white's day von Mamura (refiction) ================================================================================ one month later --------------- Ich sah auf das Display meines Handys und tippte ungeduldig mit der Spitze meines Fußes auf einer Zigarettenkippe herum. Ob es richtig wäre ihn jetzt schon anzurufen, schließlich hatte er versichert pünktlich zu sein. Aber wirklich spät war er auch noch nicht, gerade einmal zehn Minuten. Vielleicht hatte eine U-Bahn Verspätung oder ihm war noch Etwas dazwischen gekommen. Und wenn er doch nicht kam? Ich strich mir durchs Haar und versuchte, indem ich meinen Mantelkragen hochschlug, den aufkommenden Märzwind abzuwehren. Eigentlich mochte ich diese Jahreszeit, wenn ich an mein warmes Zimmer dachte, dass ich nicht verlassen brauchte. Doch ich stand hier, in der Innenstadt, beobachtete die Menschenmassen. Wie sie an mir vorbei rauschten, um letzte Einkäufe vor Ladenschluss zu besorgen. Ich wich einer Frau mit Kinderwagen aus und beschloss meinen Warteplatz um wenige Meter unter einen schmal gewachsenen Baum zu verlagern. Von hier aus könnte ich ihn noch immer sehen, wenn er das Monument in der Mitte des Forumsplatzes erreichte. Wenn er überhaupt kam. Meine Gedanken fanden zurück zu der Person, die ich gleich treffen würde – oder auch nicht. Es war auf den Tag genau einen Monat her, dass wir uns das erste Mal getroffen hatten und auch unser erstes Date war am 14.Februar nicht gerade unspektakulär geblieben. Nicht, dass wir abens noch groß etwas unternommen hätten (wir waren beide keine großen Outdoor-Menschen). Wir hatten uns gegen acht getroffen, nachdem ich meine Sonderschicht in dem Blumenladen meiner Mutter abgesessen hatte, und waren in eines der Diner am Stadtrand gefahren. Haben geredet und die Zeit verbummelt. Was daran besonders war? Da war für mich einmal die Sache jemanden kennenzulernen, der auch noch auf mich zu kam, und zum anderen die Tatsache, dass wir uns unterhalten konnten. Ich redete gern, aber nicht mit Fremden. Denn im Angesicht dessen, dass wir uns erst einige Stunden zuvor getroffen hatten, strahlte er eine gewisse Aura aus, die mich von Grund auf auflockerte. Allerdings war es dabei geblieben. Wir sind zu mir nach Hause gefahren und haben uns an der Tür verabschiedet. Richtig verabschiedet. Mit Kuss und so. Ich spürte wie jedesmal eine angenehme Wärme meine Wangen flutete, wenn ich daran zurück dachte, und es stellte einen willkommenen Kontrast zu der Kälte des Windes dar. Nachdem ich ihm geschrieben hatte, dass ich mich gerne noch einmal mit ihm treffen würde, hatte es nicht einmal einen halben Tag des Wartens gebraucht, bis er mir geantwortet hatte (ohne nachzufragen warum ich ihm erst einen Monat später schrieb). Doch heute würden wir tatsächlich auch etwas unternehmen. Zwar hatte ich mich nicht ausführlich über den Film informiert, den wir gleich ansehen würden, aber mein Bruder war der Ansicht, der Film wäre „sehenswert“ – was etwas heißen sollte, er war der beste Filmkritiker, den ich kannte. Eigentlich mochte ich eher Thriller, Superhelden- oder Horrorfilme, mehr als diese Weltuntergangsdramen, aber da im Moment kaum etwas besseres lief und es für die 'ab 18'-Filme noch zu früh war, blieben wir eben bei diesem Stück. Ob es ihm gefallen würde? Ich hatte eigentlich keine Lust darauf, dass er sich langweilte, das wäre wohl der unnötige Stimmungskiller hoch zehn, ähnlich wie eine Gesprächspause – die nicht einmal bei unserem ersten Treffen entstanden war, da unsere Interessen stark übereinstimmten. Vielleicht sollte ich an Seelenverwandtschaft glauben, oder etwas ähnliches, aber bei ihm? Dafür fand ich ihn viel zu interessant. Hieß es nicht, dass Seelenverwandte nie über eine platonische Liebe hinaus fänden? Wäre mir das denn zu wenig? All diese Gedanken, die ich am liebsten einfach abgeschossen hätte, überschatteten schon seid Tagen mein Denken. Seid ich beschlossen hatte zu tun, was ich gerade tat. Es war nicht so, dass ich diesen Jungen hätte vergessen können, aber doch war es mir die letzten Wochen noch recht gut gelungen es als 'einmaliges Erlebnis' abzustempeln. Es war der innerliche Drang, der so stark geworden war, dass ich fast unterbewusst gesteuert die SMS an ihn geschrieben hatte. Mit einer Antwort darauf hatte ich nie im Leben gerechnet. Ich war froh, dass der Frost um mich herum auch mein Denkvermögen weitest gehend eineiste und ich somit nicht noch tiefer in das Loch aus Selbstzweifel fallen konnte. Und doch war ich so versunken, dass ich kaum merkte, wie sich eine Hand auf meine Schulter legte und jemand ein knappes: „Hi“, nuschelte. Ich wandte mich herum und zog die Augenbrauen hoch, als hätte ich jemand anderen erwartet. Es musste schlimm sein von mir so angesehen zu werden, aber ich fragte mich im ersten Moment wirklich, ob die Person, die mich da ansprach, sich in mir geirrt hatte. Gott, diese Augen könnten töten – so schön waren sie. Ihr Anblick lähmte mich. Ich zwang mich zu einem Lächeln. Es war kaum zu übersehen, dass sich mein Gegenüber geirrt hatte. Ich war nicht der, den er suchte. Hoffentlich ging er einfach weiter, ohne etwas zu sagen. Er brauchte sich für den Irrtum nicht einmal zu entschuldigen. Es war schon in Ordnung. Ich würde einfach noch etwas länger warten. „Alles klar bei dir?“ fragte mich der Junge und ich strich mir beschämt die Haarsträhne hinters Ohr. Hatte ich nicht gewollt, dass er einfach weiter geht, ohne etwas zu sagen. Seine Stimme zerschnitt allerdings ein dickes Band der Zweifel in meinem Kopf. „Frank?“ fragte mein holbrige Stimme und er lachte. „Gerard?“ fragte er zurück, als hätten wir uns zum ersten Mal gesehen, doch für mich war es ziemlich ähnlich. Ich hatte wirklich sicher gehen wollen, ob der Richtige vor mir stand. Für ihn war es natürlich selbstverständlich. Wo waren nur seine zerschlissenen Klamotten, seine stubbeligen Haare, sein müder Blick. Vor mir stand das ungetrübte Ebenbild eines etwas klein geratenen Halbgottes. Ich zwang meinen Mundwinkel in seiner Fassung zu bleiben. Frank trug einen pechschwarze Lederjacke und Hosen, die seine schlanken Beine betonten. Er schnippste den Stummel seiner Zigarette in einen nahen Gulli. Seine Fingernägel waren sauber, seine Hände vor der Kälte von fingerlosen Handschuhe bedeckt. Seine stechend grünen Schuhe und der farblich passende Schal, fielen mir nicht so sehr auf wie das Kunstwerk, dass er mit seinen Haaren veranstaltet hatte. Das bei unserem letzten Treffen herausgewachsene Magenta an den Seiten hatte er nachfärben lassen und kurzgeschoren. Der schwarze mittlere Teil war zu etwas gestylt, dass ich auf die Schnelle mit einer Fischflosse vergleichen würde. Ich wünschte mir, ich hätte die Gedult meine Haare derart aufwendig zu bearbeiten. „Gerard?“ fragte er erneut und da es jetzt langsam wirklich blöd wurde, zog ich mir die Kapuze meines Hoodies herunter und enthüllte mein grässliches Gesicht. Als müsste ich ihm beweisen, dass ich es auch wirklich war. „Hast du lange gewartet?“ wollte er wissen und ich überlegte noch kurz, warum er nicht schreiend davon gelaufen war, bis ich endlich auch etwas heraus bekam. „Nein“, ich schüttelte den Kopf und vergrub meine zitternden Hände noch tiefer in den Hosentaschen. Er musste ja nicht wissen, dass ich extra eine halbe Stunde früher gekommen war, aus Angst zu spät zu sein – was durchaus hätte passieren können. „Gut, ich hab mich echt bemüht pünktlich zu sein“, er sah auf seine Armbanduhr. „Was mir auch erstaunlicher Weise gelungen ist.“ Wieder lachte er und ich sah auf meine Handyuhr, als mir wieder einfiel, dass ich sie zehn Minuten vor gestellt hatte. Gut, dass ich Frank nicht angerufen hatte, das wäre ziemlich peinlich geworden. Wir machten uns, nach dieser missglückten Begrüßung, sofort auf den Weg zum Kino, das im nächsten Ortsteil lag, etwa eine Viertelstunde mit der Bahn. Ich bemühte mich zu schweigen. Es war mir schrecklich unangenehm, dass ich mich so dämlich angestellt hatte. Frank schien das nicht wirklich gestört zu haben. Er schwieg zwar auch, aber nicht auf eine bedrückende Art. Er hatte wieder diese Unbeschwertheit, die mir bereits bei unserer ersten Verabredung aufgefallen war. Vielleicht war es auch das, was mir bei unserem ersten Treffen sofort aufgefallen war. Ich wusste noch nicht viel über ihn, aber genug, um zu wissen, dass er kaum etwas zu lachen hatte. Seine Mutter war kaum zu Hause und hatte ihn allein aufgezogen. Er war Einzelkind und verdiente sich sein eigenes Geld, um über die Runden zu kommen. Wie oft ich auch unzufrieden mit meinem Leben gewesen war, mir war durchaus bewusst, dass Frank mehr auf der Seele hatte, als man ihm ansehen konnte. „Warst du in letzter Zeit oft im Kino?