Zwischenwelten von Arle (-Sidestory X ~ Veleno-) ================================================================================ Kapitel 8: ----------- Beginn: 25.04.2011 Ende: 01.05.2011 Kapitel 8 Als ich am nächsten Abend Noëls Zimmer betrat, um ihm seine Kleidung für die kommende Nacht bereitzulegen, hatte ich die Erinnerung an das Gespräch in der Bibliothek bereits mehr oder weniger erfolgreich verdrängt und meinen Seelenfrieden weitestgehend zurückgewonnen. Ich klopfte, wie ich es immer tat und erhielt wie gewohnt keine Antwort. Ich trat ein und schloss leise die Tür hinter mir. Als ich den Blick hob, bot sich mir eine Überraschung. Noël war um diese Zeit stets auf Wanderschaft durch das Haus oder das umliegende Gelände gewesen, doch diesmal saß er bereits vollständig angekleidet auf dem Bett und sah mir entgegen. „Oh Verzeihung“, sagte ich und mir wurde bewusst, wie gut er mich bereits erzogen hatte, dass ich mich dafür entschuldigte, einen Raum in meinem eigenen Haus zu betreten. „Ich hatte angenommen, du wärst nach draußen gegangen.“ Er beobachtete mich. Musterte mich schweigend, als wolle er mein Wesen ergründen und hinge davon eine äußerst wichtige Entscheidung ab. Ich ließ ihn gewähren, auch wenn es unhöflich war, was er tat und deutet schließlich an, das Zimmer verlassen zu wollen. „Was würde geschehen, wenn ich Euch als meinen Meister wählen würde?“ Überrascht sah ich ihn an. Allein die Tatsache, dass er es sich gestattete darüber nachzudenken, es rein hypothetisch in Erwägung zu ziehen, war mehr als erstaunlich. „Nicht viel. Das Mal würde verschwinden und du würdest auf mich geprägt. Es wäre dann mein Blut, nach dem es dich verlangt.“ Er betrachtete mich ohne erkennbaren Ausdruck, doch in seinem Inneren arbeitete es, davon war ich überzeugt. „Und welche Forderungen stellt Ihr?“ Es fiel ihm offensichtlich nicht leicht, diese Worte auszusprechen. Er zögerte und seine Stimme zitterte kaum merklich, während er die heftigen Gefühle in seinem Inneren zu beherrschen suchte. Einen Moment lang spielte ich mit dem Gedanken, ihm irgendeine, zumindest für ihn, vollkommen absurde Bedingung zu nennen. Nur, um zu sehen, wie er darauf reagierte. Was er zu tun bereit war, um erneut zu werden, was er nie wieder hatte sein wollen. Natürlich sagte ich nichts dergleichen. Wenn überhaupt, wäre es ein sehr zweifelhaftes Vergnügen gewesen, denn bei seinem Temperament waren die Folgen mehr oder weniger vorhersehbar und keinesfalls wünschenswert. Also entschloss ich mich, wie üblich, zu einer wahrheitsgemäßen Antwort. „Keine, außer vielleicht den Wunsch nach ein wenig mehr Respekt und die Erwartung, dass du mir keine Schande bereitest.“ Wahrscheinlich hätten mich die meisten Vampire verlacht oder bedauert, hätten sie unserem Gespräch in diesem Moment lauschen können. Welch ein bescheidener Wunsch angesichts dessen, was ich für das, was ich ihm bot, tatsächlich hätte fordern können, ohne dass jemand auch nur im Mindesten Anstoß daran genommen hätte. Ihr verkauft Euch unter Wert, hätte Steel wohl gesagt, andere hätten es weniger höflich ausgedrückt. „Was heißt das?“, fragte Noël, der mir, ob nun aus Gründen der Überraschung oder weil er tatsächlich nicht wusste wovon ich sprach, offensichtlich nicht ganz folgen konnte. Welch Ironie! Körperlich wollte er mir nicht folgen und gedanklich konnte er es nicht. Wirklich, noch ein wenig mehr und ich hätte die ganze Angelegenheit direkt amüsant finden können. „Mich nicht durch Worte oder Taten bloßzustellen, wenn wir in der Öffentlichkeit sind. Zumindest nicht außerhalb eines gewissen Toleranzbereichs. Außerdem solltest du andere Vampire weder verletzen noch töten, es sei denn, es dient deiner Selbstverteidigung oder ich habe es dir erlaubt.