Eine einsame Nacht von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Der Entschluss ------------------------- „Liebling wach auf“, wisperte Narcissa leise und strich ihrem Sohn zärtlich das wirre Haar aus der schweißnassen Stirn. Alleine von der Berührung zuckte er vor Schreck zusammen und fuhr in die Höhe, sodass nur ihre guten Reflexe sie vor einer schmerzhaften Kollision bewahrten. Im nächsten Moment nämlich saß Draco aufrecht neben ihr und atmete schnell und unregelmäßig, während er seinen Blick gehetzt durch den Raum schweiften ließ. Mit einer ruhigen Bewegung hob Narcissa die zu Boden gefallene Decke wieder auf und breitete sie zumindest über den Beinen ihres geliebten Sohnes aus, der erneut alleine mit ihr in dem großen Herrenhaus war. Die Hauselfen zählten für sie beide nicht als Personen und Lucius war erneut außer Haus – Geschäfte erledigen, wie er es nannte. Dabei war es etwas ganz anderes. Schuld begleichen, dass wäre der richtige Ausdruck gewesen, dass war zumindest Narcissa klar, aber sie kannte ihren Mann und wusste, dass er unter diesem Begriff nichts tun würde, also ließ sie ihn seine ‚Geschäfte abwickeln‘ und kümmerte sich lieber um ihren Sohn. Seit Kriegsende vor gut einem halben Jahr war nichts wie vorher. Die halbe Zauberwelt lag in Trümmern und mit ihr die Familie Malfoy, besonders die Seele des blonden Jünglings neben ihr. Jede Nacht war es dasselbe, zwischen ein und vier Uhr schrie er laut sein Leid hinaus und kam erst aus seinen düsteren Träumen zurück, wenn sie ihn weckte, wusste, dann allerdings nichts mehr von dem Schrecken dem er gegenübergestanden hatte. Langsam war die besorgte Mutter am Ende ihrer Weisheit, Zauber für gute Träume, Tränke für traumlosen Schlaf, selbst einen Psychiater hatten sie schon probiert – ohne Erfolg. Erneut wollte sie ihre Hand heben um ihrem Jungen beruhigend über den Kopf zu streichen, so wie sie es auch immer getan hatte, als er noch klein gewesen war, ein blasser leicht kränklicher Junge, der sehr ängstlich gewesen war. Die Erinnerung brachte ein leichtes Lächeln auf ihre Züge, auch wenn Draco den Kopf unwirsch aus der Reichweite ihrer Hand brachte, „Mutter, es geht wieder.“, erklärte er trocken und sein Blick war fast ein wenig bitter. Sie musste sich eingestehen, der Krieg hatte ihn verändern, nein, eigentlich hatte er sie alle verändert. Doch seine Veränderung zeigte sich immer wieder deutlich. War er vorher schon verschlossen gewesen, so zog er sich emotional komplett zurück, er grübelte mehr und Narcissa war sich sogar fast sicher, dass er sich den Rat des Psychiaters zu Herzen genommen hatte und angefangen hatte Tagebuch zu schreiben, jedenfalls fand sie ihn abends bevor sie selbst sich in ihre Gemächer zurückzog am Schreibtisch in der Bibliothek. Dennoch ein solches Buch hatte sie nie gefunden. Langsam ließ sie ihre Hand wieder sinken und schenkte ihrem Sohn stattdessen einen warmen Blick voller Liebe, doch er bemerkte es nicht einmal, denn sein Blick war auf das Fenster gerichtet, oder auf die Welt dahinter, vielleicht auch auf etwas in dieser Welt, Narcissa konnte ihren Sohn nicht mehr einschätzen. Leise seufzte sie und erhob sich von seiner Bettkante. „Und es geht wirklich wieder Liebling?“ „Ja Mutter.“ „Dann schlaf gut, ja?“ „Ebenso.