und Reita sah ihm ins Gesicht, in die Augen. Sein Ton nahm etwas Warnendes an. »Wenn es dir unangenehm ist, musst du mich aufhalten ...« Sein Flüstern massierte Kais empfindliche Ohren. »Wenn du etwas möchtest ...« »... soll ich es dir sagen?«, erkundigte er sich leise. Reita nickte – und wusste inzwischen, dass Kai ahnte, was nun kam. Er lief nicht weg. Das rechnete er ihm hoch an. Der Bassist streichelte Kais Wange, woraufhin dieser die Augen schloss und diese leicht, kaum merklich in die Hand seines Freundes schmiegte. Reita lächelte, versuchte sein rasendes Herz zu beruhigen und löschte das Licht. In der Dunkelheit versuchte Kai sich vorzustellen, dass Reita ihm fremd sei, dass das ein Fremder war, dessen Hand sich vorsichtig und sanft in seinen Nacken schob, ihn dort massierte. Dass es nicht Reita war, der seine Lippen an Kais Hals legte, ihn dort küsste, wo gerade so heiß sein Blut pulsierte. Heißer Atem strich über die nun feuchte Haut, sodass Kai schauderte und sich an den Schultern des Anderen festhielt, um nicht zu stürzen, weil ihm die Knie nachgaben. Zu lange war es her, dass er, dass sein Körper wichtig gewesen war. »Reita ...« »Schsch, ist schon gut ...« Zärtlich strich er mit seiner Nase an Kais Halsbeuge entlang, spürte sein Zittern, hörte sein Atmen. »Wenn du aufhören -« »Nein!«, protestierte Kai sofort und fühlte, wie ihm immer mehr die Hitze ins Gesicht stieg. All seine Bemühungen, sich vorzustellen, dass nicht Reita an ihm hing und ihn in diese Situation gebracht hatte, waren umsonst. Trotz der Schwärze, die ihn umgab, sah er das Gesicht seines alten Freundes vor sich, lieb und verständnisvoll lächelnd. »Nicht aufhören«, flüsterte Kai zart und er hörte Reitas verwirrtes Einatmen. »Ich hab das ... mit einem Mann, weißt du ... hab ich das nie ...« »Brauchst du doch auch nicht«, antwortete der Blonde leise. »Es geht nur um Entspannung und Zärtlichkeit ...« »Kein ... Sex?« Reita wollte einlenken, doch er besann sich eines besseren. »Nein ... wir schlafen nicht miteinander.« »Okay«, flüsterte der Braunhaarige und bewegte seinen Körper so, dass die Hand, die in seinem Nacken lag, wieder anfing, ihn zu massieren. Mit viel Mut wanderte auch seine Hand von Reitas Schultern in dessen Nacken, fühlte die durch das Bleichen strapazierten Strähnen und griff hinein. Sein Atem beschleunigte. Entspannung und Zärtlichkeit ... »Werden wir uns ausziehen?« »Wenn du das möchtest?« »Es fühlt sich so an ... als ob ich das möchte.« »Yutaka, es ist okay ...« Wieder beruhigte Reita ihn so fürsorglich, dass es Kai fast die Tränen in die Augen trieb. Seit Langem kümmerte sich keiner mehr um ihn ... es war so ein schönes Gefühl, umsorgt zu werden. »Akira.« Ohne es zu wollen, klang Reitas Name nun wie ein Schluchzen, Kai umarmte ihn fest und nachdrücklich. Fast schon verzweifelt. »Ich möchte dich spüren, Akira ... bitte ... ich möchte für ein paar Stunden vergessen ... alles vergessen ...« All seinen Schmerz und seine Frust über das Alleinsein. Er seufzte dankbar, als sich Hände nachdrücklich auf seinen Rücken legten und ihn streichelten, den Stoff seines T-Shirts anhoben, seine Haut berührten. Als sie sich danach aus ihren Kleidungsstücken schälten, sich immer wieder wie zufällig streichelten, war es für Kai wie ein Film, bei dem er nur zuschaute. Erst in dem Augenblick, in dem sie nackt in Reitas Bett glitten, dicht beieinander lagen, wurde ihm bewusst, dass es wirklich geschah. Dass es jetzt kein Zurück mehr gab. Auch wenn sie nicht miteinander schliefen, konnten sie sich nah sein – und sich gegenseitig Gutes tun. ~~~~~ »Kai-chan.« Eine ihm vertraute Stimme rief seinen Namen. Diese Stimme war ihm so vertraut, da er sie in den letzten Stunden immer wieder seufzen und summen und reden gehört hatte. Zwar hatten sie immer vorgegeben – vielleicht war es auch wirklich so gewesen? – dass sie oft stritten, dass sie sich nicht so blendend verstanden, wie es vielleicht sein sollte. Trotzdem waren sie sich immer nah gewesen, nah genug, um zu wissen, wann es dem Anderen wirklich schlecht ging. Doch nun hatten sie eine andere Art von Intimität geteilt ... »Kai-chan.« Warum verniedlichte er ihn? War er so klein und hilfebedürftig gewesen? »Wachst du bald mal auf?!« Ah, da war er wieder. Der Reita, der sein Essen nicht ausstehen konnte. Der Reita, der versuchte, mit den Drums Eins zu werden. »Uwaaaa«, gähnte Kai und streckte sich. Nur langsam öffnete er seine Augen und sah hinter sich, wo er Reita gehört hatte. Das Nachttischlicht war wieder an und Reita lächelte erleichtert. »Bin ich froh«, sagte er und wartete, bis Kai sich aufgesetzt hatte, bis er ihm das Glas mit Orangensaft gab. »Worüber?«, fragte der Braunhaarige und trank den Orangensaft. Er war erfrischend und befeuchtete seine Lippen. »Du kannst mir noch in die Augen schauen«, grinste der Bassist und trank aus seinem eigenen Glas. »Konnten die Anderen es nicht?« Es hatte unschuldig klingen sollen, doch Reita zuckte zusammen und starrte ihn für ein paar Momente schockiert an. »Die ... die Anderen?« »Mit wem tust du es denn sonst? Mit wem kuschelst du sonst ... so?« »Nur mit Einem ...« »Also auch ein Mann.« Reita wusste nicht, wie er auf diesen Satz reagieren sollte. In Gedanken formte er schon eine dumme Anmache, mit der Kai in die Flucht schlagen und ihm alle Schwulenwitze austreiben könnte. »Magst du ihn?« Schon wieder hatte er es getan! Da, Kai hatte ihn schon wieder überrumpelt! Und dann sah er auch noch so süß dabei aus, wie er sich mit einem Mal genierte. Moment ... süß? »Hast du ihn nicht mit mir betrogen?« »Wir sind nicht zusammen«, antwortete der Ältere und versuchte, seine Muskeln wieder zu entspannen. Kai war kein Feind ... »Und Liebe ist auch nicht im Spiel. Keine Sorge, du wirst nicht Teil eines Dramas.« »Hm.« Kai wurde es plötzlich flau im Magen. Nicht, weil ihm schlecht war, sondern weil nebenan Schmetterlinge flatterten. Dieses merkwürdige Hochgefühl machte ihn wirr. »Kenne ich ihn?« »Schon ...« Jetzt grinste er wieder. »Du hast des Öfteren Kontakt zu ihm. Per Messenger.« »Weißt du, mit wie vielen ...« Er hielt inne. »Gestern ... ihr habt euch gestern getroffen?« »Letzte Nacht, ja.« Beinahe schon verlegen kratzte der Blonde sich am Hinterkopf. »Richte Satoshi-san bei der nächsten SMS einen schönen Gruß aus. Er ist ein ganz schönes Schlitzohr!« Der Drummer lehnte sich zurück an die Wand und grinste vor sich hin. »Heute Mittag hat er mir so einen Floh ins Ohr gesetzt, von wegen, du würdest dafür bezahlen. Oder das Mädchen sei verheiratet.« »Hm.« Reita war es etwas unangenehm, darüber zu reden. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, sein Geheimnis weiter zu tragen. »Jetzt weißt du ja, dass es nicht stimmt.« »Oh ja. Die Wahrheit ist viel frivoler!« Auf den erschrockenen Gesichtsausdruck hin, lächelte Kai lieb wie Reita es zuvor bei ihm gemacht hatte, um ihn zu beruhigen. »Mach dir keine Gedanken. Nach den letzten Stunden dürfte ich sowieso nicht schlecht über dich urteilen. Danke, dass du mich mitgenommen hast.« »Nicht so förmlich, Kai-chan!«, wedelte Reita ab. »Also ging es dir gut?« »Ja.« Für den Moment holten ihn die Erinnerung ein. Es war schön gewesen. Sie waren sich nah, Haut an Haut, sie hatten sich gestreichelt, sich leise über Gott und die Welt unterhalten – und waren dann irgendwann eingeschlafen. »Machst du es mit Satoshi-san genau so?« »Nicht ganz. Satoshi und ich, das ist ...« Da summte plötzlich etwas. »Kai-chan, was macht man gegen Vibrationen in der Hose?« Kai grinste. »Man geht ans Handy und hört sich an, was der Störfall will.« Reita verkniff sich nur schwer ein Lächeln. »Hey Satoshi.« Aha. »Ein bisschen gedöst, ja ... mir geht’s gut, danke ... Hu?« Sein Blick wanderte über den Körper, der unter der Bettdecke versteckt war, dann sah er in Kais Gesicht. »Kai ist bei mir ... Nein, nichts oh und ah.“ Kai schluckte. War ihr Treffen nicht ‚oh und ah’ gewesen? »Hm ... gut ... Übrigens einen schönen Gruß von Kai! ... Ja, ist okay. Bis dann!« Reita legte wieder auf. »Schöne Grüße«, erwiderte der Bassist und kam zurück ins Bett. »Danke.« Einen Moment nur hielt der Sturm in seinem Inneren an. »Was machst du mit Satoshi-san anders?« »Na ja ...« Sie sahen sich in die Augen und Reita rückte näher, Kai gab ihm den Weg frei, sodass er an seiner Brust liegen konnte. Die rauen Bassistenhände lagen nun auf seiner Haut. »Wir küssen uns «, war die leise Antwort. »Und wir kommen dabei gelegentlich.