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Die Drossel und die Nachtigall

Wie viel ist mein Leben wert verglichen mit deinem?
von

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Klagelieder

Die Sonne machte sich gerade auf,

den purpurroten Himmel über der Königsstadt zu verlassen.
 

Der sanfte Abendwind säuselte durch die Bäume.
 

Aus der porzellanen Badewanne heraus besah Morion abwesend das Spektakel am Himmel, doch keine Farbe der Welt hätte seine Aufmerksamkeit wirklich auf sich ziehen können...

Nichts von alledem war es wert bestaunt zu werden...

Er wurde schließlich auch nicht beachtet...
 

Die Königin behandelte ihn wie einen Fußabtreter.

//Bringt mir dies! Kümmert Euch um jedes! //
 

Sie würde ihn nie als Mensch sehen.

Nachdenklich hob er seine weiße Hand aus dem Wasser und hielt sie gegen das Abendlied.

Verglichen mit ihm hatte er noch nie bestehen können.

Es war als könne man durch ihn hindurch sehen...
 

Die Wärme des Wassers ließ ihn dämmern und schläfrig werden.
 

Vor seinem inneren Auge fühlte er sich in seine Kindheit zurückversetzt...

Wenn man das so nennen konnte...
 

Es war niemals sein Leben gewesen...

Er war immer nur "der Cousin" gewesen...

Der namenlose Spielkamerad.
 

Eine Singdrossel vor dem Fenster stimmte ihr Nachtlied an und als die Sonne fast verschwunden war stimmte eine Nachtigall mit ein.
 

Morion lächelte bitter.

Da war er wieder...

Der alte Kampf...

Wie sehr die Drossel sich auch Mühe gab und um ihr Leben sang -

nie würde sie die Nachtigall besiegen...
 

So war es früher schon gewesen.

Sobald Rutil das Lied der Nachtigallen sang,

war sein eigener Klang aus dem Rennen.
 

Leise kamen die Verse über seine eigenen Lippen:
 

"Mein Vöglein mit dem Ringlein rot,

singt leide, leide, leide -

es singt dem Täublein seinen Tod-

singt leide, leide, lei~"
 

Die Nachtigall schien das Lied für ihn fort zu singen und so verstummte er wie früher schon.
 

Sobald er sich traute selbst zu singen wurde er unterbrochen-

er war einfach nicht gut genug.

Cordierit hatte ihn damals schon einen Nichtsnutz genannt.
 

Dabei war auch er eine Philomela...

Wenn auch eine zweiter Klasse.

Königin hätte er niemals werden können.

In dem Moment in dem er den Lebenshauch erhielt,

war sein Schicksal besiegelt gewesen.
 

Er war nicht so hüsch...

Er war nicht so schön...

Sein Gesang war der eines "zweitklassigen Minnesängers" so hieß es.

Kein Talent nannte er sein eigen, mit dem er hätte hervorstechen können.
 

Und eigentlich hätte er sich auch mit dieser Rolle abgefunden,

hätte er sie nicht für sich gewinnen wollen.

Sein Täubchen.

Seine Cordierit.

Seine Königin.

Alles würde er für sie tun und doch würde sie sein Werben nie bemerken.

Früher schon hatte die Nachtigall ihr Herz gestohlen...

Und heute hatte sie keins mehr.
 

Was sollte die kleine Drossel da ausrichten?

Sie sang, sie rief...

Nach Zuwendung und Liebe - nichts davon bekam sie.

Der kleine Morion.

Das Brillenkind.

Der kleine Schwächling.

Wer wollte den schon haben?
 

Gedankenverloren erhob er sich und griff nach einem weichen Handtuch.

Es war ebenso weiß wie sein Körper, der im Abendrot schimmerte.

Das Licht brach sie in den kleinen Tropfen, die von seinem Rücken perlten.
 

Mittlerweile war aus dem kleinen Morion der Graf Stilbit geworden.

Seine Liebe zur Königin Gemsilika hatte einen Mann aus ihm gemacht.

Seine Stimme war geschulter, sein Körper, der eines jungen Herren Anfang 20.

Er war der Kapellmeister des offiziellen königlichen Orchesters.

Viele sahen zu ihm auf.
 

Doch keiner seiner Vorzüge war ihm bewusst.

Anmutig trocknete er seine Glieder.

Da ließ ihn ein Räuspern aufschrecken.
 

Stilbits Blick fiel auf einen der Wachmänner, die an der Tür standen.

Dessen Gesicht war rot vor Scham.
 

"Verzeiht, aber wenn man Euch so betrachtet darf man sich als Philomela wirklich glücklich schätzen...

Als einfacher Mensch verblasst man neben Eurer Anmut..."
 

Verachtung sprach aus dem Blick, den der Graf ihm zu Teil werden ließ, während er sich ins Nachtgewand hüllte.
 

Zunächst wollte er es einfach bei einem eisigen Schweigen belassen, da brach es doch aus ihm hervor.

Alle schickte er hinaus - nur ihn nicht.

Er wusste, dass der Wachmann ihn schon lange beobachtet hatte.
 

Stilbit trat auf ihn zu und drückte den armen Wachmann gegen die Tür.
 

"Euch gefällt, was Ihr seht, nicht wahr?"

