Unfortunately in Love von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Neue Bekanntschaften ------------------------------- Es ist ein schöner sonniger Tag. Nur ein einzelnes Wölkchen schwebt am Himmel dahin. Viele Leute sind auf der Straße und die Eisdiele an der Kreuzung ist überfüllt. Viele Behälter mussten schon nachgefüllt werden, obwohl die Eisdiele erst seit drei Stunden geöffnet hat. Mary, ein Mädchen aus der neunten Klasse, sitzt mit ihrem Freund Maik auch dort und genießt ihr Eis. Braune wellige Haare hängen von ihrem Kopf bis zu ihren Schultern, die von den Ärmeln einer weißen Bluse bedeckt sind, und ihre smaragdgrünen Augen sind von langen Wimpern umschlossen. Eine einfache Jeans bedeckt ihre schlanken Beine. Glücklich erzählt sie ihrem Freund von ihrem gestrigen Tag. Während er ihr zuhört, beobachten seine kalten blassblauen, fast sogar grauen, Augen Marys rote Lippen. Seine blonden zurückgekämmten Haare glänzen im Sonnenschein. Ein dunkeloranges Trikot verhüllt seinen durchtrainierten Körper. Nachdem die beiden aufgegessen haben, bleiben sie noch ein bisschen sitzen und unterhalten sich, bis sie schließlich aufstehen. Für den Heimweg müssen sie über die breite Straße. Sie ist stark befahren, sodass das Paar lange warten muss. Es scheint, als ob nie eine Lücke entstehen wird, wo sie dann rüberhuschen können. Als der Weg doch endlich frei ist, läuft Maik los, Mary zögernd hinterher. Sie hat immer Angst, wenn es darum geht eine Straße zu überqueren, denn ihr Vater ist so gestorben. Plötzlich rast ein weißer Bulli um die Ecke, während Mary mitten auf der Straße steht. Sie kann sich vor Schock nicht mehr bewegen. Ihre Muskeln gehorchen ihr nicht mehr. Todesangst erfüllt ihren Körper. Sie hört nicht mal das Hupen des Autos, das nicht rechtzeitig halten kann. Mary sieht ihr Ende kommen. Es ist aus. Ihr ganzes Leben rast vor ihrem inneren Augen vorbei. Nichts kann ihr mehr helfen. Sie denkt an ihre Familie und Freunde. Wie werden sie reagieren? Auf einmal packt sie etwas und zieht sie weg. Der Bulli fährt um Haaresbreite an ihr vorbei. Immernoch geschockt starrt das Mädchen dem Auto hinter her. Alles ging so schnell. Langsam dämmert ihr es, als sie eine Stimme hinter ihr hört: »Alles in Ordnung?« Mary dreht sich verwundert um. Die Stimme gehört einen gut gebauten Jungen mit dunkelbraunem Wuschelhaar. Seine himmelblauen Augen schauen sie besorgt an. Er war es, der sie von der Straße zog. Er hat sein Leben für ihres geopfert. Mary ist erstaunt, dennoch glücklich. »D-Dankeschön, du hast mir das Leben gerettet!« stammelt sie. Die Wangen des Retters eröten bei diesen Worten und er bringt nur zögernd eine Antwort hervor: »B-B-Bitte! I-Ich bin J-Jake! Du...?« »Mein Name ist Mary...« antwortet sie auf Jakes Frage. Plötzlich hört das Mädchen Maiks Stimme: »Hey...Mary...Wer ist das?!« Sie hat ihren Freund schon ganz vergessen. Er hatte nicht gemerkt was passiert ist und ist weitergelaufen. Schließlich kam er doch noch zurück. Er starrt Jake mit einem abschätzendem Blick an, weshalb Mary ihm alles erzählt. Trotzdem behält Maik noch immer seine finstere Miene. Da erkundigt Jake sich bei Mary, wer der Typ überhaupt sei. Bevor sie etwas sagen kann, antwortet Maik in einem herablassendem Ton: »Ich bin ihr Freund, also Pfoten Weg!« Jetzt erwidert Jake Maiks feindliche Blicke sogar. Mary versteht die Welt nicht mehr. Was haben die Jungs bloß? Freut sich denn niemand, dass sie noch lebt? »Ich finde, du solltest dankbar sein, Maik.