Sasuke schweigt von Edweyrd ================================================================================ Kapitel 1: Sasuke schweigt -------------------------- Diese Kurzgeschichte entstand irgendwann zwischen Mai und November 2008. Die Herausforderung daran war, mich mit dem Charakter, mit dem ich in "Naruto" am wenigsten klar komme, auseinanderzusetzen: Sasuke Uchiha. Wer den Hauch einer Andeutung von Shonen-Ai liest, hat sich nicht verlesen. Auch das ist eigentlich nicht mein Thema und auch das war Teil einer Herausforderung. Da es sich um eine etwas ältere Geschichte handelt, sind aktuelle Entwicklungen des Mangas natürlich nicht aufgenommen. Disclaimer und Distribution: Ich erhebe keinen Anspruch auf den Manga "Naruto", dennoch möchte ich nicht, dass diese Geschichte ohne mein Wissen weiterverbreitet wird. Sasuke schweigt Sasuke träumt. Wie so oft träumt er von der Vergangenheit. Wie so oft regnet es in seinem Traum. Er steht vor einem Wasserfall, der von zwei gigantischen Felsenstatuen eingerahmt ist. Das Tal des Endes. Sasuke blickt in den Himmel, fühlt den kalten Regen auf seinem Gesicht, fühlt die Leere, die der Kampf in seinem Inneren hinterlassen hat. Er fühlt den Schmerz, den er damals gefühlt hat, er sinkt auf die Knie und hält über eine bewusstlose Gestalt gebeugt inne. Naruto. Ohne Bewusstsein, aber am Leben. Er starrt in das entspannte Gesicht, während die Regentropfen von seiner Nase auf das Stirnband des anderen tropfen. Damals war er aufgestanden und fortgegangen, damals hatte er alles hinter sich gelassen. Doch dies ist ein Traum und Sasuke weiß das. Deshalb schlägt Naruto die Augen auf und begegnet seinem Blick. Obwohl dieser nicht die Lippen bewegt, kann er Narutos Stimme hören. Und wenn ich dir die Arme und Beine brechen muss, ich nehme dich mit zurück nach Hause. Dann hebt er eine Hand und stößt Sasuke mit dem Zeigefinger vor die blanke Stirn. Das stumpfe Pochen hallt laut in seinen Ohren, lauter, als es eigentlich sein dürfte. In diesem Augenblick klopft es an der Tür und Sasuke schreckt hoch. Er braucht nur den Bruchteil einer Sekunde, um seiner Umgebung gewahr zu werden. Orochimarus Festung. Er sitzt mit untergeschlagenen Beinen auf dem Boden, vor sich eine Schriftrolle ausgebreitet. Es klopft abermals und Sasuke antwortet unwirsch. Die Tür öffnet sich einen Spalt und Kabuto Yakushi blickt ins Zimmer. "Sasuke-kun, Orochimaru-sama wünscht dich zu sehen." Sasuke knurrt eine Antwort und erhebt sich. Seine Glieder sind steif und kribbeln, doch vor Orochimarus Handlanger lässt er es sich nicht anmerken. Stumm folgt er ihm durch die schwachbeleuchteten Gänge. Kreuzen andere Ninja ihren Weg, nehmen sie sofort respektvoll Haltung an. Kabuto öffnet die Tür zu Orochimarus privaten Gemächern und lässt Sasuke eintreten, nur um hinter ihm die Tür leise wieder zu schließen. Die Luft in dem Zimmer ist schal und riecht nach Krankheit, nach Desinfektionsmitteln, Tinkturen und verrottendem Fleisch. Sasuke hasst diesen Geruch. Und er hasst es, wenn der Schlangen-Sanin ihn zu sich zitiert. Etwas steif und darauf bedacht, seinen Unwillen zu verbergen, nimmt Sasuke auf einem Stuhl gegenüber Orochimarus thronartigem Sessel platz. In dem gedämmten Licht, das den Raum kaum erhellt und nur die Schatten wachsen lässt, wirkt die weiße Haut des Mannes fast durchsichtig, geisterhaft, feine Schweißperlen stehen auf der blassen Stirn, verleihen ihr einen ungesunden Glanz. Eine Schlange liegt über seinen Schultern, windet sich um einen nutzlosen Arm. Sasuke entgeht nicht die Gier im Blick des Mannes, als er ihn mustert. Er weiß, dass Orochimaru in ihm nicht weiter als ein Gefäß sieht, einen weiteren Körper, von dem er Besitz ergreifen will. Sasuke verdenkt es ihm nicht, verfolgt er doch auch seine ganz eigenen Pläne. Doch das Hier-und-Jetzt ist das muffige Halbdunkel, in dem er sich einmal mehr dem Meister der Schlangen gegenüber sieht. Sasuke legt die Hände auf die Oberschenkel und wartet. Er hat gelernt, dass es besser ist, darauf zu warten, bis Orochimaru spricht. Und selbst dann ist Schweigen oft die bessere Antwort. Lange liegt der Blick aus grüngoldenen Augen auf dem jungen Mann. Schließlich ertönt eine Stimme, rau und zischend, gleichzeitig einschmeichelnd wie grobe Seide: "Ich habe Neuigkeiten von Akatsuki." Sasuke schweigt. "Wie es aussieht, haben sie es tatsächlich geschafft, alle Bijuu zu finden." Sasuke schweigt. "Und ihre Wirte