That's life von Salix (Wann, wenn nicht jetzt?) ================================================================================ Kapitel 2: Melancholie und Kochgruppe ------------------------------------- 2. Kapitel Melancholie und Kochgruppe Authors Note: Es gibt eine Fußnote in diesem Kapitel. Sie befindet sich am Ende des Textes und weist nach, von wem das Lied im Kapitel stammt. Nachdenklich stieg Peregrin aus der Straßenbahn. Die Vereinbarung mit Marco, die Blumen für Frau Meyer vorzubreiten, klappten gut und der Zivi wirkte wirklich erleichtert darüber. Vor ein paar Tagen hatte Marie Peregrin per SMS mitgeteilt, wann und wo das erste Treffen der Kochgruppe stattfinden würde. Anscheinend hatte sie Marco überredet, den Anfang zu machen und Rafael ein einfaches Gericht beizubringen. Peregrin hatte sich bereit erklärt für den Nachtisch zu sorgen. Jetzt im Sommer war das einfach. Er hatte frische Erdbeeren aus dem Kleingarten seiner Eltern mitgebracht. Zudem trug er eine, fast komplett verblühte, Topfazalee. Kurz war er ins Schwanken gekommen, als Marco ihm seine Adresse gegeben hatte. Ausgerechnet in der Nähe der Sankt Jürgen Klinik musste Marco in einer WG wohnen. Schaudernd ging Peregrin die Straße entlang. Hier war er so oft mit seinen Eltern ausgestiegen, viel zu oft... Seine Gedanken drifteten in die Vergangenheit ab, zu einem seiner letzten Besuche bei Sam. Die Eltern hatten etwas mit dem Arzt zu besprechen gehabt, also war er alleine in Sams Zimmer gestiefelt, den Weg kannte er schon von früheren Besuchen. Beim Eintreten schenkte er allen im Zimmer ein freundliches Lächeln, einer der anderen Jungen erwiderte es matt. Sam lag im Bett und blickte aus dem Fenster auf das Klinikgelände. Auf der Decke lag ein Walkman. Peregrin ging zum Bett und stupste Sam an, der die Kopfhörer abnahm und ihn einen Arm um die Schultern schlang. „Hallo Pippin, ganz alleine?“ Peregrin schüttelte den Kopf. „Sie sprechen mit dem Arzt.“ „Ach so.“ „Geht es dir besser?“ Sam schüttelte den Kopf. „Du weißt doch, ich bin eine künftige Leiche.“ „SAM, das... das ist nicht lustig.“ „Hm, nur die Wahrheit.“ Sam strich Peregrin über den Rücken, weil dieser heftig blinzelte. „Sch, ist ja gut. Ich sag so etwas nicht mehr. Mir tut heute nur alles weh, ich wollte dich nicht zum Weinen bringen.“ Peregrin schniefte und wischte sich mit dem Handrücken über die feuchten Augen. „Ich weine nicht.“ „Pip, du darfst so viel um mich weinen, wie du willst, auch wenn du ein Junge bist, aber versprich mir, dass du dein Leben so lebst, wie es dir gefällt. Es ist viel zu kurz um das nicht zu tun.“ Peregrin legte den Kopf schräg. „Ich darf weinen?“ „Ja, dieses: Ein Indianer kennt keinen Schmerz und Jungen weinen nicht, ist doch einfach nur Blödsinn. Wenn du traurig bist und Schmerzen hast, dann wein eben, gehört dazu.“ Um das Thema zu wechseln griff Peregrin nach dem Walkman. „Was hörst du gerade?“ „Peregrin, versprich mir erst dein Leben zu genießen.“ Peregrin seufzte. „Ich versprech es, großes Indianerehrenwort.“ „Gut“ Sam setzte Peregrin die Kopfhörer auf. „Moment.“ Peregrin sah zu wie Sam die Kassette zurückspulte. „Müsste gleich kommen.“ Zunächst hörte er das Ende eines Liedes, welches ein Mann mit einer kratziger Stimme sang. Dann begann das nächste Lied. „Du sagst, du willst die Welt nicht ändern, und ich frag mich, wie machst Du das nur? Du bist doch kein Geist in der Flasche und du bist auch kein Loch in der Natur. Denn nach jedem Schritt, den du gehst und nach jedem Wort, das du sagt, Und nach jedem Bissen, den du ißt, ist die Welt anders als sie vorher war. Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier? Wie, wenn ohne Liebe? Wer, wenn nicht wir? Du sagst, du willst die Welt nicht retten, das ist dir alles ne Nummer zu groß. Und die Weltenretter war'n schon so oft da, nur die meisten verschlimmbessern bloß. Und doch fragt mich jeder neue Tag, auf welcher Seite ich steh. Und ich schaff's einfach nicht, einfach zuzusehen, wie alles den Berg runtergeht. Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier? Wie, wenn ohne Liebe? Wer, wenn nicht wir? Du sagst, du willst die Welt nicht ändern, dann tun's eben andere für dich. Und der Wald, in dem du vor Jahren noch gespielt hast, hat plötzlich ein steinernes Gesicht. Und die Wiese, auf der du gerade noch liegst, ist morgen ne Autobahn. Und wenn du jemals wieder zurückkommst, fängst alles wieder von vorne an. Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier? Wie, wenn ohne Liebe? Wer, wenn nicht wir?“* Peregrin zog die Kopfhörer vom Kopf. „Der kann nicht singen!“, stellte er fest. Sam lachte und wuschelte ihm durchs Haar. „Na, ihr versteht euch ja prächtig.“, unterbrach sie eine Frauenstimme. „Aber ich muss dich jetzt deinem Bruder entführen, du hast eine Untersuchung.“ Sam reichte Peregrin den Walkman. „Sag Mama und Papa, das ich untersucht werde, ja?“ Peregrin nickte, rutschte von der Bettkante, auf die er sich gesetzt hatte, und ging aus dem Weg. Sams Bett war eins zum Rollen. Sam konnte nicht mehr laufen. Peregrin presste die Lippen aufeinander und sah zu wie Sam weggefahren wurde. Seine Hände umklammerten den Walkman. Jedes Mal, wenn er herkam ging es Sam schlechter, aber er war froh, dass seine Eltern ihn trotzdem mitnahmen. Er hatte Sam nach diesem Besuch nie wieder gesehen. Seine Eltern hatten ihn nicht mehr mitgenommen, weil sie nicht wollten, dass er seinen Bruder so sah, wie er am Ende gelitten hatte. Jetzt, viele Jahre später konnte er es nachvollziehen. Sie hatten gewollt, dass er Sam so in Erinnerung behielt, wie er seinen großen Bruder gekannt hatte, vor Ausbruch der Krankheit. Peregrin schüttelte den Kopf. Er war nicht hier um an Sam zu denken, er war hier um sich mit Freunden zu treffen. Er konzentrierte sich wieder auf den Weg. Es dauerte nicht lange und er hatte das Haus gefunden, allerdings war ihm auch aufgefallen, dass die Klinik in Sichtweite war. „Falls man die Klinik von der Wohnung aus sehen kann, setzte ich mich mit dem Rücken zum Fenster!“, beschloss er. An Vergangenes konnte man sich erinnern, aber leben musste man im Jetzt, anders ging es nicht! Nachdem der Summer betätigt worden war, stieg er die Treppen in den zweiten Stock hinauf. „Hey, du bist der Erste.“, grüßte Marco ihn im Flur der Wohnung. „Na, dann. Hier kannst du der hier Unterschlupf gewähren?“ Er drückte Marco die Topfpflanze in die Hand. „Äh, Pflanzen gehen bei mir grundsätzlich ein.“ Peregrin zuckte mit den Schultern. „Dann ist es eben eine Gnadenfrist. So lässt sie sich nicht mehr verkaufen. Sie wäre nur auf dem Kompost gelandet.“, meinte er. „Verschenkst du immer Ware, die sich nicht mehr verkaufen lässt?“ „Manchmal.“ „Aha. Hier ist die Küche.“ Marco führte Peregrin in die kleine Küche der WG, dem sofort auffiel, dass das Küchenfenster zur Klinik hin lag. „Was kochen wir heute?“, wollte Peregrin wissen. „Gemüsecurry, da Marie Vegetarierin ist benutzen wir zwei Pfannen.“ „Ah gut. Ich hab Erdbeeren und Quark mitgebracht.“ Peregrin legte das Genannte auf dem Tisch ab. „Super. Willst du was trinken?“ „Wasser, bitte.“ Marco rechte ihm ein Glas und stellte ihm einen Flasche Wasser auf den Tisch. „Du hast den blauen Fleck ja immer noch,“ fiel ihm dabei auf. „Ich krieg halt schnell welche und sie brauchen lange zum Weggehen.