Herzstolpern. von Deryan (> oh, es ist das arme Herz.) ================================================================================ Kapitel 1: > HERZSTOLPERN. -------------------------- K A P I T E L 1 H E R Z S T O L P E R N. Um mich herum, drehte sich die große, weite Welt oder womöglich war ich es auch einfach, dessen Kopf einer Schwindelattacke ausgesetzt war; eine Achterbahnfahrt in meinem Kopf begann und ich saß direkt in der ersten Reihe und fuhr die Fahrt abermals – gewiss, es blieb nicht bloß bei einer. Dafür hatte ich viel zu viel getrunken. Ich kicherte, weil der Gedanke an mein betrunkenes Ich einfach der Komik entsprach. Es war sicherlich ein Augenschmaus für die eitlen Geschöpfe gewesen, als sie mich auf der Silvesterparty entdeckten – es entsprach so gar nicht meinem Image eine Party aufzusuchen, die auch noch von Ophelia De Luce veranstaltet wurde. Ein jeder kannte unser eisiges Verhältnis und doch hatten wir eine Gemeinsamkeit; Albus Severus Potter, ihrem momentanen Lover und mein Was-auch-immer. Ich war sicher, dass die eitlen Geschöpfe schier ins Staunen gerieten, als sie die sonst so keusche Alice Longbottom auch noch betrunken auf der Party erblickten – welch Seltenheit! Nun gut, es handelte sich hierbei sogar, um das erste Mal und wahrscheinlich auch letzte Mal, denn mir war übel – wirklich übel und ich war geneigt den berühmten Satz im meinem Kopf zu formulieren, den beinahe jede meiner Freundinnen schon zig‘ Mal murmelte, leierte oder elend und leidend, weil sie sich in der Mädchentoilette übergaben, aussprach: ‚Ich werde mich nie wieder so hemmungslos betrinken!‘ und ein jeder wusste, dass dieser Satz eigentlich nichts bedeutete, dass sie aus dem Elend nichts lernten und es immer wieder taten. Tja, so war nun einmal unsere Jugend – na, dann Prost! »Wieso kicherst du so?«, fragte mich mein Was-auch-immer amüsiert und ich war mir wieder bewusst, dass wir alleine in einem gelben Taxi saßen, gemeinsam in der Muggelwelt bei sternklarem Nachthimmel, den wir nicht bewundern konnten, weil der Rauch; ausgelöst von den Feuerwerken, uns daran hinderte, nach Hause fuhren. Korrektur: in das Hotel zurückfuhren. Wir gemeinsam. Ohne seine Freundin Nummer gefühlte-zig-tausend oder meiner beinahe Schwester Rose Weasley. »Ich weiß nicht.«, log ich, weil mich der Gedanke irgendwie beschämte das erste Mal in meinem Leben betrunken zu sein. In der Tat, ich schien tatsächlich, was dies angeht … nun gut, was die meisten Dinge betrifft, zu den sogenannten Spätsündern anzugehören, was mich bislang jedoch niemals störte – außer in diesem Augenblick, weil mir auf schrecklicher Weise bewusst wird, dass ich anders bin, als er und seine Freunde. Es erinnert mich daran, dass ich nicht in seine Welt passe und meinem Image gerecht werde – eine prüde und verkorkste Streberin. Dementsprechend gehören auch meine neuentdeckten Empfindungen für ihn verboten, auch wenn ich sie nur schwer zuordnen konnte und … apropos Gefühle: die Tatsache, dass ich nun zu jenen heranwachsenden Frauen gehörte, die ihm tatsächlich erlagen, erschrak mich zutiefst und bewahrheitete seinen einen Satz, den er irgendwann im siebten Schuljahr mir entgegen spuckte. »Ich könnte jede haben, wenn ich bloß wollte.« Nun, seine Äußerung bewahrheitete sich bedauerlicherweise tatsächlich. Verdammt! Und ich dachte stets, dass ich nicht jede war, viel mehr etwas Besonderes, etwas, dass er niemals haben konnte. So konnte man sich täuschen. Argh! Vor allem, da ich glaubte, mein Herz jemand anderem geschenkt zu haben. Es war dieses schöne Über-beide-Ohren-verlieben und mein Herzallerliebster war ein Wohlklang; kultiviert, intelligent, bescheiden und auf seine Art hübsch … oder attraktiv. Und, als meine Gedanken nur für einen Herzklang um ihn kreisten, wurde mir wieder bewusst, dass es auf ewig eine Träumerei sein würde; eine Beziehung mit ihm. Und dann wäre da auch noch Albus. Albus war mir stets ein Dorn im Auge. Ja, wirklich. Ich war vor Monaten noch der felsenfesten Überzeugung, dass noch nicht einmal eine Freundschaft zwischen uns existieren könnte – wieder etwas, wo ich mich getäuscht habe, auch wenn man unsere momentane Beziehung noch nicht einmal so interpretieren durfte. Und trotzdem waren wir beide hier und ich fühlte mich erschreckend zu ihm hingezogen. »Du weißt es nicht?« Er grinste mich an. Es war dieses typische Potter-Grinsen, der mir jeglichen Atem raubte und mein Herz Karussell fuhren ließ. Ich schaute augenblicklich weg, weil ich es nicht ertragen konnte und widmete mich stattdessen der Aussicht draußen zu, murmelte jedoch mit gespielter Beleidigung: »Halt die Klappe, Potter.« Es war das Einzige, was mir mein beinahe leerer und vor allem benebelter Verstand an Worten schenkte. Er lachte leise. Dies war seine Antwort an mich und er schenkte mir mit seiner heiseren Stimme unbewusst eine Gänsehaut. Dann herrschte wieder eine angenehme Stille zwischen uns. Meine geröteten Augen hingen am Fenster, schauten sich die vagen Umrisse von hohen Gebäuden und Bäumen und gelegentlich von Straßenlaternen, die gefüllt von Neonlichtern waren, beim Vorbeifahren an. Ich glaubte, er täte das Selbe. Es war ein Irrtum. Seine kalten Fingerspitzen berührten meine Handfläche, kitzelten das Innere. Ich wandte mich vom Fenster ab, schaute direkt in seine dunklen Augen, obwohl sie eigentlich nicht dunkel waren, sondern grün; ein strahlendes und hypnotisierendes Grün, welches jedoch vom trüben Licht viel dunkler wirkte. Und dann geschah alles viel zu schnell. Seine freie Hand berührte mutig meine gerötete Wange und seine Lippen fanden stürmisch die meine – es erweckte beinahe den Eindruck von Besitzergreifen. Albus‘ Körper drückte sich an meinen und ich ließ es zu. Er schenkte mir einen leidenschaftlichen Kuss, auch dies war mir durchaus willkommen. Seine Hände wanderten weiter, berührten meine Schenkel, meinen Nacken und