Er will, was er will von abgemeldet
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Kapitel 2: Ihr denkt, ihr kennt mich?
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Sie landeten auf dem Dachboden, nur wenige Meter vom Buch entfernt. „Siehst du
das Buch da drüben? Ich will, dass du es mir bringst.“, flüsterte Wyatt
seinem Mini Me ins Ohr. Er war sich wohl bewusst, dass Leo im Schatten auf ihn
lauerte. Zwar war ihm nicht ganz klar wieso gerade sein Vater, aber hey, das
versprach lustig zu werden.
„Komm schon, Dad, du hast ja nicht mal mehr Zauberkräfte.“
Leo grinste. (Wieso grinste der? Das war Wyatts Job! Und dann auch noch so ein
dämliches ) Aber das würde ihm bald vergehen,
da war sich sein Sohn sicher.
„Du wirst dich selbst stoppen.“
Diese Aussage war alles, was Wyatt brauchte, um zu wissen, dass die Falle, die
Leo ihm stellen wollte, sowas von nach hinten losgegangen war und sie in seine
eigene Falle getappt war. Besser hätte sein Plan nicht aufgehen können.
Gehässig lachte er seinem Vater ins Gesicht.
„Das glaube ich eher nicht, Dad. Nicht heute.“ Er schnippte mit den Fingern
und Klein-Wyatt verpuffte einfach. Jetzt entgleisten Leo die Gesichtszüge.
„Was hast du gemacht?“ „Hättest du nicht erwartet, was?“ Über die
Dummheit seiner Familie konnte er nur den Kopf schütteln. „ Ihr denkt, ihr
kennt mich? Ihr denkt, wenn ihr die Köpfe zusammensteckt, kommt ihr mit einem
großartigen Plan daher, der mich stoppen wird? Sorry, aber dafür hab ich zu
lange die Fesseln der ständigen Regeln und Verbote ertragen müssen um sie mir
die Freiheit so leicht nehmen zu lassen.“ „Wyatt, du…“ „Was? Habt ihr
wirklich geglaubt, ich bin so blöd und beam mich mitsamt meinem kleinen Ich
hierher um das Buch zu holen? Haltet ihr mich wirklich für so dämlich? Das
enttäuscht mich sehr. Ich mein, dass ihr mich nicht angreifen würdet, wusste
ich ja. Und auch, dass ihr mich hier erwarten würdet.“ Er lachte leise.
„Scheinbar kenn ich euch besser, als ihr mich. Schade für euch.“ Ohne eine
Antwort abzuwarten, beamte er sich vom Dachboden.
Nur um in der Zauberschule wieder aufzutauchen. War ja klar, dass den Schwestern
kein stärkerer Schutzzauber eingefallen war. Oder sie waren von ihrem Plan so
überzeugt, dass sie gar keinen Plan B hatten.
„Wäre ja nicht das erste Mal.“, murmelte Wyatt in seinen Bart, als er
hinter einer der Säulen, die im Gang der Zauberschule standen, hervortrat. Er
konnte die Schwestern in der Bibliothek ausmachen und schlug die andere Richtung
ein. Hätte er Lust auf Konfrontation, wäre er bei Leo geblieben, aber er
verfolgte ein anderes Ziel.
Zielstrebig lenkte er seine Schritte in Richtung der Arbeitszimmer. Das, was
Paige und nun Leo benutzten, wurde manchmal auch noch als etwas anderes genutzt
und auch heute war es nicht anders. Das sagte ihm das unsichtbare Band, das ihn
förmlich zu diesem Zimmer zog.
Lautlos öffnete Wyatt die Tür. Das Zimmer war dunkel, sodass das Baby, welches
in seinem Bettchen lag, ungestört schlafen konnte. Mit einem triumphierenden
Lächeln trat der Zweifachgesegnete an eben jenes Bett heran und sah auf das
schlafende Würmchen hinunter. Wobei, halt, das Würmchen schlief gar nicht,
sondern sah ihn aus wachen dunkelgrünen Augen an.
