Wer suchet, der findet. von haki-pata (Ob der Fund zur Suche passt ist eine andere Sache) ================================================================================ Kapitel 67: Live and let die ---------------------------- „Was hat er einen geilen Arsch.“ bemerkt Jennifer nahezu geifernd, als sich Julian über Hänschen Kline beugt und uns damit eher unfreiwillig seine wohlgeformte und knackige Kehrseite entgegenreckt. „So wie das eben bei ihm aussah, hat er vorn sicherlich auch einiges zu bieten.“ Da ist ihr Schnurren wieder. „Würde ich mir gern mal zeigen lassen…“ Ja. Vorne hat er auch einiges zu bieten. Ihr Pech und mein Glück: Dieser geile Arsch – und alles was in allen Richtungen daran ist – gehört mir. Ich bin der einzige, der da was gezeigt bekommt und im Gegensatz zu ihr möchte ich nicht nur wissen, was Julian zu bieten hat. Was er zu sagen hat, ist mir wichtig und noch wichtiger für die Ermittlungen. Er ist ein Experte auf seinem Gebiet. Theoretisch. Und praktisch! Summa cum laude sogar. „Irgendwie kriege ich den schon aus der Hose. Und habe ich sein bestes Stück erst einmal in der Hand, wird er schon sehen, was Frau alles so anstellen kann, mit einem Schwa…“ „Jen. Schluss damit. Diese Infantilität hört sofort auf.“ warne ich sie, ruhig und gelassen und kein bisschen besitzergreifend. „Entweder du benimmst dich mit der Professionalität eines Agents oder das Northern Bureau ist raus.“ Ich übergebe ihr ein Paar Handschuhe und stecke meine Hände ebenfalls in ein Paar. „Dazu hast du nicht die Befugnis.“ meint sie von oben herab klingend, lächelt siegessicher und schlüpft in die Handschuhe. Ich lächele ebenfalls, nicht minder siegessicher. „Doch, Jen. Dazu habe ich die Befugnis. Der Leiter dieser Ermittlungen bin nämlich ich.“ Hier betone ich nichts. Sie daran zu erinnern scheint Wirkung zu zeigen und sie hält sich zurück – mag es auch nur von kurzer Dauer sein. Weitere Worte sind vorerst unnötig und ich beobachte Julian, der sich auch die Leichen von Rupert Wellington und dem Chief beguckt. Höchst konzentriert und ohne Abneigungen geht er an die Sache. Sollte Charlene wirklich noch jemanden in der Pathologie brauchen, wäre mein Schatz eine ziemlich gute Wahl. In meiner Nähe hätte ich ihn dann auch. Ich käme öfter hier herunter… Schnappte mir einen gewissen Doktor… In einer abgeschiedenen Ecke spielten wir dann ‚Böser Cop und noch viel böserer Cop‘… Oder machten unsere ganz eigenen ‚Doktorspiele‘… Er dürfte mich an jeder Stelle untersuchen… Jetzt nicht! Seine Finger überall auf meinem Körper… In meinen Körperöffnungen… Jetzt NICHT! Wie sehr ich mich auch dagegen wehre, über diese Vorstellung erschaudere ich und ein tiefer Seufzer entschlüpft mir. Prompt guckt Jennifer mich an. „Was ist los? Wird dir etwa schlecht?“ Sie grinst. „Wusste immer, ein Spacko wie du hält nichts aus. Ganz Schwächling, was? Kotzt gleich, was?