seine Lippen hauchten mir Küsse auf die empfindsame Stelle an meinem Hals. Natürlich ließ ich aus das, ohne jegliche Proteste, gewähren. Ich war eine Gefangene. Vielleicht seine oder aber eine Gefangene des Alkohols, der jedes, auch so kleinstes Widerstreben ausmerzte. Das Taxi hielt an. Es war der Augenblick, als wir das erste Mal voneinander abließen. In diesen kläglichen Sekunden müsste uns wieder die Realität bewusst werden und die Realität sah unser Tun, als nicht richtig an. Er mochte mich nicht – es gab unzählige Situationen, in denen er seine Empfindung hinausschrie. Aber so, wie er mich nicht mochte, mochte ich ihn auch nicht. Denn das Einreden, Albus Severus Potter nicht zu mögen war von Leichtigkeit, so bequem, als über die Gefühle nachzudenken, die er plötzlich in mir erweckte. Albus bezahlte rasch und wir stiegen in die kalte Winternacht aus. Noch immer war der Verstand benebelt und das Einzige, was er forderte waren Albus‘ Lippen auf meine oder auf meiner Haut – das war ihm egal. Mein Atem ging unregelmäßig, aber auch seiner, als ich sah, wie er auf meine Seite schritt, mich dann wieder packte und seine Lippen gierig auf meine drückte. Ich vergaß die Welt um mich herum, vergaß die Kälte, die meine Glieder noch vor wenigen Herzklängen erzittern ließen und vergaß meinen minimalen Entschluss unser skandalöses Verhalten zu unterbinden. Ich war betrunken. In diesem Augenblick erschien es, als perfekte Ausrede. Er spielte mit meiner Zunge, nagte an meinen Lippen, während wir beim Küssen in das bescheidene Hotel hineingingen. Als wir uns alleine im Fahrstuhl befanden, drückte er mich gegen den kalten Spiegel. Seine Hände wanderten unter meinen Rock, umfassten meinen Po, nur um mich im nächsten Augenblick hochzuheben. Meine Beine umschlangen, wie von selbst, seine Hüften. »Bist du betrunken?«, fragte er an meine Lippen und für den Hauch eines Herzklangs hörte er mit seinem Tun auf. »Nein.«, log ich, wusste aber nicht, warum. Dann küsste ich ihn. Es war das erste Mal gewesen, dass ich die Initiative ergriff. Die goldenen Scheiben des Fahrstuhls öffneten sich endlich und er trug mich in mein Zimmer. Ich war verloren, er aber auch. Nachwort: Hallo meine Lieben :) ich glaube, dass man diese FanFic einen zweiten Anlauf nennen darf. Sie ist nämlich ein Mix aus dem wahren ‚Herzstolpern‘ (das Original sprach mich irgendwann nicht mehr an, wie früher) und meiner neuesten Kreation ‚Herzjäger‘. Aufgrund eines neuen Plots, habe ich mich entschieden diese zu löschen und einfach beide Fanfics miteinander zu verknüpfen. Und weil ich mich von meinem geliebten Titel nicht trennen konnte, wurde er für diese FanFic noch einmal verwendet. Ich hoffe, dass euch das erste Kapitel gefallen hat. Es ist anders, als all das, was ich eigentlich je geschrieben habe. Auch befinde ich mich im Neuland, was die Ich-Perspektive angeht, muss jedoch gestehen, dass sie sich gut schreiben lässt (damit will ich ausdrücken, dass ich das erste Kapitel nicht 10 Mal überarbeiten musste, wie es sonst immer der Fall ist). Meine liebste Dahlie, versehentlich habe ich ‚der Kuss des Todessers‘ gelöscht. Darum möchte ich Dir diese FanFic widmen – du weißt sicherlich warum und doch möchte ich es noch einmal erwähnen: Du bist ein Goldstück! Kapitel 2: > HERZSTÜCK. ----------------------- Na, wer hätte noch gedacht, dass es nach der langen Wartezeit, tatsächlich weitergehen würde? :) Und weil ihr so lange auf das neue Kapitel warten musstet und diese auch noch so eine Kürze aufweist, möchte ich mich entschuldigen. Ich bemühe mich im nächsten Kapitel mehr vom Handlungsstrang und selbstverständlich die anderen Charaktere, wie Rose, Scorpius, Louis und Lorcan und Lily einzubringen. Auf jeden Fall war es für mich eine kleine Freude gewesen, dieses Kapitel zu schreiben. Wahrscheinlich lag es daran, dass es mir leicht von der Hand fiel, was sehr selten passiert. Und ich hoffe auch, dass euch der Morgen danach gefällt und somit auch dieses Kapitel. Liebste Grüße K A P I T E L 2 HERZSTÜCK. Das Rad des Schicksals drehte sich, katapultierte mich geradewegs in die Vergangenheit zurück – irgendwo zwischen Herzklopfen und einer grässlichen Familienfeier steckte ich fest und begegnete einem Drei-Käse-Hoch, der wiederum einem burschikosen Biest begegnete. Jedoch war das Biest kein wirkliches Biest, sondern ein missverstandenes, kleines Mädchen, welches zum Heulen gebracht wurde und der Übeltäter war ein Störenfried, ein immer-im-Mittelpunkt-stehender Dummkopf, der es einfach nicht besser verdient hatte. Dies und nichts anderes erzählt die kleine Anekdote über meine erste Begegnung mit Albus Severus Potter: „Du heißt also Alice.“, stellte er mit einem tiefen Stirnrunzeln fest und schaute mich skeptisch an. Ich nickte, weil ich es als Höflichkeit erachtete und verdrängte die Tatsache, dass er mich seit guten zwei Stunden einfach ignoriert hatte – die Freundlichkeit wäre somit eigentlich passé. Die Betonung lag auf eigentlich. Und als ich ihn so musterte – ich konnte gar nicht anders, als ihn mit großen Augen anzustarren – da fiel mir dieser Dreck auf, der sich überall verteilte; auf seinem Bubengesicht, der Hose und dem grünen T-Shirt mit dem Besenaufdruck und seine Hände. Seine schwarzen Haare mussten vor Schlamm nur so triefen – wie eklig. Mir wurde augenblicklich übel. Automatisch entfernte ich mich einen großzügigen Schritt von ihm, weil ich befürchtete, dass er mich mit seinem Dreck beschmieren könnte und das würde ich nicht überleben. Das geräumige Wohnzimmer schien in diesem Augenblick viel zu klein für zwei Achtjährige (ich schätze, dass er in meinen Alter sein musste) zu sein. Dem Dreckspatz schien das Ausweichen nicht zu bemerken oder es interessierte ihn einfach nicht. Und diesen Gedanken hegte ich, als ich mir auffiel, dass seine grünen Augen noch immer auf mir ruhten. Er beobachtete mich und das eindringlich; ich fühlte mich unbehaglich. „Ich verstehe es nicht.