Wer suchet, der findet. von haki-pata (Ob der Fund zur Suche passt ist eine andere Sache) ================================================================================ Kapitel 63: Strike! Strike Numero zwei! Triple-Strike! ------------------------------------------------------ Am Gespräch beteilige ich mich nur als Zuhörer. Die ‚Grauzone‘ ist Lars und mir bekannt. Die Existenz einer Institution wie dieser Treffpunkt ist so unheimlich wichtig. In unserer ersten Zeit hier und auf der Straße war es die einzige Möglichkeit einer warmen Mahlzeit und Schutz – nicht nur vor Kälte. Wenigstens für ein paar Stunden. Leider brauchen zu viele Kinder von der Straße eine warme Mahlzeit und Schutz und mich ärgert, wie sich Bürgermeisterin und Stadtrat die Taschen füllen und dabei diejenigen vergessen, die rein gar nichts haben. Gedankenversunken betrachte ich das Gesicht dieses Hünen, der aussieht als würde er friedlich schlafen. „Was hat er in der ‚Grauzone‘ gemacht?“ will ich von Julian wissen, ohne den Blick von dem Toten zu lassen. „Und was weißt du noch über Hänschen Kline?“ „Er gab Nachhilfe in Mathematik und Latein.“ tut mein Schatz kund. „Seine Arbeit war immer tadellos und er war bei Kids und Kollegen beliebt.“ Julian überlegt kurz. „Außerdem arbeitete er bei einer Baufirma als Maurer, Kran- und Baggerführer. Über sein Privatleben kann ich nichts sagen. Wir waren selten gemeinsam im Jugendtreff.“ „Warum das?“ verlangt mein Partner zu erfahren. „Meiner unterschiedlichen Schichten und der Überstunden wegen.“ gibt Julian an und atmet tief durch. „Die Kids werden ihn vermissen.“ sagt er leise und erhebt sich, geht ein paar Schritte und kauert nun an der Seite des großen toten Mannes. Er hebt eine Hand und streicht dem Toten mit dem Zeigefinger sacht über die Stirn. Das Zeichen erkenne nur ich. Es steht für eine gute Reise ins nächste Leben. Eine religiöse Geste. Sein Vater muss ein Priester sein und wenn er als solcher den alten Glauben zelebriert ahne ich, warum mein Schatz eine Abneigung gegen seine Familie hegt. Wäre mein Vater ein Priester nach altem Glauben gewesen hätte ich ihm gegenüber mit meiner Homosexualität einen ähnlich schweren Stand gehabt. War er aber nicht. Nicht einmal Priester war er. Er war einer der tolerantesten und liebsten Menschen, die ich kennenlernen durfte. Mich macht es stolz, sein Sohn sein zu dürfen und ich weiß, auch er wäre stolz auf mich. Auf Lars nicht minder. Immerhin sind wir zu anständigen Kerls geworden. Das genügt jetzt aber mit dem Einblick in die Familie! Stöckelnde Schritte nähern sich und jeder von uns weiß, wer sich da die zweifelhafte Ehre gibt. Allzu nahe kommt Carol Artus nicht und bleibt in sicherer Entfernung stehen. Hat wohl Angst vor dem Toten. Wissen die Götter warum das so ist. In meiner gesamten Laufbahn als Polizist habe ich niemals eine Leiche aufspringen und weglaufen sehen. Oder jemanden angreifen. „Haben Sie schon herausgefunden wer das ist?“ erkundigt sich die da im gewichtigen Tonfall. Ein heimliches und einvernehmliches Blinzeln von jedem von uns. Wir sagen nichts. Soll diese… Unperson doch den Autopsie-Bericht lesen. „Ich habe Sie alle was gefragt!“ beharrt die da auf Antwort und bekommt auch eine. Nicht ganz die, die Carol Artus haben wollte. „Mir… wird… schlecht…“ kündigt Julian abgehackt an und wendet sich eilig von dem Toten ab, kriecht ein paar Meter und… speit der Artus-Tussi auf die Pumps. „Strike!“ flüstert Berger in das gurgelnde Geräusch, dem kurz darauf kreischende Empörung folgt. „Meine Schuhe! Wie können Sie nur… Meine Schuhe!“ Das Kreischen bricht ab. Zu viel negative Publicity, vermute ich. Wie erstarrt und scheinbar zu keiner Regung fähig blickt die Artus-Tussi mit weit aufgerissenen Augen auf ihre Pumps, die mit bestens durchgekautem Mageninhalt besudelt sind. Ich kann nicht erkennen, was Julian da gegessen hat und vermute, das lässt sich steigern. Gewiss lässt es sich das. „Das… ist…“ fange ich an und sage nichts mehr, tue es meinem Schatz in allem nach und… „Strike Numero zwei!