Wer suchet, der findet. von haki-pata (Ob der Fund zur Suche passt ist eine andere Sache) ================================================================================ Kapitel 10: Absichten --------------------- Ich bleibe noch etwas, sehe den Leichenwagen abfahren und winke Charlene hinterher. „Schade…“ seufzt Dave. „Ich hatte die Hoffnung, sie würde deinen Kollegen auch eintüten.“ „Wunsch und Wirklichkeit.“ muss ich ihm die Illusion rauben. „Jau. So ist das im Leben.“ Er seufzt zum zweiten. „Da denkst du, du hast dir die Prinzessin geangelt und eines Tages – nach Jahren der Ehe – stellt sich raus, neben dir im Bett liegt der Drache…“ Ich grinse. „Es war einmal…“ Dave grinst auch. „Das haben meine Jungs gefunden. Drei Straßen von hier. In einem Einkaufswagen einer der Penner.“ erklärt er und übergibt mir eine Klarsichthülle. „Ist ein Hemd. Feiner Stoff. Würde zu dem Jungen passen.“ „Danke, Dave. Du bist der Beste. Echt.“ Der alte Sergeant klopft mir auf die Schulter. „Schnapp dir das Schwein, okay?“ bittet er mich. Ich bejahe. „Mit deiner Hilfe.“ Und tippe auf die Hülle. „Das sollte sich Charlene ansehen.“ „Nimm deinen Kollegen mit.“ verlangt Dave eindringlich. „Sonst stirbt er keinen natürlichen Todes!“ „Der Gedanke ist reizvoll… Doch ja… Hat was…“ „Aaron!“ Sergeant Dave Hollister stellt sich vor mich. „Es dauert nicht mehr lange und Berger wird von meinen Jungs erschossen! Von all meinen Jungs. Gleichzeitig!“ Er atmet scharf ein. „Und ich schwöre! Ich beteuere vor jedem Gericht dieser Welt… Es war Selbstmord!“ „Ja.“ Ich verdrehe die Augen. „Ich opfere mich und nehme ihn mit.“ Dave bekommt einen Stupser. „Unter uns…“ flüstere ich ihm verschwörerisch zu. „Ich würde es auch beteuern…“ „Hau ab, du!“ lacht er. Keiner von euch kann sich vorstellen, was für eine unangenehme Angelegenheit es ist, mit Gerrit ‚Ich kann das nicht’-Berger in einem Auto zu sitzen. Er hat sich von den Kollegen in Uniform unzählige Chili-Dogs besorgen lassen, diese Dinger in sich hineingestopft und dünstet die fleißig auf der Fahrt zum Department aus. Nicht nur über die Haut, versteht sich. Außerdem hat er das Talent, ununterbrochen zu quasseln. Sechzig uninteressante Themen in sechzig ewig langen Sekunden. Ein Alptraum. Echt mal. Ich glaube, er holt nicht einmal Luft dabei! Luftholen… Das traue ich mich selbst nur vereinzelt. Chili-Dogs und was er sonst gefressen hat… Es verursacht laute und deutliche Darmwinde, die die Nasenschleimhaut verätzen und in den Augen brennen. Nicht schlimm, meint ihr? Fenster auf und gut, meint ihr? Ja! Scheiße auch! Wir sitzen hier nämlich in einem Auto, dessen Scheiben sich nicht herunterkurbeln lassen. Weil… defekt… Ich bin versucht ihn – hier und jetzt – einfach zu erschießen… Notwehr. Das glaubt mir jeder! Wenn er wenigstens aufhören würde zu reden. „Der eine Schauspieler, der in dieser Serie mitgespielt hat… Diese Serie… Du weißt schon. Diese Arzt-Serie… Jeden Mittwoch. Auf Kanal sechs. Wo die Krankenschwester mitspielt. Die mit den geilen Titten… Diese riesigen Mega-Bomber… Also… Diese Krankenschwester… Die jeden Patienten vernascht… Mann! Bei der wäre ich auch gern Patient! Und der Schauspieler… Der macht jetzt Werbung… Auf so einer Yacht und… Du findest doch auch, die hat geile Titten, oder? Ob die echt sind?“ „Halt die Klappe!“ schnauze ich. „Und kneif deinen verdammten Stinkarsch zu, sonst schieb ich dir meine Kanone hinein und drücke ab!