“ Sein zweiter Anlauf begann, mit mir eine Unterhaltung zu führen. Irgendwie bekam ich das Gefühl, dass es sich hierbei eher um einen Monolog handelte. Na, toll. Das würde keine Vergnügen bedeuten. Die anfängliche Beobachtung verwandelte sich plötzlich zum Starren. Seine Augen formten sich nun zu Schlitzen. Anscheinend hatte er seine Brille irgendwo liegen lassen, denn ich wusste, dass er eine trug. Ich seufzte und fragte: „Was verstehst du denn nicht?“ „Jungs spielen doch nicht mit Puppen. Das tun nur die doofen Mädchen!“ Meine Kinnlade klappte unweigerlich runter und die Augen weiteten sich empor und die Wangen erglühten. Automatisch klammerten sich die kleinen Finger fester um Mademoiselle Flavia. Eine Unverschämtheit! Empört keifte ich: „Ich spiele deshalb mit Puppen, weil ich eben ein Mädchen bin!“ „Nein, das bist du nicht.“ Albus, das war der Name von diesem unhöflichen Jungen, klang so überzeugend, so sicher mit seiner 'Feststellung'. „Mädchen haben lange Haare, so wie meine Cousinen und nicht kurze.“ Prompt erinnerte ich mich an das missglückte Experiment vor einigen Wochen, die diese Haarpracht hinterließ – der einzige, unverkennbare Beweis, im Übrigen, als ich den Versuch unternahm, einen Verwandlungszauber auszuüben – aber das verriet ich ihm nicht. „Mädchen können auch kurze Haare haben.“, antwortete ich beleidigt. „Du trägst Shorts, meine Cousinen nicht.“ Eines stand fest: ich wünschte, er möge auf einer Bananenschale ausrutschen. Jawohl! Und seine doofen Cousinen mit ihren tollen, langen Haaren und ihren wunderbaren Kleidern, die wahrscheinlich keine einzige Falte besaßen, entsprangen dem letzten Jahrhundert. „Wie deine Cousinen aussehen, interessiert mich nicht. Ich bin ein Mädchen und nun lass mich in Ruhe!“ „Und ich glaube dir nicht.“, antwortete er mit Beharrlichkeit, stemmte die Hände in die Hüften und schaute mich mit diesem seltsamen Blick an, auf den dann ein dämliches Grinsen folgte. „Weißt du was? Ich beweise es dir.“ Und dann geschah alles viel zu schnell. Albus trat einen Schritt auf mich zu, seine Finger griffen nach meiner Hose und zogen sie mit einem kräftigen Druck herunter, samt dem Höschen mit den bedruckten, roten Herzchen darauf. Ich war so fassungslos über seine Tat, über seine Dreistigkeit und dem Mangel an Höflichkeit – ich benötigte einige Herzklänge, um zu realisieren, dass ich tatsächlich halb nackt vor ihm stand. Seine überaus erstaunte Stimme ließ die Fassungslosigkeit verpulvern. „Oh, du bist ja wirklich ein Mädchen.“ Und als der Trottel genau das sagte und ungeniert auf meine entblößte Mitte starrte, da begriff ich die Ungeheuerlichkeit, die mir widerfahren wurde. Natürlich erfasste mich die blanke Scham, als ich auf mich hinunter sah und erkannte, dass er es tatsächlich gewagt hatte, mir meine Hose runter zu ziehen. Die Farbe, die nun mein Gesicht repräsentierte, erinnerte an eine Erdbeere. Mit den Tränen kämpfend und mit dem bebenden Unterkiefer zog ich so schnell, wie nur möglich meine Hose wieder an, ballte meine Hand zur Faust und schlug mit aller Kraft, die in mir steckte, in sein noch immer staunendes Gesicht. „Du, Pupsloch, du Würstchen, du Kugel voller Matsch! Was fällt dir ein.“ Und während ich das sagte, holte ich noch einmal aus und verpasste ihm noch eine. Für meine Verhältnisse strotze das Ergebnis nur so vor Erfolg: ich erwischte ihn beim ersten Schlag auf die Nase, der zweite landete auf seinem linken Auge. Ich wollte ihm noch einen bittersüßen Kinnhacken schenken, jedoch schien sein Geheul Gehör gefunden zu haben. Denn plötzlich spürte ich zwei Hände auf meinen Armen, die mich bestimmend von Albus wegzerrten. Es war Rose' Mama gewesen. Und im Übrigen: Albus wehrte sich nicht einmal. Heulend lag er auf dem dunkelgrauen Teppich und schrie nach seiner Mama – Sieg für mich! Ab diesem Zeitpunkt waren die Fronten geklärt. Und man war nicht gewillt, die Friedenspfeife zu rauchen. . . . Diese schrecklichen Vorhänge hätte ich bei meinem Ankommen gleich zuziehen sollen. Dann hätte das Sonnenlicht nicht mein Gesicht kitzeln können und die Lichtstrahlen würden nicht mein bescheidenes Zimmer überfluten und mich vom kostbaren Schönheitsschlaf abhalten – ich bedanke mich herzlichst an meine eigene Verlässlichkeit. Ein leises Grummeln entwich meiner Kehle und das Antlitz verzog sich mürrisch. Das Lid öffnete sich zaghaft, aber nur für einen kurzen Atemzug. Die plötzliche Helligkeit, die mich schlicht überforderte, schien auch für das eine Auge zu viel. Die Helligkeit quittierte von mir ein gequältes Wimmern. Irgendwie fühlte ich mich wie Apfelmus. Das letzte Mal, als ich dieses Gefühl verspürte, befand ich mich inmitten der Abschlussprüfungen und lernte, lernte, lernte. Das Auge schloss sich wieder und ich zog mir die gemusterte Decke über den Kopf. An den Wirbelsturm in meinem Kopf vermochte ich gar nicht zu denken. Es dröhnte und wie schrecklich es dröhnte. Der Versuch den gestrigen Abend mit den wenigen, noch verbleibenden Gehirnzellen, die nicht vom Konsum des Feuerwasser ausgelöscht wurden, zu rekapitulieren, war weniger von Erfolg gekrönt, als ich dachte. Die Silvesterfestlichkeit der immer-mal-wieder-Freundin von Albus Severus Potter war das makaberste Erlebnis meines bisherigen Lebens gewesen. Dass die erlogenen, affektierten und gekünstelten Püppchen und die andere Gesellschaft, dessen Spott mich beinahe kränkte, eine andere Meinung vertreten könnten, wäre mir absolut schleierhaft gewesen! Denn obwohl das Erinnerungsvermögen sich nur an Bruchstücke erinnerte, waren es grauenhafte Erinnerungsfetzen, so wie beispielsweise: der Streit zwischen zwei jungen Erwachsenen (es waren zwei sehr angeheiterte Hexen gewesen), welches eskalierte – die eine wurde, denke ich, in den Pool oder aber ins Buffet geschubst und die andere stolperte über ihre viel zu hohen, spitzen