“, murmelte Peregrin. Er war froh, dass das Klingeln Marco von einer weiteren Frage abhielt. „Augenblick.“ Marco verschwand im Flur. Peregrin suchte sich am Tisch einen Platz, wo er das Fenster nicht direkt im Blick hatte, da es nicht möglich war mit dem Rücken zu diesem zu sitzen. Er hörte Marco Rafael und Marie im Flur begrüßen. Einige Begrüßungen später, saßen sie am Tisch und schnibbelten Gemüse. „Marco, hast du eine kleine Plastikflasche?“ „Hm, wozu brauchst du die, Marie?“ „Zum Kennenlernen. Wir spielen Flaschendrehen.“ Rafael stöhnte. „Auf so komische Ideen kommst auch nur du im nüchternen Zustand!“ „Marco, Flasche!“, kommandierte Marie und bekam das Gewünschte sogar geliefert. Peregrin schüttelte den Kopf. Marie hatte die beiden Jungs eindeutig unter ihrer Fuchtel, obwohl ihn ja irgendwie auch, schließlich protestierte er nicht. Nachdem Marie sich auf dem Tisch Platz geschaffen hatte, was angesichts der Messer, Brettchen und Teller vol Gemüse nicht so einfach war, drehte sie die Flasche. Sie zeigte auf Peregrin. „Pflicht gibt’s diesmal nicht.“, erklärte Marie noch. Peregrin fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Na, das konnte ja heiter werden. Es gab so Einiges worüber mit Fremden und noch waren die drei ihm fremd, nicht reden wollte. Er entschloss sich trotzde, mitzumachen, schließlich wollte er keine Spaßbremse oder so sein. „Frag!“ „Welchen heimlichen Wunsch hast du?“ „Bitte, was ist dass denn für eine Frage?“ „Du bist dran, also antworte!“ Peregrin drehte das Küchenmesser in seinen Fingern, bemerkte, was er tat und hörte damit auf. „Ich will einen Paraglidingkurs mitmachen.“, gab er dann zu. „Cool.“, stellte Rafael fest. Peregrin war dran die Flasche zu drehen. Wieder zeigte sie auf ihn. „Das Ding mag mich nicht.“, murrte er. „Was ist das Merkwürdigste, dass du bis jetzt getan hast?“, erkundigte sich Marie. „Argh, deine Fragen sind fies.“ „Rausreden gilt nicht, also...“ Peregrin seufzte. „Ich bin mit achtzehn zum Notar, hab mir erklären lassen, was in ein Testament rein muss und es ein paar Tage später beglaubigen lassen.“ Die drei hielten in ihren Bewegungen inne. „Echt jetzt?“, kam es von Rafael. „Ja, wirklich.“ „Warum?“, das war Marie. „Weil du nie weißt, wann es vorbei ist.“ Marco schüttelte nur den Kopf. In der nächsten Runde zeigte die Flasche auf ihn und er musste zugeben, dass er Medizin studieren wollte. Peregrin empfand die Frage, welche Marie Marco stellte als harmlos. Das Geplänkel ging solange weiter, bis das Gemüse angebraten werden musste. Marco hantierte mit Rafael am Herd herum um diesem zu zeigen, was genau er dort tat. Marie erzählte derweil Peregrin von ihrem sehr aktiven Vereinsleben. Die Plastikflasche lag vergessen auf dem Tisch. Sie wurde erst weggeräumt, als der Tisch gedeckt werden musste. Die drei Gäste lobten Marcos, wirklich leckeres, Essen. Peregrins Erdbeerquark fand auch Anklang. Während dem Essen beschlossen sie Marco, dem Zugezogenen, die Stadt und ihre Attraktionen zu zeigen. Insgesamt empfanden alle den Abend als gelungen, selbst Peregrin, der es nicht gemocht hatte mit seltsamen Fragen über sich gelöchert zu werden, während des Flaschendrehens. *(Rio Reiser, Wann?, 1988.) ~tbc~ So ein Kapitel, indem etwas mehr über Peregrin und Sam verraten wird. Vermutungen dürfen gerne geäußert werden. Oho, ich merke die Kapitel werden ziemlich unterschiedlich lang... Seufz, liegt daran, dass es immer bestimmte Szenen sind, die eben unterschiedlich lang sind. Hoffe es gibt Leute die Spaß beim Lesen hatten, auch wenn in der Story nicht so viel passiert, bisher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)