« »Pah! Der Typ bekommt nichts von mir!« »Wieso bist du heute so unhöflich? Er hat mir das Leben gerettet! Liebst du mich etwa nicht mehr?« Mary ist den Tränen nah. Das war heute einfach viel zu viel von einmal. »Was soll diese Frage? Du kennst die Antwort doch,« sagt er das Mädchen umarmend. Doch das "Danke", das er danach Jake vor die Füße wirft, is voller Spott. Sie kann den Sturkopf einfach nicht ändern. »Komm, gehen wir« fordert Maik seine Freundin auf und zieht sie an der Hand weg. Sie blickt noch einmal zurück und erkennt Jake, der traurig winkt, bevor er sich umdreht und seines Weges geht. Mary läst die Hand ihres Freundes los und bleibt stehen, worauf Maik auch halt macht. »Was ist los?« fragt er genervt, als er ihre verärgerte Miene sieht. »Das war sehr unhöflich! Er hat mir das Leben gerettet. Du solltest dankbar sein! Ist dir klar, dass ich jetzt tot sein könnte? Was hättest du da-« »Ist doch egal.« »Unterbrich mich nicht!« Jetzt ist sie nur noch wütender. »Was ist heute los mit dir? Sonst bist du doch auch nicht so. Bin ich dir etwa nichts mehr wert? Wäre es dir lieber, wenn ich tot wäre, überfahren von einem Auto, genau wie mein Vater? Du hättest dir sicher einfach eine Neue geholt. Keine Träne hättest du wegen mir verloren!« Jetzt schießen Tränen in ihre Augen. Mary dreht sich um, damit Maik es nicht sieht. »Mary...« Maik möchte etwas erwiedern, aber siene Freundin unterbricht ihn. »Es ist aus!« schreit sie und rennt davon. Hinter ihr hört sie Maik: »Mary! Warte!« Sie weiß, dass er schneller ist, als sie, aber sie hat keine Lust mehr auf ihn. Die Flüchtende überlegt, was sie tun soll, schließlich biegt sie in die Fußgängerzone ab. Sie ist voll von Menschen, sodass es schwer ist hier jemanden zu finden. Ihre Idee verfehlt nicht ihre Wirkung. Schon bald hört sie seine Stimme nicht mehr rufen. Er hat es aufgegeben. Erschöpft setzt sie sich auf eine Bank am Straßenrand und denkt an die heutigen Erlebnisse. Es ist viel passiert. Zuerst wurde sie fast überfahren, dann hat sie einen netten Jungen kennen gelernt und jetzt auch noch der Streit mit Maik. Das alles muss sie erstmal verarbeiten. Dabei ist der Tag doch so schön angefangen. Vom ganzen Rennen bei dieser Hitze hat sie Durst bekommen. Deswegen läuft sie zum nächsten Supermarkt, um sich eine Flasche Wasser zu holen. Kurz vorm Eingang bleibt sie stehen. Da ist jemand. Jemand, den sie kennt. »Jake!« Die Person dreht sich um. Es ist wirklich Jake. Er hält eine Einkaufstüte in der Hand und kam grade aus dem Supermarkt. »Mary?« Verwundert guckt er sie an. »Hallo!« ruft das Mädchen lächelnd und geht auf ihn zu. »H-Hallo. Wa-Was machst du denn hier?« fragt er sie überascht. »Was wohl? Ich will mir etwas kaufen.« lacht Mary. »Ja. Natürlich« äußert er verlegen. »Wie dumm von mir.« »Nochmal Danke für deine Aktion grade und ich wollte mich auch für das Verhalten von Maik entschuldigen. Manchmal ist er einfach blöd.« »K-Kein Problem.« »Naja...man sieht sich!« »Ja, tsch-tschüss!« Mary verschwindet im Laden, während sie Jakes Blick immer noch im Rücken spürt. Sie läuft die Regale entlang bis sie die Wasserflaschen findet. Nachdem sie die Preise verglichen hat, nimmt sie die billigste heraus und schlendert gedankenverloren zur Kasse. Die Schlange ist lang. Als Mary endlich dran kommt, merkt sie es erst gar nicht, weil sie durch die ganzen Erlebnisse des heutigen Tages total zerstreut ist. Auf dem nach Hause Weg läuft sie in der Fußgängerzone an den vielen Läden vorbei und schaut sich die Sachen in den Schaufenstern an. Als sie an einem Marken-Laden vorbei geht, seufzt sie: »Die Sachen sind so hübsch, aber ich kann mir sowas nicht leisten.