Schuhe und landete irgendwo … dann war da noch Albus, der nicht von meiner Seite wich, was sein Betthäschen erzürnte und mich verwunderte, noch immer verwunderte. Und dann … dann wurde es schwammig, bis hin zu unergründlich. Ach du meine Güte, ich hatte einen Filmriss! Argh! Memo an mich: das Konsumieren von Feuerwasser wird nicht mehr praktiziert! Betrunkener Zustand führt zum Gedächtnisverlust und einem Kater … oh, einem gewaltigen Kater. Mir war übel und ich wünschte nichts sehnlicher als einen Trank gegen diese fürchterlichen Schmerzen in meinem Kopf. Die ungeschminkten Lider – der dunkle Lidschatten war sicherlich verschmiert und sah unschön aus – öffneten sich abrupt, weil mich ein schockierender Gedanke überkam, der mir die Brust zuschnürte. Sofort lugte ich aus der Decke und stellte höchst erleichtert fest, dass ich die Nacht in meinem bescheidenen Hotelzimmer, mit seinen erschwinglichen Preisen und der altmodischen und niedlichen Einrichtung, verbrachte und nicht in unbekannten Wänden, neben einem unansehnlichen Widerling (der im betrunkenen Zustand attraktiv wirkte) liegend. Die Erleichterung war ein überaus angenehmes Gefühl, bedauerlicherweise hielt diese Empfindung für beschauliche Sekunden an. Ich machte den Fehler und wandte mein Gesicht zur Seite, um zu erfahren, welche Uhrzeit mein Wecker offenbarte und dann erblickte ich ihn, anstatt alles andere. Es war er. Erstaunlich, wie schnell das Gefühl der puren Zufriedenheit keine Dummheit begannen zu haben, verschwand und sich in blankes Entsetzen verwandeln konnte. Meine Gesichtsfarbe erinnerte bestimmt an eine Geistergestalt; fahl und kreidebleich war sie mit den Gesichtszügen der Fassungslosigkeit. Er lag neben mir. Das arme Herz in der Brust rutschte unsanft in die Magengrube. Es war mein Was-auch-immer. Albus. Albus der auf dem Bauch lag und friedlich schlief. Albus, dessen Rücken entblößt war und somit auch die längliche Narbe auf der rechten Schulter, die er im siebten Schuljahr beim Quidditch davontrug. Mein Atem stockte und das Herz in der Brust raste, raste, raste. Der Gedanke, der mir so schnell wie ein Pistolenschuss in den Sinn kam, war fürchterlich. Denn Albus' Oberkörper war unbekleidet und vermutlich … die Schlussfolgerung war geradezu erschütternd. Vielleicht, bei Merlin ich hoffte es nicht, möglicherweise war er genauso unbekleidet unter der Decke, wie ich? Ich hoffte, hoffte, hoffte, hoffte und verfluchte meinen wahren Alkoholpegel und mich gleichermaßen, weil ich mich dazu überreden ließ, Feuerwasser zu konsumieren. Oh, wie mich die Unglücksfee bestrafte! Da trank ich das erste Mal in meinem Leben und dann passierte mir dieses … Missgeschick, Unfall … was auch immer. Dies schien der Höhepunkt meiner nie endenden Pechsträhne zu sein, welches passend zum neuen Jahr eintrudelte und mir einmal mehr verdeutlichte, dass die Welt, dass das Schicksals und was-weiß-ich-noch-alles eine Antipathie gegen mich besaß. Widerwillig sah das Augenpaar wieder Albus an. Die mit gemusterte Decke teilten wir uns (romantisch, nicht wahr?) und sie war wahrlich nicht groß genug für zwei erwachsene Körper, genauso wenig wie das eine bedruckte Kopfkissen. Das Herz, es stolperte, als ich mir seiner tatsächlichen Nähe bewusst wurde. Es bedurfte wenige Zentimeter zur hauchfeinen Berührung der Nasenspitzen. Sein rabenschwarzes Haar war zerzaust, besaß etwas Verruchtes. Einige von meinen dunklen Haarsträhnen lagen darauf. Nächstes Herzstolpern in der Brust. Sein Arm lag weit ausgestreckt und mein Nacken bettete sich darauf, nicht auf dem weichen, blau-rot gestreiften Kissen (in der Tat, der Bettbezug passte in keinster Weise zusammen), nein, sondern auf seinem Arm – die Erkenntnis kam spät, ich weiß. Meine armen Nerven und das arme Herz fuhren eine wilde Achterbahnfahrt. Und dann öffneten sich seine Lider zaghaft. Ich starrte regelrecht in verschlafene, grüne Augen. Albus schien die heikle Situation zwischen uns nicht mit dem ersten Wimpernschlag zu realisieren. Dies offenbarten mir seine schlaftrunkenen Gesichtszüge. Dann verging ein Herzklang. Es folgte ein Weiterer und noch einer und mit jeder weiteren verstrichenen Sekunde, veränderte sich sein Antlitz rapide. »Bei Merlin!« Albus fuhr zusammen und sprang beinahe vom Bett auf und da sah ich es: die Bestätigung dafür, dass das Vermutlich nur eine Hoffnung dargestellt hatte. Er war unbekleidet. Gänzlich entblößt. Mit hochroten Wangen schaute ich schnell weg und ergriff panisch die Bettdecke und hielt sie an meinem Körper gepresst, so dass Albus nicht den Genuss der Bewunderung meiner Weiblichkeit (Applaus, bitte, für meinen hervorragenden Humor) kommen konnte. Mir war es auch durchaus egal, dass ich so egoistisch war und die ganze Decke für mich beanspruchte. Lily würde sicherlich ihre perfekten Zähne entblößen und das perfekte Zahnpasta Lächeln aufsetzen und mir die Worte prüde, verkorkst und verklemmt entgegen spucken. Das tat sie immer und manchmal, da hegte ich den Glauben, dass es absichtlich geschah. So wie gestern Abend, noch bevor die Stunde Zwölf geschlagen hatte, als sie schon im beschwipsten Zustand beim Ankleiden und Schminken und der eigentlichen Freude des Beisammenseins, welches alles in Rose‘ kleinem Hotelzimmer geschah, kichernd meinte: „Darf ich vorstellen: die verklemmte und überaus altjungferliche Alice Longbottom, die noch immer der Niete Lorcan Scamander nachtrauert und ihn nun auch noch zu allem Übel als besten Freund erduldet! Was für eine Heuchelei!