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Die Drossel und die Nachtigall

Wie viel ist mein Leben wert verglichen mit deinem?
von

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Stigma

Morion verbrachte den Rest der Nacht im königlichen Garten.

Er hätte so oder so nicht schlafen können.

Außerdem wollte er nicht, dass jemand ihn in dieser miserablen Verfassung sah.

Schlimm genug, dass er gegenüber dem Wachmann schon so ausfallend geworden war.
 

Unter einer Zierkirsche hatte er sich niedergelassen und lehnte gegen den Stamm.

Sein Morgenmantel hing formlos an ihm herunter.

Es war vielleicht um die 5 Grad kalt...

Doch er fühlte es nicht.

Immer wenn er sie verließ blieb nichts als Leere zurück.
 

Wie um ihn aufzumuntern landete eine Nachtigall zu seinen Füßen -

im Dunklen erkannte er sie nur am Gesang.
 

"Scher dich fort!

Ich brauche dein Mitleid nicht!"
 

Es war alles noch genau wie früher.

Wie alt musste er noch werden, damit das aufhörte?

Rutil war früher immer zu ihm gekommen wenn er traurig war...

Und doch hatte er seine Hilfe nie gewollt...

Nicht seine...

Da war er lieber allein...
 

Was hatte es auch für einen Sinn, wenn derjenige, der die eigenen Komplexe verursachte versuchte einen zu trösten?

Was sollte da kommen außer:

//Vielleicht bist du irgendwann genauso gut wie ich!//
 

Niemand würde sagen:

//Eines Tages wirst du mich übertreffen!

Eines Tages wirst du sie glücklich machen!

Eines Tages wird jemand dich lieben, so wie mich!//
 

Er warf einen Stein nach der Nachtigall, doch sie ließ sich nicht fortjagen.

Nicht einmal Steine werfen konnte er...
 

"Warum bin ich nur so verdammt erbärmlich?", knurrte er.
 

Eine Eule rief über seinem Kopf, ein Käuzchen saß auf einem Baum.
 

"Ja, lacht nur über mich..."
 

Da raschelte es ihm Gebüsch, es musste ein Mäuschen sein.

Eine Katze stürzte sich fauchend auf sie.

Spielte mit ihr, biss und schlug sie mit ihrer Pfote.

Im Todeskampf versuchte sie sich noch zu retten -

da stieß die Eule herab und trug sie im sicheren Tode davon.
 

Morion nahm es hin, wie es war.

Er hatte längst damit aufgehört anderen nachzuweinen.

Er war selbst ein Mäuschen, dem keiner nachweinte.

Nur seine Katze würde ihn niemals töten - sie würde ihn jagen und halbtotbeißen, ihn fallen lassen bis es ihm besser ging, nur um erneut anzugreifen.

In alle Ewigkeit.
 

"Wenn ich doch auch nur so eine barmherzige Eule hätte..."
 

"Wünscht Euch nichts Unüberlegtes, Exzellenz.

Der Tod ist ein Weg ohne Wiederkehr."
 

Der Wachmann hatte sich zu ihm gesellt.

Es war ihm nicht aus dem Kopf gegangen.

Seine Worte nicht und sein Gesicht erst recht nicht.

Der Graf war im Dunklen unsichtbar zusammengezuckt und rang im Schutze der Dunkelheit um Fassung.
 

"Lasst mich allein, Wachmann...

Mein Herz verträgt Eure impertinente Gesellschaft nicht."
 

"Ihr liebt sie, nicht wahr?"
 

Er ließ sich nicht abschütteln.
 

"Was geht´s Euch an?"
 

Morion bemüte sich so arrogant und abweisend wie möglich zu klingen.

Nichts hasste er mehr als wenn er in seiner Einsamkeit gestört wurde.

Wenn er den Schutz seines Grafentums nicht hatte.
 

"Ich fühle, dass es Euch zerfrisst...

Glaubt nicht, dass wir nicht wüssten, was sie mit Euch tut."
 