« Traurig läuft sie weiter. Plötzlich wird sie aus ihren Gedanken hoch geschreckt. Sie kapiert nicht sofort, was das für ein Geräusch ist oder woher es kommt, so war sie in ihren Gedanken vertieft. Das ist ihr Handy! Schnell zieht sie es aus ihrer Hosentasche. Es ist Maik... Eigentlich will sie nicht dran gehen. Sie will wütend auf ihren Freund sein. Doch sie kann das Klingeln nicht aushalten. Es zerreißt ihr das Herz. »Ich bin viel zu gütig,« denkt sie, als sie auf den "Annehmen"-Knopf drückt. »Hallo? Mary, wo bist du? Deine Mutter macht sich sorgen.« Maiks Stimme klingt neutral. »Ja und? Du machst dir keine Sorgen? Ich wusste es! Du bist ein egoistisches Schwein!« Sofort legt Mary auf. Er ist unmöglich! Das Handy klingelt wieder. Mary schaltet es auf Stumm, dass sie das nicht hören muss und beeilt sich nach Hause zu kommen. In der Haustür steht schon ihre besorgte Mutter. Sie sieht fast so aus wie eine ältere Version von Mary. Ihre Haare sind etwas länger und zu einem Zopf zusammen gebunden. Das Gesicht bekommt schon Anzeichen von Falten. »Mary! Wo warst du? Maik hat angerufen. Wolltest du nicht mit ihm weg? Ist was passiert?« »Nicht so viele Fragen von einmal! Wir hatten nur einen kleinen Streit. Mir geht es gut.« Mit diesen Worten stürmt Mary in ihr Zimmer und schmeißt sich aufs Bett. Die Tränen kommen wieder. Als sie ihr Handy rausholt, werden acht verpasste Anrufe angezeigt. Vielleicht meint er es doch ernst. »Was soll ich bloß machen?« Verzweifelt starrt sie ihr Handy an. Schließlich entscheidet sie sich ihn nicht anzurufen, aber den nächsten Anruf von ihm anzunehmen. Sie wartet und wartet. Doch es kam keiner. Mary ist enttäuscht. Innerlich hat sie gehofft, dass er anruft. Auf einmal klingelt es an der Tür. Sie hört zwei Stimmen. Die Erste gehört ihrer Mutter. Bei der Anderen ist sie sich nicht sicher. Es ist eine männliche Stimme. Vielleicht Maik oder vielleicht Jake? Nein, woher sollte Jake wissen, wo sie wohnt? Mary schleicht zur Tür und öffnet sie einen Spalt. Noch mehr Enttäuschungen. Als sie lauscht, hört sie, dass es nur der Postbote ist. Also dreht sie ihr Radio auf und fängt an zu zeichnen. Sie zeichnet ganz unbewusst, weil sie sich wieder in ihren Gedanken verloren hat. Als sie fertig ist, merkt sie erstaunt, dass sie Maik auf das Papier gebracht hat. Wütend auf sich selber zerknüllt sie das Papier und wirft es hinter sich. Mary seuftzt auf: »Ich muss den Trottel hinter mich lassen, wie das Stück Papier.« Jemand öffnet ihre Tür und tritt ein. Zu erst beachtet sie es gar nicht, weil sie denkt, dass es ihre Mutter ist. »Was ist?« fragt sie genervt und dreht sich um. Da merkt sie erstaunt, dass es jemand anderes ist. Sie schaltet ihr Radio aus, während sie ruft: »Maik! Was machst du hier?« Ihr Ex steht in ihrem Zimmer und hält einen Rosenstrauß in seiner Hand. Ihre Lieblingsblumen! Wahrscheinlich hat Mary das Klingeln wegen der Musik überhört. »Verzeih mir, Mary!« Er hält ihr die Blumen hin. Mary hat sofort alles vergessen und will zugreifen, aber dann fällt ihr ein, wieso sie zerstritten sind und sie zieht ihre Hand doch wieder zurück. »Wieso sollte ich?