Der Geliebte der Geliebten von Shizana (Ich vertraue dir) ================================================================================ Kapitel 1: Part I ----------------- Verdammt… Wütend über mich selbst lasse ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen. Mein Weg führt mich ins Bad, wo ich das Wasser aufdrehe und mir eine Hand voll dem kühlen Nass in den Nacken träufel. Mir ist übel. In meinem Kopf wüten die Gedanken und mein Magen rebelliert abstreitend. Doch wieso reagiere ich so? Ich habe es doch die ganze Zeit über gewusst. Als ich meinen Blick hebe begegnen mir zwei trübe, braune Augen. Ein paar schwere, schwarze Strähnen meines etwas durcheinander geratenen Haares haben sich über sie gelegt. Die Haut darunter ist etwas gerötet und auf meiner Stirn zeichnen sich Falten ab. Gott, bin ich so echt durch die Stadt zurück nach Hause gelaufen? Ich sehe ja furchtbar aus… und das ist noch milde ausgedrückt. Ich nehme meine Brille ab und lege sie zur Seite aufs Waschbecken, beuge mich etwas vor und wasche mir das Gesicht. Wenn ich damit nur auch all die Sorgen wegwaschen könnte… Blind greife ich neben mir zum Handtuch und trockne mir flüchtig das Gesicht, ohne nochmal in den Spiegel zu sehen. Ich ertrage meinen eigenen, erbärmlichen Anblick nicht. Was soll das, Soushi? Was machst du dich so fertig? Du Idiot, du hast es doch eh schon die ganze Zeit gewusst! Wieso macht es dich jetzt so fertig? "Es tut mir Leid, Soushi. Ich liebe Night!", klingen die bitteren Worte noch immer in meinen Ohren. Wie Kirchenglocken, schwer mit einer tiefen Bedeutung. Ich spüre, wie sich meine Kiefer aufeinanderpressen. Du blöde Kuh! Ich Idiot! Wieso, Riiko, gibst du ihm den Vorzug? Ihm, wo er doch nicht mal ein richtiger Mensch ist?! Hätte ich nur früher das Maul aufgemacht und dir früher gesagt, was ich für dich empfinde! "Aber es ist zu spät…", höre ich meine eigene Stimme im bitterem Flüstern sagen. In dem Moment scheint mein Herz in meiner Brust zu einer Minimalstgröße zusammenzuschrumpfen. Im Fortgehen schiebe ich mir die Brille wieder auf die Nase, auch wenn ich die klare Sicht nicht benötige. Ich finde auch blind in die Küche. Im oberem Schrank greife ich gezielt über einige kleinere Gegenstände hinweg zu einer breiten Flasche mit schmalem Hals. Nur einen Meter weiter hole ich aus einem weiterem Schrank ein kleines Glas hervor. Noch immer in Gedanken, welche zwar trüb und grau, aber dennoch viel zu klar vor meinem geistigem Auge sind, öffne ich die Flasche und ein stechender Geruch steigt mir bittersüß in die Nase. Ich gieße mir nicht viel von der klaren, bernsteinfarbenen Flüssigkeit ein und hebe schließlich zu einem einzigen Zug an. Der Alkohol kitzelt in einem sanften, beruhigenden Brennen meine Kehle hinab. Mir scheint, als könnte ich jedem Tropfen jeden noch so kleinen Millimeter den Weg hinunter nachspüren. Das Brennen hinterlässt eine wohlige Wärme, die sich weiter in meinem Körper ausbreitet und mich etwas schaudern lässt. Der gute alte Scotch von meinem Vater. Ich glaube, ich kann ihm nachfühlen, wieso ihm so viel an diesem bitterem Zeugs liegt. Von nebenan höre ich ein Klacken. Wahrscheinlich ist Riiko auch eben Nachhause gekommen. Erstaunlich, dass ich sowas höre. Als hätte ich insgeheim gewartet, dieses Klacken der Nachbartür zu hören, als sie ins Schloss fällt. Ich spüre, wie sich Bilder in meinen Kopf schleichen. Dunkle, große Augen mit einem weichen Blick… Nein! Tu dir das nicht an, Soushi! Neben mir erblicke ich einen großen Sack auf dem Boden, bis zum Rand gefüllt. Masaki, du solltest doch den Müll rausbringen! Aber egal… ich könnte ohnehin etwas frische Luft gebrauchen. Und der Balkon erscheint mir jetzt, wo ich Riiko nebenan weiß, überhaupt nicht einladend. Also binde ich den Sack zusammen und mache mich daran, das Bündel rauszuschaffen. Gerade bin ich wieder auf dem Weg zur Haustür, als ich vertraute Schritte