“ wollte er wissen, als ich auf den Fahrkartenautomat einprügelte, weil die Schaltfläche in schäbigem Zustand war und meine Eingaben nicht annehmen wollte. Ich wusste kaum auf was ich mich als erstes konzentrieren sollte und ließ kurz von dem Gerät ab, um ihm zu antworten. „Nicht wirklich“, das war eine meiner Standartantworten, um der Tatsache aus dem Weg zu gehen, dass ich eigentlich nie weg ging und im Moment auch, um ihm nicht sagen zu müssen, dass ich gar niemanden hatte, der mit mir ins Kino gehen würde. Sicher, mein Bruder vielleicht, aber an sich. Es war an sich ja auch schon etwas anderes mit Frank ins Kino zu gehen. Es war angenehm mit ihm unterwegs zusein. Es hatte einen anderen Charakter. Es war fast wie ein Date. Mein Herz sackte wieder in meine Hose und ich widmete mich dem Automaten, um Frank nicht ansehen zu müssen. „Klappt das?“ fragte er und beobachtete mich scheinbar ziemlich genau bei meinem Tippen, was mich noch nervöser werden ließ und ich kam mir wie ein Trottel vor, dass ich mir nicht einmal eine Fahrkarte ziehen konnte, ohne an der einfachen Technik zu scheitern. „Komm ich mach das, die Bahn kommt gleich“, drängte mich mein Begleiter, schaute mir über die Schulter und tippte auf der Schaltfläche ein, wohin wir fahren wollten. Der Geldschlitz klickte und ich warf meine Münzen ein. Kurz darauf fuhr auch wirklich die Bahn ein. Drinne war es so voll, dass wir stehen musste. Allerdings war die Stecke nicht allzu weit, jedenfalls hoffte ich das. Ich hasste es in der U-Bahn zu stehen, es war quasi vorprogrammiert, dass ich auf die Nase fliegen würde, wenn wir losfuhren. Daher krallte ich mich an die Haltestande und versuchte meine Anspannung zu verbergen, indem ich Frank, der sich selbst gegen die Tür gelehnt hatte, in ein Gespräch verwickelte. „Gehst du denn öfters ins Kino?“ „Nein, ich mag es zwar, aber eigentlich finde ich es viel gemühtlicher zu Hause zu bleiben und mir einen Film auszuleihen oder so“, er lachte dabei, als wäre das alles selbstverständlich und betrachtete mich, als wäre ich eine skurrile Skulptur. „Hast du Angst vorm Bahnfahren?“ fragte er, allerdings etwas leiser, im Glauben es könnte mir peinlich sein – wie rücksichtvoll. Doch ich schüttelte den Kopf, jetzt musste ich es ihm doch erzählen. „Ich...“, begann ich und tat, was ich bereuen würde: Ließ die Haltestange etwas los. Der Zug kam ruckelnd zum Stehen und riss mich nach vorne, gegen Frank, der schützend seine Arme an meinen Bauch legte und mich wieder nach oben drückte. „Genau deswegen“, ich bemühte mich wirklich zu lachen, doch er zog nur belustigt eine Augenbraue hoch und platzierte meine Hand wieder an der Stange. „Na dann halt dich gut fest, ich wollte heute abend nicht im Krankenhaus übernachten.“ Dazu zu fragen, wie er denn auf diese Idee kam, kam ich nicht mehr, denn die Ansagestimme der Bahn verkündete unsere Haltestelle und wir stiegen aus. (Nicht ohne dass ich meine Hände zuvor beim Halten noch einmal fest an die Halterung krallte.) Der Fußmarsch zum Kino war nicht unbedingt lang, aber da der Wind stärker wurde und der Himmel sich immer mehr verdunkelte, gestaltete es sich als leicht ungemüdlich. Ich zog mir die Kapuze tief ins Gesicht und blickte kurz neben mich, sah, dass Frank es mir gleich tat. Unbemekrt waren unsere Schritte schneller geworden und so eilten wir durch den einsetzenden Regen zu dem leicht herunter gekommenen, ältlichen Lichtspielhaus. Im Inneren schälten wir uns aus der nassen Kleidung und Frank sah auf die Uhr. „Wir haben jetzt noch fast eine halbe Stunde, sollen wir trotzdem schonmal rein gehen?“ fragte er und sah mich abschätzend an, dann nach draußen und dann wieder zu mir, wie ich mich vor Kälte schüttelte. „Ich denke, wir gehen schon mal rein, da sind doch auch Sitzgelegenheiten. Ich hätte zwar nichts gegen eine Zigarette, aber da raus will ich jetzt wirklich nicht“, ich betrachtete meine Jacke und seufzte, sie war völlig durchweicht, sodass die Ärmel meines Pullis auch an einigen Stellen feuchte Flecken bekommen hatte. Frank war hingegen trocken und er, ich staunte nicht schlecht, er trug sogar eine Kravatte. Konnte es denn sein, dass ihm dieses Treffen wirklich so viel bedeutete, das wollte ich mir partout nicht einbilden. Doch mit jeder Minute verstärkte sich mein Verdacht, dass mein Begleiter durchaus etwas von einem 'Date' zwischen Ihm und Mir hielt. „Gut, dann hol ich eben die Karten“, schlug er vor und wollte schon los laufen, als ich nach meinem Geldbeutel griff und er mich fragend ansah. „Was? Soll ich dir nicht das Geld für meine Karte geben?“ harkte ich nach, verharrte jedoch in meiner Bewegung und sah Frank ungläubig den Kopf schütteln. Er machte einen Schritt auf mich zu, sah mich durchdringend an und lachte dann leise ein: „Ich lad dich ein.“ Daraufhin legte er eine Hand auf meine Wange, streichelte sie behutsam und zog die Augenbrauen zusammen, dass sich auf seinem Nasenrücken kleine Fältchen bildeten: „Du machst dir immer so viele Gedanken. Genieß es doch einfach.“ Auch wenn es mir schwer fiel ihn in dieser Sekunde gehen zu lassen, wäre es wohl albern gewesen ihn am Arm zu packen und ihn vom 'Gehen' abzuhalten. Also stand ich nur da – verwirrt wie ich war – und verfolge Franks Gang zur Kasse. Die nasse Jacke in meiner Hand fühlte sich an wie ein Schwamm. Meine Beine wie Pudding. Mein Kopf ein Gewinde aus rostigen Zahnrädern. Warum sollte ich mir keine Gedanken machen? Gab er mir den wirklich Anlass es nicht zu tun? Vor allem, wenn er sich so komisch verhielt, wenn er so tat, als wäre unser Treffen mehr wert wie alles, was er sonst erlebte. Franks Augen hatten vorhin einen Glanz gehabt, den ich nur mit einem fein säuberlich polierten Edelstein vergleichen konnte. Was sprach mich aus diesen Blicken heraus an. An was dachte er denn, wenn er mich einlud, wenn er über meine Tollpatschigkeit schmunzelte, wenn er mich in der Öffentlichkeit berührte, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Er faszinierte mich, wie ein Gemälde eines unbekannten Künstlers, das noch nie jemand auf seine Aussage, seine Tiefe, seine Einzigartigkeit hin untersucht hatte. „Du siehst ja immernoch aus, als hättet du einen Geist gesehen. Ist es so schlimm mit mir unterwegs zu sein?“ „Was?“ Ich blinzelte kurz und überlegte wo ich war. Franks Lachen brachte mich zurück und ich fragte mich auch, ob er das von vorhin wirklich gesagt hatte, denn wenn ja, konnte ich es unmöglich einfach so im Raum stehen lassen. Vielleicht etwas unpassend starkt entrüstet antwortete ich: „Quatsch, sag doch sowas nicht...es,...ist sehr schön mit dir unterwegs zu sein.“ „Da bin ich ja beruhigt. Wollen wir dann“, erneut lachte er auf diese Frank-typische Art, die mich wieder leicht erschauderte. Er zog dabei immer leicht die Nasenspitze nach oben, dass sich seine Nasenflügel weiteten und die kleinen Falten auf seinem Nasenrücken wieder auftauchten. Ich fand dafür keine andere Beschreibung als: süß. Obwohl Frank an sich nichts Süßes hatte. Er war einfach nur schrecklich attraktiv und seine kurzen Beine formten seinen Gang zu einem eleganten Schritt. Ich starrte auf seine unbefleckten Turnschuhe, derartig konzentriert, dass ich beinahe gegen seinen Rücken gelaufen wäre, als er der Frau vor dem Durchgang unsere Karten zum Abreißen reichte. Wir gaben ein seltsames Paar ab, ich konnte es in den Augen der Angestellten ablesen, als wir an ihr vorbei gingen und sie uns noch einen Moment nach sah. Ich musste mich nicht umdrehen, ich wusste, wie es sich anfühlte, wenn jemand mich musterte. Das fühlte sich nämlich immer gleich unwohl an, außer...bei Frank. Ich lachte über meine eigene Naivität und sah zu einem Stand herüber, wo es Getränke und Süßigkeiten gab. „Dafür kauf ich uns was zu trinken“, sagte ich hastig und Frank zuckte mit den Schultern, doch irgendwie hatte ich dabei das Gefühl, dass er eigentlich hatte wiedersprechen wollen. „Was hättest du gerne?