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Die Drossel und die Nachtigall

Wie viel ist mein Leben wert verglichen mit deinem?
von

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Minnesang und Myrthenrauschen

Schon in den frühen Morgenstunden lange vor Sonnenaufgang wurde Morion zur Königin zitiert.
 

Ihr Gemach war nur durch drei, fast niedergebrannte Kerzen erleuchtet.
 

"Setz die Brille ab!

Ich will nicht, dass du sie trägst!"
 

Ihre herrische Stimme wollte einfach nicht zu ihrem Antlitz passen.
 

"Sehr wohl, Hoheit!", murmelte er und nahm sie mit einer eleganten Handbewegung von der Nase während er eine Verbeugung vollführte.

Die Brille gab ihm Sicherheit, auch wenn er auch ohne sie ganz passabel sehen konnte.

Er hasste es die Kontrolle zu verlieren und sie - sie spielte immer wieder damit, weil sie ihn besser kannte als jeder andere.
 

Sie trug ihre Nachtrobe...

Ein weißes Satinkleidchen, dessen Saum ein Rüschenmeer bildete.

Ihr Haar war schlafeswirr und unfrisiert...

Niemandem außer Morion würde sie sich so zeigen.

Dafür war sie zu stolz.

Ihr ungeschminktes Gesicht verbarg sie im Schatten.
 

"Unterhalte mich!

Ich kann nicht schlafen!

Setz dich zu mir!"
 

Morion zögerte.

Hier drin war er nicht der Graf - hier war er wieder nur der dumme Cousin.

Jede ihrer Demütigungen schmerzte ihn und doch konnte er nicht ohne sie.
 

"Ich ziehe es vor stehen zu bleiben, Majestät...

Wie wünscht Ihr unterhalte zu wer -"
 

"Sitz!", unterbrach sie dominant seine unterkühlte Antwort.
 

Seufzend sah er sie durchdringend an und fragte sich insgeheim was nur aus dem kleinen Mädchen mit den Sommersprossen geworden war.
 

"Wirds bald!"
 

"Ja wohl, meine Herrin..."
 

Und so ließ er sich auf den Fußboden fallen...

Er wusste, dass sie keineswegs mit "Setz dich zu mir!" gemeint hatte, dass er sich aufs Bett setzen sollte.

Darauf war er schon einmal hereingefallen...

Damals hatte sie ihn ausgelacht, vom Bett gestoßen und hatte ihn gescholten, was er sich einbilde, wer er sei sich neben sie setzen zu dürfen...
 

"Du langweilst mich jetzt schon wieder...

Aber du scheinst lernfähig zu sein...

Wer weiß..."
 

Sie erhob sich mit einer fließenden Bewegung vom Bett und beugte sich über ihn, sodass sich ihre Lippen fast berührten.

Das war gegen die Regeln und das wusste sie.

Morion knurrte nur leise.

Sie konnte so grausam sein.
 

Und doch folgte er ihren Lippen, die sich von ihm entfernten, bis er aufrecht vor ihr kniete und sie auf den Zehenspitzen stand.
 

"Wer weiß - Männchen machen kannst du wenigstens!

Mach Platz!"
 

Mit diesen Worte trat sie ihn nieder, so dass sein Gesicht den harten Boden traf.
 

"Braver Junge...", lächelte sie finster und überlegte laut:
 

"Was tun wir nun mit dir?

Ah, ich weiß schon..."
 

Aufreizend setzte sie sich auf ihr gewaltiges Himmelbett und zog langsam, ganz langsam ihren Kniestrumpf aus.

Seine Augen folgten ihrer Bewegung wie von selbst.

Achtlos warf sie ihn in den Raum hinein.
 

"Hol ihn mir!"
 

Ein bitteres Lächeln schlich sich auf seine Lippen als er den seidenen Strumpf mit einer Hand im Flug auffing und vor ihr niederkniete.

Mit hängendem Kopf reichte er ihn ihr dar wie eine Reliquie.
 

"Gut gemacht..."
 

Sie streckte ihr zierliches Füßchen aus und hob sein Kinn damit an, so dass er ihr direkt in die Augen sehen musste.
 

"Worauf wartest du?

Zieh ihn mir wieder an!"
 

Wieder eine ihrer Demütigungen, aber er konnte nicht leugnen, dass er es mittlerweile fast schon gewohnt war und es ihm gefiel, ihr wenigstens so nahe sein zu dürfen.

Für jedes Wort war er dankbar - auch wenn es ihn beleidigte.

Jede Berührung ersehnte er - selbst wenn es ein Schlag war.
 

Behutsam streifte er ihrem schmalen Bein den Seidenstrumpf wieder über.
 

"Küss mir die Füße als Entschädigung dafür, dass sie deinetwegen frieren mussten!"
 

Willig senkte er seine Lippen zu ihren winzigen Zehen herab, so dass ihm ihr Lächeln entging.

Doch bevor seine Lippen ihr Ziel erreichen konnten, trat sie ihm so stark ins ins Gesicht, dass es ihn auf den Rücken warf und er sich auf die Lippe biss.
 

"HA!

Was bildest du dir ein?

Als ob du mich so unzüchtig berühren dürftest!"
 

Wortlos funkelte er sie an und wischte sich das Blut von den Lippen.

Ja, was bildete er sich ein?

Damit hätte er rechnen müssen.
 

"Verzeiht meine Unverfrorenheit, Hoheit..."
 

"Sing mir ein Schlaflied, du ermüdest mich ohnehin...