vernehme. Verdammt, selbst das höre ich! Und ich wünschte, ich hätte dem Reflex widerstanden, zur Seite aufzublicken. Diese blonden Zottelhaare mit den dunklen Schattierungen sind mir leider nur allzu gut bekannt, wie diese klaren blauen Augen. Auf den sanften Zügen des Jungen, der in meinem Herzen solchen Hass schürte, glaube ich ein unsicheres Erstaunen zu erkennen. Hach, wieso immer ich?! "Soushi…" Seine sanfte Stimme schmerzt, breitet schweres Unbehagen auf meiner Brust aus. Es fällt mir schwer, zu atmen. In meinem Kopf dreht es sich, als mir wieder jene Worte des Mädchens, welches ich so sehr liebe, in den Sinn kommen. Dieser verfluchte…! Dieser Hass, diese Abscheu, welche ich empfinde, schnürt mir fast die Kehle zu. Wortlos wende ich meinen Schlüssel im Schloss und ich bin selbst erstaunt, wie sicher mich meine Schritte voranführen. Rein aus meiner gewohnten Höflichkeit halte ich ihm die Tür auf, sodass auch er eintreten kann. Und schweigend bemerke ich, dass er mir ins Haus folgt. Ohne, dass auch nur einer von uns einen weiteren Mucks von sich gibt, gehen wir die Treppen zu den Wohnungen hinauf. Die Tatsache, dass er mir stillschweigend folgt, übermittelt mir das Gefühl, selbst mehr wie eine Steinstatue zu sein – beherrscht und ohne jegliche Emotion. Ich spüre seinen bedrückten Blick in meinem Nacken. Was starrst du mich so an?! Vor meiner Tür bleibe ich stehen und noch immer schweigend stecke ich den passenden Schlüssel ins Schloss. Ein lauer Windzug vermittelt mir, dass Night an mir vorbeigeht, um die Nachbarswohnung zu betreten. Und ich kann nicht verhindern, dass meine Hand zittert. "Tenjou!" Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie der von mir Angesprochene stehenbleibt. Obgleich er versucht, keine Regung in seiner Miene zu zeigen, erkenne ich noch immer die Betroffenheit in seinem Blick. Was soll das? Hör auf damit, Idiot! "Ich muss mit dir reden. Komm bitte noch kurz mit rein, das muss nicht hier auf dem Flur sein." Nur kurz blicke ich zur Seite und bemerke das leichte Nicken des blonden Jungen mit der ernsten Miene, bevor ich die Tür zu meiner Wohnung öffne und eintrete. Nur wenig später folgt er mir hinein und schließt die Tür hinter sich. Das Geräusch, welches das Einrasten ins Schloss verursacht, klingt schwer. "Setz dich.", und nur flüchtig deute ich dem Anderen ins Wohnzimmer, während ich selbst meinen unkontrollierten Schritten in die Küche folge. Wortlos greife ich nach Glas und Flasche, welche ich vorhin aus dem Schrank geholt hatte, und rein aus Höflichkeit wieder hole ich noch ein zweites, identisches Glas hervor, ehe ich zurück zum Wohnzimmer gehe. Dort sehe ich ihn nun. Meinen verhassten Rivalen, der so viele unangenehme Emotionen in mir wachruft. Dieser Kerl, der einfach so in das Leben von mir und Riiko getreten ist – und alles so durcheinander gebracht hat. Der Kerl, dem das Mädchen, das ich liebe, ihr Herz geschenkt hat. Meine Hand verkrampft sich um die Gläser und ich muss mich zusammenreißen, dass sie nicht unter dem Druck zerspringen – auch wenn ich bezweifele, dass meine Kraft dazu ausreichen würde. Reiß dich zusammen, Soushi! Immerhin hast DU ihn gebeten, herzukommen! Ich knie mich ihm gegenüber an den niedrigen Kotatsu, welchen ich zu dieser Jahreszeit nicht beheizte. Dennoch benutzte ich den niedrigen Tisch gerne für meine sitzenden Arbeiten. Vor uns stelle ich die Gläser ab und öffne erneut die Flasche. Gerade, als ich ihm einschenken will, stoppe ich und schaue prüfend zu ihm herüber. "Ach, du trinkst ja gar nicht, oder?" Betretenes Schweigen. Anhand seiner steifen Haltung, obgleich er versuchte, gelassen zu wirken, erkenne ich, dass ihm das Thema wohl unangenehm war. "Ich brauche es nicht.", erwidert er leise und ich verstehe, wie es gemeint ist. Also schiebe ich das unbenutzte Glas beiseite und schenke in mein Glas bis zum Viertel ein. Nachdem ich die Flasche wieder gut verschlossen