“ fügte ich so liebevoll wie ich konnte hinzu. „Colabier“, antwortete er beiläufig und blätterte durch ein Magazin, das er auf einem der Tische gefunden hatte, als hätte ich nicht fragen müssen, da die Antwort auf der Hand lag. Doch während ich zu der Theke ging überlegte ich noch einen Moment, ob mein Begleiter nun schon achtzehn war oder er es vielleicht ausnutzte, dass ich schon neunzehn war und somit durchaus legal niedrigprozentigen Alkohol kaufen durfte. Frank war doch auch schon neunzehn, oder? „Kann ich dir was bringen?“ „Ähm, ja. Ein Colabier, eine Cola und eine mittlere Tüte Popkorn“, ich schenkte ihr mein nettestes Lächeln, ich gab mir wirklich mühe, dennoch bewegte sie sich nicht vom Fleck und starrte mich weiter an. Hatte ich etwas im Gesicht oder mal wieder zu undeutlich gesprochen? „Deinen Ausweis? Darf ich ihn sehen?“ fragte sie mit einem belustigten Unterton und ich murrte in mich hinein. Ich wusste nie recht, ob ich solche Fragen befürworten sollte oder sie mich in meinem Auftreten kränkten. Aber vermutlich entnahm sie dem frühen Kinogang, dass ich noch nicht alt genug war in die Spätvorstellungen zu gehen. Ich reichte ihr also den Ausweis mit dem schrecklich Bild aus meiner Jugend, der genau so gut hätte gefälscht sein können. Ich wartete bereits voller Erwartung auf den Tag, dass ich einen Neuen beantragen musste. Wie erwartet blickte die junge Frau von dem Portait zu mir und wieder zurück, als müsste sie sich zwingen nicht zu lachen, weil sie kaum Ähnlichkeiten erkennen konnte. „Was?“ fragte ich gereizt – unnötiger Weise. „Wäre wohl gut sich einen Neuen zu besorgen“, trällerte sie frech, gab mir meinen Ausweis zurück und machte sich endlich dran, meine Bestellung zu erfüllen. Was eine Geschäftsbremse, die würde als Kellnerin sicher keinen Cent Trinkgeld kassieren. Ich nahm es nicht persönlich, bezahlte und trottete leicht missglaunt herüber zu dem Tisch, an dem sich Frank indessen niedergelassen hatte. Ich gab ihm sein Bier, nippte an meiner Cola und stopfte Popkorn in mich hinein. „Was gabs denn zu lachen?“ fragte Frank. Er hatte die Beine übereinandergeschlagen und legte das Magazin beiseite, um mich, erschreckend ernst, anzusehen. „Ich,...musste ihr meinen Personalausweis zeigen“, gestand ich ihm, es wäre doch recht dämlich gewesen ihn unnötiger Weise anzulügen. „Und? Ich dachte du wärst schon über achtzehn?“ Er wusste nicht, worauf ich hinaus wollte. Lag das nicht auf der Hand? „Ja. Bin ich ja auch“, ich hatte einfach keine Lust darüber zu reden, denn irgendwie wusste ich schon, was auf meine Antwort hin folgen würde. „Aber mein Passbild nicht.“ Jetzt war bei Frank der Groschen gefallen, ich konnte ihn aufschlagen hören, denn er lachte und nahm einen guten Schluck von seinem Bier. „Darf ich es auch sehen?“ Da war die Folge die ich meinte, schüttelte darum ernergisch den Kopf und stopfte weiter Popkorn in mich hinein. Hör einfach auf mich zu fragen und schau nicht so, als wäre das der Untergang der Welt. „Kommt garnicht in Frage“, verbalisierte ich meine Kopfschütteln. „Aber sie durfte es sehen“, er jammerte, es klang albern und es war sinnlos. „Sie durfte nicht, ich musste es ihr zeigen, hätte ich es denn zu halten sollen?“ Ich zwang mich, mich nicht darüber aufzuregen und lachte nur leicht verstört. „Ach, Gerard komm schon“, trizte Frank weiter, als würde er nicht merken, dass es mich nervte und während ich ihm tief in die Augen sah, glaubte mich darin zu verlieren, spürte ich einen leichten Widerstand an meinem Hintern verschwinden. Erschrocken fuhr ich zusammen und sah wie sich mein Begleiter leicht verschwörerisch von mir abwandte. Was war das denn gewesen? Verwundert tastete ich nach der Stelle und biss mir auf die Lippe. Hatte ich mir das nur eingebildet oder hatte Frank mich begrabscht. Unverstanden, aber froh, dass die Unterhaltung beendet war, nahm ich mehr Popkorn in die Hand und stopfte es mir in den Mund. „Oh nein, bis das echt du?“ fragte Frank plötzlich und ich schreckte zusammen, als ich sah, dass er meinen Geldbeutel in der einen Hand hielt und meinen Ausweis in der anderen. Ich zog scharf die Luft ein, atmete tief ein und presste ein: „Ja.“ heraus. „Was ist passiert in den drei Jahren?“ wollte er wissen, steckte den Schein aber dankenswerter Weise zurück an seinen Platz und reichte mir mein Portmonait. Ich nahm es ihm ab und sah ihn dabei nicht an. Was fiel ihm eigentlich ein, mich derartig zu demütigen. Mir war schon klar, dass er mein sechszehnjähirges Ich niemals angesprochen hätte, auch wenn mein neunzehnjähiges Ich nicht die beste Erscheinung war, im Gegensatz zu früher, fühlte ich mich mittlerweile wenigstens wohl in meiner Haut. Frank griff nach meiner Hand und drehte mit der Anderen meinen Kopf in seine Richtung. Er gab sich mal wieder nicht damit zu frieden, dass ich einfach nicht antwortete. Eine Eigenschaft, bei der ich noch nicht wusste, ob ich sie an ihm mochte oder sie störte. „Gerard?“ Wieder diese Denkfalte an seiner Stirn, als könne er die Antwort einfach an mir ablesen, aber ich dachte nicht daran ihm zu antworten. Das ging einfach zu weit, soetwas musste er nicht wissen – vielleicht noch nicht – aber es würde sicherlich vieles kaputt machen. Ich hasste mich dafür und das war Grund genug, das von anderen auch zu erwarten, mich dafür zu hassen. „Gerard?“ fragte Frank erneut, dieses Mal tiefgehender, fast so, dass ich eine Gänsehaut bekam. Ganz langsam strichen seine Finger über meinen Handrücken und ich presste die Lippen zusammen, wich seinem Blick aus, indem ich über seine Schulter sah und ein kleines Lämpchen am anderen Ende des Raumes als meinen Erlöser erkannte. „Es ist Einlass“, stellte ich nüchtern fest, entzog ihm meine Hand, nahm meine Cola und die Popkorntüte und ging hinüber zum Saal. Er folgte mir, ich musste mich nicht umdrehen, schloss zu mir auf und reichte einem freundlich lächelnden Mann an der Tür unsere Karten. Er hatte mittelbraunes Haar und war etwa in Franks Altern. Er hatte strahlend weiße Zähne und trug seltsam stark auftragenden Kleidung. Seine dunklen, ebenfalls braunen Augen lasen gefühlte zehn Minuten unsere Scheine. Aber ich wusste, aus seinen Augenwinkeln betrachtete er den nachdenklichen, aber ebenfalls lächelnden Frank. Der junge Mann sprach auch nicht mit mir, sondern reichte meinen Begleiter die Karten zurück und sprach mit einer milden Stimme: „Letzte Reihe, die Plätze neun und zehn. Viel Spaß beim Film.“ Am besten du lehnst dich dabei noch nach vorne, hauchst ihm einen Liebesschwur ins Gesicht und küsst ihn derartig überschwenglich, dass er widerstandslos mitmacht, malte sich mein Kopf bedenkliche Bilder aus, die – zu meinem Blanken entsetzten – wohlmöglich wahr geworden wären, wenn ich nicht blitzschnell nach Franks Hand gegriffen hätte und ihn schroff in den Kinosaal gezogen hätte. Wieder dieser neidische, hasserfüllte Blick im Nacken und Frank der sich ebenfalls leicht entrüstet, aber lachend aus meinem Griff löste, als ich unsere Plätze bezog. Er setzte sich nicht sofort hin, sah sich im Raum noch einen Moment um und nahm einen Schluck aus der Bierflasche. Erst dann setzte er sich auf den Sessel. Es war einer der kleineren Kinosäle, allerdings lief der Film auch schon in seiner letzten Woche und ich bezweifelte stark, dass noch viele Zuschauer kommen würden. „Krasse Aktion“, sagte er nach einigen langen Minuten und das Lob, dass unterschwellig in seiner Stimme mitklang ließ mich ihn ansehen. „Was?“ fragte ich zurück und war nicht mehr weit davon entfernt ihn für verrückt zu erklären. Es war eine Kurzschluss reaktion gewesen, für die ich mich eher hätte schämen müssen, doch ohne noch einmal drüber nachzudenken fügte ich hinzu: „Er hätte dich wohlmöglich noch gefressen.