« Da bemerkt sie im Spiegel, dass man immer noch deutlich sieht, dass sie geweint hat. Dabei wollte sie gerade in diesem Moment stark wirken. »Komm schon! Ich will dich nicht verlieren.« Mary würde das gerne tun, aber wieso? Sie ist wieder verzweifelt, wie so oft an diesem Tag. Ihre Liebe ist noch nicht erloschen. Schließlich greift sie doch noch zu. Maik ist sichtlich zufrieden. Sofort umarmt er sie und das Paar küsst sich. »Du wirst dich aber bessern, versprochen?« »Natürlich. Alles wieder gut?« »Ja. Ich liebe dich.« »Ich weiß.« flüstert er, während er Mary über den Kopf streicht. Als die beiden sich wieder trennen, fällt Maiks Blick auf das Papierkneul am Boden. Ohne zu fragen, hebt er es auf. Mary wollte ihn noch aufhalten, aber es ist zu spät. Erstaunt blickt er seine Freundin an: »Du hast ein Bild von mir gemalt?« Ihr Gesicht wird knallrot. »Das ist gut geworden. Wieso hast du es so zerknüllt?« fragt er, während er es wieder glatt streicht. »Ich war eben wütend auf dich. Außerdem war das unbewusst!« »Wie süß.« lacht Maik. »Hey!« Mary haut ihrem Freund leicht gegen den Arm. Die beiden haben sich wieder vertragen. Die Rosen bekommen einen Extra-Platz in Marys Zimmer und sie liegt glücklich in den kräftigen Armen ihres Freundes, in Gedanken ist sie aber immer noch bei Jake. Die Sonne nähert sich immer mehr dem Horizont, der Himmel färbt sich rosa und die Vögel draußen zwitschern vergnügt vor sich hin. Was für ein Tag! Kapitel 2: Schule ----------------- »Jake! Wach auf!« Jake's Mutter steht vor dem Bett ihres Sohnes und rüttelt ihn wach. Sie ist grade erst aufgestanden. Deshalb stehen ihre blonden zerzausten Haare in alle Richtungen ab. Ihr Schlafanzug ist blau weiß gestreift. »Mh? Was ist denn los?« Verschlafen blickt Jake durch die Gegend, um sich zu orientieren. Er hat wahrscheinlich den Wecker überhört, der normalerweise um Viertel vor Sieben klingelt. »Beeil dich, sonst kommst du noch zu spät!« Warnt seine Mutter, beim Verlassen des Zimmers. Jake streckt sich zuerst und gähnt ausgiebig. Erst dann guckt er auf die Uhr, die auf seinem Nachttischchen neben einer Lampe steht. Viertel nach Sieben. Schon so spät?! Plötzlich ist Jake hellwach. Er möchte nicht gleich an seinem erstem Schultag zu spät kommen. Der erste Eindruck zählt! Ruckzuck zieht er eine dunkle Jeans und ein dunkelblaues Oberteil an, rennt nach unten und stopft sich ein Brot in den Mund, das seine Mutter schnell geschmiert hat, als er sich gewaschen hat. Während er dabei ist seine Schuhe anzuziehen, will sein Vater auch grade los zur Arbeit. Diesem fällt auf, dass Jake seinen Pullover falschrum angezogen hat. Schnell dreht er ihn richtig, holt sein Fahrrad und springt auf. Da bemerkt er, dass er seine Schultasche vergessen hat. Jake stürzt wieder zurück ins Haus und greift nach seiner Tasche, die friedlich im Flur steht. Bevor er losfährt, überlegt er noch einmal, ob er was vergessen hat. Ihm fällt nichts ein, also rast er davon. Jake erwischt grade noch den überfüllten Bus. Es ist sehr laut dort. Unzählige Stimmen quasseln durcheinander. Ganz anders, als in dem kleinen Dorf, wo Jake früher gewohnt hat. Seine Familie ist erst vor kurzem in die Großstadt gezogen. An den Lärm und die ganzen Menschen muss er sich noch gewöhnen. Nach langem Suchen entdeckt der Junge doch noch einen leeren Platz am Fenster. Er schaut während der Fahrt nach draußen und versucht den Lärm zu ignorieren. Schon früh morgens sind die Straßen von Menschen überfüllt und auf dem