« »Kommen?«, wiederholte der Jüngere überrascht und sein Herzschlag beschleunigte. »Kommen kommen? Kommen wie ... wie ... wie- « »Orgasmus kommen, hai.« Reita wartete auf einen Ausbruch von Entrüstung, doch als er den Kopf hob, war er erleichtert. Kai schmollte. »Ich will auch~« Für einen Moment hatte man wirklich glauben können, zwei Ohren alarmrot durch das Zimmer leuchten zu sehen. Es waren Reitas Ohren; und wären seine Wangen nicht durch das schummerige Licht versteckt worden, wäre dieser Effekt noch um ein Vielfaches stärker ausgefallen. Auch Kai hielt nun inne; seine Augen wurden tellergroß. »Hab ich das gerade wirklich gesagt?!« »Hai, hast du ...«, stotterte Reita. »A-also ich meinte, dass ich das ... generell gerne mal ... wieder haben wollen ... würde ...« »Schon klar.« Peinliche Stille. »Müssen wir nicht bald los zur Arbeit?« »Hai, müssen wir«, rettete sich Reita aus der Situation. Dann sprangen sie beide aus dem Bett. Beide Herzen pocherten ungehört laut um die Wette. Kais zitternde Hände waren fast nicht mehr in der Lage, seine Hose zuzuknöpfen. Er glühte. Was war denn das jetzt schon wieder für ein Zustand?! Überhaupt, was war denn das für eine Aktion gewesen, letzte Nacht?! Aber Kai wusste, dass es ihm gutgetan hatte. Er blickte verschmitzt über seine Schulter auf den freien Rücken des Anderen, die feinen Nackenhaare, die sich um seinen Hals schmiegten. Er hätte nie damit gerechnet, dass der Andere so ... umsichtig und ... zärtlich sein konnte. Und irgendwie konnte er auch gar nicht glauben, dass er so eine Art Gedanken haben würde, schon gar nicht im Bezug auf Reita. Ihre Unterhaltung über Kais Einsamkeit und die Berührungen waren Balsam gewesen. Schon jetzt wäre er am liebensten zurück ins Bett gehuscht und hätte den Anderen mit sich hinein gezogen. ~~~~~ Ihre nächste Arbeitswoche verlief sehr ruhig. Aber Kai konnte einfach nicht anders als den Bassisten zu beobachten. Wieso war ihm nie aufgefallen, wie geschmeidig er sich bewegte? Welche Eigenheiten er besaß, die Kai schon fast als Süß betitelt hätte? Jedenfalls freute er sich wie ein verknalltes Schulmädchen, wenn der Ältere ihn kurz anlächelte oder ihm einen vielsagenden Blick zuwarf. Und jedesmal mal musste er auch gleich darüber sinnieren, an welchem Zeitpunkt des besagten Tages Reita diesen Zauberspruch ausgesprochen haben musste, der ihn nun irgendwie in seinem Bann gefangen hielt. »Leute, wir haben euch was zu erzählen«, fing Uruha ganz unvermittelt an und stellte sich vor den anderen wie zum Apell auf. »Oh Gott, sie wollen heiraten!«, haute Ruki unverblümt raus. Everybody blush. »Nein ... so weit sind wir noch nicht«, kicherte Uruha und Aoi lächelte sanft, mit dem Gedanken: Wie, noch nicht? »Aoi hat von seinem Onkel ein Grundstück geerbt. Und darauf steht ein Haus. Besser gesagt ein Haus mit Leuchtturm und ... wir wollen nun ... zusammen dort einziehen ...« Ruki staunte sprachlos, Kai blinzelte ungläubig, Reita grinste. »Ein Leuchtturm?« »Hai, direkt in der Tokio Bay ... mit Blick auf die Rainbow Bridge«, schwärmte Uruha, »und wir würden gerne renovieren ... und da wollten wir euch fragen, ob wir alle fünf mal ein Wochenende anpacken könnten.« »Warum bestellt ihr euch keine Handwerker?« »Weil Uruhas ausgeklügelte Designideen jeden Handwerker überfordern würden«, warf Aoi ein. »Ihr solltet euch mal die Hilfslinienkonstruktion auf der Wand im Wohnzimmer anschauen, da braucht es eine professionelle Dechiffrierung eines studierten Gestaltungsgeometrikers.« Alle lachten. »Und da sollen wir durchsehen?« »Hai, ich kann euch auch erklären, was die Kürzel und Linien bedeuten. Ich hab da die ganze Nacht dran gesessen. Es wird gut aussehen. Aber ihr müsst mir vertrauen.« Aoi schmunzelte. Er wollte Uruha diesen Gestaltungsspaß einfach lassen. Der Leadgitarrist ging so süß darin auf. »Wann wollt ihr denn umziehen?« »So in etwa in zwei Wochen ...« »Und das sagt ihr uns erst jetzt?!« Uruha schrumpfte ein wenig, als Kai ihn von der Seite anfuhr. »Da ist doch noch so viel zu machen und ich habe noch gar keine Einweihungsparty geplant ...« Kai war in so etwas immer gleich der Erste. Er liebte solche Anlässe, und es machte ihm einfach Freude, Partys auszurichten. »Deshalb müssen wir unbedingt die nächsten beiden Wochenenden noch mal kräftig ranklotzen. Wir haben ja Handwerker für die groben Sachen, aber für die Dekomalerei brauche ich Hilfe.« »Ach so, und ich dachte schon, dass alles an uns hängen bleibt. Ich meine, wir können unsere Studioaufnahmen ja auch nicht sausen lassen.« »Hai, das wissen wir doch auch ...« Aoi schlug Kai beruhigend auf die Schulter. »Entspann dich ein bisschen; es ist alles gut. Wir liegen gut in der Zeit.« Entspann dich ... hatte Aoi gesagt. War er tatsächlich nach einer Woche schon wieder so verkrampft? Kai seufzte nur tief. Dann warf er einen scheuen Blick zu Reita rüber, der die ganze Situation mitangesehen hatte. Es huschte ein schräges Lächeln über seine Wangen, die das Bandana anhoben und ein weiches, warmherziges Blinzeln in Zeitlupe kam hinterher. Der Drummer bemerkte nur, wie sich eine leichte Röte in sein Gesicht stahl. Verlegen rieb er sich die Nase. Eine Weile später bemerkte er einen Zettel in seiner Jackentasche: Rufst du mich heute Abend an? Er kannte diese klare und großzügige Schrift. Natürlich würde er das. Auch wenn er noch keine Ahnung hatte, wo dieses Telefonat enden würde ... ~~~~~ Seit einer geschlagenen halben Stunde starrte Kai nun sein Handy an. Er war Zuhause und das schon seit zwei Stunden, aber er hatte sich erst mal ausgeruht, dann geduscht, neu verföhnt und sich auf die Couch gefläzt. Aber Moment. Für wen hatte er sich eigentlich so schick gemacht? Etwa für ein Telefonat? Wie albern. Ein Teil seines tiefsten, innersten Inneren hoffte wohl auf so etwas wie ein Stelldichein. Er wartete einfach auf den Moment, in dem das Telefon am wenigsten damit rechnete und griff dann nach dem Hörer. Mit leicht zitternden Fingern drückte er Knopf um Knopf. »Moshi, moshi«, hörte er nach einem Knacken in der Leitung. »Akira?« »Wer sonst ...« »Du ... hattest mir gesagt, dass ich dich anrufen soll ... also mit dem ... Zettel ...« »Hai, das habe ich. Ich ... wollte mit dir noch was besprechen. Ich dachte mir, da ich dich nun schon in diese Bredouille gebracht habe, muss ich auch ehrlich zu dir sein ... Ich ... ich hab dich neulich angeflunkert ... ich bin nicht gesund ...« In diesem Moment wurde Kai einfach nur blass. Gut, sie waren weiter nicht intim gewesen als kuscheln und streicheln, aber auch dabei konnte man sich leicht was weg ho ... »Keine Sorge, es ist nichts Ansteckendes ...« Kai atmete wieder ... Das klang schon wesentlich beruhigender. »Und was ist es nun? Und bist du in Behandlung?«, fragte er schnell, damit Reita nicht bemerkte, wie sehr er sich gerade erschrocken hatte. »Ich hab ... eher ein ... psychisches ... Leiden ...« Nun erlebte Kai zum ersten Mal, dass der Bassist wahrhaft stotterte. Dieses Eingeständnis fiel ihm wohl alles andere als leicht ... Kai fragte sich im Hinterkopf schon, ob es überhaupt gut gewesen war, dass er angerufen hatte. Aber Reita hatte es so gewollt und schließlich hatte er ja auch nicht ahnen können in welche Richtung sich das Gespräch entwickeln würde. »Mein Psychologe war schon ganz begeistert gewesen, dass ich mich Satoshi anvertraut hatte ... Aber er sagte, das genüge nicht. Ich solle es jemandem sagen, der sehr oft in meiner Nähe sei. Ich soll einfach das Gefühl bekommen, gar nicht mehr damit allein zu sein ... Und da du jetzt zur Hälfte eh schon alles weißt ... Und vor allem Anderen: Ich vertraue dir.« Nun war Kai platt. Mit allem hatte er gerechnet ... In der Vergangenheit war Reita oft wie ein Rivale für ihn gewesen. Einfach auch ein Kumpel. Aber dieses simple Dreigespann an Worten war das schönste Kompliment, dass Reita ihm hätte machen können. Und irgendwie bewegte es gerade auf sanfte Art und Weise sein Herz. Kai saß nur am anderen Ende der Strippe und lächelte weggetreten vor sich hin. Ich vertraue dir; das war ein kleiner Satz, der offenbar eine große Wirkung auf ihn hatte. Besonders, da er von Reita kam. »Kai ... Bist du noch dran?«, fragte der Basser verwirrt, als ihm der Jüngere nicht antwortete. »Hai, ich ... danke.« »Also hier ist mein Geheimnis:«, die Reitashow begann. »Sagt dir Sexsomnia was?