“ „Danke für die Rettung“, bedankte er sich und sah mich endlich an. Im gedämmten Licht tanzten die Reflexe nur so in seinen Augen und ich schluckte schwer, als der Vorhang aufging und ich gezwungen meinen Blick nach vorne richtete. Den Film über leisteten uns fünf Männer und zwei Pärchen gesellschaft, wo bei eine der beiden Frauen ihren Freund solange bearbeitete, das sie gemeinsam den Raum verließen, noch bevor es wirklich spannend wurde. Es gab kaum lustige Szenen und die Tragig vernebelte meine Gedanken. Ich verlor die Kontrolle über mein Denken und je mehr ich mich in die Handlung fraß, um so lächerlich wurden (glaube ich) meine Reaktionen. Kurz nach dem Hauptakt hörte ich einen kleinen, unterdrückten Laut von Frank, gegen die laute Kinomusik. Ich sah zu ihm und er lächelte mich gequält zurück. „Kannst du vielleicht“, er sah kurz auf seine Hand und ich bemerkte erst jetzt, dass ich sie in meine genommen hatte und angespannt wie ich war zerdrückte. Sie war schweißnass und Frank wischte seine Handfläche, nach der Befreiung, an seiner Hose ab. Völlig verwirrt ergab ich mich dem Happy End und dem Abspann. Als wäre eine unendlich schwere Last von mir abgefallen stieg ich die Luft aus und fuhr mir durchs Haar, als ich dieses Mal zu Frank sah lachte er nur und zog seine mittlerweile wieder trockene Jacke über. Das gedimmte Licht flammte langsam wieder auf und irgendwo weiter unten wurde eine Tür zum Auslass geöffnet. Es war kaum zu glauben, dass der Streifen fast drei Stunden gelaufen war und ich mich nicht so müde fühlte, wie ich es erwartet hatte. Dafür war die Popkorntüte bereits vier Mal leer, erst jetzt erinnerte ich mich oft hinein gegriffen zu haben, um erneut festzustellen, dass sie breitst leer war. „Hast du noch hunger?“ fragte mich Frank, als wir das Kino durch eine Hintertür verließen und auf den dunklen Parkplatz hinaus traten. Der Regen hatte aufgehört, doch noch immer stürmte es heftig, sodass es mich fröstelte. Doch ich wollte unser Treffen hier noch nicht beenden, darum nickte ich, obwohl ich eher Magenschmerzen, als Hunger hatte. „Gibts hier in der Nähe etwas oder willst du wieder in die Innenstadt fahren?“ erkundete ich mich und presste meine Arme dicht an meinen Körper. Der Mantel war noch immer klamm und der Wind legte sich kalt in die Faser. Mein Gemüt war aufgewühlt und ein unbestimmtes Unwohl sein dran auch aus meinem Inneren heraus. Mir war ja nicht übel, aber etwas stimmte nicht mit mir und ich hoffte nur, die Situation würde sich bald entspannen. Bis auf die Berührung im Eingang des Kinos waren wir uns kaum näher gekommen und ich hatte das ungute Gefühl, dass wenn es so weiter ging, ich dieses Treffen ohne große Veränderung beenden würde. Ungeduldig tasteten meine Hände durch meine Jackentasche, als sie gegen einen eisigen, metallernen Gegenstand stießen schloss ich einen Moment die Augen. Es war noch da. Wo sollte es denn auch hin gekommen sein? Ich tastet das Schächtelchen ab und bemerkte kaum, dass ich in die Dunkelheit an Frank vorbei starrte. Jetzt noch nicht. Er räusperte sich und ich sah auf, giff in die andere Jackentasche und zog eine Zigarette aus der halb leeren Schachtel heraus. Legte sie an meine Lippen und schütze das Feuerzeug vor dem Wind mit meiner Hand. Ich nahm einen Zug, erst dann antwortete Frank. Hatte er mich irgendwie bei meinen seltsamen Anwandlungen beobachtet? „Magst du Pizza?“ Da fragte er noch. „Hier in der Nähe ist ein PizzaHut.“ Ich nickte und nahm noch einen Zug. Einen Moment blieben wir stehen, dann steckte er seine Hände in die Hosentaschen und wir liefen wortlos los. Es war so schrecklich still, das man auf diesem entlegenen, toten Parkplatz von fern Automotoren und eine Sirene hörte. Irgendwo bellte ein Hund. Wie sollte es weiter gehen? Diese Wortkargheit hatten wir beim ersten Treffen nicht gehabt. War diese Verbundenheit zwischen uns bereits verklungen, ebenso wie unsere Stimmen. Nein, jedenfalls nicht bei mir. Mein Magen drehte sich bei dem Gedanken, das Frank es anders sehen könnte. Ich wünschte, ich könnte diese miesen Schmetterlinge in meinem Bauch einzeln abschießen, damit dies auch für mich ein einfaches Treffen unter Freunden blieb. „Bekomm ich auch Eine?“ die Frage riss mich aus meinen Gedanken und ich verstand zunächst nicht, was mein Begleiter von mir wollte. Ich sah ihn an, sein Blick hing an meiner Zigarette. „Mach ich mich damit strafbar?“ fragte ich zurück, wobei ich bereits in meine Tasche langte, um ihm eine heraus zu holen. „Ich werde im Gegensatz zu dir beim Alkoholkauf nicht nach meinem Ausweis gefragt“, lachte Frank und ich sah ihn nur finster an, zog meine Hand aus der Tasche, ohne ihm eine Zigarette heraus zu holen. Ich mochte es einfach nicht, wenn man darüber lachte. Dass er sich den Anblick meines Ausweises gemerkt hatte war schlimm genug, aber ich hatte wirklich keine Lust ständig damit aufgezogen zu werden, wie ich aussah. Doch mein Unmut blieb ihm scheinbar nicht verborgen. „Hey! Gerard.“ Er stieß mir leicht in die Seite: „Sei doch nicht so, außerdem...“ „Wir sind ja schon da!“ unterbrach ich Frank und blickte durch die Scheibe des FastFood-Restaurants, stellte mich neben den Aschenbecher neben der Tür. Er kam auf mich zu und suchte meinen Blick, doch ich schenkte ihm ihn nicht. Ich war beleidigt. Ich wusste, dass ich damit alles kaputt machen konnte, aber ich brauchte nicht noch jemanden in meinem Leben, der mich nieder machte. Ich hörte ihn seufzen, aber statt dass er aufgab, spürte ich seine Handschuhe und die bloßen Finger an meinen Wangen. Frank zog mein Gesicht in seine Richtung und blickte mir tief in die Augen. Was hatte er denn jetzt vor, dachte er so wird das besser? Ich hielt dem Blick zwar stand, aber sagte nichts. Was denn auch? „Lass mich wenigstens zu ende sprechen“, sprach er mir ins Gewissen, seine Stimme war ruhig, sein Blick hatte etwas Tröstendes, als habe nicht er mich zum Schmollen gebracht, sondern ein anderer. Und vielleicht war es das auch. Es war nicht die Tatsache, dass Frank auf mein Portait anspielte, sondern, dass es mich an Zeiten erinnerte, die ich längst glaubte verdrängt zu haben. „Du magst nicht über deine Vergangenheit reden und ich mag es nicht unterbrochen zu werden, sind wir damit wieder quitt?“ Die Direktheit seiner Worte brachte mich erneut an den Ort zurück, an dem wir uns wirklich befanden. Ich nickte, seufzte aber und wollte die Zigarette im Aschenbecher ausdrücken, als ich bemerkte, dass ich gar keine mehr in der Hand hatte. Ich sah in der Dunkelheit zu Boden, gut möglich, dass sie mir bei all den wirren Gedanken einfach aus der Hand gefallen war, doch ich atmete den Geschmack des Rauches ein. Ich sah auf. Frank hielt den Stummel in der Hand, nahm zwei letzte, starke Züge und ließ den völlig abgebrannten Filter in den Aschenbecher fallen. Er war unverbesserlich. „Hunger?“ fragte Frank rethorisch und wir betraten das Restaurant. Es war halb zehn, der Betrieb hatte schon nachgelassen und wir bekamen einen Tisch in einer ruhigen Ecke, was mir gerade recht war, da am anderen Ende ein Paar mit zwei Kindern saß, die eigentlich längst ins Bett gehörten – sie waren knatschig und unzufrieden. „Gerard?“ fragte Frank, obwohl meine Aufmerksamkeit ohnehin auf ihm lag. Nach dem Essen waren wir in einen angrenzenden Park gegangen, hatten uns auf eine der Bänke gesetzt, die in kleinen, windgeschützen Bungalos überall verstreut standen. Die Wolken zogen am nächtlichen Himmel schnelle und weite Kreise. Man konnte bereits sagen, dass es bald wieder regnen würde. Der Qualm meiner Zigarette vermischte sich mit der unbändig kalten Luft und ich wandte meinen Kopf in Richtung meines Begleiters. Er hatte den Kopf gesenkt und starrte zwischen seinen Beinen auf den Boden. Im Nacken lösten sich einige Härchen aus der Form und im starren Licht der Laterne vergrößerten sich seine leichten Augenringe zu tiefen, schwarzen Schatten. Der Drang ihn zu berühren wurde schier übermächtig in mir, doch meine kehlige Stimme brachte nur ein verklingendes: „Ja?“ mit sich. „Warum möchtest du nicht über das reden, was früher war?“ er blickte nicht auf, was ich als schrecklich unangenehm empfand. Vielleicht hätten seine Augen mir das Gefühl gegeben nicht allein mit meiner Angst zu sein, doch seine bewegungslose Siluette stieß lediglich geräuschlos den Zigarettenrauch aus. „Ich...“, es war schwer nicht zu stottern anzufangen, während ich Frank so ansah, also versuchte ich es auch, indem ich wegsah und die Wolkenzüge beobachtete. Warum wollte ich nicht darüber reden? „...Weil es vorbei ist.“ „Das ist es ja. Es ist vorbei, es ist abgeschlossen, darum kannst du doch erst recht darüber reden?“ sein Drängen als Unterton in furchtlosen Worten trug nicht dazu bei, dass ich mich beruhigte. Er hatte doch keine Ahung. „Aber wen interessiert es schon was früher war?