zu töten." Orochimaru lässt seine Worte wirken, doch als sie keine Reaktion hervorrufen, fährt er fort: "Alle bis auf einen natürlich." Er legt den Kopf schräg."Ich frage mich noch immer warum du den Fuchsjungen damals nicht getötet hast, Sasuke-kun. War es Sentimentalität? Konntest du die letzte Verbindung zu deinem alten Leben nicht kappen? War es Freundschaft?" Sasuke schweigt. Ein anzügliches Lächeln erscheint auf den Lippen des bleichen Mannes. "Oder war es Liebe? Die exquisite Art von Liebe, die sich erst im Höhepunkt des Hasses offenbart?" Sasuke schweigt. Etwas warmes und trockenes, glattes windet sich um seinen Knöchel, eine von Orochimarus Schlangen. Er beachtet sie nicht. "Hättest du ihn getötet, hättest du nicht nur deinen Bruder aufhalten können, sondern auch Akatsuki." Spott liegt in Orochimarus Stimme. "Du hättest ein Held sein können, ein Tod um viele andere vor diesem Schicksal zu bewahren. Selbst Itachis Tod wäre dann ein Opfer zum Wohle der Welt gewesen. Jetzt ist es nur ein weiterer Mord aus Rache." Sasuke schweigt. "Itachi ist für Akatsuki eine austauschbare Größe, wahrscheinlich wartet schon jemand darauf, seinen Platz einzunehmen." Orochimaru lehnt sich vor, die Schlange rutscht dabei von seiner Schulter. "Selbst wenn du Itachi tötest, geht Akatsuki weiter,“ zischt er, „deinem Fuchsjungen hast du damit keinen Gefallen getan." Sasuke schweigt. Die folgenden Worte genießt der Sanin. "Und wenn Akatsuki weitergeht, werden sie ihn finden. Und wenn sie ihn finden, werden sie ihn töten." Sein grüngoldener Blick bohrt sich in Sasukes Augen, scheint seine Gedanken zu erforschen. "Du vertraust auf die Kräfte deines kleinen Freundes, auf seine Verbündeten." Er verzieht den Mund zu einem höhnischen Grinsen. "Woher kommt nur dein Vertrauen in deine alten Verbündeten, Sasuke-kun? Hoffst du darauf, dass sie dich retten, dir verzeihen und dich in ihre Arme schließen?" Orochimaru lacht meckernd. "Immer noch Hoffnung, Sasuke-kun? Wer zu mir kommt, hat keine Hoffnung mehr. Wer zu mir kommt, kennt nur noch einen Weg: mich." Sasuke schweigt. Seine Hände, die noch eben locker auf seinen Oberschenkeln geruht haben, verkrampfen sich kaum merklich. Orochimaru entgeht diese winzige Bewegung nicht. Die Schlange, die sich um Sasukes Knöchel gewunden hat, hat seine Taille erreicht, windet sich langsam zu seinen Schultern empor. Wo ihre warmen Schuppen seine bloße Haut berühren erscheint Sasuke die Berührung wie eine Liebkosung und er ekelt sich. Noch einige Augenblicke forschen die stechenden grüngoldenen Augen nach einer Regung in dem porzellanweißen Gesicht ihres Gegenübers, doch sie finden nichts. Sasuke schweigt. Fast ist es ihm, als könne er so etwas wie Enttäuschung auf den Zügen seines vermeintlichen Meisters sehen, doch auch Orochimaru ist darin geübt, sein Minenspiel zu verbergen. Der Sannin lehnt sich in seinem wuchtigen Stuhl zurück. Abweisend deutet er mit dem Kinn in Richtung Tür. "Geh." Diese Silbe ist Sasuke Befehl genug und obwohl er den stickigen Raum am liebsten schnell verlassen würde, steht er mit Bedacht auf und deutet eine knappe Verbeugung an, bevor er mit gemessenen Schritten auf die Tür zu geht. Im Gehen rutscht ihm die Schlange von den Schultern, sie landet dumpf auf dem Boden. Sasuke schließt die Tür hinter sich. In einem anderen Leben hätte er sich jetzt erleichtert gegen das dunkle Holz gelehnt und aufgeatmet. Doch alles, was Sasuke tun kann, ist einmal tief Luft zu holen, um strammen Schrittes sein eigenes Zimmer aufzusuchen. Erst als die schwere Tür hinter ihm zufällt, wagt er es wieder richtig zu atmen, wagt er es, die Gefühle, die er so gut unter Verschluss gehalten hat, zu zeigen. Er ballt eine Hand zu Faust und schlägt gegen die sandfarbene Felswand. Sand und kleinere Steine bröseln unter seinen Fingern herunter. Den Schmerz in seinen Fingerknöcheln nimmt er kaum wahr, zu groß ist seine Wut. Er wird es nicht zulassen, dass man ihn wie eine Marionette benutzt. Er wird es nicht zulassen, dass man ihm seine Rache nimmt. Itachi. Er wird es nicht zulassen, dass man ihm noch einmal alles das nimmt, was ihm jemals etwas bedeutet hat. Naruto. Sasuke nimmt seine Hand herunter und auf der Wand bleiben blutige Abdrücke seiner Fingerknöchel zurück. Sein Atem geht schwer und Wut brodelt in ihm wie in einem schwelenden Vulkan. Er möchte schreien. Doch Sasuke schweigt. ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)