„Hallo, kleiner Bruder, na, haben sie dich schon wieder allein gelassen? Keine
Sorge, da wo du hinkommst, ist immer jemand da.“ Er beugte sich hinunter und
hob Chris aus dem Bett. Der Säugling brabbelte etwas Unverständliches, hielt
aber ansonsten still. War ganz praktisch, dass er keinen Schutzschild hatte wie
sein großer Bruder. Allerdings bezweifelte Wyatt, dass er es gegen ihn
eingesetzt hätte. Doch nun musste er hier weg, bevor seine Mum hereinplatzte.
Mit einem letzten Grinsen verschwand er mit Chris auf dem Arm aus der
Zauberschule.
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Während Wyatt Teil drei seines Plans vollendete, saß Leo auf dem alten Sofa
und ließ die Blicke der Schwestern über sich ergehen. Kurz nach Wyatts
Verschwinden hatte er sie zu sich gerufen und ihnen alles berichtet. Das
Unverständnis war groß.
„Aber, was wollte er denn dann, wenn nicht das Buch?“, fragte Phoebe zum
fünften Mal. Piper warf ungeduldig die Hände in die Luft. „Was weiß ich?
Ich weiß gar nichts. Außer, dass er vielleicht recht hat und wir ihn wirklich
nicht kennen.“ „Piper!“, wies Leo sie an. Sie zog die Schultern hoch.
„Was soll ich sonst sagen? Wir sind davon ausgegangen, dass er das Buch will.
Jetzt ist er verschwunden ohne einen Versuch das Buch in seinen Besitz zu
bringen. Wozu das alles?“
Paige, die zwischendurch in der Zauberschule gewesen war, beamte sich zurück
und hörte Pipers letzte Frage. „Das kann ich dir sagen.“ Alle sahen sie an.
Sie schluckte. „Los, Paige, raus damit!“, verlangte die Älteste der
Mächtigen Drei. Ihre Schwester wusste gar nicht, wie sie sagen sollte, was sie
wusste. „Er wollte nicht das Buch. Das war ein Ablenkungsmanöver.“ „Für
was? Verdammt, Paige, lass dir nicht alles aus der Nase ziehen.“ „Für
Chris. Wyatt hat Chris mitgenommen. Ich wollte nach ihm sehen und sein Bett war
leer.“
Die alte Stehlampe ging in die Luft.
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Mit einem Stirnrunzeln las Wyatt, was er da zu Papier gebracht hatte.
Abschätzend wanderte sein Blick zu seinem kleinen Bruder, der mit seinem
Mini-Ich auf einer Decke saß und eine Rassel schüttelte. Nachdem er ein neues
Versteck gefunden hatte, hatte er dafür gesorgt, dass die Kinder ein wenig
Spielzeug bekamen. Sonst machten die aus Langeweile womöglich noch so fixe
Sachen wie sich zurück ins Manor zu beamen. Darauf konnte er verzichten,
immerhin lief alles gerade so wie er es wollte.
Auch, wenn ihm klar war, dass er die Zukunft des Bösen nicht alleine sichern
konnte.
Sicher, er war mächtig, doch er brauchte auch Gefolgsleute. Warlocks, Dämonen
und Wächter hatte er ja bereits erwähnt, doch er brauchte in den höheren
Positionen seiner Armee Leute, auf die er sich blind verlassen konnte. Die
traurige Wahrheit jedoch sah wie folgt aus:
Dämonen = gute Kämpfer, wollten jedoch selbst die große Nummer (aka die
Quelle) sein
Warlocks = mächtig, allerdings extrem hinterhältig
Wächter der Finsternis = hatten ein paar seiner Kräfte und manchmal zu sehr
auf ihren eigenen Vorteil aus
Kurz und gut: es gab nur eine Anlaufstelle, wo Wyatt bedingungslose Loyalität
erwarten konnte. Jemanden, der verstand was das Gute für Zwänge ausüben
konnte.
Und aus genau dem Grund war es wichtig, dass er seinen Plan endlich vollständig
in die Tat umsetzte.
Er straffte die Schultern und richtete den auf seinen Zettel. Ohne den Blick
abzuwenden begann er zu rezitieren:
„Finsternis schenkt Freiheit dir,
drum komm an diese Stelle hier.
Steh mir bei, in ewiger Nacht.