“ Wer wollte schon mein früheres Ich kennen? „Ich, Gerard. Ich“, jetzt sah er auf und sein sonst so festgenähtes Lächeln trug etwas Flehendes zu mir herüber. Warum war es ihm so wichtig, in Wunden zu graben, die ich notdürftig geflickt hatte, „Es ist nicht abgeschlossen, ich versuche nur es zu verdrängen, damit ich nicht in ein Muster zurückgleite, dass ich hinter mir lassen will, aber nur schwer kann“, meine Worte waren ebenso verwirrt, wie ich mich fühlte, darum schluckte ich den Klos in meinem Hals herunter und erhob mich. Ich legte meine Hände zitternd auf das Geländer der verandaartigen Ballustrade und presste hart meine Lippen aufeinander. Wahrscheinlich hatte Frank recht und er musste erst wissen, was passiert war. Die Gefahr, dass das Loch, welches er hinterlassen würde, später noch größer wäre, war zu hoch. Nur, weil er nicht verstand, was ich ihm verschwieg Ich wollte ihn nicht verlieren. Ja, ich hatte Frank verflucht gern. Er war unkompliziert und nahm mich so wie ich war. Wir waren oft einer Meinung und ich fühlte mich wohl, wenn er in meiner Nähe war. Aber würde er auch...? „Gerard“, hörte ich ihn flüstern, spürte seinen Blick in meinem Rücken. Doch es war nicht der Blick, den man mir normal hinterher warf. Dieser Blick war sorgenvoll und untermalt von dem Willen zu helfen. Vielleicht würde er...? „Ich war ein Außenseiter, ein Niemand und so fühlte ich mich auch. Nicht, dass ich jetzt besser wäre, aber ich habe es geschafft mich so zu fühlen, indem ich etwas an dem geändert habe, was ich bin“, ich seufzte und hoffte damit den Grund erklärt zu haben, dass sich mein Portait so sehr von mir unterschied. „Dann...“, wollte er etwas sagen, aber ich holte tief Luft. „Ich habe mit fünfzehn versucht mir das Leben zu nehmen“. Nun war es heraus. Ich kniff die Augen zusammen, erwartete, dass er aufspringen würde, mich verfluchen würde, auf mich herab sah, wie jeder andere...obwohl...obwohl er das noch nie getan hatte. Frank hatte mich nie im Stich gelassen...obwohl...obwohl wir uns erst seit einem Monat kannten. Plötzlich legten sich Arme um meine Hüfte, ich spürte, wie er sich mit leichtem Druck an mich presste und seinen Kopf zwischen meine Schulterblätter in meinen Nacken legte. Ich hörte ihn tief einatmen. „Wieso...?“ hauchte er tonlos. Zitternd legte ich meine Hände auf seine, ließ die Augen geschlossen und genoss diese Sekunden der Sicherheit. Wie hatte ich ihm nur vorwerfen können, dass er mich allein ließ und weglaufen würde. Er nahm mich doch so wie ich war. Doch ich beschloss ihm zu antworten. Er hatte es verdient die volle Wahrheit zu kennen. „Weil ich die Möglichkeit hatte und mir selbst nichts bedeutete. Ich haben schon früh viel Antidepressiva geschluckt, aber es hat nichts geholfen. Ich habe alles in den Müll geschmissen, aus Angst abhängig zu werden, doch es war zu spät und in einem Wahn habe ich mir die Knarre meines Vaters an den Schädel gehalten. Ich war eigentlich schon tot.“ Während ich sprach verengte sich der Griff um meine Hüfte und Franks Atem in meinem Nacken streichelte meine Haut. „Es ist schön, dass es dich noch gibt.“ Ich spürte eine Träne an meiner Wange, wandte mich gegen die Umarmung und drehte meinen Körper zu Frank, legte meine Arme auf seine Schulter und drückte ihn an mich. Seine Hände streichelten meinen Rücken und obwohl er ein Stück kleiner war, fühlte ich mich so geborgen in seinen Armen, wie ich mich noch bei keinem anderen Menschen gefühlt hatte. In diesem Moment wurde mir klar, dass seine Worte ehrlich gemeint waren. Er würde mich niemals anlügen, dazu hatte er keinen Grund. „Aber Gerard?“ Ich ließ von ihm ab und trat nur einen halben Schritt zurück, da er noch immer meine Hüfte festhielt. Wir waren uns noch immer so unglaubtlich nah. Ich sah ihn fragend an und knetete nervös meine Finger, während ich ein „Ja?“ zurück hauchte. „Kannst du mir sagen, warum du gerade heute ausgewählt hast, um dich mit mir zu treffen. Ich mein, abgesehen davon, dass heute Samstag ist. Es klang für mich so, als hätte...es irgendwas zu bedeuten.“ Das hätte ich fast vergessen, ich bin aber auch ein Trottel. Unbeholfen entknotete ich meine Finger und griff in die Jackentasche, zog das kleine, weiße Bündel heraus und reichte es Frank. „Naja...ich wollte sichergehen, dass du einen Monat danach immernoch so interessiert bist wie ich an dir und heute ist doch White Day“, ich grinste und legte das Geschenk in seine Handfläche, die er von mir gelöst hatte. „White Day?“ Er blickte von seiner Hand zu mir und wieder zurück. Fragend verengte sich seine Lider und mir hätte bewusst sein sollen, dass er damit nichts anfangen konnte. „Es ist eine Tradition aus Japan“, erklärte ich ihm und war unmerklich überrascht, wie interessiert er mich anblickte. Meine Stimme war noch immer brüchig, doch es bedeutete mir viel, daher sprach ich leise weiter: „Demnach ist jeder, der am 14.Februar, also Valentinstag, beschenkt wurde, mit Schokolade, Blumen oder ähnlichem, einen Monat später, am 14.März, dem jenigen gegenüber, der ihm das schönste Geschenk gemacht hat, über das man sich am meisten gefreut hat oder den man am meisten begehrt, vepflichtet etwas zurück zu schenken.“ „Und wieso 'White'?“ fragte er nach und ich lächelte milde. „Das Geschenk muss weiß und rein sein, wie die Unschuld. Außerdem bekommen all die jenigen, die auch etwas geschenkt haben, deren Gefühle der Beschenkte aber nicht erwidert, ein Papiertaschentuch geschenkt.“ „Falls sie weinen müssen?“ Ich beobachtete, wie er mit der Hand an der mittlerweile schrammeligen Verpackung herumdoktorte, sich kaum traute es zu öffnen. „Ja“, bestätigte ich nur, war zu sehr davon erfasst, dass er sich scheinbar wirklich freute. „Also hast du dich einen Monat nicht gemeldet, um dich heute mit mir zu treffen und mir ein weißes Taschentuch zu schenken?“ er sah mich an. Zu ernst für meinen Geschmak. Bis ich erkannte, was er meinte. Ich schüttelte heftig den Kopf. Man, Frank, das hast du jetzt völlig misserstanden. „Das ist kein Taschentuch“, tat ich seine Aussage ab und half ihm das kleine weiße Schleifchen zu lösen. Das Tuch umhüllte eine kleine, weißliche Schatulle. „Also...“, er sah von dem Geschenk auf und irgendetwas glitzerte in dem Grünschimmer seiner Augen, im fahlen Licht der Laterne. Ich nickte. Ja, er hatte mir vor einem Monat das schönste Geschenk gemacht, dass ich jeh bekommen hatte. Es war nicht unbedingt die Rose und die Karte allein gewesen, die er mir in der schrecklichen Lage hatte zukommen lassen. Nein, es war mehr als das gewesen, ich erinnerte mich noch immer an sein Lächeln, als er mir selbst die Rose 'für jemanden besonderes' abkaufte und sie mir wenig später schenkte. Seine Sms. Das Treffen. Ich war ein Idiot gewesen, mich nicht früher bei ihm gemeldet zu haben. Während Frank das Kästchen öffnete stand ich unbeteiligt da und starrte ihn an. Obwohl wir uns doch so wenig kannten, er hatte sich wieder gemeldet. Er hatte diesem Treffen heute zugestimmt. Ich hatte ihn schrecklich vermisst. Jede Sekunde. Auch jene, in denen ich mir einredete, dass ihm das hier nichts bedeutete. Dass er nicht antworten würde. Dass er nicht zustimmen würde. Dass ihn mein Geschenk nicht interessierte. Er sah mich an und hielt das Kettchen wie einen Schatz fest in der Hand. Der Anhänger war ein weißes Plectrum, an der Pick-Spitze war ein kleines rotes 'G' zu erkennen. „Es ist...kitschig, ich weiß, aber ich habe es gesehen und ich dachte...weil du ja gesagt hast, eine deiner größten Leidenschaften sei Gitarre zu spielen und ich wollte...“, doch weiter kam ich nicht. Mein Kopf setzte vollkommen aus, als Frank mich zu sich heran zog und seine Lippen auf meine presste. Ich taumelte leicht, hielt mich an seiner Jacke fest und schloss die Augen. Der Kuss hatte nichts stürmisches, aber er schmeckte nach Sehnsucht. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich das noch einmal tun dürfte“, flüsterte er gegen meine Lippen und ich ließ mich von seiner Gier nach mehr mitreißen. Denn mit einem Mal waren Franks Hände leer und er presste seinen Unterkörper mit dem nächsten Kuss fest gegen meinen. Ich lehnte den Rücken gegen das Geländer und vergrub meine Finger in seinen Haaren am Hinterkopf. Gegen die Kälte wallte diese Wärme in mir auf. Sie wallte in mir auf, als habe jemand ihren Käfig in meinem Inneren geöffnet. Frank hatte ihn geöffnet und gleich den für meinen Verstand fest verschlossen, bevor er wirklich verstehen konnte, dass jede Faser in Franks Körper nach mir schrie. Meine blauen Lippen brannten und gut möglich, dass ich ungesunder Weise begann zu schwitzen. Plötzlich. Eis an meiner Haut. Mir entfuhr ein erschrockener, heiserer Schrei und Frank löste sich von mir. „Es tut mir leid“, beteuerte er schnell, bevor ich verstand, was geschehn war: Seine durchgefrorene Hand war unter meine Jacke geglitten und die unerwartete Berührung auf meiner nackten Haut hatte mich zusammen fahren lassen. Ich starrte ihn an. Wie konnte er...hier? Doch...wie konnte er wollen, dass...? Oh mein Gott. Ich schluckte. Endgültig brach alles, was ich jemals an Pessimismus um mich herum aufgebaut hatte, in sich zusammen. Es war für Frank mehr als nur eine belanglose Verabredung an einem besonderen Tag, dessen Bedeutung er vor einigen Momenten noch nicht gekannt hatte. „Wollen wir vielleicht zu mir gehen. Es ist nicht weit“, versicherte er mir, den Blick leicht verstört zu Boden gerichtet. Er war sich selbst nicht bewusst, wie groß sein Sehnen gewesen war. „Meine Mum ist nicht zu hause“, fügte er hinzu und sah mich endlich an. Er war sauer auf sich selbst. Vielleicht hasste er sich sogar dafür. Ein Bruchteil seiner gigantischen Selbstsicherheit war dahin. Das hatte ich nicht gewollt. Schnell hauchte ich ihm einen Kuss auf die Lippen und flüsterte ein: „Nur zu gern.“ Ich hiel seine Hand und er meine. Er wohnte wirklich nur ein paar Blocks weiter und auch wenn der Wind wieder stäker geworden war und meine Haare wild in mein Gesicht schmiss, es konnte mir nichts anhaben. Ich konzentrierte mich voll und ganz auf das unbeschreiblich schöne Gefühl auf diese Art mit ihm verbunden zu sein. „Aber wenn ich das Geschenk bekommen habe“, redete er einfach los und ich beobachtete seinen abschätzenden Blick in die Ferne aus dem Augenwinkel, „wie viele Taschentücher hast du verschenkt?“ Was eine komische Frage. Keins natürlich. „Jede Menge“, lachte ich und drückte leicht seine Hand, als müsste ich ihm bestätigen, dass das ein Witz gewesen war und fügte hinzu: „Kein einziges. Ich bin auch niemand, der auf solche ach so romantisches Zeug abfährt. Es war nur so...“ „Dann habe ich wohl Glück gehabt, dass ich der einzige Bewerber war.“ Wollte er mich ärgern oder meinte er das ernst? Ich brummte und schüttelte meine schwarzen Zotteln. „Nein, ich...ach...ich dachte nur, so hätte ich eine Erklärung, dass ich mich so lange nicht gemeldet habe“, ich musste es ihm gestehen, ich fand keinen anderen Ausweg. „Hast du denn keine?“ „Nein, nur, dass ich dir zu Unrecht vorhielt, mich nur benutzen zu wollen, zu deinem Spaß, weil ich zufällig an jenem Tag an jenem Ort war. Ich wollte meine Gefühle unterdrücken und habe mir eingeredet, dass es keinen Sinn hat einem attraktiven Mann hinterher zu schaun, ohne zu wissen, wer er ist.“ „Was für Gefühle?“ Er grinste, ich wusste es. Es war eine Fangfrage, doch noch bevor ich mit einem unsicheren: „Nun ja...ich hab dich sehr gerne“, antworten konnte, blieb Frank aprubt stehen und stieß hart die Luft durch die Nase aus. „Was ist los?“ wollte ich von ihm wissen und noch unsicherer in dem was ich tun sollte, legte ich meine Hand von seiner Hand weg, vorsichtig auf seine Schulter. Er sah mich nicht an, blickte weiter zu Boden, bewegte sich nicht mehr. „Sorry, verdammt, sie ist doch zu hause“, seine undeutlichen Worte drangen wie Bruchstücke an mein Ohr, die ich erst kombinieren und mit der Situation verknüpfen musste. Dann ließ ich meinen Blick über die Reihenhäuser schweifen und erkannte nur eines, in dessen Auffahrt ein kleines, rotes Auto stand. Er meinte seine Mutter, er hatte mir ja zuvor gesagt, sie sei nicht da. Nicht, dass es mir etwas ausmachte, sie konnte ja kein Monster sein, bei einem solchen Sohn. Wobei ich bemerkte, dass mein Begleiter das völlig anders zu sehen schien. „Ist...doch nicht schlimm“, versuchte ich es mit vorsichtiger Stimme und lächelte ihn aufmunternd an. Nahm allerdings meine Hand von ihrem Platz, da ich nicht wusste, ob ihm die Berührung unangenehm war. „Schlimm? Nein, das nicht, aber ich möchte nicht, dass du dich irgendwie unwohl fühlst, weil du weißt, dass sie da ist“, endlich sah er mich an, sein Blick war keineswegs traurig oder irgendwie verbittert. Seine grünlichen Augen waren ernst, erneut fast ein wenig zu ernst für diese – in meinem Ermessen – Lapalie. „Sie wird mich nicht fressen“, spielte ich meine nicht vorhandene Gelassenheit herunter und ging einige Schritte, um zu sehen, ob er es mir gleich tat. Und er tat es. Er lachte und seine von mir geglaubt unbändige Fröhlichkeit kehrte zurück, auch wenn ich genau sah, wie er leicht nervös auf seinem Lippenpiercing herumkaute. Wir gingen genau zu dem Haus, dass ich zuvor erspäht hatte und gegen meine Erwartung wurde nun auch ich nervös. Es war mir nicht peinlich, schließlich musste jeder sich einmal mit den Eltern seines...Partners auseinander setzten. Auch wenn ich mir bewusst war, dass Frank und ich sicherlich noch nicht so weit waren, aber trotzdem, ich würde nicht umhin kommen diese Frau kennen zu lernen, wenn wir...uns weiterhin trafen. Als mein Begleiter die Hand an den Türgriff legte und aus der Tasche lässig den Schüssel zog, ließ ich meinen Blick durch den vernachlässigten Vorgarten schweifen. Er wirkte ungenutzt. Das Gras war für die Jahreszeit noch stark verdorrt und der hohe Baum neben der Einfahrt knochig und alt. Die Fensterscheiben der Wohnhälfte waren nur mit Vorhängen geschmückt, kaum Dekorationen, milde Farben – die unbekannte Frau schien jedenfalls mehr Geschmack zu haben als meine Mutter. „Sie wird mich doch nicht beißen?“ irgendwie musste ich das fragen, ich fühlte mich auf eine unerwartete Weise nicht mehr sicher, wie zuvor. Doch dieses Mal lachte Frank, er drehte sich zu mir und wuschelte mir leicht durchs Haar, als wäre ich ein ängstliches Hündchen. „Nein, wird sie nicht“, versicherte er mir, drehte sich um und überschritt die Türschwelle, ohne noch etwas hinzuzufügen, dass mein Herz hätte aus den Kniekehlen geholt. Der Flur war benahe leer, bis auf eine kleine Gadarobe an der strahlend weißen Wand und einem Schuhregal unter einem großen, in helles Holz gefassten Spiegel. Keine Bilder an den Wänden, eine einfache, helle Lampe, keine Figuren, keine getrockenten Blumen. Leicht und Modern, außerdem war es fast erschreckend sauer. Mir wurde noch unwohler, als ich sah, das Frank mit seinen Straßenschuhen über den scheinbar frisch geputzen Pakett lief. Hätte ich meine Schuhe vielleicht besser ausziehen sollen, um nicht unnötig den Zorn der Mutter auf mich zu schüren? Es war zu spät. „Hallo Frankie“, war ihre Stimme aus einem Nebenraum zu hören und sie näherte sich. „Hey Mum“, nuschelte der Sohn und strich sich die mittlerweile zerzausten, schwarzen Haare glatt. Sie tauchte im Flur auf und ich war doch leicht geschockt. Sie war noch so jung und überhaupt konnte man es Frank nicht mehr verübeln, dass er derartig attraktiv war. Seine Mutter hatte etwas von einer modernen Hausfrau, die eigentlich keine sein sollte. Ihr natürlichen, schwarzen Haaren waren zu einem lockeren Zopf gebunden und ihre wachsamen Augen musterten mich mit einer liebevollen Zierlichkeit. Ich schluckte und hob die Hand, um nicht zu blöd herumzustehen und zu starren. „Guten Abend“, ich übte mich in Freundlichkeit und schenkte ihrem abschätzigem Blick ein zurückhaltendes Lächeln. „Mum, das ist Gerard. Gerard Way, wir haben uns heute getroffen, habe ich dir ja geschrieben“, bis auf die Nennung meines Namens klang es deutlich herunter geleiert. Es erinnerte mich stark an mich, wenn mir etwas zu blöd war, es zu erklären und nicht wollte, dass meine Mutter weiter nachbohrte. Doch Frank schien damit nicht so viel Glück zu haben, wie ich. Obwohl er bereits an ihr vorbei war und mir viel sagende Blicke zuwarf, konnte ich der mentalen Blockade, die die Frau vor mir errichtete nicht entkommen. „Way? Gerard? Bist du nicht der Sohn von Donna Way, der Blumenverkäuferin in der Innenstadt“. Ihre fragende Stimme bohrte zu tief und ich war nun leicht entsetzt, dass sie das kleine Geschäft am Ende der Straße tatsächlich kannte. Verhalten nickte ich und irgendwie glaubte ich das Lächeln auf ihrem Gesicht schwinden zu sehen. „Ist er deshalb nicht unser Gast?