Vielleicht verzeihe ich dir dann..."
 

Sie ließ sich rücklings aufs Bett fallen.
 

"Ich will das aus dem Märchen vom Myrthenfräulein!"
 

"Wie ihr wünscht...", seine aufgeplatzte Lippe schmerzte beim Sprechen und es würde ihm beim Singen nicht leichter fallen sie zu bewegen.

Das war wohl der einzige Grund aus dem er singen sollte.

Nichts weiter wollte sie.
 

Er setzte sich auf den Fenstersims und starrte auf den blutroten Mond am Firmament.

Eine Mondfinsternis also - deshalb schlief sie nicht.
 

"Sag warum dies süße Rauschen,

meine wunderschöne Myrthe?

O mein Baum, für den ich glühe?"
 

Seine Stimme sang nun eine Oktave höher:
 

"Dank will ich für Freundschaft tauschen,

meinem wunderguten Wirte.

Meinem Herrn, für den ich blühe!
 

Säusle liebe Myrthe!

Wie still ists in der Welt.

Der Mond, der Sternenhirte

auf klarem Himmelsfeld,

treibt schon die Wolkenschafe

zum Born des Lichtes hin,

Schlaf, mein Lieb, nun schlafe,

bis ich wieder bei dir bin!"
 

Er warf einen Blick auf sie, um zu schauen, ob sie bereits schlief.
 

"Wag es nicht aufzuhören!"
 

Das sollte ihm Antwort genug sein.

Mit schmerzverzerrtem Gesicht sang er also weiter.
 

"Säusle liebe Myrthe!

Und träum im Sternenschein!

Die Turteltaube girrte

auch ihre Brut schon ein.

Still ziehn die Wolkenschafe

zum Born des Lichtes hin,

Schlaf, mein Lieb, nun schlafe,

Bis ich wieder bei dir bin!"
 

Murmelnd drehte sie sich zur Seite.
 

"Rutil konnte das immer besser als du..."
 

Und wieder rammte sie einen Widerhaken in sein Herz und zog daran mit Leibeskräften.

Sie wusste ganz genau wo sie ihn treffen konnte.
 

Gekränkt blieb ihm jedoch nichts als weiterzusingen bis sie schlief.

Seine Stimme wurde aus Kränkung tiefer.
 

"Hörst du, wie die Brunnen rauschen?

Hörst du, wie die Grille zirpt?

Stille, stille, lass uns lauschen!

Selig, wer in Träumen stirbt.

Selig, wen die Wolken wiegen,

wem der Mond ein Schlaflied singt!

Oh, wie selig kann der fliegen,

dem der Traum den Flügel schwingt,

dass an blauer Himmelsdecke

Sterne er wie Blumen pflückt:

Schlaf, träum, flieg, ich wecke

bald dich auf und bin beglückt."
 

"Tu uns einen Gefallen und sing das Lied wenigstens noch zuende, wenn du es schon nicht in Perfektion kannst.

Bring es diletantisch zuende..."
 

Morion standen die Tränen in den Augen, sein Glück, dass man ihn im Halbdunkel nicht gut genug sah.
 

"Habt Erbarmen,

an zwei Armen,

fehlen mir neun Fingerlein.

Lieber Prinz! In deinem Reiche

wachsen jetzt neun Myrthenzweige.

und sie sind mein Fleisch und Blut.

Habt Erbarmen

schafft mir Armen

wieder die neun Fingerlein..."
 

Nacheinander waren die drei Kerzen heruntergebrannt und nun ertrank auch der letzte glühende Docht im heißen Wachs.
 

"Willkomm, willkomm neune Zweigelein!

Willkomm, willkomm neun Fingerlein!

Willkomm, willkomm mein Fleisch und Blut!

Willkomm, willkomm zum Topf hinein!"
 

Sein Gesang wurde immer leiser, je tiefer sie schlief.

Er beugte sich über sie.

Die Tränen liefen über seine Wangen.

Immer würde er schlechter sein als ihr Bruder!

Wann würde sie aufhören diese alte Wunde immer wieder aufzureißen?
 

"Kleines Myrthlein

warum schlägst du

deine Wurzeln tief in mein armes Herz hinein?
 

Gibt es denn nichts,

was ich noch tun kann,

um dir so nah wie er zu sein?
 

Aus meinem Herz erwächs dein Pflänzlein,

grün und duftend, blütenrein -

es lockt, doch werd ich für immer-

wohl nichts außer dem Träger sein...
 

Ich weiß ich bin dein Prinz dir nicht,

dein Bruder ists, der mich aussticht,

ewig Schatten in seinem Licht,

erschein ich dir als Mensch hier nicht..."
 

Traurig erhob er sich und verließ so leise er konnte den Raum.

Diese vier Strophen gehörten nicht zum Lied und ließen die Königin aus ihrem Schlaf erwachen ohne dass sie es sich anmerken ließ.
 

"Dieser Dummkopf...", murmelte sie und ließ sich vom Rauschen der Bäume in den Schlaf zurückwiegen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Naschkatze
2011-06-17T09:28:46+00:00 17.06.2011 11:28
Es tut fast weh zu lesen wie schlecht es ihm doch geht v.v Ich mag die ach so tolle Königin nicht qoq
Das Kapitel ist wirklich verdammt traurig und es reißt einen total mit qoq
Trotzdem hast du das wieder echt toll rübergebracht *schwärm*

Schreib weiter <3 *-*


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