Und wieder drohte dem Kapellmeister die Hutschnur zu reißen.
 

"Seid nicht so anmaßend!

Nur weil ich einmal Euch gegenüber die Countenance verloren habe, heißt das nicht, dass Ihr befugt seid, derartig vertraut mit mir zu sprechen!

Vergesst Euren Platz nicht!"
 

Mittlerweile hatte er sich erhoben und hatte seinen Morgenmantel gerichtet.
 

Die wohlbekannte Stimme der Königin erklang wie aus dem Nichts hinter ihnen und ließ sich herumfahren.
 

"Ihr seid nur ein Mann aus dem niederen Volk!

Was erdreistet Ihr Euch überhaupt das Wort an ihn zu richten?

Außerdem habt Ihr meine Methoden nicht anzuzweifeln!"
 

Dort stand sie im Schein einiger Fackelträger.

Sie hatte ihre kleine Leibgarde dabei, die die Waffen auf den armen Wachmann gerichtet hatten.

Spöttisch belächelte sie ihn.
 

"Ihr wisst welche Strafe auf Hochverrat steht?"
 

Der Wachmann schwieg.
 

"Graf Stilbit? Wollt Ihr seinen Geist erhellen?"
 

Morion starrte teilnahmslos auf den Boden.
 

"Der Tod, Hoheit."
 

Die Leibgarde drückte den Beschuldigten zu Boden.
 

"Exakt.

Irgendwelche letzten Worte?"
 

Statt um sein Leben zu betteln, wie es sonst jeder getan hätte, sah er mutig zu ihr auf.
 

"Wenn die Wahrheit hier zu Lande schon Hochverrat ist, diene ich der falschen Königin!

Seht Euch nur an was Ihr aus Eurem Grafen macht!"
 

Die Königin schnappte nach Luft.
 

"Werft ihn in den Kerker!

Morgen soll er zu meiner persönlichen Belustigung den Tod finden!"
 

Sie wollte ihn brechen - sie wollte, dass er um Gnade flehte.

Sie wollte es in seinen Augen sehen.

Ihn hier und jetzt zu töten wäre die Mühe nicht wert.

Sie wollte jeden Moment davon auskosten.
 

Schweigend wurde der Wachmann abtransportiert.

Da wandte sie sich an Morion.
 

"Wisst Ihr, welche Strafe darauf steht, die Königin mit belanglosem Gezeter geweckt zu haben?"
 

Morion sah immer noch nicht auf.

Auch eine Antwort blieb er schuldig.
 

"So ist das also...woher nehmt ihr plötzlich den Trotz?

Aber wie Ihr wollt..."
 

Sie gab den zwei Fackelträgern ein Zeichen, die den Grafen links und rechts packten.

Er hing regungslos in ihren Armen.

Ein dritte Fackelträger trat auf ihn zu.
 

"Graf Stilbit - merkt Euch eins:

Ich höre alles!

Ich weiß, wie Ihr heute bereits schon einmal Euer Gesicht vor diesem Wachmann verloren habt!"
 

Die helllodernde Flamme leckte an seiner Haut.
 

"Müssen wir denn das kleine Regeleinmaleins noch einmal durchgehen?"
 

Ihr herrischer Tonfall verband sich mit ihrem eiskalten Blick.
 

"Regel eins?"

Ihr Finger senkte sich fast unmerklich und der Flamme kam näher.
 

Morion biss die Zähne zusammen-

der Griff,in dem er gehalten wurde war schon schmerzhaft genug -

doch die Flamme verursachte unsägliche Schmerzen.
 

"Ich...rede mit niemandem.. außer Euch - es sei denn...es..handelt sich um Befehle Eurerseits..."
 

Ein Lächeln flog über ihre Lippen, während ihre Augen kalt blieben.
 

"Weiter?"
 

Sie rissen ihm seinen Mantel herab.
 

"Ich...bin Euer persönliches Eigentum und jederzeit...veräußerlich...

Ich...stehe jederzeit zu Eurer ...Verfügung...