Seine Stimme klang geheimnisvoll und bedrohlich.
 

"J...ja, Herr...

D...das tut es..."
 

Der Graf grinste und kam dessen Gesicht etwas näher.
 

"Philomelen sind verführerisch, nicht wahr?

Anmutig sagst du, glücklich - "
 

Der arme Wachmann wusste nicht wie ihm geschah.

Schon seit Jahren hatte er sein Herz an den verschlossenen Sänger verloren.

Er hatte sich damit abgefunden, dass es immer ein Traum bleiben würde ihm nahe zu sein.

Was passierte hier nur?
 

"Ja, Herr.", kam es atemlos.
 

Des Grafen Augen trafen seine, seine Lippen lächelten lasziv.
 

"FALSCH!"
 

Seine Faust schlug hart neben dem Kopf des Wachmannes auf der schweren Eichentür auf und seine Miene verfinsterte sich als er sich Richtung Badewanne zurückzog.

Nie zuvor hatte er derart seine Stimme erhoben.
 

"Philomelen sind einsam!

Wir sind genetischer Abfall, der nur nach seinen Fähigkeiten bemessen wird!

Es werden tausende gezüchtet um eine zu finden, die Königin wird!

Eltern haben wir nicht einmal!

Schon die Geschichte unseres Namens ist grausam!
 

Philomela war die wunderschöne Tochter des Königs Pandion,

die vom Ehemann ihrer Schwester ob ihrer Schönheit und Reinheit vergewaltigt wurde, als er sie zur Schwester holen kam!

Auf der Stelle sterben wollte sie!

Damit sie nichts verrate, schnitt er ihr die Zunge heraus!

Ein Jahr lang versteckte er sie und verging sich an ihr!

Doch sie teilte sich ihrer Schwester mit, in dem sie ihre Klage in ein Leinen webte!

Als Strafe ließ ihre Schwester Prokne ihren Mann ihren gemeinsamen Sohn Itys verspeisen, den sie mit Philomela tötete und als er seiner Tat gewahr wurde, rasend vor Wut verwandeln sich sie fliehenden Schwestern in Vögel!

Die eine in eine Schwalbe, die andere in eine Nachtigall!
 

Die Nachtigall beklagt den Tod, die Schwalbe versteckt sich unter dem Dach!

So ist es bis heute!
 

Es gibt nur eine Nachtigall pro Generation und Rutil ists geworden!

Für mich war nicht einmal die Schwalbe gut genug!

Elende Drossel bin ich!

Zu nichts zu gebrauchen und doch in dieser Welt gefangen!
 

Meine liebste Cousine konnte ich nicht retten!

Verschlungen hat sie dieser verdammte Thron für immer!

Und doch laufe ich ihr nach seit ich es kann!

Singen wollte ich für sie - gefangen bin ich hier wie ein Kanarienvogel!

Von dir bestaunt in meinem Käfig!

Und doch will ich nichts als bei ihr zu sein - so sehr sie mich auch quält!
 

Viele andere Philomelen verspüren diesen tiefen Wunsch in sich zu sterben, um dieser grausamen Welt zu entfliehen!

Wie viele sind schon gegangen?

Misshandelt, verstümmelt - nichts Halbes, nichts Ganzes!

Was nützen einem Erscheinung und Stimme, wenn andere besser sind?
 

Also, sagt mir -

Erscheine ich Euch glücklich?

Erscheint ein Philomelenschicksal erstrebenswert?"
 

Völlig außer Atem von seinem Ausbruch, funkelte er den Wachmann wütend an.

Bald schon beschlich ihn ein schlechtes Gewissen.

Er konnte schließlich nichts dafür.

So trat der Graf erneut auf seinen Wachmann zu und legte ihm die Hand auf die Schulter.

Er spürte, wie der vor Angst starre Mann vor ihm erzitterte.

Flüsternd sprach er nun sanft zu ihm.
 

"Wünscht Euch nicht wie wir zu sein.

Seid glücklich mit dem, was Euch gegeben ist.

Von Euch wird nicht verlangt, zu sein wer Ihr nie sein könnt!

Und doch werdet Ihr akzeptiert wie Ihr seid!

Ihr müsst ein beneidenswertes Leben führen...

Verzeiht meine Ungehaltenheit, ich habe Euch Unrecht getan, Wachmann..."
 

Mit diesen Worten verließ er den Raum und eilte in sein Schlafgemach.
 

Die Tür fiel krachend hinter ihm ins Schloß.

Was hatte er nur getan?

Seit wann konnte man ihn derartig schnell aus der Fassung bringen?
 

Vielleicht brauchte er nur etwas Schlaf...

Doch was half es?
 

Morgen würde es nur wieder ein Tag werden, an dem sie sein Herz mit Füßen trat...



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Naschkatze
2011-06-17T07:20:27+00:00 17.06.2011 09:20
Ach man das ist echt ergreifend und er tat mir schon im Manga so leid qoq
Auch wenn er nen echt hübscher geworden ist, kann ich ihn verstehen das er so leidet qoq
Wieder mal hast du die Gefühle so wahnsinnig gut rübergebracht und danke das du jetzt auch wieder so viel schreibst :3
Mach weiter so <3


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