“ Keinen blassen Schimmer warum, Berger findet es witzig. Er lacht, hält sich sogar den Bauch vor Lachen. Seine Winde finden unaufhaltsam ihren Weg in das Wageninnere. Ich rüttele an der Kurbel. Und das Fenster lässt sich nicht öffnen. Bei den Göttern. Ich sollte es einfach tun! Die Hülle mit dem Hemd bringe ich zu Charlene Rush in die Forensik. Vielleicht sind Spuren darauf zu finden. Berger ist sich zu fein mitzukommen. Irgendeine Ausrede findet er immer, die Leichenhalle nicht zu betreten. Er muss zum Klo, wie er betont. Chili-Dogs wegbringen… Na! Ob die Schüssel das aushält? Also gehe ich allein zu Charlene. Welch herrliche Ruhe und die Luft, die nach scharfen Desinfektionsmittel und sterblichen Überresten riecht ist eine Erholung zu dem, was ich bis vor kurzem zu ertragen hatte. „Hey.“ begrüßt mich die Pathologin. „Anpiepen kann ich mir also sparen.“ Ein Winken bedeutet mir, die Klarsichthülle auf einen freien Seziertisch abzulegen und näher zu kommen. Sie teilt ihre bisherigen Erkenntnisse mit mir. „Kleine Hämatome am Kinn. Der Täter hat sich hinter sein Opfer gestellt, den Kopf gehoben und die Kehle durchtrennt. Ein Schnitt. Präzise, aber auch mit viel Kraft. Der Halswirbel ist mit angeritzt. Binnen Sekunden ist er verblutet. Hat es sicherlich nicht mal mitbekommen.“ Charlene streicht über die Wunde und zeigt mir die Schnittführung. „Von rechts nach links, dabei eine leichte Aufwärtsbewegung.“ „Der Täter ist in dieser Art der Tötung geschult, vielleicht erfahren, Linkshänder und größer als das Opfer.“ interpretiere ich. „Keiner ist darin so gut wie du.“ lobt mich unsere Pathologin. Das überhöre ich einfach, sonst werde ich rot. „Irgendeinen Hinweis auf die Waffe?“ „Was scharfes. Was radikal scharfes. Flache Klinge. Ich schätze vier bis fünf Zentimeter breit.“ „Skalpell und Teppichmesser scheiden also aus. Kampfmesser oder so etwas?“ „Nicht flach genug.“ Charlene seufzt. „Eine wirklich flache Klinge. Hatte schon ein Rasierblatt vermutet, aber… Na ja… Ohne Halterung kann man es nicht benutzen, ohne sich selbst zu verletzen. Ich habe es ausprobiert! Und es schneidet nicht tief genug, um den Halswirbel anzukratzen.“ „Katana?“ überlege ich laut. „Ein Samurai-Schwert? Die sind breit, flach, scharf.“ „Aaron. Schmeiß den Polizeidienst hin und komm in die Pathologie!“ Charlene fällt mir fast um den Hals. „Ein weiterer kluger Kopf ist das, was mir hier unten fehlt.“ Jetzt hat sie es geschafft. Ich werde rot. „Wie steht es mit den Organen?“ überspiele ich meine Verlegenheit. „Was fehlt?“ „Nur Herz.“ sagt sie und zeigt auf den geöffnet Brustkorb. „Der Täter hat den Oberkörper aufgeschnitten, die Rippen freigelegt, mit einem Schlag zerschmettert und… RATSCH das Herz herausgerissen. Gefunden haben wir es nicht. Bis jetzt nicht. Vielleicht auch nie nicht.“ „Kannibalismus?“ „Nicht auszuschließen.“ Charlene zuckt mit den Schultern. „Zurück zu unserem Opfer. Ein Paradebeispiel an Gesundheit, wenn man davon absieht, dass er tot ist.“ Sie zeigt auf die entnommenen Organe. „Keine Drogen. Gar nichts. Im Magen fand ich ein vortreffliches Drei-Gänge-Menü. Kürbiscremesuppe mit Croutons, Hase in Madeira und Ofenkartoffel und zum krönenden Abschluss Tiramisu. Das leckerste Essen, das ich je gesehen habe. Noch nicht anverdaut. Hab mir direkt was eingefroren.“ Ich hebe nur eine Augenbraue. Charlene macht den Witz öfter. „Das Gebiss, Ron. Beneidenswert gesund! An den Zähnen befand sich kein Karies.“ „Aha. Eindeutig aus gutem Haus. Und?