« »Nein ...« »Das ist eine psychische Erkrankung. Sie betrifft die REM-Schlafphase. Während ich schlafe, habe ich meinen Körper nicht unter Kontrolle ... Ich fange dann an, sexuelle Praktiken auszuüben ... und das meistens an Personen, die mit mir in einem Zimmer oder Bett schlafen... So und jetzt willst du bestimmt nie wieder etwas mit mir zu tun haben ...« Kai ließ das wiederum einen Moment auf sich wirken. Er wiederholte in Gedanken noch einmal Reitas Worte von eben. Ihm fiel die peinliche Geschichte mit Ruki ein, über den Reita fast hergefallen wäre. Und jetzt wurde ihm auch mit einem Schlag klar, warum Reita am liebsten immer ein Einzelzimmer wollte. Sie hatten ihn alle für egoistisch gehalten. Dabei hatte er einfach Angst. »Und ... und wird es besser, wenn du ... mit jemandem in einer Beziehung bist?« Nun war Reita es, der baff war. Mit so einer zündenden, psychoanalytischen Frage hatte er nicht gleich gerechnet. »Ja, wird es. Ich hab das Problem nicht mehr, wenn ich in einer Beziehung bin. Deshalb ist auch schon lange nichts Gravierendes mehr passiert, seit ich mich mit Satoshi treffe. Aber wirklich besiegt ist das Ganze noch nicht.« »Also tust du das alles nicht, wenn du, theoretisch, die Erlaubnis dazu hättest?« »Hai, auch wenn ich ‚ausgelastet’ bin ...« »Hm ...« Kais Herz fing auch wieder wilder an zu trommeln. Das Herz eines Schlagzeugers eben. »Mö... möchtest du denn, dass ich dir helfe?« Seine Hände bebten schon wieder. Reita schwieg einen Moment. Er schien sich ernsthaft zu überlegen, was er jetzt sagen wollte. »Mir ... würde es schon gut tun, wenn wir uns ab und an treffen und es so machen, wie vor ein paar Tagen ... Ich ... ich kann Satoshi einfach zu wenig sehen ... und dir tut die Nähe zu jemandem bestimmt auch gut.« »Hai ... Dann ... dann machen wir das so. Wollen wir uns denn bald mal wieder treffen?« »Jetzt?« »Nani?« »Wirf mal nen Blick aus dem Fenster.« Schwer blinzelnd reckte Kai den Hals und lugte hinunter auf die Straße vor dem Wohnhaus. Dort stand ein treuer, cool grinsender Bassist mit Nasenband und Lederjacke neben seinem Motorad. »Wie lange stehst du da schon ...?« »Ne Weile ... Du hast dir ganz schön Zeit gelassen, mit deinem Anruf ... Ich ... ich geb zu, dass ich Angst vor deiner Reaktion hatte, deshalb am Telefon. Wenn du es nicht so entspannt aufgenommen hättest, dann wäre ich einfach wieder gefahren. Aber ich hätte mich mies gefühlt. Und zwar richtig ...« Kai konnte nur unsicher durch die Scheibe lächeln. Dann legte er auf. Mit einem Winken bat er Reita hinauf zu kommen. ~~~~~ »Magst du mich eigentlich?« Diese Frage verwirrte Reita, der nackt in Kais Bett lag und die Decke anstarrte. Es war Donnerstag Nacht. Seit Reitas Sexsomnia-Geständnis hatten sie sich nächtlich getroffen – und zogen es vor, sich in der Company voneinander fernzuhalten, um sich nicht den anderen Gazettos gegenüber zu verraten. Wie anstrengend das tatsächlich war, stellten sie erst fest, als sie nach einer durchkuschelten Nacht nicht die Finger voneinander lassen wollten, es aber mussten. In praktisch jeder unbeaufsichtigten Sekunde strichen sie sich sanft durch die Haare und sahen einander mit diesem Blick an, der noch so viel versteckte. Reitas Stirn legte sich in Falten. Mochte er Kai? Mochte er Yutaka? »Was meinst du?« Kais analytischer Blick entging ihm nicht. »Wenn wir uns hier oder bei dir treffen ... geht es um die Berührung – oder um mich?« Manchmal war Kai echt ein Mädchen. »Genau kann ich dir das nicht beantworten.« »Was soll das heißen?« »Ich mag deine Berührungen«, sagte der Blonde diplomatisch und lenkte Kais Hand auf seine Brust, grinste sogar ein bisschen dabei, als diese prompt das Streicheln anfing, das er so genoss. In solchen Moment fühlte er sich immer noch ausgehungert, sein Körper verlangte mehr, denn auch wenn sie sich nackt trafen, hatte weder Kai noch er die Grenze des Spiels überschritten. Noch nie hatten sie einander intim berührt. Nicht einen Kuss hatten ihre Lippen geteilt. Seine Wangen begannen zu glühen, während er über eine Überschreitung der Grenze nachdachte und Kai ihn gleichzeitig so streichelte, dass er ein verräterisches Zucken im Unterleib spürte. In ihm vibrierte es, er unterdrückte jene Erregung mit aller Macht, die er – »Akira?« Reita schluckte. So, wie sich Kais Hand gerade zielstrebig in gefährliche Regionen bewegte, konnte er keine Gegenwehr mehr aufbringen. »Yutaka ...« Reita genierte sich vor seinem jüngeren Kollegen und hob einen Arm, um damit seine Augen und seine Wangen zu verbergen. »Ist das in Ordnung für dich?« Kai stutzte. War das wirklich seine eigene Stimme, die da so verführerisch klang? Reitas Strähnen kitzelten ihn an der Nase, so nah war er ihm. Er spürte zuckende Muskeln unter seinen Fingerspitzen, hörte bebende Atemzüge, dann ein leises Stöhnen, als er die Quelle von Reitas Hitze in der Hand hielt. Er war heiß und glatt und ... hart. »Yutaka-chan«, flüsterte der Ältere erregt und trieb Kai so die Röte ins Gesicht. »Bitte, mach weiter...« Auch wenn er es nicht aussprechen würde: Er hatte es sich gewünscht, Reita so zu berühren und zu fühlen, wie er vor sanfter Erregung zitterte. Ein Märchen, schalt ihn eine innere Stimme, so etwas wie sanfte Erregung gibt es nicht. Da sind Vorboten und da ist das Abklingen, jedoch ist die wirkliche Erregung nichts Sanftes, wenn sie dich von Innen heraus zu verbrennen droht und du nicht mehr weißt, wie die Worte geformt werden, die deinen Partner wissen lassen, was du brauchst. Sein eigener Körper bewies Kai sehr glaubwürdig die Kraft der Sehnsucht, die in ihm brodelte. Nur schwer konnte er verhindern, dass er nicht seine zweite Hand nutzte und stöhnte. Nur sehr langsam und überaus vorsichtig tastete sich Kai auf und ab, schätzte ab, was Reita besser gefiel und begann ihn zu massieren. Er selbst erzitterte bei dem Laut, den der Bassist von sich gab – so erregt und weich hatte er ihn noch nie erlebt. Seine Lippen waren leicht geöffnet, die Augen vor Scham verdeckt, das konnte er im Dämmerlicht der Stadtbeleuchtung zwar schwer erkennen, aber der Anblick gefiel ihm. Reitas Kinn, sein Hals, der sanfte Übergang über sein Schlüsselbein hin zu der blassen Brust war für Kai wie eine Versuchung. Er wollte ihn küssen, war sich jedoch nicht sicher, ob er das tun durfte. Während er Reita weiter massierte, rückte er noch näher an ihn heran und nippte liebevoll an der Wange des Älteren, um ihn spüren zu lassen, dass sie hier etwas Besonderes teilten. »Yutaka«, flüsterte Reita wieder und Kais Lippen brannten vor Hitze der Wange, die er berührte. Und plötzlich drehte Reita sich zu ihm um, küsste ihn auf den Mundwinkel und stöhnte gleichzeitig mit ihm auf, als auch er jetzt Kais Erregung in seiner Hand hielt. Wieder kam ein Flüstern, das Kai aber nicht verstand. Zu sehr lenkte ihn die Stimulation ab, zu lange hatte ihn keine fremde Hand so gekost. Und noch nie ein anderer Mann! Von einem Moment auf den anderen war er seiner Oberhand beraubt, lag auf dem Rücken, Reita hielt sich über ihm auf allen Vieren, doch griff sofort nach Kai, der auch weiterhin das heiße Fleisch in seiner Hand massierte. Sie stöhnten und seufzten, wie sie fast gleichzeitig mit der freien Hand in den Nacken des jeweils anderen griffen und sich an Liebesbissen versuchten. Obwohl Reita anscheinend nicht die Verantwortung abgeben wollte, war er durch seine Position im Nachteil und hauchte ohne Gleichgewicht gegen Kais Schulter, stützte sich ab, aber rieb ihn tapfer weiter. Kai biss ihm zart in die Schulter und hörte ein überraschtes Ausatmen, quittierte es mit einem Grinsen. »Du hörst dich großartig an«, raunte er ihm zu und begann mit der zweiten Hand sanft seine Schultern, seine Seite, seinen Rücken zu streicheln. Reita stieg über ihn, spreizte über seinem Schoß die Beine, setzte sich so weit, dass sich seine und Kais Hand bei ihren Berührungen berührten. Es fiel ihm schwer, den Kopf zu heben und in das Gesicht seines langjährigen Kollegen zu sehen. Was er darin las, war Glück gepaart mit tiefer Zuneigung; keine Liebe vielleicht, aber immerhin tiefe Zuneigung. »Yutaka«, wisperte er und umfasste Kais Hand mit seiner eigenen, so dass Kai und er sich selbst und ihn gleichzeitig massieren konnte. Es genügte ihm nicht, er begann, sich noch zusätzlich an der rauen Hand zu reiben und reizte dabei Kais Männlichkeit mit seiner eigenen. Wie berauscht stöhnte