habe, versuche ich mich in meiner Sitzposition zu entspannen. Ich ziehe den bittersüßen Geruch tief in mich ein und lasse das wohlige Aroma auf mich übergehen. "Soushi, was…?" "Hör zu, Tenjou.", unterbreche ich ihn, noch ehe er seinen Satz richtig begonnen hatte. In einem, vielleicht etwas zu hecktischen, Zug leere ich das Glas und stelle es wieder vor mir ab. Ernst schaue ich zu meinem Rivalen hinüber. "Ich liebe Riiko! Und ich gedenke nicht, sie aufzugeben!" Schweigend haftet sein Blick auf mir und ich kann eine bedrückte Trauer von ihm vernehmen. Tu doch nicht so, als täte dich das schockieren! "Riiko mag es ja egal sein, aber mir nicht! Du bist nicht mal ein richtiger Mensch! Wie habt ihr euch das vorgestellt? Habt ihr jemals an die Zukunft gedacht?!" Stille. In mir kochen die Emotionen, meine Wangen fühlen sich heiß an vor Zorn. Ich bin wütend. Bin ich das? Oder ist es einfach nur Verzweiflung? Ich kann es nicht ertragen, ihn so anzusehen, wie er mich betroffen und doch unnachgiebig anschaut. "Wie will einer wie du sie glücklich machen?" "Soushi…" Es ist so schwer! So verdammt schwer, seine Stimme zu hören! Wie er meinen Namen ausspricht, schwer und traurig. Verdammt, lass das! Hier geht es doch nicht um mich, verdammt! "Vielleicht hast du ja Recht. Ich bin kein Mensch wie du, oder wie Riiko. Aber eins steht fest: Ich liebe Riiko. Dieses Gefühl ist echt. Es erfüllt mich, warm. Ich existiere nur für sie. Und ich werde alles dafür tun, was in meiner Macht steht, um sich glücklich zu machen." Tze, "alles was in deiner Macht steht" also… Was soll das groß sein? Du Idiot! Ihr seid beide solche Idioten. "Ha… und du denkst, das würde mir reichen? Mich zufriedenstellen? Mich überzeugen?" Mir schwindelt leicht, als ich meinen Blick wieder hebe und auf ihn hefte. Gott, wie ich diese Unschuldsmiene von ihm hasse! "Damit das klar ist: Solange du deine Aussage nicht bewiesen hast, werde ich nicht aufhören, um sie zu kämpfen!" Wieder dieses betretene Schweigen. Noch immer glühe ich. Aufgewühlt von all den Gefühlen der letzten Zeit, die in meiner Brust unerbitterlich miteinander kämpfen. Meine Hände zittern. Ich muss sie zu Fäusten ballen um mich zu beherrschen. Ich muss mich zwingen, ihn anzusehen. Unnachgiebig, damit er versteht, dass es mir todernst ist. Oder hatte er wirklich erwartet, das wäre für mich abgeschlossen? Es wäre für mich okay? Nein, so nicht! Ich kann nicht einfach so blind darauf vertrauen, dass Riiko weiß, was sie da tut und dir das Feld überlassen. Dir… "Wie?" Seine Frage glich eher einem Flüstern, obgleich er nicht sonderlich leiser gesprochen hatte als die ganze Zeit schon. Ich kann sehen, wie es hinter seiner schönen Stirn ratterte. Ja, ich konnte ihm glauben, dass er sich vielleicht wirklich Gedanken machte. Aber das ist seine Sache! Wenn ich selbst wüsste… nein, selbst dann würde ich es ihm nicht sagen. Soweit kommt's noch! Ich schrecke aus meinen Gedanken hoch – wann hatte ich den Blick von ihm abgewandt? Und wie lange hatte ich so vor mir hingestarrt, vollkommen in Gedanken an nichts versunken? – als ich einen festen Druck auf meinen Lippen verspüre. Was zum…?! Meine Hände schnellen schneller hervor, als ich es selbst realisieren konnte. Mit einer Wucht stoße ich den Körper zurück und starre mit großen Augen zu meinem Gegenüber. Hat er etwa gerade…?! Nein, das kann nicht sein! "Was…?!", zischt es zwischen meinen gepressten Lippen, welche bebten, hervor. Als er seinen Blick wieder mir entgegenhob, versank ich in den blauen Augen wie in einem tiefen, weiten Ozean. Klar mit einem tiefen, untermalenden Grau. Was soll das? Wieso siehst du mich so an? Wieso kann ich meinen Blick nicht einfach von dir abwenden? Ich bemerke, wie er wieder zu mir herüberrutscht. Seine Hände heben sich meinem Gesicht entgegen. Was soll das werden, Tenjou?! Wieso ist mein Körper so starr? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)