Ein Jahr Später von CaptainCalvinCat (Spiegelungen II) ================================================================================ Kapitel 2: Unter den Waffen schweigen die Gesetze ------------------------------------------------- Man hatte die Station so gebaut, dass man mit der maximalen Sensorenauflösung die neutrale Zone scannen konnte. Daher war Deep Space Seven eine militärisch-wichtige Einrichtung und durch mindestens einen Kampfverband der Föderation immer zu erreichen. Der Aufbau der Station war typisch-föderal standardisiert. Architektonisch wirkte sie nicht unbedingt spannend. Euphemistisch gesagt. Realistisch gesagt: Die Station war ein Modulbausatz, wie er langweiliger nicht sein konnte. Irgendwann in den späten 80ern des 23. Jahrhunderts hatte ein Architekt den Auftrag erhalten, das neue Weltraumlabor „Regula 1“ zu entwerfen und nachdem der Architekt dem Föderationsrat diese Bauweise vorgeschlagen hatte, stellte man fest, dass das Design recht effizient war. Also wurden bis ins späte 24. Jahrhundert und wahrscheinlich noch darüber hinaus die Raumstationen nach dem Modellbausatz Regula 1 gefertigt. Das Raumschiff, das neben der Station unter Warp ging, wurde sehnsüchtig erwartet. Es war ein Standardshuttle der Klasse 3, eines jener kleinen Kurzstreckenflieger, von denen jedes Raumschiff mindestens ein komplettes Kontingent besaß. Als das schnittige Gefährt im Hangar der Raumstation landete und sich die Kabinentür öffnete, eilte ein Mann in einem Doktorenkittel auf das Shuttle zu und lächelte: „Sir, Ma’am, wir haben Sie schon erwartet.“ Die beiden Personen, die das Raumschiff verließen, hätten unterschiedlicher gar nicht sein können. Sie eine Frau mit Maßen, die durchaus dazu geeignet waren, jede Frau im Umkreis ein wenig neidisch werden zu lassen, mit feuerroten Haaren und den grünsten Augen, die man sich vorstellen konnte, er ein Mann, dessen Körperbau zwar ebenfalls drahtig war, dessen Bewegungen jedoch davon zeugten, dass er diesen Körper nicht unbedingt koordinieren konnte. Die Augen – die sagten Doktor Oscar Goldman schon alles. In ihnen stand der Wunsch, sich zu beweisen, aber auch dass er keine wirkliche Ahnung hatte, wie er das anstellen sollte. Doktor Oscar Goldmans Erscheinung war eine derjenigen, die diese gewisse Art von Autorität ausstrahlen. Er war eins vierundneunzig groß und seine hohe Stirn, sowie die Falten im Gesicht waren ein Zeichen davon, dass er nicht einer dieser Jungspunde war, wie sie heutzutage auf der Starbase rumliefen. Das Lächeln, das er aufgesetzt hatte, wirkte ein Stückweit ernst gemeint, aber es war auch diese durchaus feststellbare Menge an Diplomatie beigemengt. Mit eben diesem echt-falschen Lächeln schaute er nun die beiden Neuankömmlinge an und sagte: „Sir, Ma’am, wir haben sie schon erwartet.“ Als der Mann den Shuttle verließ, wandte er sich um, reichte seiner Begleitung die eine Hand, die sie ergriff und ebenfalls aus dem Gefährt ausstieg. Goldman schaute den beiden Offizieren zu, näherte sich ihnen dann und gab ihnen die Hand. „Darf ich mich vorstellen? Ich bin Doktor Oscar Goldman und ich bin der Leiter des Projektes Alpha Prime.“ „Entzückt.“, sagte die Rothaarige mit einer angenehm-dunklen Stimmfärbung, während der Mann sich kurz verneigte, sich kurz räusperte und dann ansetzte, zu sprechen. „Okay, dann zeigen Sie uns doch mal den Big Mac.“ Innerlich rollte Goldman mit den Augen. Kein „Schönen guten Tag!“, kein „Na, wie geht’s?“ – nein, sofort in Medias Res. Das war so typisch für die Sternenflotte. Time is money – chop chop. „Gut, wenn Sie mir bitte folgen wollen.“, machte er dann dennoch und ging vor, sich kurz umdrehend, um zu schauen, ob die Beiden ihm wirklich folgten. Sie taten es. Lieutenant David Crane seufzte. Eigentlich hatte der Tag so toll angefangen – er hatte eine Subraumbotschaft von seinem Vater bekommen, man hatte sich wunderbar unterhalten und eigentlich hätte der Tag nur noch besser werden können, wenn seine Frau, Bethany, nicht mit Grippe im Bett gelegen hätte. So musste der 1,90 Meter große Blonde, der seine Uniform sehr gut ausfüllte, heute offenbar wieder einmal alleine in der Messe essen gehen – wie er es schon in den letzten Tagen gemacht hatte. Aber – na ja, so hatte er wenigstens Gelegenheit, sich mal wieder mit seinen Kameraden ausserdienstlich zu unterhalten, was in den letzten Wochen nicht einfach war. „Ich verstehe das“, hatte Silke Schmidt gesagt, „Ihr seid frisch verheiratet, da hat man nicht so viel Zeit für seine Kumpels.