“ Ich schwieg vor Sprachlosigkeit und über ihr dreistes Verhalten. Der Feuerwhiskey, gefangen zwischen ihren Fingern, wurde kurz in meine Richtung geschwenkt und dann landete die Flüssigkeit in ihrem gierigen Mund. Rose ermahnte sie, so, wie sie es eigentlich immer tat, doch Lily ignorierte die Zurechtweisung und trank und schminkte sich weiter. Unsere Blicke trafen sich, aber nur kurz, dann wandte er sich schon von mir ab. Albus setzte sich am Rande des Bettes hin und rieb sich das Kinn. Er schien nachzudenken oder aber er brauchte einen großzügigen Augenblick, um das Geschehene zu verdauen. Wer konnte ihm das schon verübeln? Und doch wollte ich ihm keine Gelegenheit für eine Verdauung des Geschehens geben, weil diese Stille nichts tröstliches, nichts angenehmes besaß. Sie war genauso Unwillkommen, wie die Anwesenheit von Scorpius Hyperion Malfoy, wenn er auf meine hinreißende Seelenverwandte stieß. Die Emotionen überrollten sich mit schierer Heftigkeit. Die Augen füllten sich mit verhassten Tränen, die ich nur einen Herzklang lang versuchte zu unterdrücken. Grenzenlose Panik vermischte sich mit Übelkeit erregendes Entsetzen. Dann heulte ich. Hemmungslos. Und Albus bemerkte es sofort. Rasch wandte er sich zu mir. Seine sanfte Stimme streifte mein Herz: „Nicht weinen, Alice. Wir kriegen das schon wider hin.“ Seine Hand lag in der Luft, wollte meine Hand oder meinen Arm berühren – bestimmt, um mir Trost zu spenden, jedoch verkniff er sich die Intimität auf halben Wege. „Wir kriegen absolut nichts wieder hin!“, dementierte ich mit erstickter Stimme und wischte mir die Tränen mit meinem Handrücken aus dem Gesicht, „Wir haben etwas Unverzeihliches getan! Etwas, was Menschen nicht tun sollten, wenn sie einander nicht lieben. Und außerdem–“ Ich stockte mitten im Satz, weil mir das aller Fürchterlichste aller schrecklichsten Dinge einfiel. Mein Mund schloss sich, weil ich es einfach nicht glauben wollte, konnte. „Bei den Heiligen“ Ich dachte, ich müsse gleich umkippen. „Wir haben miteinander geschlafen und … es … war mein –“ Ich stockte, weil ich die Kraft nicht aufbrachte, meinen Satz zu Ende zu formulieren, darum dachte ich es nur: Es war mein erstes Mal. „Oh, oh … ach du meine Güte, w-wir haben m-mi-miteinander geschlafen“, wiederholte ich es überflüssigerweise, aber die Situation war auch zu makaber, „Und dabei hast d-d-du eine Freundin! Oh, nein, oh, nein, oh, nein, oh nein, was bin ich bloß für ein schrecklicher Mensch, da mache ich mich doch tatsächlich an einen liierten Kerl ran und schlafe auch noch mit ihm und das Schlimmste an der Tatsache ist, dass ich mich noch nicht einmal daran erinnern kann, weil ich viel zu betrunken gewesen bin … oh, oh, ach du meine Güte, ich hy-per-ven-ti-liere!“ Albus' Hand legte sich abrupt auf meine, drückte sie bestimmend. Bei der Berührung zuckte mein Körper kaum merklich zusammen. „Alice, beruhige dich.“ Seine Stimme war von Sanftheit erfüllt und sein Blick wurde intensiver. „Weißt du, es ist nicht nur deine Schuld, sondern auch meine. Ich hätte mich, wie ein Gentleman verhalten müssen und –“ Er stockte, weil es an der Tür klopfte. Nun, hörte man genauer hin, so würde man nicht von einem einfachen, federleichten Klopfen an der Tür sprechen, sondern von einem Hämmern gegen das dunkle Holz. Wir zuckten beide zusammen. „Alice, mach die dämliche Tür auf! Wir müssen miteinander reden.“ „Es ist Lily.“, stellte ich überflüssigerweise fest. Als ob Albus die Stimme seiner eigenen Schwester nicht erkennen würde. Aber er nickte nur beiläufig, anstatt mir seinen Zynismus entgegenzuspucken. So, wie ich seine plötzlich konzentrierten Gesichtszüge deutete, schien er nachzudenken. „Was ist, wenn sie uns so sieht?!“ Die Vorstellung einer Lily Luna Potter, die in das viel zu kleine Zimmer hineinstürzte, erweckte die Hysterie von neuem. „Oh, nein, nein, nein, nein! Was ist, wenn sie dir Tür aufmacht und uns beide so sieht? Das würde der Untergang für uns beide bedeuten: der notorische Fremdgeher und die Longbottom-Pest nackt in einem Zimmer, enttarnt von dem größten Tratschmaul, oh-“ „Alice, du übertreibst wieder. Wie soll sie die Tür öffnen? Sie ist verschlossen.“ „Sie kann aber einen Zauberstab zücken!“ „So, wie ich meine hirnlose Schwester kenne, hat sie bestimmt einem Tauschgeschäft zugestimmt. Zauberstab gegen ein neues Paar Schuhe.“ „Lily würde so etwas nicht tun. Sie ist doch nicht töricht.“ Er stöhnte. „Das war nicht wortwörtlich gemeint, aber egal. Was ich sagen will, Lily kommt nicht so einfach herein.“ Und dann stand Albus plötzlich auf und suchte seine Boxershorts. Benötige ich zu erwähnen, dass ich einen wunderbaren Blick auf seinen nackten Körper besaß? Prüde blickte ich wieder auf die Decke. „Du wirst ihr gleich die Tür öffnen.“ Das war der Augenblick, als ich ihn wieder anstarren musste. „Wie bitte? Nein, niemals. Sie könnte–“ „Alice, lass mich ausreden. Ich gehe solange in den Schrank, während du versuchst Miss Egozentrisch abzuwimmeln. Schaffst du das?“ Da war es wieder. Dieser nervige Kommandoton, den er perfekt beherrschte und den ich ausnahmslos verabscheute! Ich nickte, weil mir erstens keine andere Möglichkeit blieb (außer natürlich zu hoffen, dass Lily von allein verschwand, aber dann war es nicht Lily Luna Potter, wenn sie ihren Willen nicht bekam) und zweitens meine geistige Verfassung nicht gerade die Brillanteste war. Und so verschwand Albus in den Kleiderschrank. Seine Finger berührten noch die silbernen und zerkratzten Griffe, als er sich zu mir umdrehte und sagte: „Wir schaffen das, Alice. Ich verspreche dir, dass alles gut werden wird.“ Aber wir beide wussten, dass nichts mehr so ein wird, wie früher. Wir wussten, dass die Normalität sich verabschiedet hatte. Fortsetzung folgt Kapitel 3: > BEKLOMMENHEIT. --------------------------- K A P I T E L 3 B E K L O M M E N H E I T. „Wir kriegen das schon wieder hin.