“ fragte Frank hinter ihr und winkte nun überdeutlich, dass ich nicht anders konnte, meine Füße über den fast gewienerten Boden zu bewegen und so leise ich konnte in das Zimmer trat, aus dem seine Mutter gekommen war. Ein rechtwinkliger Raum, der vermutlich als Wohn- und Esszimmer genutzt wurde. Durch einen kleinen Bogen konnte man in die Küche sehen und ich huschte hinter Frank an dem rötlichbraunen Stoffsofa vorbei, durch eine Tür, die auf der anderen Seite des Raumes lag. Es war kaum zu verkennen, dass das hier Franks Domizil war. Die Wände überlagert von Bandpostern, das Polsterbett ungemacht, Kleidung auf dem Boden und die wenigen Gegenstände, die wirklich benutzt aussahen waren der Computer, der Fernseher und ein scheinbar stehts gepflegtes Bücherregel. Während er den Raum durchquerte schob er die alte Wäsche aus dem Weg und schüttelte am Bett angekommen die Bezüge leicht auf. Dann ging er zum Fenster und öffnete sowohl den Laden, als auch das Fenster einen Spalt. Ich schloss die Tür und überlegte kurz, ob ich warten sollte, bis er mich aufforderte mich zu setzten, aber letztlich tat ich es einfach. Zog auf dem Bett meine Jacke und den Pulli aus. Es roch nicht streng, es roch nicht unangenehm, es roch nach Frank und es überkam mich, zu lange die Luft durch die Nase einzuatmen. „Ich hätte aufräumen sollen“, gestand Frank, setzte sich zu mir aufs Bett und zog sich die Handschuhe aus. „Ich finde es völlig in Ordnung so“, lachte ich leise und fügte noch hinzu, „Wäre es bei dir zu sauber, hätte ich sicherlich ein schlechtes Gewissen.“ Mit den Gedanken bei meinem Kellerzimmer, das fast nie Tageslicht sah, durchsuchte ich weiter Franks Zimmer mit meinem Blick. Ich stellte mir vor, wie er vor dem Computer saß und von der Cola trank, die neben diesem auf dem überfüllten Tisch stand, überlegte, wie es war in dem weichen Polsterbett zu schlafen, jede Nacht – es war gemütlich warm hier drin. Hing meinen Gedanken nach, wie Frank sein Bücherregal putze und grinst in mich hinein, als er mit der Hand vor meinen Augen wedelte. „Ähm, Gerard?“ fragte er wie durch eine dicke Wand in meinen Ohren. „Ja?“ gab ich perplex zurück und sah in sein lachendes Gesicht. Die lange lose Ponysträhne hatte er sich hinter sein Ohr geschoben und der Kajal unter seinen Augen war leicht verlaufen. „Möchtest du etwas trinken?“ fragte er, scheinbar erneut. Ich nickte stumm und folgte ihm in Gedanken aus dem Zimmer. Mein Körper blieb zurück und verfiel in seine Ich-bin-einfach-schrecklich-neugierig-Starre. Irgendwann hatte mir mal jemand gesagt, dass es sich nicht gehörte in den Sachen anderer herum zu schnüffeln, aber es war viel zu verlockend. Ich hob ein Buch vom Boden auf und las den Titel. Er sagte mir nichts. Es war eines der schweren, gebundenen Exemplare, die ich nie kaufen würde, geschweige denn es in einem Buchladen aus dem Regal zu nehmen. Ich legte es zurück und rutschte ein Stück auf dem Polster nach Links in Richtung Nachttisch. Ein leeres Glas, ein zerschlissener Wecker, Musikzeitschriften, Taschentücher und eine leicht offene Schublade, die ich ohne Belang ein Stück weiter aufzog. Ich hatte wirklich nichts gegen kitschige Tagebücher, staubige Geheimnisse, alte Unterhose oder Pornohefte, aber das war selbst mir zu viel. Ich schob die Lade wieder zu, setzte mich aufrecht und schluckte schwer. Ob Frank wirklich so oft Besuch bekam, dass er das nötig hatte? Ungewollte Vorstellungen fluteten meinen Kopf und ich biss die Backenzähne feste aufeinander, schloss die Augen und atmete tief durch die Nase. Der Geruch benebelte mein Gehirn allerdings noch mehr und fremde Gestalten in meinen Fantasien tauschten sich gegen meine eigene ein. Ob Frank wirklich so gut war, dass man bei ihm vielleicht anstehen musste? Ich dachte an unser erstes Treffen, wie mich seine klaren Augen beobachtet hatten, dachte an unser erstes 'Date', wie wir nahe zu keine Körperkontakt gehabt hatten und dachte daran, dass ich jetzt, mit schmutzigen Gedanken, allein in seinem Zimmer saß und nicht wusste, wofür er Kondome und Vaseline in greifbarer Nähe brauchte. „Woher kennt ihr euch?“ ich schreckte auf und blickte mich um. Es war niemand hier, der mit mir sprach. Die Stimmen kamen von außen – aus der Küche oder dem Wohnzimmer. Die Wände, die Tür, alles war offensichtlich hellhörig. Ich war vielleicht ein Schnüffler, aber ein Lauscher nicht, sowas war nicht mein Ding. Doch so sehr ich versuchte in meine Gedanken zurück zu finden, als ich Franks Stimme vernahm, konnte ich nicht mehr und hörte ihr, nicht allzu fern klingendes, Gespräch mit an. „Ich habe in angesprochen“, er war ruhig, nicht genervt und ehrlich, das musste man ihm lassen. „Er ist hübsch, wie alt ist er?“ wollte die Mutter wissen. Ein Stuhl rückte zurück und Schritte waren zu hören. „Neunzehn, zwanzig?“, innerlich lobte ich ihn, er hatte richtig geschätzt. „Weiß seine Mutter davon?“ Jetzt wurde es ungemühtlich. Ich betrachtete meine schwitzenden Hände und tippte ungeduldig mit dem Fuß. Es wäre eventuell nicht falsch Frank beizustehen, aber jetzt wo ich schon mithörte, wollte ich wissen, worauf sie hinaus wollte. „Ich weiß nicht, wir haben uns in der Stadt getroffen“, ein undeutbarer Unterton klang bei Frank mit, es war gut möglich, dass er jetzt doch nicht mehr viel Lust hatte ihr Rede und Antwort zu stehen. Vielleicht wurde es ihm jetzt auch ungemühtlich. Ich wäre längst einfach gegangen. „Nicht davon, dass ihr euch trefft“, beschwichtigte seine Mutter, ihre Stimme klang nun von der anderen Seite an mein Ohr, vermutlich war sie in die Küche gegangen. Schritte. „Wovon dann?“ auch Frank war nun dort und Gläser klirrten. „Na, dass er so ist...wie du.“ Autsch! Unglückliche Formulierung. „Mum? Woher soll ich das wissen?“ Frank war noch immer ruhig, doch er verließ die Küche. „Na, unterhält man sich nicht über so etwas, genau so wie man sich darüber unterhalten sollte, dass...“, sie folgte ihm. „Mum!“ Stille. „Du solltest nicht so laut reden, gutmöglich, dass er uns hört.“ Frank war so schlau. Und was sollte ich ihm jetzt sagen, wenn er mich fragte? ‚War ja kaum zu überhören‘, was durchaus der Wahrheit entsprach. Schnell ließ ich meinen Blick wieder durch den dunklen Raum streifen, erhob mich und merkte erst jetzt, wie weich mein Beine waren. Ich ging zum Schreibtisch und schaltete die verstaubte Lampe an, die darauf stand. Ich suchte nach dem Schalter für den Computer und er fuhr leise brummend hoch. Ein wohliges Geräusch, meine Kiste war nicht so schön ruhig. Der Nachteil war, dass ich so nicht verbergen könnte, dass ich nicht gelauscht hatte, also nahm ich mein Handy aus der Tasche, wählte die Nummer von zu Hause und hielt es mir ans Ohr. Ich war mir schon sicher, dass es passieren würde: Es ging niemand ran. Doch die Zimmertür ging auf und Frank kam herein, beladen mit einer Flasche Eistee und zwei Gläsern. Er trat die Tür mit dem Fuß zu und kam zu mir herüber. „Sorry, musste noch in den Keller, hatten hier oben nichts mehr außer Wasser“, er stellte die Gläser ab und deutete auf die Flasche. „Ich geh davon aus, du magst Zitrone, nachdem du das letztes Mal schon bestellt hast.“ Ich nickte verblüfft. Das war einen Monat her, er merkte sich, was ich gerne trank. Ich wusste nicht, ob ich es als 'erschreckend' oder 'krank' bezeichnen sollte und verblieb dabei zu schweigen. Es verging einen Moment, bis ich den überfüllten Desktop betrachtete, dessen Hintergrund einen Friedhof im Winter zeigte. Es war nicht makaber, aber irgendwie... „Klischee? Ich weiß“, beantwortete mir Frank meine Gedanken, als habe er sie gelesen und goss dann leicht abwesend die Gläser ein. „Ich mag Horrorfilme und das Foto hab ich selbst geschossen.“ Wieder etwas, das ich ihm nicht zugetraut hätte. Er hatte ein Auge für sowas, es war nicht überzogen, aber es verfehlte auch nicht seine Wirkung: Stille und Tod. Ich starrte das Bild noch einige Momente an, bis ich eines der Gläser in die Hand gedrückt bekam und Frank begann die Maus zu seinem Musikprogramm zu bewegen. Das wars dann wohl mit einer ordentlichen Erkundungstour auf seinem PC. Ich ließ mich wieder an meinem Platz auf dem Bett nieder. Das kalte Getränk an meinen glühenden Händen war unglaublich angenehm und davon völlig übermannt, nahm ich einen guten Schluck Eistee, sah herüber zu Frank und seufzte leise. „Sie mag mich nicht“, sagte ich langsam und fügte unnötiger Weise hinzu: „Deine Mutter.“ „Ach, sie ist...“, murmelte er kurz, drehte sich dann aber um, ließ vom Computer ab, leicht dröhnende Musik erfüllte den Raum. Es war nicht unbedingt laut, ich mochte die Band. Er kam auf mich zu und lächelte mild. Dann zog er eine Augenbraue hoch. „Du hast uns gehört.