er laut auf und biss in die vor ihm liegende Halsbeuge, sodass Kai leicht lachte und weiter versuchte, ihn zu streicheln. Emsig bemüht ließ er sich von der erstaunlich weichen Haut des Bassisten dazu verführen, ihn weiter zu erforschen. Kai wurde hektisch, zumindest fühlte er sich, als würde er gleich explodieren. Dieses Mal führte er. Seine oben liegende Hand griff Besitz ergreifend nach Reitas Po, er ließ seine Finger in das kleine Tal gleiten und packte zu, um Reitas Bewegungen zu dirigieren und sie beide zum Höhepunkt zu treiben. Er hörte Reita stöhnen und stimmte mit ein, spürte, wie der Ältere auf ihm zusammenbrach und sah Sterne um sich herum tanzen wie die Scheinwerferlichter eines großen Tourfinales. War das ihr Finale? Oder erst ein Opening? ~~~~~ Ruki zupfte an einer Haarsträhne seines Leadgitarristen. »Du hast Farbe im Haar«, sagte er und zupfte weiter. Uruha seufzte, ließ Ruki aber machen. »Wir haben gestern Abend noch die Garage geweißt«, erklärte er kurz und schloss die Augen, um zu entspannen. »Gerade das könnten wir doch auch machen«, behauptete der Sänger und schüttelte die weißen Farbsplitter in den Mülleimer. »Nö, nö«, machte Uruha und schaute in Rukis Gesicht. »Danke. Wir waren einfach zu müde, um noch mit Lösungsmittel zu hantieren.« Ruki setzte sich neben ihn auf die Couch im Proberaum und schlug die Beine übereinander. Es war noch früh, aber kurz vor Arbeitsbeginn. Sie warteten auf Aoi, der Dank des gestrigen Losverfahrens mit Kaffeedienst dran war – aber auch auf Kai und Reita, die sonst immer vor ihnen da waren. Aoi verschaffte sich mit dem Ellenbogen an der Türklinke Zugang, balancierte den Becherhalter mit ins Zimmer und sorgte mit einem Hüftschwung dafür, dass die Tür wieder ins Schloss fiel. »Sind Kai und Reita immer noch nicht da?«, erkundigte er sich und stellte den Kaffee auf den niedrigen Tisch, den sie immer zum Frühstücken nutzten. »Ist ja merkwürdig. Vielleicht sollten wir sie anrufen.« Schon zückte Aoi sein Handy, ebenso wie Uruha und Ruki, die sich angrinsten, bevor der blonde Gitarrist sein Mobiltelefon in der Tasche verschwinden ließ und Ruki wählte, drückte die Kurzwahlnummer Zwei. Uruha stutzte ob dieser Ziffer. Reita war immer Rukis sprichwörtliche Nummer Eins gewesen. Der ältere Gitarrist und der Sänger hielten die Telefone ans Ohr, warteten, legten auf und seufzten. »Mailbox«, sagten sie einstimmig und es vibrierte in Uruhas Ohren. Er strahlte, als er sich daran erinnerte, wie er dieses Gefühl, das Aois Stimme zusammen mit Rukis in ihm auslöste, das erste Mal empfunden hatte. Das war bei den Aufnahmen von ‚Swallowtail on the Death Valley’, also noch lange vor ihrem eigentlichen Zusammenkommen, passiert. Er befeuchtete sich die Lippen, während er Aoi anschaute, der das bemerkte und seinen Blick leicht verpeilt erwiderte. »Dann ...«, begann er schnell, um seine Verlegenheit und ein bisschen das Begehren in seinen Augen zu überspielen, »warten wir eben noch ein wenig.« »Wollte Aki ihn abholen?« »Nicht, dass ich wüsste«, meinte Aoi und schnappte sich einen Kaffeebecher, in den er zwei Päckchen Zucker schüttete. »Ich hab nur das Gefühl –« »Guten Morgen!«, kam es rumpelnd durch die Tür und da waren sie mit hochrotem Kopf und außer Atem, wahrscheinlich wollten sie pünktlich sein und hatten die Treppe genommen. »Kaffee«, rief Reita aus und stürzte sich auf einen weiteren Becher. »Tut uns leid«, murmelte Kai und glühte immer noch. »Das Motorrad wollte erst nicht anspringen, dann war da ne kilometerlange Schlange an der Tankstelle. Wir dachten echt, wir sind frühestens zur Mittagspause hier.« »Und ein kleines Frühstück war nicht drin?« Uruha beäugte seinen besten Freund und kniff die Augen zusammen. »N-nein«, stotterte Reita, denn dieser gewisse Tonfall war ihm nicht entgangen. »Wir haben verschlafen«, sagte Kai ohne nachzudenken und am liebsten hätte ihm der Bassist dafür mindestens ein Plektrum an den Hinterkopf geworfen. Als Kai nach einem allgemeinen Lachanfall immer noch nicht dieses ‚Missverständnis’ aus der Welt räumen wollte und auch den Grund nicht verstanden hatte, war Reita sich sicher, er könnte sich während der Renovierungsarbeiten nicht vor Sticheleien und Fragen retten. ~~~~~ Freitag Abend trafen sie sich bei Aois Wohnung und fuhren dann leicht gesplittet zum Leuchtturm, denn Reita fuhr auf dem Motorrad hinterher. Uruha drehte sich auf dem Beifahrersitz nach hinten und langte nach Rukis Knie, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. »Ich bin noch nicht dazu gekommen«, sagte er und klang dabei äußerst eindringlich, »aber du möchtest uns Jemanden vorstellen, oder?« Aois Blick verließ kurz die Straßenführung, er sah seinen Liebling von der Seite her an, dann beäugte er Ruki im Rückspiegel, der schmollend die Lippen vorschob und tatsächlich im Licht der Abenddämmerung errötete. »Woher weißt du das schon wieder?« »Hm?« Ein Schulterzucken. »Meine Informanten verrate ich nicht. Ich wollte dich nur vorwarnen, dass dieses Wochenende ein Outing stattfinden wird. Wenn nicht freiwillig, werde ich dich daran erinnern.« »Danke für die Info«, schmollte Ruki und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich wollte es euch so wie so sagen ... aber eben erst in einer ruhigen Minute. Nachher oder morgen Abend oder so ...« »Na gut«, seufzte Uruha und grinste über die Schulter hinweg Kai an, dessen Herz zu rasen begann, weil er befürchtete, Uruha hätte auch sein Geheimnis aufgedeckt. Doch der Leadgitarrist drehte sich wieder weg und summte das Lied im Radio mit. Oh Gott ... Kais Herz galoppierte immer noch. Das war knapp. Noch eine Spur lauter und Aoi hätte ihn wahrscheinlich hervorragend gehört, obwohl er sich auf das Fahren konzentrierte und dabei selten Ablenkung duldete. Doch Uruhas Hand, die sich auf die Fahrerseite strich und Aois Schenkel streichelte, brachte ihn auf die Idee, dass sich sein alter Freund doch manchmal gern, aber nur von bestimmten Dingen ablenken ließ. Er schaute nach hinten und ließ Reita für ein paar Sekunden nicht aus den Augen, wohl wissend, dass man diesen Schulterblick auch seine Fürsorge als Leader interpretieren konnte. Auch Kai ließ sich in den letzten Tagen gern ablenken. Er leckte sich die Lippen, währen er an diese speziellen bestimmten Dinge dachte. ~~~~~ »Warum bist du so unzufrieden?« Яyos Beine baumelten vom selbstgebauten Hochbett, während er Satoshi beim Zocken an der neu erstandenen PS3 beobachtete, der das Gesicht so grimmig verzogen hatte, dass man meinen könnte, er leide unerträgliche Schmerzen. »Ich bin nicht unzufrieden«, brummelte der Sänger mürrisch und warf den Controller auf den Boden der Tatsachen. Er war definitiv unzufrieden. Und ein gewisser Teil in ihm wusste auch, warum das so war. Яyo sprang ohne Probleme vom ein-meter-zwanzig hohen Bett und schien amüsiert über die Befindlichkeit seines Freundes zu sein. »Dich sticht der Hafer«, sagte er und grinste dabei spitzbübisch. »So ein Quatsch!« Satoshi machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wenn, dann sticht er schon seit fast drei Jahren!« »Eben nicht«, widersprach Яyo und stupste jene Stelle über seinem Herzen an die unter zwei Lagen schwarzen Stoff verborgen lag. »Das ist deine Lieblingsstelle«, flüsterte der Drummer mit einem verschwörerischen Funkeln in den Augen. »Na und? Das wisst ihr alle doch schon seit – damals.« Nur ungern rief er sich jene peinlichen Momente in Erinnerung, die während eines dummen Spiels passiert waren. Aus irgendeinem Grund hing plötzlich ShuU an seiner Brust ... es war wie ein Coming-Out gewesen ... Peinlich, dass ein gestandener Mann wie er an der Brust erregbar war! »Du kannst dir aber da nicht selbst einen Knutschfleck verpassen.« Ertappt. »Immer und immer wieder.« Upps. War das wirklich Яyo, ihr ruhiger Wildfang, der innerhalb von ein paar Sätzen klarstellte, dass Satoshi außerhalb einer Beziehung durchaus sexuelle Kontakte zu anderen Personen hatte? »Ich nehme an, sie ist verheiratet – da du sie uns ja nicht vorstellst ...« Innerlich performte der Größere einen Siegestanz. »Oder ist es ein Mann – und wir kennen ihn schon.« Verdammt! Satoshi sprang auf. »Яyo, du glaubst doch nicht wirklich, dass-« »Oh«, machte dieser wirklich überrascht. »War ein Volltreffer, was? Na gut ...« Яyo klatschte in die Hände, das Deckenlicht ging aus. Nur die Nachttischlampe spendete spärliches Licht. »Du kannst im Dunkeln besser reden. Wir kennen ihn also?