“ Kam es ihr nur so vor, oder war er verdammt einsilbig geworden? Narcissa unterdrückte ein erneutes Seufzen und verließ sein Zimmer wieder. Vor seiner Tür warf sie einen letzten langen Blick auf ihren Sohn, der wie es schien noch nicht wieder schlafen wollte und wünschte sich, wie so oft in letzter Zeit, dass er sich ihr mehr öffnen würde. Aber sie würde ihn nicht drängen, denn sie hatte gelernt, je mehr sie von ihm verlangte, desto weiter entfernte er sich von ihr, also ließ sie es und wartete. Geräuschlos zog sie die Tür ins Schloss und machte sich auf den Rückweg in ihr eigenes Schlafzimmer. Noch immer war sein Blick auf das Fenster gerichtet, doch seine Ohren hörten die immer leiser werdenden Schritte seiner Mutter, bis sie am Ende des Flures verklangen. Erst jetzt erlaubte er sich die verspannte Haltung zu lösen und sich schwer gegen das Kopfteil seines Bettes zu lehnen. Anders als seine Mutter wusste er, was ihm helfen würde und er wartete jeden Tag auf diese Rettung, auf ein Lebenszeichen, ein Brief, eine Notiz, ein Satz, dem ihm jemand ausrichtete. Von ihr. Seinem Engel. Jeden Abend schickte er eine Eule mit einem Brief an sie los. Er hatte sie schon gebeten ihm zu antworten, dann hatte er gefleht. Als auch das nichts gebracht hatte, hatte er sie beschimpft und verflucht. Auch ohne Reaktion. Danach war eine Phase gekommen, in der er sich seitenlang entschuldigt hatte. Er hatte die schillerndsten Welten mit Wörtern kreiert, nur um sie auf sich aufmerksam zu machen, ohne Antwort. Doch am heutigen Abend hatte er seine Taktik erneut geändert. Ein letztes Mal. Ein letzter Versuch. Seine Gedanken schweiften zurück, zu der Nacht, die alles verändert hatte. Die Nacht die ihn verändert hatte, seine Denkweise und seine Sichtweise. Und das alles nur wegen ihr. Sie war sein Engel und das nicht nur, weil sie ihn gerettet hatte, denn außer seinem Körper, hatte sie seine Seele aus dem Fegefeuer der Dunkelheit gezogen und ihm gezogen, dass auch ihm die Sicht auf das Licht gegeben war, wenn er nur die Augen öffnete. Seine Hände waren Fäuste und mit Wucht trieb er sie in seine Matratze, die den Schlag auffing um ihm die Wucht zu nehmen. Er würde seinen Engel besitzen! Für heute und für immer, das stand fest, so sollte es sein und so würde es sein. Ohne sein zutun wanderte sein Blick auf die kleine Uhr neben seinem Bett und er sah, dass es fast soweit war. Langsam stand Draco auf und schlich in sein Badezimmer. Ohne Hast zog er sich aus und stellte sich unter die Dusche, die heißes Wasser auf ihn herab regnen ließ während er sein Vorhaben noch einmal durchdachte, aber er fand nichts, was dagegen sprach. Es musste sein, entweder heute oder nie. Als er wieder aus der Dusche und danach aus dem Bad trat, dachte man bei seinem Anblick nicht mehr daran, dass er vor weniger als einer Stunde schweißgebadet erwacht war. Der seidige Schlafanzug in dem typischen grün der Slytherins wurde getauscht gegen eine edle schwarze Hose und ein teures schwarzes Designerhemd. Nur weil es eine nächtliche Aktion war, die nicht allen gefallen würde hieß es ja nicht, dass er, Draco Malfoy, sich gehen lassen würde und stillos das Haus verlassen würde. Mit wenigen gut gesetzten Bewegungen sah auch seine Frisur nicht mehr wie frisch aus dem Bett aus, sondern gepflegt und gut gerichtet, wie die Welt es von ihm gewohnt war. Nur weil er zu ihr wollte, hieß das nicht, dass er nicht er selbst sein konnte. Genau das war die große Änderung, die er dieses Mal in seinem Brief angekündigt hatte. Die Änderung zu ihr zu gehen. Sie zu sehen, mit ihr zu reden. Von Angesicht zu Angesicht. Heute Nacht um drei Uhr morgens. Genau das hatte er in seinem Brief angekündigt, dass er, wenn er nicht endlich von ihr eine Antwort bekam und wenn es nur ein klares Nein wäre, dann würde er zu ihr kommen. Und er hatte keine Antwort erhalten, nicht ein einziges Wort. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)