“ Das waren tatsächlich die wesentlichsten Punkte und Erwartungen, die ich an ihn hatte. Mehr als das würde er kaum akzeptieren und es erschien mir auch wenig zielführend. Sah man einmal von seinen Tischmanieren ab, hielt ich ihn durchaus für gesittet und zivilisiert genug, um sein Verhalten bei Bedarf ein wenig den äußeren Umständen anzupassen oder zumindest für Gespräche diesbezüglich einigermaßen offen zu sein. Weniger als das, konnte dagegen ich nicht akzeptieren. Zum einen, weil wir, für den unwahrscheinlichen Fall, dass die Sache mehr als rein hypothetisch war, irgendwie miteinander auskommen mussten und ich ebenso wenig Freude daran hatte, zum Gespött der Leute gemacht zu werden, wie daran, ihn vor aller Augen, auf welche Art auch immer, zurechtzuweisen. Zum anderen würde eine Nichteinhaltung dieser Vorgaben seinen Schutz erheblich erschweren, was auf Dauer nicht nur problematisch, sondern auch gefährlich werden konnte und würde. Ich hoffte nur, dass er den Begriff Selbstverteidigung nicht allzu großzügig auslegen würde. Ich hatte durchaus schon davon gehört, dass Präventivschläge zuweilen als Selbstverteidigung definiert wurden und das war selbstverständlich absolut inakzeptabel. Perplex sah er mich an. „Das ist alles?“ Ich musste zugeben, es war immer wieder erfreulich festzustellen, dass ich durchaus dazu in der Lage war, Emotionen bei ihm auszulösen, auch wenn es sich dabei meist um Überraschung oder Wut handelte. Misstrauen zählte ich mittlerweile nicht mehr dazu, da es gewissermaßen eine Grundhaltung, ein Dauerzustand bei ihm war. „Hattest du mehr erwartet?“, fragte ich leicht amüsiert, doch anstatt zornig zu werden, senkte er nachdenklich den Blick. „Wenn ich es tue“, begann er nach einigem Zögern erneut und sah mich an, „stehe ich unter Eurem Schutz, richtig?“ Im Gegensatz zu mir hatte er also ganz offensichtlich nicht das Gefühl, dass dies bereits seit unserer ersten Begegnung der Fall war. Ich musste zugeben, das kränkte mich ein wenig. Ironischerweise verliehen die daraus resultierende Ernsthaftigkeit und der grollende Unterton meinen Worten offenbar mehr Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft, als dies für gewöhnlich der Fall war. „Ob Eigentum oder nicht, ich schütze, was zu mir gehört.“ Eine Weile sagte er nichts, wanderte sein Blick immer wieder zwischen mir und einem unbestimmten Punkt im Raum hin und her. Doch schließlich galten seine Aufmerksamkeit und auch seine Zweifel wieder ganz mir. „Und Ihr wollt...mich nicht unterwerfen?“ Obwohl ich ahnte, dass es ihm nicht gefallen würde, konnte ich nicht anders als herzhaft zu lachen. „Dich zu zähmen dürfte eine Jahrhundertaufgabe sein und ich rechne mir keine guten Chancen aus.“ Ein Hauch von Rot erschien auf seinen Wangen und das Bemühen ihn wieder verschwinden zu lassen, war ihm deutlicher anzusehen, als ihm lieb sein konnte. Es waren Momente wie dieser, die mir eine gewisse Schwäche für ihn bewusst machten. „Ich brauche eine Aufgabe“, erwiderte er ein wenig zerknirscht und der Zauber des Augenblicks verflog. Ich war nicht überrascht, dass er es ansprach. Ein Leben wie das, was er jetzt führte, konnte für einen jungen Vampir wie ihn unmöglich zufriedenstellend sein. Schon sein Temperament ließ es nicht zu und angesichts dessen, dauerte sein Aufenthalt an diesem Ort bereits erstaunlich lange an. Ich lächelte und erwiderte: „Wenn du ein guter Jäger bist, könntest du dich ihnen vielleicht anschließen. Dämonen gibt es genug. Obwohl sie es sicher nicht gerne sehen, einen Erschaffenen in ihren Reihen zu haben.“ Noch während ich es sagte wurde mir bewusst, dass es wenig höflich war, doch er gab mir keine Gelegenheit mich zu erklären. „Wie habt Ihr mich genannt?“, fragte er und schien dabei eher überrascht als verärgert zu sein. „Einen Erschaffenen“, antwortete ich und fragte mich insgeheim, ob diese Bezeichnung wirklich so abwegig war. Es schien mir, als würde ich jeden, demgegenüber ich dieses Wort erwähnte, in höchstes Erstaunen versetzen. „Ist etwas nicht in Ordnung?“, erkundigte ich mich, da ich mir nicht sicher war, ob er es nicht vielleicht doch als beleidigend oder kränkend empfunden hatte. „Nein“, erwiderte er nachdenklich und fuhr dann fort, „Ich kannte diese Bezeichnung nur noch nicht.“ Und dann sah er mich wieder mit einem dieser Blicke an, die zu deuten mir einfach nicht gelingen wollte. Beobachtend, beinahe neugierig und mit einer sonderbaren Offenheit, die er mir nie zuvor gezeigt hatte. „Und es ist die freundlichste Umschreibung unseres Wesens, die ich jemals von einem echten Vampir gehört habe.“ Kapitel 8 - Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)