« »Ja«, grummelte Satoshi und setzte sich wieder auf den beheizten Fußboden. »Aber ich habe ihm versprochen, nie etwas -« »Okay, das verstehe ich. Aber die Woche über warst du so, ja, unzufrieden. Hat er jemand anderen?« »Ja.« »Liebst du ihn?« »Nein.« Яyo hob die Augenbrauen. »Klare Ansage. Aber du vermisst ihn? Seinen Körper?« »Wir hatten nie Sex.« »Das ist keine Antwort.« »Ja, schon ...«, lenkte der Sänger ein. »Allerdings – ich – anou ... ich mag seinen Körper, weil er nicht so ist, wie man erwartet. Und weil er sich nicht dafür geniert, was wir tun. Es ist nämlich nichts zum Schämen, finde ich«, erklärte er und es schien, als sei ein Knoten geplatzt. »Wir trafen uns, um einander nah zu sein. Kleine Sehnsüchte zu stillen.« Яyo setzte sich endlich zu ihm auf den Boden. Sie schwiegen gemeinsam. Der Kleinere kam Satoshi näher, legte seine Hände auf dessen Brust und auch sein Ohr so, dass er das Herz darin stark schlagen hören konnte. Satoshi war verwirrt, doch seine Arme legten sich ohne sein Zutun um Яyos Körper. Es verging eine ganze Weile. Satoshi beruhigte sich wieder, als Яyo in seinen Armen lag, beinahe war er eingeschlafen. Ohne Vorwarnung bewegte sich der Drummer weg von ihm, weg von seinem Körper, verließ die Nähe seines Herzens – und lächelte dabei. Er lächelte, während er ihn allein ließ! Seine Hand griff nach Яyos Handgelenk, als dieser aufstehen wollte. Im nächsten Augenblick schon knieten sie voreinander, Satoshis Hände umrandeten das Gesicht des Anderen, während sich ihre Lippen ohne Zögern und ohne Fragen zärtlich berührten. Dieses sanfte Zwitschern in der Luft, wenn sie sich lösten, beflügelte den Sänger, erneut die Süße seines Freundes zu kosten. Minuten waren vergangen, als er wieder zur Besinnung kam und bemerkte, dass er über Яyo lag und ihn immer noch küsste. Яyos leises Kichern ließ ihn innehalten. Die Worte, die Satoshi als Nächstes hörte, waren kein Tadel, denn sie klangen in seinen Ohren wie eine reizende Verlockung: »Darf ich jetzt deine kleinen Sehnsüchte stillen?« ~~~~~ »Wir sehen alle so sexy aus!« Aoi knipste mit seinem Handy in der Gegend herum und lachte ausgelassen. Sie alle Fünf trugen jetzt seit vier Stunden Malerwegwerfanzüge, selbstverständlich wie ein Regenbogen eingefärbt – jeder einzigartig bunt. »Das merkst du erst jetzt?« Uruha küsste ihn auf die Wange – und malte ihm gleichzeitig ein rotes Herz auf den Rücken. »Als wenn wir nicht immer sexy aussähen!« »Oh ja«, murrte Ruki lustlos, »ich fühle mich ja so sexy ... wie ein beflecktes Ganzkörperkondom ...« Reita war sich nicht sicher, ob er sich verhört hatte, Kai und er wechselten innerhalb von drei Sekunden diverse Blicke, dann fielen sie mit den anderen in ein dreckiges Lachen ein. »Wehe dir, das steht nachher bei Twitter!«, drohte Ruki Aoi mit erhobener Farbrolle, der jetzt schon sein Handy in seiner berüchtigten Twitter-Position hielt. »Auch keine Fotos, Shiroyama!« »Jetzt werden wir aber persönlich.« Aoi erschauderte gespielt vor Angst. »Wo wir gerade bei Kondomen sind«, wendete Uruha geschickt das Unglück ab. »Wolltest du uns nicht etwas erzählen, Ruki-san?« »Ich mach’s mit?« Ruki zuckte die Schultern. »Gut zu wissen«, sagte der Ältere und kniff ihn in die Ohrkrempe. »Autsch! Wenn ihr so weitermacht, sag ich gar nix mehr ... Alle bereit?« Er holte tief Luft. »Ich befinde mich seit langer Zeit wieder in einer festen Beziehung.« »Oh la la«, tönte es aus drei Ecken und Uruha war stolz auf sich, das Geheimnis als Erster entdeckt zu haben. »Wer ist sie?« »Ja, welches Mädchen hat es geschafft, deine harte Schale zu knacken«, fragte Aoi und Ruki lächelte sehr sanft, beinahe schon verträumt. Er selbst wusste wohl am besten, wie sehr er nach dem großen Streit mit seinen Eltern festen und tiefer gehenden Beziehungen aus dem Weg gegangen war, deswegen konnte er Aois Zynismus verstehen. »Ich habe sie im letzten Urlaub kennen gelernt. Ich war doch in den Bergen ... in eine Holzhütte hatte ich mich einquartiert. Es war ganz angenehm ohne Handy und Laptop, nur ein Telefon für Notfälle. Es geschah eines Nachts, als ein kleiner Schneesturm aufkam und sie mir wohl vor die Tür wehte.« Ruki strahlte und machte eine Pause. Alle anderen hörten ihm gespannt zu. »Sie ist Landschaftsfotografin und ... dummerweise war ihr Auto von einer Lawine verschüttet worden.« »Du hast ihr geholfen und warst ihr Retter.« »So ähnlich. Sie hat es irgendwie geschafft, da raus zu kommen, und hat sich zu mir durchgekämpft. Ich habe sie in die warme Wanne gesteckt, aufgewärmt, ihr etwas zu essen gemacht -« »Sie bis zur Besinnungslosigkeit geliebt?«, erkundigte sich Reita und lächelte lieb, was Kai wehtat. Er sollte nur ihn so anlächeln ... »Nein«, antwortete Ruki irritiert. »Wir haben die ganze Nacht geredet! Und sie kannte mich nicht!« »Sie kannte dich nicht? So als Ruki oder wie?« »Ja.« Er strahlte. »Das war ein total neues Gefühl! Und echt toll, weil ... da war ihrerseits kein Herzklopfen, weil sie mich kannte, sondern Herzklopfen, weil sie mich weiter kennen lernen wollte! Das war – das war« Es war Uruha, der ihn zuerst umarmte. »Ich freue mich für dich!« Der Leadgitarrist drückte den Sänger fest an sich. »Weiß sie denn inzwischen, dass du Gazetto bist?« »Ja«, sagte Ruki und strahlte immer noch. »Dass ich viel zu tun habe, macht ihr nichts aus. Hauptsache ist, dass wir uns alle paar Tage sehen und wir uns meist gute Nacht wünschen.« »Also«, holte Kai aus und suchte nach Kraft für seine Worte, »ist es wirklich ernst? Ihr seid ganz fest zusammen?« Ruki grinste wie damals, als er mit achtzehn Jahren sein Talent als Sänger entdeckt hatte. »Sora-chan und ich sind fest zusammen.« »Das ist wirklich toll«, stimmte Aoi mit ein und legte einen Arm um Uruhas Schultern. »Wie wär’s, wenn ich jetzt was zu essen holen würde?«, schlug Reita vor und zog an den Klettverschlüssen seines Maleranzugs, um sich daraus zu schälen. »Irgendwelche Wünsche? Ich lade euch ein!« Da war es Kai, der prompt einen Zettel und einen Stift zog, um die Bestellungen aufzunehmen und den Zettel dann an Reita weiter zu reichen. »Viel Spaß dabei!«, rief ihm Ruki hinterher und machte sich frohen Mutes daran, die Wand weiter nach Uruhas Vorgaben zu streichen. In Kais Magen rumorte es, hinter seiner Stirn ratterte sein Gehirn. Ruki, sogar Ruki hatte jetzt wieder eine Partnerin, warum er nicht? Gedankenverloren nahm Kai den Pinsel in die Hand und tauchte ihn in die spezielle Farbmischung, um, um diese dann an die Wand zu bringen. Er malte die vorgezeichnete Linie nach und kräuselte die Stirn. Sein Körper genoss jede Sekunde, die er so nah an Reita geschmiegt verbrachte. Seine Wangen glühten, wenn er an ihre gemeinsame Aktion vom Vorabend dachte. Es tat gut, sich berühren zu lassen, und er erinnerte sich mit Freude daran, wie es war, Reitas Stimme vor Lust stöhnen zu hören. Wieso nur konnte er diesen Gedanken nicht abschütteln, wenn es doch nur um ... Sex ging? Konnte er das so sagen? Sie hatten nicht miteinander geschlafen und seit dem Monica Lewinsky-Fall waren weder Handjobs noch Blow-Jobs als Sex zu betrachten. Er war glücklich darüber, so etwas Intimes mit Reita teilen zu dürfen, doch irgendwie reichte ihm das nicht mehr. Seit dem gestrigen Vorkommnis sehnte er sich nach noch etwas mehr Nähe; nicht zwingend hatte dies etwas mit Nacktheit zu tun, auch wenn er es als aufregendes Beiwerk empfand. Kai hielt mitten in der Bewegung inne, der Pinsel schwebte in der Luft, wenige Zentimeter vor der Tapete. Er starrte auf einen unsichtbaren Punkt zwischen den unerdenklich vielen Linien und leckte sich die Lippen. Tatsächlich war es so, dass er Reita küssen wollte. Nicht zur Show, nur für sie beide, allein in einem Raum. Und es sollte nicht bei einem Kuss bleiben. Doch verlangte er zu viel? War das zu persönlich für Reita? Würde er ihn für seinen Wunsch auslachen? »Ups.« Aoi stand mit verschränkten Armen hinter ihm und verfolgte mit seinem Blick die Linie, die Kai gemalt hatte. »Du bist abgerutscht«, sagte er und trat näher an die Wand heran, wo er die Linie nochmals kontrollierte. »Drei Mal.« »Was?«, stieß Kai hervor und war wieder im Hier und Jetzt angekommen. Verdammt, er war wirklich zwei Striche nach unten verrutscht. »Ist das sehr schlimm?« »Für mich nicht, aber ... für Uruha wahrscheinlich ...« »Was ist für mich schlimm?