Asphalt herrscht Berufsverkehr. Graue Hochhäuser ziehen an ihm vorbei. Langsam werden die Wolkenkratzer von kleineren Gebäuden ersetzt. Warum muss Jake unbedingt auf eine Schule gehen, die am Rand der Stadt liegt? Auf einmal muss er an Mary denken, als der Bus an der Kreuzung, wo er das Unglück verhindert hat, vorbei fährt. Er möchte sie wieder sehen. Sehnsucht breitet sich in seinem Körper aus. Vielleicht sieht er sie nie wieder. Daran möchte er erst gar nicht denken. Der Bus hält an, aber nicht vor der Schule sondern vor einer weiteren Haltestelle. Viele Kinder drängen in den engen Raum und halten Ausschau nach freien Plätzen. Was für ein Chaos! Ein Junge, ungefähr in seinem Alter setzt sich neben ihn. Seine Haare sind kurz. Er trägt ein rotes T-Shirt und ein kurze Jeans. Jake begrüßt ihn nur kurz und er nickt zurück, aber eine Unterhaltung wird nicht ausgeführt. Er ist glücklich, als er endlich am Ziel ist, endlich an der frischen Luft und nicht in einem engen stickigem Raum. Vom Busbahnhof aus kann man die Schule aber nicht sehen. Verwirrt schaut er sich um. Er bemerkt dass alle einen kleinen Weg lang laufen. Dort muss die Schule sein. So ist es doch noch ein Vorteil, dass viele Menschen an einem Platz sind. Man muss ihnen nur folgen. Der Pfad geht durch einen kleinen Wald, doch durch die Stämme kann man schon das Schulgebäude sehen. Es ist komplett von dem Wald umgeben. Die Bäume stehen aber weit voneinander entfernt und der größte Teil wurde schon von Häusern verdrängt. Die Schule ist riesig. Wie soll Jake sich da bloß zu recht finden? In der ersten Stunde hat er Mathe. Wie langweilig! Verzweifelt irrt er durch die Gänge. Er hat die Zahl des Raumes und die Wege sind teilweise ausgeschildert, aber er weiß einfach nicht, wo lang. Hoffnungslos fragt er jemanden nach dem Weg. Mit der Erklärung findet er tatsächlich noch den Raum. Als er vor der Tür steht, ist niemand dort. Zuerst denkt er, dass er sich vertan hat, aber er hört Stimmen von der anderen Seite der Tür. Vielleicht ist er der Lehrer schon da. Vielleicht ist er doch noch zu spät. Könnte er das Klingeln überhört haben? Schließlich klopft er an der Tür und öffnet sie. Erleichtert sieht er, dass der Unterricht noch nicht angefangen hat. Alle Augen sind auf ihn gerichtet und die Stimmen der Schüler verklingen nach und nach. Jake wird knallrot. Auf einmal durchbricht das Klingeln die Stille und ganz pünktlich tritt der Lehrer in das Zimmer, besser gesagt: Die Lehrerin. Erstaunt starrt Jake sie an. Er hat einen alten langweiligen Mann erwartet. Aber ihr schwarzes Haar ist hinten in einem Zopf zusammen gebunden und Kastanienbraune Augen erwidern den Blick des neuen Schülers. Sie ist noch jung, aber ihre dominante Ausstrahlung bringt auch den Rest der Klasse zum Schweigen. Die Lehrerin lächelt Jake an:»Du musst der Neue sein. Ich bin Frau Schmidt , die Klassenlehrerin. Ich unterrichte Mathe und Kunst. Am Besten ist es wenn du dich selber vorstellst.« Ohne irgendetwas erwidern zu können, wird Jake von ihr neben das Pult geschoben und von der ganzen Klasse gespannt angeguckt. Die Lehrerin begrüßt die Schüler, worauf sie im Chor mit: »Guten Morgen, Frau Schmidt.« antworten. »Ab heute können wir einen neuen Schüler in unserer Klasse begrüßen. Bitte, seid nett zu ihm.