Gemeinsam sorgen wir für grenzenlose Macht.“
Schwarze Lichtpunkte, ähnlich den Orbs eines Wächter der Finsternis, begannen
neben Chris zu kreiseln und immer wilder zu toben. Man hatte fast das Gefühl in
einen schwarzen Wirbelsturm geraten zu sein. Doch urplötzlich verschwanden die
Punkte ins Nirgendwo. An ihrer Stelle stand nun ein schlanker junger Mann in
schwarzen Jeans und einem schwarzen Shirt, dessen Ärmel ihm knapp über die
Ellbogen gingen. In der Hand wurfbereit ein Elixier.
„Was hast du damit vor? Mich kannst du mit sowas nicht vernichten.“, stellte
Wyatt nüchtern fest.
Verwirrt sah sein Gegenüber ihn an, dann betrachtete er seine Umgebung. „Das
ist nicht für dich.“, stellte er klar und sah auf das Fläschchen. „Ich hab
gerade ein paar Dämonen in den Arsch getreten, als mich so komische schwarze
Kugeln eingehüllt und hierher gebracht haben. Und jetzt bin ich hier und ich
muss sagen, ich fühl mich…“ „Frei?“ „Ja.“
Er kam zum Tisch. „Was ist passiert?“ „Was glaubst du? Ein armseliger
Dämon hat etwas richtig gemacht und mich von den Fesseln der guten Magie
befreit. Und das wollte ich dir nicht vorenthalten, Chris.“
Der Brünette lächelte. „Zu gütig von dir. Aber du holst mich doch nicht
einfach so nach hier. Wo ist hier überhaupt?“ „Vergangenheit. Mum wollte
etwas ganz anderes bezwecken, als sie mich beschworen hat, aber wer bin ich,
dass ich mich beschwere? Und um deine Frage zu beantworten: Du bist hier, weil
du mit mir zusammen die Zukunft des Bösen auf der Erde begründen sollst. Eine
Welt, in der wir herrschen. Hemmungslos und ohne Regeln. Ohne diese dämliche
Zauberschule.“ „Ohne Älteste? Ohne altkluge Plagegeister? Nur Macht?“,
vollendete Chris die Aufzählung seines Bruders. Der grinste, kam um den Tisch
herum und beugte sich zu ihm.
„Eine Welt ohne Eltern und Tanten, die meinen zu wissen, was für uns das
Beste ist. Das ist alles möglich, wir müssen sie nur vernichten.“,
flüsterte er dem Jüngeren ins Ohr. Dessen Augen begannen zu leuchten.
„Ich bin dabei.“
„Das war mir klar.“
Chris sah mit einem Glitzern in den Augen zu seinem Bruder. „Und wie stellen
wir das am besten an?“ „Wir warten. Ich war gerade erst im Manor und glaub
mir, sie sind nicht erfreut. Zumal sie inzwischen bemerkt haben dürften, dass
ich dich entführt habe.“
Wyatt nickte mit dem Kopf zu den zwei Kindern. Chris drehte sich in angegebene
Richtung und musste lächeln, als er die Zwei so nebeneinander sah. „Du hast
mich also entführt? Dafür seh ich aber ziemlich unbelastet aus.“
Verächtlich schnaubte der Ältere. „Was hast du erwartet? Dass ich dich aus
deinem Bettchen reiße und verängstigt in einer Ecke hocken lasse? So nützt du
mir gar nichts.“ „So würde ich dir gar nichts nützen.“, berichtigte
Chris. Dann überlegte er. „Also, wie ich unsere Familie kenne – und das tue
ich ohne Zweifel –beziehen sie im Manor Stellung und überlegen, wie sie mich
aus deinen Klauen befreien plus dich wieder auf die Seite des Guten ziehen
können.“ Jetzt war er es, der schnaubte. „Man sollte meinen, dass man mit
fünfundzwanzig alt genug ist seinen Weg zu wählen ohne dass die Eltern
dazwischenfunken.“ „Ist man auch. Nur erklär das unseren geschätzten
Eltern inklusive unserer Tanten. Die sind nämlich auch der Meinung, dass ich
eigentlich gut bin und nur etwas Hilfe in die »richtige« Richtung brauche. Du
hättest das in Vicus‘ Versteck sehen sollen.“
„Wer ist Vicus?“
„Der Dämon, der dem zweieinhalbjährigen Wyatt den Teddy abgenommen und
verflucht hat.“
„Also der Typ, der dafür gesorgt hat, dass das -…“ Seine Handbewegung
umfasste Wyatts Gesamterscheinung. „…- aus dir wird?“
„Genau.“
„Wo ist er jetzt?“
„Vernichtet von Phoebe.“
Wissend hob Chris eine Augenbraue. „Mit etwas Hilfe von dir?“ „Wer
weiß.“
Beide mussten lachen. Und Wyatt wurde wieder daran erinnert, warum er Chris in
die Vergangenheit geholt hatte. Nur sein zwei Jahre jüngerer Bruder verstand,
wie er sich fühlte, und hielt wirklich zu ihm. Machte ihm nie Vorwürfe und
stand bedingungslos hinter ihm.