«, fragte dieser und näherte sich ihnen mit strahlenden Augen. »Sieh selbst«, antwortete sein Koi und zog sich bereits zurück, während der Übeltäter immer noch hoffte, sein Fehler bliebe auf den ersten Blick unbemerkt. »Oh.« Da war die Hoffnung schon dahin. »Kai ~«, ließ Uruha seine Stimme spielen, drehte sich zu ihm um. Mit in grüner Farbe getränkten Pinsel hob der Leadgitarrist die Hand und stach zu, als trüge er stattdessen einen Dolch. Fortan prangte unterhalb von Kais Brust ein sattgrüner Fleck. Der Drummer fürchtete eine schlimmere Strafe. »Ist nicht so schlimm. Dann endet der Strand eben früher. Aber tu dir einen Gefallen und geh ein bisschen Luft schnappen. Du bist ganz rot im Gesicht, das ist sicher der Farbgeruch ...« Da hatte er sich wohl getäuscht. »Ja ... ich – das ist bestimmt eine gute Idee!«, erwiderte er nervös. »Ich geh runter und ein bisschen spazieren.« Schon war er verschwunden. Draußen vor der Tür blieb er erst nach seinem halben Marathon stehen, atmete tief ein und starrte in die Dunkelheit im Schatten des Leuchtturms, um seine überstrapazierten Augen auszuruhen. Warum raste sein Herz so, wenn ihn mit Reita doch nur Körperliches verband? Wie war das wohl zwischen dem Girugämesh-Sänger und ihm? Konnte Satoshi unterscheiden, ob es eine körperliche Affäre oder eine Herzenssache war? Und wenn es sich für ihn um eine Herzensangelegenheit handelte, konnte er es verkraften, dass Kai mit dem Blonden das teilte und dort die Nächte verbrachte? Mit geschlossenen Augen gab er sich der Erinnerung des vorigen Abends hin. Reitas Gesicht ruhend neben seinem, sein nackter Körper ausgepowert und verschwitzt auf ihm. Bald hatte er die Augen geöffnet und so sanft gelächelt wie noch nie zuvor. Nur schwer hielten ihn seine Arme, als er versuchte, sich von Kai zu erheben, sie zitterten vor Anstrengung und Erschöpfung. Der Jüngere schüttelte den Kopf und brach Reitas Widerstand, indem er ihn streichelte und dann an sich drückte. Es ist gut. Bleib ruhig. Der Bassist bewegte sich ein bisschen zur Seite, bevor er sich tatsächlich auf Kais Brust sinken ließ und dort einschlief. Kai war bald darauf auch ins Land der Träume gesegelt, hypnotisiert von Reitas Atemzügen, die er so durchdringend wie seine eigenen spürte. Der Brünette erschrak vor seinen eigenen Gedanken. Das klang ja alles so schwärmend! Was, wenn er sich in Reita ver- das durfte nicht sein! Als brächte ihn das zur Raison, schüttelte er stürmisch den Kopf. Er durfte sich nicht in Reita verlieben! Wenn das passierte, würde es die Band sicherlich durcheinander bringen - er als Leader-san musste objektiv bleiben und durfte doch niemanden bevorzugen, oder? Ohne es beeinflussen zu können, seilte sich eine Träne aus seinem Augenwinkel ab. Wie immer in letzter Zeit, wenn es um die Band ging, wurde er melancholisch, beinahe schon weinerlich. Wie immer stellte er sein eigenes Glück hinten an. »Warum darf ich nicht?«, fragte Kai leise in die Dunkelheit und schluchzte. »Was darfst du nicht?« Es war die Stimme seines Bassisten, die aus der Dunkelheit zu ihm sprach. Erschrocken hielt er Ausschau. »Wie lange stehst du da schon?« »Ne Weile.« Reita trat mit großen Plastiktüten aus dem Schatten heraus und lächelte schräg. Nebenbei nahm er alle Tüten aufs linke Handgelenk, hob die nun freie Hand an Kais Wange und streichelte mit dem Daumen die Tränen weg. »Warum weinst du?« Sie mussten noch nie flüstern. Hier draußen in der Kälte und der Einsamkeit erschien Kai das zwar unsinnig, aber die Anderen könnten ein Fenster geöffnet haben und lauschen. »Ist schon gut«, antwortete er automatisch. »Du lügst.« Reita streichelte noch immer sein Gesicht, lächelte und sah ihm in die Augen. Kais Herz beschleunigte und presste sich rhythmisch an seine Rippen. Plante Reita etwas? Meist benutzte er seinen hypnotischen Blick, um von seinen eigentlichen Absichten abzulenken. Tatsächlich griff die schwielige Hand nun nach seiner und zog ihn hinter sich her, durch die Glastür in den Leuchtturm hinein, doch anstatt nach oben zur Arbeit zurück zu kehren, zerrte er ihn die Stufen hinunter in die große Garage, wo jetzt noch kein Fahrzeug Platz fand, weil dort genug Malerutensilien herumstanden, um die gesamte PSC zu versorgen. Der Blonde ließ die Tüten auf den Boden sinken. »Was willst du hier?« »Du hast sicherlich auch darüber nachgedacht, was gestern passiert ist ...« Er flüsterte immer noch. »Ich war schnell zurück, allerdings wollte ich allein sein ... und darüber spekulieren, was mit uns geschieht.« Seine Augen glänzten im schwachen Licht der Lampe. »Und was geschieht mit uns?« Kai war sich nicht sicher, ob Reita ihn verstanden hatte, so leise waren ihm die Worte entkommen, zu sehr war er davon abgelenkt, mit welcher Selbstverständlichkeit der Bassist sich ihm näherte. Bald spürte er, dass er zwischen dem harten, warmen Körper und der kalten Wand gefangen war. Reitas Lippen berührten seine und es war wie ein Feuerwerk! Kai konnte auch nicht mehr kontrollieren, was er tat. Im nächsten Moment presste er Reita an die Wand, während sie sich gegenseitig verschlangen. Der Drummer fühlte sich wie ein sechzehnjähriger Teenager, nur viel sicherer. Den Mann zu küssen, der seine Gedanken seit Tagen vereinnahmte, verursachte in ihm ein Glücksgefühl, das er nicht in Worte fassen konnte. ~~~~~ »Sie ist echt hübsch.« Aoi berührte den Touchscreen und blätterte die Bilder auf Rukis Handy durch. »Echt ... ich bin ganz sprachlos«, sagte er völlig baff. Voller Stolz schwoll Rukis Brust an und er grinste triumphierend. Sie saßen zu Zweit auf dem Boden und unterhielten sich über den Familienzuwachs, der immer anstand, wenn ein Bandmitglied einen neuen Lebenspartner mitbrachte. »Ihr könntet schöne Kinder kriegen.« So oft sie sich auch stritten, jetzt, in solchen Momenten verstanden sie sich darin, sich gegenseitig Mut zuzusprechen. Nie war es Aois Ziel gewesen, Ruki niederzumachen. Sie waren sich einfach ... zu ähnlich und bekamen sich oft in die Haare. »Was haltet ihr davon?« »Von Kindern? Hm ...« Alle wussten, dass Ruki Kinder zwar mochte, aber selbst welche zu haben war für ihn bisher ein Unding gewesen. »Jetzt nicht. Sora-chan ist erst Mitte Zwanzig. Theoretisch haben wir noch etwas Zeit, bis ihre biologische Uhr tickt. Und ich glaube, für sie wäre es ein echter Karrierekiller. Also lassen wir uns Zeit.« »Das ist vernünftig.« Aoi blätterte nochmals durch die Galerie und lächelte wieder. Das Bild zeigte Ruki mit einer rothaarigen Asiatin, lachend im Bett, wie sie beide für die Kamera posierten, sittsam und doch sah man beiden an, wie sehr sie ihre gemeinsame Zeit genossen. »Ihr seht glücklich aus ... Ich komme gar nicht darüber hinweg, wie hübsch sie ist!« »Hm?« Uruha kehrte von seiner Labyrinthtour zurück und in seinen Armen klemmten diverse Limonaden. »Ach so, deine Süße?«, fragte er Ruki, der irgendwie erleichtert nickte. »Ich glaube, Kai bringt Reita mit. Ich hab sie schon im Treppenhaus gehört.« Praktisch sofort erklang im Flur einstimmiges Lachen, Schritte schallten im Treppenhaus, dann kamen die Beiden um die Ecke und gesellten sich sofort zu ihren Kollegen auf den Boden. »Ich habe alles bekommen. Also bedient euch!« Reita grinste breit und zog seinen Jackenkragen hoch, als hätte er sich verkühlt. »Mein Burger ist kalt«, beschwerte sich Ruki. »Das war der Fahrtwind«, nuschelte der Bassist mit vollem Mund und linste hinüber zu Kai, der friedlich neben Aoi saß und seine Onigiri verspeiste. Aoi wunderte sich. Obwohl Reita vorhin noch den Maleranzug getragen hatte, war da ein grüner Farbklecks auf seinem schwarzen Muskelshirt. Sein Blick fiel auf Kai und den leicht verwischten Klecks unter dessen Brust, wo Uruha ihn markiert hatte. Hatten die Beiden sich umarmt? Und wenn ja, warum war dann der Fleck auch unter Reitas Brust, sondern auf dessen Bauch? Aoi konnte nicht verhindern, dass sein detektivisches Gespür losschlug, welches mit purer Neugier und mit Sensationslust betrieben wurde. Dann aber schüttelte er den Kopf. Nein, nein. Das war sicher harmloser als er dachte. Sie hatten sich sicher im Flur nur gerauft. Sicher. Deshalb hatten sie auch so ausgelassen gegackert wie die Gänse. Aber er nahm sich vor, die Sache zu beobachten... Obwohl auch das Quatsch war. Was bildete er sich denn da schon wieder ein? Seitdem Aoi und Uruha es geschafft hatten, Tora und Shou beinahe hundertprozentig vorsätzlich zu verkuppeln, vermutete er wohl hinter jeder Ecke ein bisschen »Bi« und andere Skandalösitäten. Kai und Reita? Das ging nicht zusammen... Vielleicht verstanden sie sich gerade einfach sehr gut - blieb ihnen ja schließlich auch nichts anderes übrig ... Ruki war völlig eingenommen von Sora-san, die das Potenzial einer »Frau fürs Leben« besaß. Und Aoi freute sich so für den anderen. Er und Uruha waren ebenfalls glücklich. War es da nicht logisch, dass es Kai und Reita näher zusammenschweißte? Aber! - Die beiden hatten ein Geheimnis, welches nicht zu unterschätzen war ... Nur beiläufig war Aoi auch schon wieder von Uruhas funkelnden Augen abgelenkt, hatte er doch gerade bemerkt, dass er beobachtet wurde. Uruha hatte ihn anvisiert wie eine Raubkatze ... Was ...? Schon spürte Aoi weiche und warme Lippen an seinem Mundwinkel, die ihm den letzten Rest Milchshake abschmatzten. Aoi hatte so wenig damit gerechnet, dass er ohne ersichtlichen Grund rot wurde. Uruha kicherte. Danach blickte der Leadgitarrist seinen Lover in einer Weise an, die Aoi gar nicht anders deuten konnte, als dass es ein klarer »Denkst du das, was ich denke?