« »Hallo, ich bin Jake Aufembaum und-« Er ist schon nervös genug, aber einige lachen über seinen Namen und als sein Blick durch die Klasse schweift, entdeckt er auf der Fensterseite Mary zwischen ein paar anderen Mädchen sitzen, die ihn angrinsen. Wahrscheinlich wissen sie schon von der Rettung. Als Mary Jakes Blick bemerkt formen sich ihre Lippen zu einem wunderbarem Lächeln. Er gerät ins Stocken: »und i-ich freu mich, ab - ab heute in d-diese Klasse gehen zu dürfen.« »Gut, Jake, setzt dich bitte...wo ist denn ein freier Platz?« Frau Schmidt schaut durchs Klassenzimmer. »Ach, da! Setzt dich bitte neben Kevin.« sagt Frau Schmidt, während sie auf einen leeren Platz in der hintersten Ecke verweist. Überrascht bemerkt Jake, dass Kevin der Junge ist, der sich im Bus neben ihn gesetzt hat. Die Lehrerin fährt fort: »Er wird dir dann auch helfen, wenn du fragen hast. Du kannst natürlich auch meine Kollegen und mich um Hilfe bitten. Wir beißen nicht.« Mit einem Nicken verschwindet Jake auf seinen Platz. Im Unterricht passt er gar nicht auf, weil er seine Augen kaum von Marys zarter Gestalt wenden kann. Ihre smaragdgrünen Augen schauen aufmerksam nach vorne, wenn die Lehrerin etwas erklärt. Eifrig schreibt sie die saubere Schrift von der Tafel ab. Manchmal hebt sie eine ihrer graziösen Hände schüchtern in die Luft und wenn sie dann dran kommt und ihre liebliche Stimme in Jakes Ohren klingt, hält er die Luft an. Als sie etwas Falsches gesagt hat, erröten ihre weichen Wangen leicht, was Jake sehr süß findet. »Stehst du auf Mary?« Kevins Stimme schreckt Jake hoch. »Hä? Was? Nein, tu ich nicht!« lügt dieser. »Leugnen ist zwecklos! Du bist total verknallt.« Jake öffnet den Mund um etwas zu erwidern, doch Kevin redet einfach weiter:»Aber pass auf! Sie hat 'nen Freund. Der macht dich platt, wenn er dich mit Mary sieht.« »Ich weiß. Ich bin ihm schon begegnet und er hasst mich.« Ein Seufzer entrinnt Jakes Lippen. »Du hast Glück, dass er nicht auf diese Schule geht, aber er kommt manchmal hier her, wenn er frei hat oder sie abholt. Deshalb solltest du hier nichts Leichtsinniges tun.« Da klingelt es auch schon und alle packen ihr Sachen zusammen. »Wieso packen alle?« fragt Jake Kevin. »Wir haben jetzt Bio und müssen dazu in einen Fachraum.« »Und wo liegt der?« »Folge einfach der Menge!« Das Tat Jake dann auch. Der Raum liegt zwar, wie der Klassenraum, im zweiten Stock, aber sie müssen trotzdem zuerst eine Treppe runter und dann eine andere wieder hoch,weil der Fachraumtrakt abgesehen von einem kurzen Gang vom anderen Teil des Gebäudes getrennt ist. Dort taucht Mary neben Jake auf: »Hey!« Sie lächelt ihn wieder mit ihrem bezauberndem Gesicht an. »H-Hey!« »Ich war echt erstaunt, als du plötzlich reinkamst.« »D-Das war ich auch.« »Wieso bist du erst jetzt gekommen? Das Schuljahr hat doch schon lange angefangen.« »Mein Vater hat hier einen gut bezahlten Job gefunden, deshalb sind wir hier her gezogen. Ursprünglich wollten wir in den Sommerferien umziehen, damit ich mich besser in der Klasse einleben kann, aber das hatte sich dann aber in die Länge gezogen, weil wir einige Probleme mit der Haussuche bekommen hatten.« »Achso - das ist ja blöd. Naja, tschüss!« Und sie verschwand wieder mit ihrem süßen Lächeln. In der Biostunde wird Jake in die erste Reihe gesetzt, sodass er Mary nicht, ohne dass sie es bemerkt, ansehen kann. Deshalb passt er im Unterricht sehr gut auf und versteht sogar, was der Lehrer erklärt. In der Mittagspause hält sich Jake zu Kevin, weil es viel zu auffällig wäre, wenn er zu Mary ginge. Kevin zeigt dem Neuen die Schule. Unterwegs treffen sie ein paar Klassenkameraden, die ihn wegen der Aktion am vorherigen Tag ausfragten. Kevin ist ungläubig:»Hast du das wirklich getan?