Jetzt begann Chris vor dem Tisch auf und ab zu laufen. „Die Frage ist, wie wir
es am besten anstellen. Wie vernichten wir die Mächtigen Drei?“
„Im Buch stehen bestimmt ein paar nette Vernichtungszauber drin, die Mum all
die Jahre vor uns versteckt hat.“
Ungeduldig wedelte Chris mit der Hand. „Vergiss das Buch. Alles, was da drin
steht, weiß ich auswendig. Das brauchen wir also nun wirklich nicht. Außerdem
sind sie keine Dämonen, was uns die Sache erleichtern würde. Ein
Vernichtungselixier wird nicht viel helfen. Das heißt, die einzige Möglichkeit
mit ihnen fertig zu werden ist ein direkter Kampf.“
„Ok, ich habe für heute genug von dämlicher Naivität. Glaubst du ernsthaft,
wir beamen uns ins Manor, greifen unsere Eltern und Tanten an und sie bleiben
solange friedlich sitzen bis wir sie vernichtet haben? Die werden sich wehren,
wo es nur geht. Mum hat mich schon einmal angegriffen.“
Wyatt war gereizt, was sich in seiner Stimmlage niederschlug. Jeder andere
hätte nun schleunigst die Beine in die Hand genommen und wäre gerannt wie noch
nie. Wie gesagt: Jeder andere, nur nicht Chris.
Der stand vollkommen unbeeindruckt vor seinem Bruder und hatte auch noch den
Schneid die Arme zu verschränken und tadelnd mit der Zunge zu schnalzen.
„Hältst du mich für ganz behämmert? Ich würde sie nie im Haus angreifen.
Nicht mit dem Nexus und der ganzen guten Magie um sie herum. Müssen wir auch
gar nicht. Hättest du mich ausreden lassen, wäre ich auch noch weiter
fortgefahren.“ „Dann tu es doch auch!“ „Dann unterbrich mich nicht
ständig!“, fauchte Chris und seine grünen Augen funkelten bedrohlich.
„Was ich sagen wollte ist, dass wir nur kurz im Manor auftauchen um sie in
erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen. Du hast selbst gesagt, sie werden
bemerkt haben, dass ich nicht mehr da bin. Aber bist du wirklich der Meinung,
dass sie soweit denken, dass ich auf deiner Seite stehe? Noch dazu mit
dreiundzwanzig und nicht mit …wie alt bin ich eigentlich?“
„Gerade mal ein halbes Jahr.“, brummte Wyatt.
„…Nicht mit einem halben Jahr. Mein Vorschlag also wäre es uns ins Manor zu
beamen, dort ein bisschen Staub aufwirbeln und sie so weglocken.“
Der Ältere breitete die Arme aus. „Und wohin willst du sie locken?“
„Irgendwohin wo die Kräfteverhältnisse gleich verteilt sind. Wobei ich zu
behaupten wage, dass wir zwei deutlich stärker sind als die Mächtigen Drei.
Ich mein, du bist der Zweifachgesegnete und ein paar meiner Kräfte dürften
gänzlich neu für sie sein.“
Nachdenklich nickte Wyatt. „Klingt ganz gut. Allerdings sollten wir noch ein
wenig warten. Je länger es dauert bis sie was von mir und dir hören, desto
panischer werden sie.“
„Solange sie nicht plötzlich hier auftauchen.“
„Können sie nicht. Ich habe die Höhle abgeriegelt. Wir können nach
Herzenslust Magie gebrauchen und sie können uns weder auspendeln noch orten.“
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