“ Darauf etwas zu erwidern ist gerade unter meiner Würde und bedauere, die Wirkung meiner Warnung ist schon dahin. Schade, schade, schade. Meine Munition Mageninhalt habe ich auf die Schuhe dieser… Unperson verschossen. Wie gern würde ich nicken und Special Agent Jennifer Whalley ins Gesicht speien. Dahingehend gibt es jedoch zu bedenken: Zum nächstmöglichen Zeitpunkt müsste ich damit rechnen, sie zahlt es mir mit gleicher Münze heim. In so was ist Jennifer nicht zimperlich. Julian hat genug begutachtet, liest in den Berichten und sieht ernst und nachdenklich aus. Die Aktenmappen zurückgegeben entschuldigt er sich für einen Moment und verlässt die Pathologie. Dem Gesichtsausdruck nach möchte er einen Moment allein sein, darum folge ich ihm nicht und halte auch Jen zurück. „Du bist wegen der Toten hier, Jen. Nicht der Lebenden wegen.“ erinnere ich sie. „Und wenn das nicht reicht… Doktor Aparo ist nicht interessiert. Also lass es bleiben.“ „Klar, Spacko!“ lässt sie eingeschnappt verlauten und stellt sich zum ersten Opfer, Rupert Wellington der Dritte. Neben ihr will ich jetzt nicht stehen und begebe mich an die Bahre von Chief Lipinski. Auf dessen Gesicht – so tot der Mann auch ist – scheint ein schadenfroher Ausdruck zu liegen und ich bin geneigt ihm die Zunge zu zeigen. Allein deswegen, weil er es nicht mehr könnte. Charlene ist bei Hänschen Kline. Jennifer beugt sich über Rupert, die durchtrennte Kehle in Augenschein nehmend. Berger ist wohl noch auf der Toilette. Oder in der Kantine. Keiner guckt und ich zeige dem Chief tatsächlich kurz die Zunge. Der scheinbar schadenfrohe Ausdruck bleibt trotzdem. Kein Wunder. Lipinski muss sich um die Aufklärung seiner Ermordung keine Gedanken machen und freut sich bestimmt schon auf mein Versagen – von wo aus dieses Sackgesicht auch zusieht. Die ordentlich vernähten Schnitte in seinem Brustkorb betrachtend grübele ich. Übersehen wir was? Was übersehen wir? Trifft der Irre seine Wahl zufällig? Oder mit Bedacht? Alle Opfer sind männlich. Tötet er keine Frauen? Grundsätzlich nicht? Oder nach schlechten Erfahrungen nicht mehr? Warum ist ihm das Herz so wichtig? Warum holt er sich das auf solch brutale Weise? Bei der Hantierung mit seinen Opfern scheint der Irre alle Zeit der Welt zu haben. Den Brustkorb einzuschlagen und das Organ herauszureißen ist nach meiner Vermutung ein Akt des Zeitdrucks. Nein… Unbewusst schüttele ich den Kopf und revidiere meine Vermutung. Das ist ein Akt der Ungeduld. Bei all den Unterschieden… Die brutale Entnahme des Herzens haben alle Opfer gemeinsam. Bei Lipinski hat er eine Abweichung seines Modus Operandi gewagt. Dem Toten den Mund geöffnet sehe ich in die Mundhöhle und den sauberen, nahezu chirurgisch präzisen Schnitt. Warum hat der Irre dem Chief die Zunge herausgetrennt? Das erscheint mir ein persönlicher Racheakt. Lipinski war für seine Bösartigkeit bekannt. Schnell war er mit Beleidigungen und hatte für niemanden ein gutes Wort. Außer vielleicht für Charlene. In der gemeinsamen Nacht. Oder war da nur Dirty-Talk? Dieses Gedankenganges wegen sehe ich auf und zu Charlene, die leise mit Hänschen Kline spricht und ihm auf die Nase tippt. Wie ich höre, entschuldigt sie sich und richtet eine Bitte an den Toten. Ein Lehrling soll die Schnitte vernähen, hat aber wohl noch kein Händchen dafür. „Wenn es dich nicht arg stört, mein Großer, dann machen wir das, ja?“ Natürlich kriegt sie keine Antwort. Jedenfalls keine, die ich höre. Charlene streicht über die Wange des großen Mannes. „Das ist aber lieb von dir. Danke sehr.