“ „Und… Unter den Fingernägeln habe ich nicht viel gefunden. Nur von dem, was sich bei den Müllhaufen befand. Seine Haut… Tatsächlich gut gepflegt. Mit einer teuren Hautcreme.“ Sie nennt mir eine Marke, die für mich nichts sagend ist. Ich habe meine Universalcreme aus der blauen Dose und gut. Für mich reicht es und meine Haut ist… War da ein Lachen? Ja? Hat da wer ein Problem? Mit meiner Universalcreme aus der blauen Dose? Na? Na? Nur keine Scheu und raus mit der Sprache! Der hat bald ein Problem mit meiner Universalwaffe aus dem schwarzen Holster. Und danach hat der kein Problem mehr… Nie wieder! „Blut?“ erkundige ich mich. „Allerwelts-Blutgruppe A positiv. Sauber. Keine Anzeichen für irgendwelche Erkrankungen. Hab Fingerabdrücke genommen und mit der DNA bereits durch sämtliche Datenbanken gejagt. John Doe bleibt John Doe.“ Sie schürzt kurz die Lippen. „Allerdings habe ich es noch nicht mit einem Foto und Vermisstenanzeigen versucht. Wollte ich eigentlich deinem Kollegen überlassen. Wo ist er überhaupt?“ „Klo.“ antworte ich. „Irgendwelche Verletzungen, die auf sexuelle Handlung deuten? Gewollt oder ungewollt?“ Charlene schweigt einen Augenblick und guckt in ihren Unterlagen. „Leichte Analfissuren, die allerdings nicht nach Gewalt aussehen. Harter Stuhlgang oder einvernehmlicher Sex. Nach dem Heilungsgrad ist das etwas her. Keine fremde DNA. Kein Sperma, keine Haare. Nichts.“ „Hm…“ Was anderes fällt mir nicht ein. Auch Fragen habe ich keine mehr. Das Piepen meines Telefons kommt mir sehr gelegen. Ja. Mein Telefon piept. Na und? Bekam das mit den Melodien nicht hin. Beim letzten Versuch, einen Klingelton zu installieren habe ich mein Telefonbuch gelöscht. Da bin ich froh, dass ich zu denen gehöre, die sich auch alles auf Papier notieren. War eine richtige Quälerei, alles neu abzuspeichern. Seitdem habe ich es aufgegeben, daran irgendwas zu ändern und mein Telefon piept. So! Und wer lacht… Bei dem macht es nicht PIEP. Bei dem macht es BOOM! Einmal und nie wieder! Kapiert? Ein Blick auf das Display. Unbekannte Nummer. „Meyers.“ melde ich mich. „Halli Hallo… Detective Aaron Meyers.“ Die Stimme ist ein schnarrendes Krächzen und Knacken. Vermutlich elektronisch verzerrt. Ich frage nicht, wer da ist. Mein Instinkt sagt mir, es sei ein Fehler und eine Antwort würde ich nicht kriegen. Also lasse ich es bleiben und den Anrufer reden. „Hat dir mein Geschenk gefallen?“ Ein blechernes Lachen. „Der Kleine wusste gar nicht, was auf ihn zukommt. Er war nicht einmal am Taxi, da hatte ich schon mein Messer an seinem Hals. Ein gutes Messer. Ein schönes Messer. Ein… scharfes Messer.“ Ich erwidere nichts. Dieser Typ ist darauf aus, in ein Gespräch verwickelt zu werden. Den Gefallen tue ich ihm nicht! „Sein Herz… Detective Aaron Meyers… Ich habe es… gegessen… Und es hat mir… so gut geschmeckt!“ Ich bleibe stumm. „Redest du nicht mit mir, Detective Aaron Meyers? Hat dir mein Geschenk nicht gefallen?“ Der Anrufer klingt enttäuscht. Dennoch… Eine Entgegnung halte ich für unnötig. „Soll ich für dich lieber ein kleines Mädchen umbringen?“ Meinerseits nur Schweigen. „Oh… Detective Aaron Meyers… Bitte. Sprich doch mit mir!“ Jetzt klingt er flehentlich. Geradezu servil. „Bitte… Ich… Ich lasse dir noch ein Geschenk zukommen, ja? Vielleicht…“ Das blecherne Lachen ist wieder zu hören. „Kein kleines Mädchen, sondern den… Cop, den du so magst?“ Ein abfälliges Schnauben. „Den jungen. Mit dem du geknutscht hast. Da, an der Hauswand. Ja? Möchtest du das? Los! Sag es mir!