«-Blick sein sollte. Dann grinste Uruha, strich sich vielsagend mit dem Finger über den Hals und tippte dann im Takt des Liedes, dass gerade aus Aois Iphone kam, welches zur Unterhaltung und Arbeitserleichterung aller seit einer Stunde vor sich hin dudelte. Hals? Takt? Drummer... Kai... Kais Hals? Sofort schlug Aois Blick zu dem Schlagzeuger hinüber, der in diesen Minuten, wie von der Muse geküsst, strahlte wie gleich zwei Sonnen. Da war er. Ein Knutschfleck. - Aoi hatte einiges gesehen in seinem fast 17-jährigen Sexleben ... wahrscheinlich hatte er auch vieles übersehen, aber DAS Ding war kaum übersehbar! Ebenso, wie die hilflose Idee, es hinter einem aufgestellten Kragen verstecken zu wollen. Der war vorhin noch nicht gewesen. Definitiv. Oh Mann. Der Klecks Farbe. Der andere Klecks. Das Funkeln. Das Lachen. Das gemeinsame Zuspätkommen. Die Vertrautheit. Je schneller ein Gedanke zu anderen kam, je sprachloser wurde Aoi. Sollten Reita und Kai wirklich ...? Halt! Ging ihn das was an? Hilflos schaute er zu Uruha herüber, der fast schon hibbelig dasaß und sich freute wie ein Zuckerkuchen. Dann huschte sein Blick wieder herüber zu Reita - auch an ihm waren Spuren hinterlassen worden. Das hätte er nie für möglich gehalten. Er brauchte einen Moment, um das zu verarbeiten. Dann begriff er: Was auch immer die beiden mit einander teilen; es tat ihnen gut. Sowohl Kai als auch Reita schienen gelöst und entspannt. Kais Lächeln war noch stärker als sonst. Reita schwatzte ausgelassen und gestikulierte mit Händen und Füßen. Es entwickelten sich offenbar viele Dinge in den letzten Wochen und Tagen, dass Aoi immer wieder aufs Neue überrascht wurde. Das Leben war eine Achterbahn. Aber das war egal. Aoi war froh. Denn egal ob auf oder ab, Looping oder Smashing Down ... Uruha saß neben ihm. Es war unfassbar: Sie saßen hier beisammen, in Uruhas und seinem gemeinsamen Haus, Ruki war glücklich vergeben, Kai und Reita fanden offensichtlich entweder zueinander oder einen Weg sich die Tage gemeinsam optimal zu versüßen - oder beides? Verrückt. Noch vor ein paar Monaten hatte er sich das alles nicht erdenken können. Er ließ seinen Blick durch den Raum gleiten. Das Licht der Stadt funkelte durch das Panoramafenster freundlich herein. An der Wand entstand ein Bild von einem Strand, wie Aoi ihn aus Mie kannte. Sie saßen beisammen, redeten über die Zukunft, Unsinn und das Leben. So sollte es sein. Dieses Lachen, diese Stimmen wollte er immer in diesen Wänden haben. So oft es ging. Denn zum ersten Mal fühlte sich diese Band für ihn wie eine Familie an. Eine Familie, die er sich ausgesucht hatte oder das Schicksal oder sonst wer. Egal. Er war dankbar dafür. Besonders dankbar war er Uruha. Aoi lächelte so herzlich und warm, als er dem anderen beim Erzählen zuhörte. Jedes Plappern, jedes Lachen, jede Berührung von ihm, machte ihn glücklich. - Glücklichsein, das hieß für ihn, jeden Tag in Uruhas Anwesenheit baden zu dürfen. Der Rhythmusgitarrist blinzelte. Ihm war eine Idee gekommen ... Als sie mit dem Malern fertig geworden waren, standen sie alle nur verblüfft nebeneinander. Sie besahen ihr Werk und sahen, dass es gut war. Uruha hatte ganze Arbeit geleistet. Dieses »Malennachzahlen«-Gerüst zu entwerfen, war schon ein kleiner Geniestreich, den sie eher dem künstlerisch begabten Ruki zugetraut hätten. »Morgen schlafen wir zum ersten mal hier«, stellte Uruha verträumt fest, während man sich draußen zur Verabschiedungsrunde zusammenfand. »Soll ich dich noch rumfahren?«, fragte Aoi Kai, da dessen Wohnung nicht ganz unmittelbar auf dem Weg lag, wie bei den anderen Gazetto-Membern. Doch ehe der Drummer antworten konnte, klopfte Reita ihm schon auf die Schulter, »Ich nehm dich schon mit. Dann braucht nur einer einen Umweg fahren. Ist schon spät genug. Oder du pennst einfach gleich bei mir...« Kai war wortlos baff von diesem Satz. Er errötete nachhaltig und war froh, dass die anderen im Halbdunkel nichts sehen konnten. Ehe er so generell darüber nachgedacht haben konnte, hatte sein Kopf bereits genickt. »Na Hauptsache, ihr verschlaft morgen nicht wieder...«, kokettierte Uruha mit dem frechen Grinsen eines Lausebengels. »Quatsch nicht! Morgen ist Samstag!«, entgegnete Reita trotzig. »Bin bloß froh, dass wir alles schon an einem Abend hinter uns gebracht haben. So bleibt noch ein Tag zum Ausruhen«, meinte Ruki schläfrig und gähnte. »Und zum Treffen diverser rothaariger Schönheiten ...?«, hakte Aoi lieb und spitz im Ton nach. »Auch dafür...« Alle lachten. Danach gab der Bandälteste allen freundlich die Hand, wie er es immer machte, wenn er sich für die gute Zusammenarbeit bedanken wollte. Uruha verbeugte sich artig mit einem »Arigatou. Für eure Mühe.« Dann fuhren sie wieder hinaus in die Nacht. Reita und Kai blieben hinter Aois Auto und der Bassist gab den anderen Lichthupe, als sie den gemeinsamen Weg verließen. - Ein »Gute Nacht, Leute!« Kai fühlte sich wohl, auch wenn die Geschwindigkeit, mit der Reita um Kurven brauste, ihm immer noch nicht geheuer war, aber er fühlte sich wieder ein bisschen wie vor zwei Wochen. Wieder saß er mit klopfendem Herzen hinter diesem Mann, nur diesmal genoss er die Nähe, die Wärme, die Reitas Körper ihm gab, bewusster. Er schmiegte sich an den Rücken vor ihm. Das aufregend wohlige Gefühl konnte ihn sogar dazu hinreißen, die Augen zu schließen und abzuschalten. Er schloss die Arme fest um den anderen, atmete gleichmäßig die Nachtluft ein, die vom Frühlingsduft ganz schwer war. Und wie er so träumte, bemerkte er gar nicht, wie Reita in die Tiefgarage unter seinem Wohnblock einfuhr - erst als es bergab ging. Als sie abstiegen und dann den Aufzug nach oben nahmen, wechselten sie kein Wort. Auch auf der Treppe nicht, nicht mal vor der Tür. Reita schloss zitternd auf - das war Kai gleich aufgefallen. Langsam kam diese Anspannung auch bei ihm an. Was würde passieren, wenn sie beide hinter dieser Tür verschwänden? Und eh Kai seinen Gedanken zu Ende bringen konnte, fand er sich auch schon mit dem Rücken an der Flurwand in Reitas Wohnung wieder. Nicht grob, aber nachdrücklich eindringlich wurde der Raum zwischen den beiden Männern immer kleiner. Der Kuss den der Bassist Kai schenkte war beeindruckend, elektrisierend tief. Eine halbe Minute später spürte Kai ein solches Verlangen in sich, wie selten zuvor in seinem Leben. Er hatte dem nie nachgegeben. Eine Frau hätte dem nie standhalten können. Aber konnte er es heute wagen? War Reita stark genug? Ungeduldig quengelte Kai gegen die Lippen des anderen, fiebte beinahe überempfindlich erregt. Er bemerkte auch nicht, wie endlich die Tür ins Schloss fiel, dass sie sich seit einer Minute bei offenem Eingang geküsst hatten. Jeder, der vorbeigegangen wäre, hatte einen kurzen Aussnitt ihrer Lust präsentiert bekommen. Kais lange Finger suchten nach dem Reißverschlussanfang der Motorradjacke des anderen Mannes. Das Ratschen wurde von zwei Stockern unterbrochen. Dann fiel das Kleidungsstück zu Boden. Auch er selber war seine Jacke bereits losgeworden. Wieder fanden sie sich zu einem atemlos langen Kuss zusammen, wieder kamen ungehalten liebliche Geräusche aus Kais Innerem hervor. »Es brodelt in dir... Ich kann es spürn...«, raunte Reita dunkel in den Mund des anderen hinein. »Zieh das Ding aus!