“ Hänschen Kline. Nackt ist der Koloss. Gänzlich nackt. Kein Haar mehr an ihm. Warum wurde er Ganzkörper barbiert? Eine weitere Abweichung des Modus Operandi. Will der Irre seine Fertigkeiten mit der Klinge beweisen? Warum so? Oder will er zeigen, er hat alle Zeit der Welt und kann mit seinen Opfern machen, was er will? Ich werde das Gefühl nicht los, diesen Irren kriegen wir nur zu fassen, wenn er einen Fehler macht. Und genauso werde ich das Gefühl nicht los, er macht erst einen Fehler, wenn er einen machen will. Bei den Göttern. Was ein Scheiß! „Charlene…?“ richte ich das Wort an meine Freundin und deute auf den toten Chief. „Hat er eigentlich mal was anderes gesagt? Ich meine… Nichts Beleidigendes oder so. Was…“ Meine Schultern heben und senken sich. „… nettes?“ Daran glaube ich nicht und bin mir schon gar nicht mehr sicher, das wissen zu wollen. Gab es wirklich Dirty-Talk zwischen den beiden, lässt sie sich nicht abhalten, zu zitieren. Verwundert sieht sie mich an, schaut zu Lipinski und lächelt dann. „Hat er.“ meint sie und zitiert tatsächlich. Harmlos und mit Komplimenten fängt alles an und steigert sich in der Tat zum Dirty-Talk. Einem Dirty-Talk, bei dem ich am liebsten die Ohren zuhalten möchte. Meine Miene spricht Bände, das bleibt von Charlene nicht unbemerkt und sie lacht. „Er hatte es echt drauf, mich anzuheizen.“ meint sie. „Mit heißen Worten und harten Stößen.“ Ein Seufzer folgt, lässt sich nicht abhalten die Stellungen zu beschreiben und schwärmt zum Schluss: „Diese Ausdauer…“ Ich wollte es ja wissen, nicht wahr? Hätte ich mal besser den Mund gehalten. Aber nein… Ich und meine dämliche Neugier. Erst einmal davon angefangen entwickelt sich zwischen Charlene und Jennifer eine rege Unterhaltung, was sie an Männern geil finden und wie sie sich ‚es‘ am liebsten ‚besorgen‘ lassen – und sie reden nicht von einem Einkauf. Allen Ernstes reden die beiden Frauen über Kamasutra und ich muss mir das anhören, bin gerade der einzige Mann hier. Nun… Der einzige lebende Mann. Wo ist mein Partner? Er könnte noch was lernen. Wo ist mein Schatz? Er würde mich bestimmt aus dieser peinlichen Situation retten. ()Außerhalb der Räumlichkeiten der Pathologie, ein paar Gänge und um ein paar Ecken gegangen lehnt Julian in einem Flur ohne Türen an einer kahlen Wand. Die Hände im Haar atmet er tief ein und langsam aus. Einige Male wiederholt schlägt sein Herz nicht mehr ganz so schnell und er wird ruhiger. Die Hände heruntergenommen fischt er sein Mobilfon aus der Hosentasche. Dieses einen Moment betrachtet wägt Julian ab. Genaugenommen gibt es mehr Gründe, den einen Anruf zu lassen, als zu tun. Seine Finger huschen über das Display und er sieht sein Telefonbuch durch, ohne wirklich nach einem Namen zu suchen. Wen er anrufen will, weiß er längst. Wieder wägt er ab und sieht in alle Richtungen. Just in diesem Augenblick ist niemand sonst hier und er tut es.() Inmitten des Gesprächs der beiden Frauen höre ich Charlenes Mobilfon und bin froh, der überaus schlüpfrige Dialog findet ein Ende. ‚Live and let die‘ schallt es. Die Titelmelodie aus einem Agentenkrimi. James Bond. Leben und Sterben lassen. Habe ich nie gesehen, aber den Soundtrack nenne ich mein eigen. Soundtrack… Warum kriegen alle um mich herum das mit den Klingeltönen hin? Und warum kriege ich das nicht hin? Mein Telefon piept, wenn es klingelt. Um das eigene Telefon jetzt nicht ans Ohr halten zu müssen drückt Charlene mit einem Skalpell auf Laut. „Rush.