“ Das waren seine Worte gewesen, als er den kläglichen Versuch wagte, mich zu beruhigen. Wie erwartet, perlte seine Bemühung gänzlich an mir ab und ich fragte mich eine Zeitlang, wie, bei allen Zauberstäben dieser Welt, die Lösung aus dieser schrecklichen Situation wohl aussehen mochte. Die Antwort entsprang keinster Raffinesse: totschweigen, wie es Albus gerne nennen würde, hätte er jemals seine nicht vorhandene Güte erbracht, um mit mir über diese missliche Lage zu sprechen. Drei, der schrecklichsten Wochen meines Lebens sind seither vergangen, ohne, dass mich Mister-Möchte-Gern-Ich-Bekomme-Sie-Doch-Alle kontaktiert hatte. Drei Wochen, in denen ich mich mit allen möglichen Gewissensbissen und Schuldzuweisungen quälte. Nicht, dass ich die Hoffnung auf ein rührendes und klischeehaftes Happy End verspürte, das mein Moralgefühl gänzlich beseitigte und das Herz zum Frohlocken brachte, in dem mir Albus die ewige Liebe beteuerte. Ich war zwar naiv, aber nicht von solch einer Naivität zerfressen, als dass ich mir aussichtslose Hoffnungen machte. Und außerdem waren meine Gefühle für ihn … nun ja, schwer zu definieren. Ich wusste nicht, was ich für ihn empfand. Mal fühlte ich Zärtlichkeit, ein anderes Mal aber die blanke Antipathie, dann wieder leichte Zuneigung und dann machte er wieder irgendetwas, was mich wiederum rasend werden ließ. So war es die Jahre über gegangen. Argh! Was für ein schreckliches Durcheinander. Und dieses Chaos erreichte den qualvollen Höhepunkt, als wir miteinander geschlafen haben. Was sagte man bloß jemandem, mit dem man im berauschten Zustand eine Kostbarkeit geteilt hatte, die man im nüchternen Zustand nicht teilen würde? Albus' Part wäre sicherlich voller übertriebener Melodramatik: „Alice, ich krieche hier auf allen Vieren und flehe dich an. Bitte, bitte, bitte verrat' meiner Freundin nichts von meiner Untreue. Auch wenn ich es ihr oft nicht zeige, ich liebe sie abgöttisch, weißt du?“ - Argh! Welches Mädchen wollte schon solch eine Scheußlichkeit hören? Mein Part hingegen triefte nur so vor Sarkasmus und der Bekenntnis der eigenen Dummheit: „Hey, ich war zwar doof genug und habe mich erstens das erste Mal in meinem Leben Volllaufen lassen und zweitens dir meine geliebte Jungfräulichkeit geschenkt, aber klar doch, diesen Gefallen des Schweigens erfülle ich nur zu gerne und verpetze unser Techtelmechtel nicht deiner Freundin!“ - zumal ich einmal ungewollter Zeuge des Rachefeldzugs der Ophelia De Luce wurde, als besagte junge Frau den Seitensprung ihres Geliebten herausfand. Oh, was war die Vergeltung von Grausamkeit gewesen. Der Unruhestifterin wurden die wunderhübschen Locken abgeschnitten und Albus unternahm nichts, um seine wahnsinnig gewordene Freundin aufzuhalten. Da war sie wieder, diese Antipathie. Sein Desinteresse zu Helfen machte ihn nämlich hässlich. Vielleicht entpuppte sich aus diesem Grund, sein unausgesprochener Schlachtplan, doch als vorteilhaft? Da waren doch diese Stiche in der Brust, die ich bei dem Gedanken der Untreue spürte, doch zu verkraften oder aber der Ethos, der mir immerzu zuflüsterte, dass ich ein schlechter Mensch sei. „Was ist los mit dir, Liebes? Du machst ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter.“ Lorcans Hand berührte die meine, drückte sie sanft, und katapultierte mich in die Realität zurück. Sein sorgenvoller Blick streifte meinen. Es traf mich bis ins Mark. Ich schluckte die erlösenden Worte, die mein schlechtes Gewissen vielleicht erleichtern mochten, herunter und zwang mich zu einem Lächeln, auch wenn mein Gemüt die Regung auf meinem Antlitz nicht teilte. „Es ist alles in bester Ordnung.“, log ich und erwiderte dabei den sanften Druck seiner Hand. Ihn zu belügen, machte mir keine Freude. Ihm allerdings die Wahrheit zu offenbaren, löste blanke Panik in mir aus. „Ich kenne dich viel zu gut, um zu wissen, dass dem nicht zutrifft. Du hast dich heute nicht einmal über die überstürzte Hochzeitsfeierlichkeit, wie du es gerne nennst, von Victoire und Ted beschwert.“ „Dieses Thema ist aber auch zu deprimierend. Wie kann man sich bloß mit 24 vermählen? Lorcan, die beiden sind erst 24 Jahre alt! Wie kann man in diesem Alter schon wissen, dass man mit diesem einen Menschen sein restliches Leben verbringen will? Ich kann mich noch nicht einmal zwischen Schokoladen- und schwarzes Vanilleeis entscheiden!“ Abrupt blieb ich mitten auf dem Gehweg stehen und sah Lorcan bestürzt an. Passanten gingen an mir vorbei, plauderten oder schauten sich die Schaufenster der Boutiquen an, die sich über die ganze Straße verteilten. Ich fröstelte, als der kalte Januarwind meinen Körper streifte. Korrektur, meine nackten Beine fröstelten, weil ich, anstatt die dicken Wollstrümpfe anzuziehen, mich für Nylonstrümpfe entschieden hatte – eine eindeutig doofe Entscheidung, liebe Alice! „Diese Entscheidung kann man doch nicht mit Eis vergleichen, Liebes.“, erwiderte er und blieb ebenfalls stehen und wandte sich mir zu. In seiner Hand hielt er einen gepunkteten Regenschirm und der graue Mantel, der seinen Körper umhüllte, stand ihm außerordentlich gut. „Und warum nicht? Es bleibt schließlich eine Entscheidung.“ „Gut, wie du willst. Du kannst dich momentan nicht zwischen Schokoladen- und Vanilleeis entscheiden. Wie sieht es denn nächsten Monat aus? Da wirst du zwischen Pfefferminz und Blaubeere schwanken. Ted und Vic haben ihre Eissorte gefunden und bleiben wahrscheinlich für die nächsten Jahre oder Jahrzehnte bei dieser Wahl.“ Es folgte eine kurze Atempause, dann bildete sich dieses entzückende Lächeln, um seine Mundwinkel. „Außerdem können sich die beiden doch immer noch Scheiden lassen, wenn sie die Nase voll voneinander haben.“ „Du bist alles andere als ein Romantiker!