“ höre ich meinen Partner leise sagen. „Das hat… ein Nachspiel!“ kündigt die Unperson an, gut hörbar mit dem Würgereiz kämpfend. „Machen Sie… sich darauf… gefasst. Das hat…“ „Triple-Strike!“ bemerkt Gerrit Berger, als sich die da die eigenen Schuhe einsaut. Und nicht nur die. Ihr gesamtes Business-Kostüm ist vom Blusenkragen bis zum Rockzipfel mit vielen kleinen farbenfrohen Bröckchen verziert. Scheinen diese bunten dragierten Schokolinsen zu sein. Dieser Anblick ist Gold wert. Hoffentlich macht jemand Fotos! Charlene springt auf. „Sie verunreinigen den Tatort!“ schnauzt sie die Artus-Tussi an. Ganz so, als wäre ihr Julians und meine Kotzattacke gründlich abhandengekommen. „Gehen Sie. Sofort! Sonst hat das wirklich ein Nachspiel!“ Ohne ein Wort dreht sich diese… Unperson um und geht – wankt viel mehr. Ein eilig herbeorderter Kollege in Uniform greift ihr unter die Arme und sieht nicht glücklich aus damit. Er wird sich wohl oder übel den Streifenwagen schmutzig machen. Soll er sie nach hinten setzen. Da ist alles leichter zu reinigen. Außerdem ist das der richtige Platz für die da, direkt gefolgt von einer Gefängniszelle. Noch auf dem Boden hockend schaue ich ihr hinterher. Wer es nicht weiß könnte vermuten, hier wird eine Betrunkene abgeführt. Soll ich schadenfroh sein? Seid ihr es? Ach! Ein klitzekleines bisschen ist erlaubt. „Sie tut mir fast leid.“ merkt meine beste Freundin an. Neben meinem Augenpaar richten sich auch das meines Schatzes und das meines Partners auf sie. „Ernsthaft?“ fragt Berger nach und das will auch Julian wissen. Charlene legt den Kopf schief. „Fast!“ betont sie, sagt nichts weiter und kümmert sich wieder um den Toten. ()Vom Boden aufgestanden reicht Julian seinem Schatz die Hand und zieht ihn daran in die Höhe. „Gut gezielt.“ merkt er an, drückt die Hand von den anderen unbemerkt und lässt los. Aaron winkt gleichmütig ab. „Bin ganz passabel darin.“ meint er und hebt außerdem die Schultern. „Du warst auch nicht schlecht.“ „War keiner von euch!“ merkt Detective Berger an und grinst schadenfroh. „Hab Fotos!“ teilt er außerdem mit und wedelt mit seinem Mobilfon. „Und ich weiß, wer alles einen Abzug kriegt!“ Ein ernstes Räuspern seitens der Pathologin erinnert sie alle daran, warum genau sie hier sind und Julian schaut sich den Toten neuerlich an. Doch. Das ist Hänschen Kline. „Wurde er mit Absicht ausgewählt?“ fragt er. „Oder war er nur zur falschen Zeit am falschen Ort?“ „Das ist genau das, was wir herausfinden müssen.“ entgegnet Aaron und klopft ihm sacht auf die Schultern. Woanders und wannanders würde Julian diese Geste weit tröstlicher empfinden. Hänschen Kline tut ihm leid. Und auch die Kids in der ‚Grauzone‘, für die dieser Mann da war.() Die Spuren sind gesichert – wenn es denn welche zu sichern gab. Hänschen Kline wurde unter den wachsamen Augen Charlenes in aller Vorsicht eingepackt und ist abfahrbereit. Für uns alle ist es ebenfalls an der Zeit zu fahren. Ich werde es gleich Berger überlassen, Jen und Dave zu benachrichtigen. Ich frage mich sowieso, warum weder die eine noch der andere hier ist. Meinen Wagen muss ich mir neuerlich von einem uniformierten Kollegen zum Departement bringen lassen. Leider können Julian und ich nicht in einem Streifenwagen mitfahren. Heimlich mustere ich meinen Schatz. Er sieht betroffen aus. Unser gegenseitiger Abschied fällt ziemlich kurz aus. Ein Wort wechseln wir nicht und nicken nur einander zu. Sein Lächeln ist traurig, als er sich umdreht und geht. Der Tod seines Kollegen aus der ‚Grauzone‘ hat ihn scheinbar mehr mitgenommen, als er uns… als er mir zeigen will. Nachher reden wir noch einmal miteinander. In Ruhe und nur wir zwei. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)