«, der Drummer hakte hinter das Bandana auf dem Gesicht seines Gegenübers und zog es einfach nach unten. Kurz blieb es an den Lippen hängen, dann lag es wie ein Kollier auf Reitas Schultern. »Ich will, dass du nichts mehr trägst!«, schon hörte der Blonde die Schnalle seines Gürtels klappern, »Gar nichts mehr ...«, hauchte Kai neblig ins Dunkel. Dann öffnete er auch seine Hose und in einem Ruck drängte er den anderen durch den Flur an die andere Wand. Reitas Colaflasche kippte von der Nussholzkommode, als sie beide heftig dagegen stießen. Wie vom Baum fallende Blätter fand ein Kleidungsstück nach dem anderen den Weg auf den Boden. Kai war sich nicht mal sicher, ob sie es noch bis ins Schlafzimmer schaffen würden. Er küsste sich Reitas freien Oberkörper hinab, dessen Rücken eine Biegung über dem kleinen, halbhohen Schränkchen machte. Die Hände des Größeren krallten sich an den Doppelgriffen der Schublade fest, zwischen denen er nun stand. Als Kais Fingernägel über seine Brust bis hin zum Bauchnabel hart über die weiße Haut kratzten, gab einer der Griffe seinem erstarken Händedruck nach. Er war einfach abgebrochen. Mit einem Geräusch, dass beide zusammenfahren ließ, krachte er zu Boden. Während Kais Mund sich an den Lenden des anderen herunterküsste, schoben seine Hände relativ gleichmäßig und ruhig den übriggebliebenen Stoff von den Pobacken des anderen. Ein seltsames Gefühl für Reita, als er Kais Fingerspitzen seine Beine hinabfahren fühlte. Jede von Kais Exfreundinnen wäre zusammengesunken bei solch einer erotischen Geste. Sogar Reita, meist gefasst und gelassen, aber eben nicht ganz so wie erwartet, war flatterhaft außer sich. Ihm war seine Devotion schon vor einiger Zeit bewusst geworden, aber er hatte sich nie ausmalen können, sich jemand Dominanterem dermaßen zu unterwerfen. Es war ihm fast unheimlich. Er lernte in diesen Minuten, in dieser Nacht, mehr über sich, als je. Mit dem Kuss im Leuchtturm war eine unsichtbare Mauer zwischen Ihnen einfach zersprengt worden. Therapie? Auslastung? Affäre? Liebe? Wahnsinn? Was es auch war... es war gut. Und es brauchte weder Scham, noch Definition, keine Bekundungen und keine Entschuldigungen. Nur Mut. Nichts weiter. Was beide wussten, war, dass ihnen eine Zeit ohne Einsamkeit bevorstand, ohne Fragen, ohne Grenzen ... Ohne ein Vielleicht. ~~~~~ Im letzten Moment, bevor jede Hemmung im Nichts des Dunkel und das Kuschelaffärenpärchen im Schlafzimmer verschwand, summte und leuchtete Reitas Handy, dass bei dem Gerangel im Flur aus seiner Hosentasche direkt auf die nackten Fliesen gefallen war. Auf dem Display blinkte ein Kästchen. Eine neue Nachricht. Sie war so kurz, dass der gesamte Text in den Vorschaubereich der Infobox passte. Von Satoshi. »Ich vermiss dich« ~~~~~ Uruha erschrak, sein Handy klingelte ebenfalls. Es war halb eins, gerade hatte er sich schlafen gelegt. »Yuu ruft an«, blinkte auf dem Display. »Hey, Schatz was ist?« »Machst du mir auf?« Irritiert hüpfte Uruha aus dem bett. Tatsächlich sah er Aoi durch den Türspion. Nun verstand er gar nichts mehr. »Was ist denn passiert?« »Zieh deinen Mantel an!« Ohne lange nachzufragen tat Uruha, wie ihm geheißen. Der Blick seines Kois verhieß ihm eine Überraschung. Er hatte also besagtes, fast knöchellanges Kleidungsstück übergeworfen und dann verschwanden beide Männer im Flur. »Wohin gehen wir?« »Wir fahren noch mal zum Leuchtturm.« »Aber da waren wir doch gerade vorhin, vor fast zwei Stunden.« »Hai, aber ich muss dir unbedingt noch was zeigen.« So fuhren beide Männer erneut die zwanzig Minuten durch die Nacht. Uruha wollte eigentlich protestieren, aber seine Neugierde war größer, als seine Müdigkeit und Aois samtweicher Tonfall ließ ihn Umwerfendes erwarten. Angekommen an ihrem zukünftigen Zuhause ignorierte Aoi alle weiteren Räume und Türen, nahm gleich die Treppe hinauf in den Turm. »Was hast du vor?« Das beinahe runde, oberste Räumchen war ein wirklich schöner Ausguck. Uruha ließ sich wieder vom Anblick der Tokio Bay und der Skyline vereinnahmen. Aoi schlug die braune Plane, die auf der Leuchtturmanlage lag und diese vor Staub schütze, auf. Dann grinste er Uruha frech an. »Du hast doch nicht ...«, entgegnete dieser. »Doch...«, mit einem Reißen an der Startleitung begann der Dieselgenerator zu brummen und nachdem Aoi einige Schalter aktiviert hatte, begann die kleine Halbschale sich schon um das unglaublich helle Leuchtturmlicht zu drehen. »Ich hab mit der Binnenschifffahrtsbehörde gesprochen und die haben uns eine Sondererlaubnis erteilt« , Aoi lächelte sanft, »nur heute Nacht.« Im ständig wandernden Licht, dass beide in gleichbleibenden Intervallen blendete, schien Aoi auf den anderen zuzuschweben. »Danke ...«, hauchte er halbleise, damit es wie ein Flüstern klang, aber ihm Rattern des Dieselmotors nicht unterging. »Ich muss mich bedanken... Wofür denn überhaupt?«, wunderte sich der Größere. »Dafür, dass du mich schon so lange begleitest und dass du es schon so lange mit mir aushältst. Ich liebe dich einfach und möchte dir für deinen Mut danken. Dafür, dass du mit mir hier einziehst und dass du in der Achterbahn, die sich »Unser Leben« nennt, immer neben mir sitzt und lächelst, auch wenn dir manchmal übel wird und du Angst hast. Danke.« Uruha blinzelte rot und mit klopfendem Herzen seinen Freund an. Mit so etwas hatte er nun gar nicht gerechnet. Dann blühte sein Lächeln wie eine große, farbenprächtige Blume auf und er küsste den anderen im gleichen Zug unheimlich sanft. »Willkommen zu Hause...«, flüsterte Aoi, es war nur für Uruhas Ohren bestimmt, weil sie sich so nahe waren. Beide Männer schluckten vor Rührung. Mit einer schnellen Handbewegung wischte Uruha sich ein Tränchen aus dem Augenwinkel. Sie umarmten sich lang und liebevoll, immer wieder gestreift vom Leuchtturmlicht, dass rundherum durchs Zimmer flog. In diesem Moment wusste Uruha noch nicht, dass Aoi eine weitere Überraschung im Wohnzimmer, dass sie zu fünft gerade fertig gestrichen hatten, aufgebaut hatte. Weil Aoi wusste, wie sehr Uruha sich sein sogenanntes »Masterbathroom« wünschte, hatte er vor dem, erst heute entstandenen, Miestrand an der Wand die Gartenbadewanne von Hinterdemhaus aufgebaut, sie mit einem Schlauch mit nach Wasserlilien duftendem, warmen Wasser voll laufen lassen, eine dicke Schaumkrone saß wie ein Sahnehäubchen darauf. Ringsumher hatte er einen Lichterschlauch mit gelblichleuchtend gemütlichen Dioden schlängelnd auf das frisch verlegte Laminat gelegt. Der Strand wurde von zwei dimmbaren Scheinwerfern angeleuchtet. Eine Flasche Traubensaft stand auf dem Hocker davor, ebenso wie eine Schale frische Erdbeeren - diesmal mit wahrhaftiger, süßer Sahne oben drauf. Die Lichter der Stadt als atemberaubende Kulisse hinter einem weißlich matten Vorhang, durch den alles nur ein wenig nach draußen schimmerte. Die Ziegelsteine, die Aoi rechts und links neben die Wanne gelegt hatte, passten nicht so recht ins Bild. Aber es musste auch nicht alles perfekt sein. Alleine Uruhas Strahlen, als er von Aoi in den Raum geführt wurde, machte diesen Moment perfekt. Uruha wusste, dass es die richtige Entscheidung gewesen war, hierher zu ziehen. Ohne lange nachzudenken ließ er sich von Aoi wie in Zeitlupe ausziehen, tat es dem anderen gleich. Gemeinsam stiegen sie ins warme Wasser und kurz darauf klickten zwei Gläser zwischen ihnen. ~~~~~ Nachdenklich stand Kai am Fenster in Reitas Schlafzimmer. Mittlerweile war es wirklich tiefe Nacht. Der Bassist lag friedlich schlafend in seinen Kissen. Kai hatte ein Leuchtturmlicht aus dem Bett gelockt. Der Drummer wusste nicht, ob er jemals jemandem ohne Schamesohnmacht erzählen hätte können, was sie beide gerade getan hatten. Er begriff es ja selber nicht. War es so? Spielte das Glück einem immer unverhofft eine Karte zu, wenn man am wenigsten damit rechnete? Oder lief man einfach nur blind durch das Leben und sah die Menschen um sich herum nicht in dem Licht das sie umgab, sah nicht, was sie zu geben hätten ... mit ein bisschen Mut? Hatte er den Wald vor Bäumen nicht gesehen? Das Glück trägt eine Maske, hatte er gedacht, nein, es lag unverhüllt vor seinen Füßen, war da gewesen, Tag für Tag. Seltsam. Es war wohl zu offensichtlich. Direkt unter dem Leuchtturm ist es dunkel, fiel ihm ein altes japanisches Sprichwort ein. Es stimmte. »Tōdai moto kurashi ...« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)