Ich habe...keinerlei Gefühle oder einen eigenen Willen..."
 

Die Flamme zwang ihn in die Knie.
 

"Na also...Ihr GEHÖRT mir, verstanden?

Ein kleines Andenken sollte Euer Gedächnis noch etwas auffrischen..."
 

Mit diesem Worte brannte sich die heiße Pechfackel in seine Brust und blieb daran haften.
 

"AAAAAAAAAARGH!"
 

Das Pech verband sich mit seiner Haut zu einer scheinbar unlöslichen Einheit.
 

"Ich dulde keinen Ungehorsam!

Nachsicht habt Ihr von mir nicht zu erwarten!

Ab damit!"
 

Schlimmer noch als der Schmerz, den das Pech an seiner Brust verursachte, war der als die Fackel ruckartig von seiner Brust gerissen wurde.

Alleine das Geräusch ließ den Fackelträgern vor Ekel die Haare zu Berge stehen.
 

"AAAAAAAAARGH!"
 

Seine Schreie hallten durch den Garten und sie ergötzte sich daran wie er sich keuchend auf dem Boden wand.
 

"Lasst uns allein."
 

"Ja wohl, Majestät!", kam es einstimmig.
 

Als der Gleichschritt verklungen war erhob sie wieder das Wort.
 

"Mein armer, kleiner Morion...

Du sollst du nicht mit dem Feuer spielen!"
 

Wie Gift träufelte sie ihre gespielte Besorgnis in sein Herz.
 

"Auf den Rücken!"
 

Morion, der bisher zu keinem klaren Gedanken mehr fähig gewesen war, führte wie mechanisch den Befehl aus und gab seine Wunde preis.
 

"Ich habe dir wohl zu viele Freiheiten gelassen, Undankbarer!

Aber wenn mein Singvögelchen ausbüchst muss ich ihm wohl..."
 

Sie hob den rechten Fuß...
 

"...die Flügel stutzen!"
 

...und rammte den Absatz ihrer roten Lackschühchen mitten in die pochende Wunde.
 

"...!!", ihm blieb vor Pein die Luft weg.
 

"Nie wieder ein Wort zu irgendjemandem!

Weder Mensch..."
 

...sie drehte den Absatz nach links...
 

"...noch Tier..."
 

...nach rechts...
 

"...wird deine Stimme jemals wiederhören, außer es ist mein Befehl!"
 

Der linke Fuß folgte seinem Vorgänger und so stand sie nun mir ihrem vollen Gewicht auf seinem Brustkorb.
 

"Wer ist deine Herrin?"
 

"...Ihr...", kam es kaum hörbar von unten.
 

"Wer ist deine Königin?"
 

"...Ihr, Majestät..."
 

"Was bist du?"
 

"Nichts...nur...Euer...Spielzeug..."
 

"Erraten...", verächtlich zog sie der Absatz aus seiner Wunde, warf die Schuhe in den Gartenteich und sprang von seiner Brust.

Sie liebte diesen Klang in seiner Stimme, diesen gebrochenen Stolz in seinem Blick...
 

"Und stör meine Nachtruhe nie wieder!

Besonders nicht mit diesen dämlichen Strophen!

Ich hasse solche Sentimentalitäten!

Merk es dir ein für alle Mal!"
 

Mit hocherhobenem Kopf stolzierte sie in ihr Schlafgemach zurück und überließ Morion seinen Qualen, der sich nicht einmal aufstützen konnte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Naschkatze
2011-06-24T14:40:47+00:00 24.06.2011 16:40
Omg...jetzt hasse ich sie noch mehr x.x
Wie brutal...er tut mir einfach nur leid :/ Ich hätte aber nicht gewusst was ich machen sollte an seiner Stelle...Gott das ist total traurig Q__Q
*nick*
Aber trotzdem wirklich sehr toll geschrieben und beschrieben^^
Konnte es mir wahrlich gut vorstellen >o<

Ich bin gespannt wie es weiter geht >//<
Sehr tolles Kapi x3


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