“ Ich höre an seiner Stimmlage, wie es ihn ärgert, dass ich noch immer schweige und er mich nicht provozieren kann. „Gut… Dann bringe ich eben den um. Und reiße ihm nicht nur das Herz heraus.“ Der Anrufer lacht erneut. „Also? Detective Aaron Meyers? Was soll ich ihm für dich wegnehmen? Hast du seinen Schwanz gemocht? Soll ich ihm den Schwanz abschneiden? Und dir schicken? In einer schönen Schachtel?“ An dieser Stelle ist für mich das Gespräch beendet und ich drücke ihn weg. Die Visitenkarte von Julian in der Hand rufe ich ihn an. Statt des Tutens hat er einen Song. Was aus den Charts. Hört sich gut an. Wenn er das hinkriegt, kriegt er das mit dem Klingelton bestimmt auch hin. Danach könnte ich ihn ja mal fragen. Ja. Warum nicht? „Aparo.“ meldet er sich, als ich kurz davor bin aufzulegen. Seine Stimme am Telefon ist schon purer… Jetzt nicht! „Aaron hier.“ ist meine knappe Begrüßung. „Hey!“ Er klingt erfreut. „Mann! Ich hatte Schiss, du rufst doch nicht an. Wegen… Höm… Du weißt schon… Höm… vorhin…“ Mir kommt das Bild des errötenden Julian Aparo vor Augen. Und wie… Jetzt NICHT! „Julian… Ich hatte da eben einen merkwürdigen Anrufer.“ Ich zitiere den Wortlaut. Charlene ist sichtlich erschrocken. „Er hat uns gesehen.“ steht für Julian fest. „Mist. Und ich hatte nur Augen für dich!“ „Pass in nächster Zeit gut auf dich auf, ja? Besser als gut! Versprich es mir!“ „Klar. Tu ich.“ Julian holt tief Luft. „Und du. Du passt auf dich auf. Hörst du?“ Eine kurze Pause entsteht und im Hintergrund höre ich Gemurmel. „Sorry.“ richtet Julian wieder das Wort an mich. „Muss Schluss machen. Besprechung. Bye.“ „Bye, Schatz.“ rutscht mir raus. Julian gluckst. Es hört sich… glücklich an. „Ja, Schatz. Bye.“ Er will noch was sagen, darum warte ich. „Bitte.“ meint er schließlich und hört sich auffallend ernst an. „Pass auf dich auf.“ „Ja. Mache ich.“ „Gut.“ Er legt auf. „Uhu! Na was?“ Charlene verpasst mir einen freundschaftlichen Magenschwinger. „Hast du endlich einen Mann? An einem Tatort kennen gelernt? Einen… Bullen?“ Ich nehme mir nicht mehr die Zeit zum Antworten, haste hinaus. Die Sache geht auch meinem Boss was an. Bei ihm werde ich allerdings nicht so ganz ausführlich, wie in Gegenwart von Charlene. Neben ihr weiß niemand auf dem Revier von meiner Homosexualität. Muss auch nicht. Es hat keinen zu interessieren und ist absolut meine Privatsache! Verstanden? Ab-so-lut! Wo wir schon dabei sind. Mal gucken? Eine Walt Wilson. Neun Millimeter. Sechzehn Schuss im Magazin, eine im Lauf. Schneller Magazinwechsel. Per Knopfdruck fällt das leere raus, das volle reingeschoben und weiter. Ohne entsichern oder durchladen oder so was. Perforiert ganz ordentlich und auf die Schnelle. Auch… Bäuche! Noch Fragen? Ich will zum Boss, bin gerade aus der Pathologie. Wer läuft mit entgegen? Berger. Die Geißel der Götter! Und die der Toilettenschüsseln. „Ah ja! Hey, Silberrücken…“ Eines Tages kann er Richtung Himmel riechen, ohne den Kopf zu bewegen, weil ich ihm den Zinken umdrehe! Um einhundert-und-achtzig Grad! „Warst du schon bei Rush?“ Jetzt will er mich ausquetschen, damit er nicht in die Leichenhalle muss. Nix da! Aber ich nicke. „Und?“ „Geh selbst!“ kriegt er nur zu hören und ich schiebe ihn beiseite. „Boah! Du bist so ein…“ Die Beschimpfung verschluckt er dann doch lieber, weil ich mich umdrehe. „Ja…“ lenkt er ein. „Ich gehe selbst.“ Er denkt allen Ernstes, das gebrummelte „Pisskopf.“ habe ich nicht gehört. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)