“ Ich versuchte streng zu klingen, aber es gelang mir beim besten Willen nicht. Ich grinste ihn stattdessen an und verbesserte meinen besten Freund bloß gedanklich, als er die Eissorte Vanille erwähnte und nicht schwarze Vanille oder die Tatsache, dass ich mich schon seit Jahren nicht zwischen diesen beiden Eissorten entscheiden konnte. Die wenigen Schritte, die mich von ihm trennten, überwand ich schnell, hackte mich bei seinem dargebotenen Arm unter und wir schlenderten gemeinsam durch die überfüllte Straßen von Paris, die uns zum Palpitation führte; es handelte sich um jenen auserwählten Ort, an dem das trudelnde Paar ihre Hochzeit feiern wollte. An einem Freitag ohne Schnee auf den belebten Straßen, im Januar, in Europa. Warum nicht in Miami oder in irgendeinem anderen Örtchen der Welt, in der es sommerlich, frühlingshaft warm war? Und außerdem: wer heiratete schon im eiskalten Winter und heutzutage mit 24 Jahren? Anscheinend konnte es ihnen nicht schnell genug gehen. „Ich hätte Wollstrümpfe anziehen sollen und Stiefel. Lange Stiefel aus Leder, anstatt diese Pumps, an denen ich mir die Zehen abfriere. Oder besser noch: ich hätte die Pumps im Restaurant anziehen sollen. Dann würden meine Füße auch nicht vom Fußmarsch so schmerzen.“ Ich versuchte meine betrüblichen Gedanken auszusortieren, besonders den Gedanken an Albus. Meckern war aber auch kein großartiger Versuch mein Gemüt zu erhellen. „Deine Schuhe sind hinreißend, Liebes. Außerdem passen sie hervorragend zu deinem Kleid und unterstreichen deinen Fetisch für Schleifen.“ Das war mein Lorcan; strahlend, aufmunternd, liebenswert und ironisch. Ich besaß keinen Fetisch für Schleifen – wir teilten bloß eine besondere Beziehung zueinander – mir war aber auch klar, dass er meine schlechte Laune verpulvern wollte und dafür war ich ihm so dankbar. „Du bist purer Zucker, weißt du das?“ Er grinste nur. . . . Das Palpitation entpuppte sich als eine wundervolle Wahl für eine Hochzeitsfeierlichkeit. Ein Frühlingszauber umhüllte den Garten, ließ die frostigen Januartemperaturen nicht mehr hinein. Laternen schwebten über der Tanzfläche, tauchten den riesigen Garten in trübes Licht. Gewiss, der Abend besaß etwas Romantisches, erweckte den Eindruck von Besonderheit und ich liebte es. Alleine saß ich auf einen der vielen Stühle im Inneren des Palpitation und schaute durch die offene Terrassentür hinaus, beobachtete die tanzenden Paare und entdeckte Ted und Victoire auf den zweiten Blick. Sie erinnerten an das perfekte Brautpaar auf einer vierstöckigen Hochzeitstorte; geschmückt mit goldenen Rosen aus feinstem Marzipan und verziert mit einer Glasur aus weißer Schokolade, die raffiniert Schleifen formte. Sie sahen so verliebt, so glücklich aus. Die Glücksgefühle färbten ab. Unwillkürlich musste auch ich Lächeln, als Victoire in Teddys Armen glockenhell zu Lachen begann. Dann vollführte sie eine Drehung auf dem Tanzparkett und landete wieder in seinen Armen. „Oh, war das ein herrlicher Tanz!“ Es war Lily Luna Potter, die auf den freien Stuhl mir gegenüber plumpste, und gleichzeitig meine Beobachtung störte. Ihre Wangen waren vom Tanzen errötet und sie rang nach Atmen, als sie mit zufriedenen Gesichtszügen nach dem halbvollen und abgestandenen Glas mit Perlenschampus griff. „Die Erfrischung tut gut, wirklich. Henry ist so ein ausgezeichneter Tänzer. Schade, dass du nie in seinen Genuss kommen wirst, weil du dich nie auf die Tanzfläche wagst!“ „Du weißt doch, dass ich nicht Tanzen kann.“ Und außerdem fand ich die Vorstellung mich mit Teddys Arbeitskollegen, Henry Shappert, zu unterhalten einfach grauenerregend. Er war langweilig, interessierte sich nur für Zwerge und Quidditch und … nun, ich schob ihn in die Kategorie: Dummschwätzer. Bedurfte das noch einer näheren Erläuterung? - eindeutig: Nein. „Irrtum, Alice, jeder kann Tanzen. Selbst eine wie du, die mit zwei linken Füßen geboren wurde.“ Zweiter Seitenhieb an diesem Abend, danke Lily. Der Erste galt meiner mädchenhaften Garderobe, die meine 'Figur noch üppiger wirken ließ, als sie schon war', wie Lily es gerne formuliert hatte. Netterweise gebrauchte sie nicht das Wort fett, nein, sie umschrieb es bloß. Das nächste Lied erklang. Unsichtbare Fingerspitzen berührten die Saiten der Harfe, spielten eine mir unbekannte Melodie. Dann erklangen von irgendwoher ein Saxophon und eine Gitarre; sie vermischten sich mit der Melodie der Harfe. Es war traumhaft schön. Ich erwählte, ihre Äußerung zu ignorieren und somit der Konversation zu entfliehen und stattdessen der Musik mehr Beachtung zu schenken, jedoch ließ es Lily nicht zu, denn aus ihren bemalten Lippen sprudelten die nächsten Worte heraus: „Ich weiß, dass meine Mitteilung plötzlich kommt, aber ich kann diese wunderbare Neuigkeit einfach nicht länger für mich behalten. Und außerdem möchte ich nicht, dass dieser dämliche Lorcan Wind von dem bekommt, was ich dir gleich offenbaren möchte. Alice, wir sind doch Freundinnen und Freundinnen erzählen sich doch alles, oder?“ Sie wartete noch nicht einmal eine Antwort von mir ab. „Ich bin verliebt!“ Ihre Stimme wurde leiser. Lily beugte sich weiter zu mir vor. „Ich meine so richtig verliebt; ich offenbare alle möglichen Symptome. Wenn ich ihn ansehe, dann bekomme ich Schmetterlinge im Bauch, mein Mund wird trocken und ich werde ganz verlegen. Dies musst du dir einmal vorstellen! Ich, ich meine wirklich ich, werde verlegen! Ich will in seiner Nähe sein – immerzu, möchte ich das.“ Ihre braunen Augen glitzerten. „Wenn man das nicht Liebe nennen kann, dann weiß ich auch nicht weiter.“ „Und wer ist der Glückspilz, wenn ich fragen darf?“ Meine Frage war eher zaghaft, vorsichtig gewählt, denn es war ein kein wohlbehütetes Geheimnis, dass Lily Luna ihr Herz gerne und immerzu überstürzt verschenkte und dass manchmal mit solch einer Gedankenlosigkeit … es verschlug mir jedes Mal die Sprache. „Seine Identität ist auch gleichzeitig sein einziger Makel. Meine Brüder würden mich umbringen, du und Rose würdet mich belehren wollen und Lorcan würde mich verspotten, weil es jemand ist, der nicht in eurer Gunst steht, jemand Verbotenes. Du darfst mich nicht verurteilen, nicht böse auf mich sein, Alice. Er hat sich geändert, ja, wirklich. Er ist umwerfend, charmant, hilfsbereit und so höflich. Ich bin jedes Mal verblüfft, um seine Wandlung.