“ „Ich...kaum, ich habe versucht zu Hause anzurufen“, spann ich mir die halbe Wahrheit zusammen und schaffte es kaum seinen klaren Blick zu erwiedern. Er lachte und wahrscheinlich glaubte er mir nicht, doch er kam noch ein Stück näher, beugte sich zu mir herunter und ich blickte auf. Was auch immer er wollte, ich wusste nur, dass er aus der Nähe noch besser aussah. Ich lächelte verhalten zurück. Erwartete er etwas, wartete er auf etwas, sollte ich etwas sagen. Unsicherheit erklomm jede mich und wieder brauchen meine Hände in Schweiß aus. „Und was ist?“ fragte er. Erst glaubte ich, zusammenhanglos, doch dann fiel mir ein, worauf er hinaus wollte und ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, ist keiner rangegangen, wie es zu erwarten war“, den letzten Teil sagte ich mit einem Lachen und nahm noch einen Schluck aus dem Glas. „Also erwarten sie dich nicht so schnell wieder zu hause?“ fragte er zu gründlich nach und ich lächelte einfach weiter. Er war schon ein lieber Kerl, aber ich hörte was hinter seinen Worten steckte, denn im nächsten Moment nahm er meinen Kopf zwischen seine Hände, zog mich vorsichtig zu sich heran und gab mir einen hauchzarten Kuss. Es wäre gut gewesen für die nächste Zeit meinen Kopf einfach abstellen zu können, doch leider war ich darin noch nie herausragend gut gewesen. Das Glas aus meinen Händen verschwand mit einer mir unbeschreiblichen Geschwindigkeit und mit ihm ging die nur allzu angenehme Kälte. Frank küsste mich noch immer, es war gut möglich, dass auch ich ihn küsste, doch ich musste an zu viele Dinge gleichzeitig denken. Mich darauf konzentrieren keinen Fehler zu machen. Ich vernahm seinen Atem auf meinen Wangen. Schmeckte den süßlichen Beigeschmack des Eistees auf seinen Lippen. Ignoriere das metallische Ziehen seines Piercings und ließ das Gefühl seiner Finger auf meiner Haut so nah an mich heran, dass ich wusste, noch nie etwas schöneres gespürt zu haben. Sein Oberkörper drückte mich aufs Bett, meine Hände lagen koordinationslos neben meinem Kopf und mein Kopf gab Signale, die ich versuchte durch das Zusammenkneifen meiner Augen zu unterdrücken. Es durchzog meinen Körper, als Franks Lippen nicht länger auf meinen lagen, sondern sich zärtlich – und wenn ich zärtlich sage, dann mein ich das auch so – einen Weg meinen Hals hinab suchten. Ich tastete nach der Hand, mit der er sich neben meinem Kopf abstütze, fand sie und griff danach, krallte mich hinein, als hätte ich schrekliche Angst vor dem was passieren würde. Aber hatte ich das denn? Nein, hatte ich definitiv nicht. Ich war erfasst, gebannt und konnte es kaum abwarten. Wenn ich ehrlich war, ging es mir sogar zu langsam, wie er einen Knopf nach dem anderen mein Hemd öffnete. Ich spürte durch unsere verbunden Hände, wie das Drängen in seinem Körper immer stärker wurde, um so tiefer seine Hände glitten und um so mehr Zeit er sich gab, vorsichtig mit mir umzugehen. Es überkam mich nach seiner Wange zu greifen und ihn zu mir heran zu ziehen, um ihn zu küssen und es war wirklich nicht zu verkennen, dass es ihm gefiel, dass auch ich etwas dazu beitrug. Zu wissen, dass ich keine Angst hatte. Es war nun wirklich der richtige Moment meinen Kopf auszuschalten. Ich wollte ihn und er wollte mich, mehr brauchten wir nicht mehr zu wissen. „Wo ist Gerard?“ war das Erste, was ich wieder völlig ungedämpft durch meine Ohren hören konnte, es war, als hätte sich jemand neben mich gestellt und die Frage an mich selbst gerichtet, was natürlich völliger Müll war. Müde öffnete ich meine Augen. Das Erste, was ich merkte, nach der Tatsache, dass ich nackt war, war meine schmerzende Hüfte, dann das stechende Sonnenlicht und danach eine befriedigende Ausgeglichenheit. Ich wälzte mich noch einmal herum, kuschelte mich tief in die warme, gutrichende Decke, als mein Blick auf den Nachttisch fiel und ich den Inhalt, der zuvor noch in der Schublade meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, darauf stand. Und die Stimme, die nach mir gefragt hatte? Ich saß kerzengerade im Bett. Das hier war gar nicht meins. Es... Es war Franks Bett. Und die Stimme war auch nicht meine Mutter, sondern seine. Die Wände... Sie waren doch so hellhörig und...oh mein Gott. Ich schluckte schwer, durchforstete mit den Augen den Boden nach meinen Klamotten und fand mein Shirt einfach nicht. Vielleicht war es auch besser einfach hier drin zu bleiben, bis sie wieder ging. Ich konnte ihr unmöglich unter die Augen treten. Gut möglich, dass sie... Und dass sie... Und... Ich ließ mich wieder zurück ins Kissen fallen, dass ich unter meinem Kopf hervor zog und feste auf mein Gesicht presste. Vielleicht konnte ich einfach verschwinden oder durchs Fenster fliehen. So musste ich ihr nicht begegnen. „Er schläft noch.“ Frank. Oh man, hilf mir doch, warum bist du auch nicht hier, sondern da draußen. „Er ist gestern wohl nicht mehr nach Hause gegangen.“ Es war schon beängstigend, wie nüchtern sie das sagte. Sie wusste genau, dass ich noch da war, konnte sie nicht einfach verschwinden. Von wegen sie würde nicht beißen. Es hatte eh keinen Sinn mehr, ja. Das ist schon richtig. Sie würde mich nie mehr willkommen heißen, denn: Ich wusste, dass ich nicht leise gewesen war in der Nacht. Ich rubbelte die Hitze mit dem Kissen aus meinen Wangen. „Nein, sollte er denn?“ „Ich dachte ja nur“, seine Mutter klang alles andere als glücklich. Ich war wohl nicht die Art von Umgang, die sie sich für ihren Sohn wünschte. Sicherlich hatte sie einen stattlichen, attraktiven Mann bereits ausgewählt, wenn nicht eine hübsche, erfolgreiche Frau. Mein Kopf drohte zu platzen. „Ma, was hast du gegen ihn?“ Franks Stimme klang nun wieder aus der Küche. Ich hasste mich dafür, dass ich sie hören konnte, auch wenn es nicht meine Schuld war. „Nichts.“ „Na siehst du...“ „Ich habe nur...“ „Was?“ Oh, so ernst hatte ich ihn noch nie erlebt, auch wenn ich nicht bei ihnen war, musste ich mir unwillkürlich Franks aufgebrachte, strenge Miene vorstellen – beinahe gruselig. „...ein bisschen was gehört, du weißt doch, wie die Leute reden und...“, ich hoffte mich verhört zu haben, doch diese Chance lag bei Null. „Es ist mir egal. Ganz ehrlich, du brauchst mir auch nicht zu sagen, was du gehört hast. Es ist mir verdammt noch mal egal und weißt du, dass sollte es dir auch. Ich liebe Gerard und er wir noch öfters hier her kommen, glaub mir.“ Sie blieb stumm. Ich schnappte nach Luft. Was? Er...was? „Solange ihr glücklich seid“, beendete sie schließlich das Gespräch, doch ich hatte es tatsächlich geschafft nicht mehr zuzuhören. Ich drehte mich auf den Bauch, das Kissen nun unter meinem Gesicht und versuchte zu verstehen, was ich gehört hatte, aber war das überhaupt möglich...? „Hey, Schlafmütze.“ Frank. Und dieses Mal war er wirklich da. Ich hatte die Zimmertür gehört. Er stellte etwas auf den eh schon überladenen Nachttisch, setzte sich aufs Bett und obwohl ich meine Nase tief ins Kissen drückte roch ich Kaffee. Aber um aller Willen, er sollte nicht schon wieder wissen, dass ich gelauscht hatte und tat mein Bestes so zu tun, als würde ich wirklich gerade erst aufwachen. „Mh“, brummte ich leise und drehte mich in seine Richtung, mittlerweile war die Decke so verdreht, dass ich nicht mehr wusste, wie ich sie jemals von meinem Körper bekommen sollte, doch er schien es zu wissen, denn er schob mich ein Stück zur Seite, kletterte ins Bett, setzte sich neben mich und bettete meinen bleischweren Kopf auf seinen Schoß. Ich vernahm die erfüllende Wärme seines nackten Oberkörpers. „Wach?“, begrüßte er mich und durch den matschigen Schleier vor meinen Augen erkannte ich sein liebevolles Lächeln. Oh Gott. Er liebte mich und ich... ich...liebte ihn auch. Diese Augen. Diesen Körper. Diese Gefühle. Es war eindeutig einer der schönsten Morgende meines Lebens und ich glaubte stark daran noch mehr von ihnen zu bekommen, auch wenn ich dabei die Sache mit seiner Mutter wirklich außen vor lassen musste. „Hey...“, nuschelte ich und drückte mich leicht gegen seinen Bauch. „Und...?“ fragte er, ich sah ihn an und lächelte. „Ja?“ Um seinen Hals lag die Kette, die ich ihm geschenkt hatte. Das schwarze Lederband auf seiner leicht blassen Haut, der Anhänger...konnte ihn das wirklich glücklich machen? Vermutlich, denn er stich mir sanft die Strähnen von der Stirn, küsste mich dort zärtlich und lächelte zurück. „Wie heißt eigentlich der nächste besondere Tag, auf den ich warten muss, um dich wiederzusehen?“ „Morgen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)