« »Ja, meinst du, ich lüge?« »Nein, du siehst nicht so aus, aber ich kenn dich ja auch erst seit heute. Man kann nie wissen.« antwortet Kevin grinsend. Nach einer kurzen Pause redet er weiter:»Wow, das ist ja schon fast 'ne richtige Heldentat!« »So tapfer, wie ihr denkt, war es garnicht. Ihr übertreibt alle!« Jake wird rot. Da kommt Kevin ein Gedanke:»Vielleicht hast du doch noch gute Chancen bei ihr.« Auf sein blödes Grinsen antwortet Jake nur mit einem bösen Blick. Gut, dass die beiden inzwischen weiter gegangen sind. So konnten die anderen Mitschüler den Wortwechsel nicht hören. Die Nachricht des "Beinahe-Unfalls" verbreitet sich schnell und schon in der zweiten großen Pause starren viele Jake an. Finger weisen auf ihn, um den Freunden zu zeigen wie der Retter aussieht. Es wurden sogar Gerüchte über Jake verbreitet. Ihm war das peinlich. Er mag es einfach nicht, allzu sehr im Mittelpunkt zu stehen. Auch als Jake nach der Schule durch den Gang im Bus geht und nach einem Platz Ausschau hält, spürt er gefühlte tausend Blicke auf ihn gerichtet. Deswegen setzt er sich möglichst weit hinten am Ende des Buses hin. Kevin ist diesmal nicht dabei, weil er noch eine AG hat. So muss Jake alleine nach Hause fahren. Er sieht vom Fenster aus, dass die letzten Kinder einsteigen. Des Bus startet schon den Motor. Da merkt er, dass sich jemand neben ihn setzt. Er dreht sich um und entdeckt erstaunt Mary. »Hi!« Wieder dieses wunderbare Lächeln. Zwei Schüler aus der Parellelklasse sitzen in der Nähe und fangen auch sofort wieder an über die beiden zu tuscheln, aber Jake hat nur Augen für Mary. »Hallo, w-was machst du den hier?« »Heute fährt niemand in diesem Bus mit, den ich kenne. Da hab ich dich gesehen und hab mich entschieden zu dir zu setzten. Hattest ja noch einen freien Platz neben dir.« »Wieso bist du dann nicht heute Morgen mitgefahren?« »Normalerweise, fahr ich mit dem Fahrrad zur Schule. Doch meine Kette ist eine Straße von meinem Haus entfernt gerissen. Ich musste wieder zurücklaufen. Es war also schon zu spät um den Bus zu erwischen.« »Achso, fährst du denn morgen auch noch mit dem Bus oder wieder mit dem Fahrrad?« »Wahrscheinlich mit dem Bus. Mal sehen ob ich heute noch Zeit bekomme das Fahrrad zu reparieren.« Eine erfreuliche Nachricht für Jake. »Du machst das selber? Bei mir macht das meistens mein Vater.« »Ja – M-mein Vater ist tot.« Sie dreht den Kopf weg, aber Jake kann grade noch sehen, dass ihre Augen feucht werden. Sie wischt sich schnell mit der Hand eine Träne weg. Jake möchte etwas sagen, aber er weiß nicht was. Bedrückt schaut er zu Boden. Die Stille zwischen den beiden ist nicht auszuhalten. »Mary...?« Jake zieht ein besorgtes Gesicht. Mary dreht sich um: »Schon OK. Mir geht's gut.« Sie zwinkt sich ein lächeln auf:»Ich kann auch nichts daran ändern.« Aber Jake bleibt besorgt. Er wünscht sich, er hätte niemals dieses Thema angesprochen. Die nächsten Minuten vergingen im Schweigen. Aber Mary wird es unerträglich und sie beginnt ein Gespräch, das anhält, bis sie aussteigen muss. Jake guckt ihr noch nach, als sie draußen steht. Mary bemerkt den Blick und dreht sich in die Richtung des Beobachters, der knallrot wird. Sie winkt ihm noch einmal zu und er zurück. Dann geht sie ihres Weges. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)