“ Mit einem Mal, da hatte ich einen leisen Verdacht, eine vage Vermutung. Bitte, bitte, sag nicht, dass er es ist, Lily. Bitte! Aber wie groß war schon die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich so auf schicksalhafter Weise irgendwo begegneten? - eher schwindend gering, so rein realistisch betrachtet. Das Kapitel Hogwarts war beendet, seit Jahren schon. Und Hogwarts war der einzige Ort, an dem sie so flatterhafte Gefühle entwickeln konnte. „Es ist Scorpius Hyperion Malfoy.“ Natürlich. Wie hätte es auch anders kommen können, als dass die Kandidatin mitten ins Schwarze traf? Etwas anderes hätte ich nicht erwarten dürfen, nicht bei meinem fortgelaufenen Glück. Aber trotzdem: wieso musste sie sich ausgerechnet in ihn verlieben?! Schließlich gab es so viele Muggel und Zauberer auf der Welt, aber, nein, das Fräulein Egozentrisch suchte sich ausgerechnet den zynischen Malfoy aus! Oh, arme Lily. Sie hatte die Schlacht bereits verloren, bevor sie richtig zu kämpfen begannen hatte … und apropos Lily, da fiel mir wieder ein, dass sie noch immer auf eine Antwort von mir wartete. Nur leider fiel mir partout nichts Brauchbares ein, außer ein Oh zu hauchen. An ihren feinen Gesichtszügen merkte ich, dass ihr meine Reaktion eindeutig nicht zusprach. Argh – wo blieb denn bloß Lorcan, wenn man ihn denn einmal brauchte?! Die Besorgung eines Butterbieres und einer Beerenschorle (selbstverständlich war die Schorle für mich bestimmt, weil niemals, wirklich niemals wieder auch nur ein Tropfen Feuerwasser, meine Lippen berühren würden) bedurfte doch nicht solch eine Zeitspanne! Und wenn wir gerade einmal meine Seelenverwandten auflisteten, wo zum Kuckuck blieb Rose?! „Ich wusste, dass du nicht angetan über meinen zukünftigen Bräutigam werden würdest, aber solch eine Reaktion hätte ich nicht von dir erwartet. Es ist beinahe verletzend.“ Zukünftiger Bräutigam? Ja, war sie denn von allen guten Geistern verlassen? Und vor allem: wusste Scorpius von ihren makaberen Zukunftsplänen? „Lily-“, aber schon wurde ich von ihr unterbrochen. „Nein, sag nichts mehr. Ich dachte, dass du dich für mich freuen würdest, wenngleich es auch nur ein bisschen wäre.“ „Lily“ Meine Stimme klang beinahe flehentlich und doch prallte auch das gänzlich an ihr ab, denn sie fiel mir wieder ins Wort: „Ich ertrage deine Eifersucht nicht länger.“ Sie stand abrupt auf und ich wusste, dass sie ihren perfekt inszenierten und melodramatischen Abgang vollführen wollte, wäre Lorcan nicht plötzlich aufgetaucht. Mit voller Wucht stieß sie gegen ihn und in die Getränke, die er in beiden Händen hielt. Meine Augen weiteten sich erschrocken, der Atem stockte. Oh, das war gar nicht gut … das Butterbier und die Beerenschorle schwebten für Herzklänge in der Luft, bevor sie dann gänzlich Lilys Kleid durchtränkten. Die Gläser landeten auf den nackten Boden, zerbrachen jedoch nicht. Lily taumelte einige Schritte zurück, dabei verweilten ihre Hände auf ihrem Gesicht, untersuchten präziser die Nase nach womöglichen Spuren von Blut, jedoch fand sie keines. Ihre Nasenspitze war trotzdem rosarot – sie erinnerte an Rudolf, das rotnasige Rentier. Dann folgte das erwartete Unheil und bedauerlicherweise war ich nicht das einzige Augenpaar, welches diese Szene mitverfolgen durfte – Oh! Ihre schönen, braunen Augen schauten auf sich herab. Das Antlitz erstarrte für einen Atemzug, als sie das Fiasko an ihrem grünen Kleid erblickte, welches ihr so perfekt stand und all die Kurven betonte, die betont werden mussten und nun, bedauerlicherweise, stark nach Butterbier und Heidelbeeren rochen. Das Antlitz färbte sich Purpurrot – schätze, dass es sich um Zornesröte handelte – und ihre rot bemalten Lippen bebten, zuckten auf. Die Augen blitzten regelrecht, als sie wider Lorcan fixierte. „Du, widerliche, kleine Kakerlake! Dass hast du doch sicherlich mit Absicht getan!“ Die widerliche, kleine Kakerlake hob lediglich die Augenbraue, sah Lily mit leicht erstaunter Mimik an. „Ich wünschte, dass es so wäre, ja, wirklich, jedoch muss ich dich enttäuschen. Du hättest schlicht besser auf deine Umgebung aufpassen müssen.“ Der abschätzige Gesichtsausdruck, der daraufhin folgte, war so typisch für ihn, wenn er auf Lily Luna traf. „Aber ich vergaß, du achtest auf nichts anderes, als auf dich.“ Ich lauschte, wie Lily aufgebracht nach Luft schnappte und mir war auch im Klaren, dass eine bissige Antwort gleich folgen würde, aber das würde ich nicht zulassen. Schließlich befanden wir uns auf einer Hochzeitsfeierlichkeit und auf Hochzeitsfeierlichkeiten wurde kein Streit entfacht! Ruckartig erhob ich mich vom Stuhl, meine Mission: Rette die Hochzeitsgäste vor einer fiesen und lauten Auseinandersetzung, die bekanntlich niemals gut endete. Nur, dass der Gedanke an eine Rettung gänzlich verpulverte, als ich diese Stimme vernahm. Jene Stimme, die meinen Körper augenblicklich zu Marmor erstarren ließ. Jene Stimme, die die feinen Härchen auf meinen nackten Armen aufrichten ließ. Der Atem versagte und ich glaubte, jeden Moment würden meine Beine nachgeben. Es war doch nur mein Was-auch-immer. Albus. Zwar reichlich spät, aber er war gekommen und ich wusste, dass er die Streitigkeit verhindern würde, weil er nun einmal der Held dieser Geschichte war. Mein Herz, es stolperte. Fortsetzung folgt. ------------------------------------ Nachwort: Ich möchte mich ganz herzlich bei euch für eure lieben Kommentare zu dem vorletzten Kapitel bedanken! Sie sind einfach nur traumhaft und ermutigen mich wirklich weiterzuschreiben. Ganz lieben Dank!! Zu diesem Kapitel kann ich nur schreiben, dass es ursprünglich länger werden und dafür mehr Charaktere auftauchen sollten. Nur leider hat sich eine Hausarbeit angekündigt, so dass ich mich kurzfristig dazu entschieden habe, nur das zu Veröffentlichen (damit Ihr nicht noch länger warten müsst). Aber ich hoffe trotzdem, dass euch das Kapitel gefallen hat. Freut euch auf mehr :) Liebste Grüße Deryan. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)