“ meldete sie sich. „Halli Hallo, Doctor Charlene Rush…“ Das schnarrende Krächzen und Knacken anstatt einer Stimme kennen wir fast alle. Jennifer hört es zum ersten Mal und tippt sich gegen die Stirn, über das, was der Irre zu sagen hat. Er lobt seine Tat und sich selbst. Hoffentlich redet er lange. Wenigstens lange genug. Indes telefoniere ich nach Ivy Jones, um den Anruf zurückverfolgen zu lassen. Im Anschluss versuche ich meinen Partner zu erreichen. Besetzt. Soll ich Julian herholen? Nein. Ich habe jetzt meiner besten Freundin beizustehen und rufe auch ihn an. Auch besetzt. Bei den Göttern. Was ein Scheiß! Neben Charlene gestellt lege ich ihr einen Arm um die Schultern und ziehe sie an mich heran. „Unwesentlich, wo Sie suchen, Doktor Charlene Rush. Sie werden kein Haar finden. Selbst die Wimpern habe ich ihm genommen.“ Das Lachen ist kalt und blechern. „Glatt und rosig wie ein Baby-Popo.“ Er lacht wieder. „Welch Verbesserung zu vorher…“ Ivy kommt in den Leichenkeller gehastet. Unter dem Arm ihr Köfferchen. Ruckzuck baut sie alles auf einer freien Bahre auf, tippt ein bisschen und wartet. Nach ein paar Sekunden hebt sie die Daumen. „Ich muss los, Doktor Charlene Rush. Gute Werke tun.“ Dem folgt das blecherne Lachen und von seiner Seite ist das Gespräch beendet. „Der ist irre!“ urteilt Jen. „Megamäßig geistesgestört! Haben wir ihn?“ Ivy schüttelt den Kopf. In diesem Augenblick kommt mein Partner herein gestürmt. „Bin da!“ ruft er atemlos. „Sorry! Hatte was Dringendes…“ Seinen Redeschwall selbst unterbrochen sieht er von einem zum anderen und auf den Koffer mit dem technischen Equipment. „Scheiße. Der Irre hat angerufen.“ schlussfolgert er. „Übernimmst du?“ wende ich mich an ihn und mein Partner geht schnurstracks auf meine beste Freundin zu. „Bin da.“ sagt er sanft und greift ihre Hand und nimmt ihr das Skalpell ab, greift ihre andere Hand und hält beide in seinen. „Bin da.“ sagt er wieder und eine paar Sekunden beobachte ich ihn. Wo ist dieses schleimige Ekelpaket hin, das keiner von uns leiden konnte? Da spreche ich einfach mal für euch mit. Charlenes Telefon klingelt wieder. Zittrigen Fingers nimmt sie das Gespräch an, neuerlich für alle Anwesenden hörbar. „Rush.“ heisert sie. „Halli Hallo Doktor Charlene Rush. Ich vergaß zu sagen… Ihre Arbeit verdoppelt sich in Bälde. Allerdings nichts, womit Sie sich zu viel der Mühe zu machen bräuchten…“ Neuerlich klingt das blecherne Lachen und seinerseits ist’s Schluss mit dem Gespräch. Von allen ein Blick zu Ivy. „Nein.“ sagt sie leise und sieht aus, als zweifelte sie an ihrer eigenen Technik. „Er kennt sich aus.“ kommt von Jennifer: Zur Ehrenrettung oder aus Sympathie. Ivy und sie kennen sich von der High School. Die Technikexpertin schickt der Agentin des Northern Bureau ein flüchtiges, aber dankbares Lächeln. „Ich habe ihn aufgenommen. Vielleicht kann ich was entzerren und wir haben wenigstens seine Stimme.“ „Du kriegst das hin.“ erklärt Jen, dem stimme ich nickend zu und haste hinaus, auf der Suche nach Julian. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)