“ Somit hatte sich die Blondine mit den wasserblauen Augen zur Lage der Nation geäußert. Die beiden Sicherheitsoffiziere gingen zum Labor beta, wo Lieutenant Feng Mao schon den Campingtisch aufgebaut hatte und gerade dabei war, die Plastikschüssel mit Chips auf selbigen zu stellen. David lächelte Feng zu, die junge Chinesin erwiderte sein Lächeln und hob dann den Kopf als Alexander Poole durch die Tür kam. „Alexander“, sagte sie mit dieser exotischen Stimmfärbung, die immer ein wenig an einen Singsang erinnerte, „Willkommen zu unserer kleinen Runde.“ Poole nickte ihr zu, sie setzten sich und nach wenigen Minuten waren sie in einem Kampf der Willen gefangen – keiner wollte aufgeben, keiner war bereit, als Erster die Waffen zu strecken und zu sagen „Ich gebe auf.“. Als Goldman und die beiden Sternenflottenoffiziere das Labor erreichten, schauten sich der Captain und seine rothaarige Begleiterin erst einmal um. Das Labor selbst war ein mit etwas, das wie Glas aussah, verschlagener kleinerer Raum innerhalb eines größeren Raumes. Goldman erinnerte es immer wieder an genau jene Art der Sicherheitslaboratorien, die es natürlich auch war. Ein paar Meter vor dem Handflächenscanner stand ein Campingtisch, an dem gerade mehrere, in goldene Uniformen gekleidete Personen Poker spielten. Oscar nickte den Spielenden zu, während der Captain sich räusperte: „Haben Sie nichts zu tun?“ Der Eine, ein eins-neunzig Typ mit raspelkurzen, blonden Haaren und deutlich sichtbaren Muskelpartien, sprang auf und salutierte: „Sir, nein, Sir – das Terrain ist sicher!“ Der Captain lächelte, salutierte zurück: „Na dann macht mal weiter!“ Goldman beteiligte sich am Lächeln, ging dann auf die Konsole zu und legte als Erster seine Hand auf eine ungefähr 10 Zentimeter große, quadratische Glasplatte, die in der Wand eingelassen war. „Identifikation bestätigt“, erklang die weibliche Computerstimme, „Goldman, Oscar, Doktor. Rang: Lieutenant Commander. Projektleiter von Projekt Alpha Prime.“ Die braunen Augen des Sternenflottencaptains zeigten eine gewisse Ungeduld und Goldman drehte sich, dies registrierend, um. „Das ist eine ganz simple Sicherheitsvorkehrung – ich muss Sie bitten, sich gleich auch zu identifizieren.“ Dann drehte er sich wieder zur Labortür um, die in diesem Moment aufglitt. Kaum, dass der Wissenschaftler einen Schritt in das Labor gemacht hatte, glitt die Tür wieder zu. Ungeduldigen Blickes legte der Captain nun seinerseits seine Hand in die Glasfläche. Erneut erklang die weibliche Stimme. „Identifikation bestätigt.“, sagte sie und ratterte die Daten herunter, die mit dem Sternenflottencaptain in der Datenbank der Föderation verknüpft waren. Gleichermaßen verfuhr die Rothaarige, auch hier erfolgte eine einwandfreie Identifizierung und als alle drei im Labor standen, warfen der Captain und die Frau sich schwer zu entziffernde Blicke zu. Goldman bekam davon nichts mit, er schaute sich ebenfalls um, lächelte – hier war er in seinem Element. „Willkommen in Labor Beta, der Heimstatt des Projektes „Alpha Prime.“ Der Grund, warum Sie gerade durch diese Sicherheitskontrolle gehen mussten, Ma’am und Sir, liegt darin, dass wir hier einige hochbrisante Gegenstände haben, die, falls sie in die Hände eines potentiellen Feindes gelangen sollten, ziemlichen Schaden in der Föderation verursachen könnten.“ „Gegenstände?“, fragte die Rothaarige und Goldman nickte: „Ja. Beispielsweise einige Proben eines Virus. Dann wäre da ein Zellgift, das aus alten Aufzeichnungen einer nicht näher zu nennenden Quelle, wieder hergestellt wurde - und noch ein paar sehr interessante Sachen. Aus diesem Grund ist dieser Raum hier komplett von einem Kraftfeld umschlossen, das heißt, es kann niemand von draußen einfach so hier hereinbeamen oder sich seinen Weg durch die Glastür schießen. Wir sind hier absolut sicher.“ „Absolut sicher?“ „Sicherer als Fort Knox.“, erklärte Goldman, und ging dann mit knapp bemessenen Schritten zu einem Ding, das am Besten als eine Art „Gewehr“ zu beschreiben wäre. „Darf ich vorstellen“, sagte er mit einer Stimme, in der definitiv Stolz mitschwang, „Projekt Alpha Prime – oder auch, wie meine Kollegen es nennen: Der Borg-Striker.“ „Borg-Striker?“, echote der Captain, in dessen braunen Augen nun so was wie Unglaube zu erkennen war. „Ja.“, sagte Goldman und räusperte sich: „Doch die genaueren Erklärungen werde ich meinem Kollegen überlassen. Darf ich Ihnen Doktor Rudy Wells vorstellen?“ Ein älterer Herr, ebenfalls in einem Doktorkittel, schaute von einer Versuchsanordnung auf und runzelte verwirrt die Stirn: „Ich bin hier gerade bei der Untersuchung des von Mykotoxin betroffenen Fleischstückes einer Bos primigenius taurus, das umhüllt ist von einer Fusion eines Ovoid-Produktes und Zerfallsbeständen eines Aufbackerzeugnisses und…“ „Rudy, du kannst das Verschimmeln deines Wiener Schnitzels später untersuchen.“, sagte Goldman mit einer Stimme, die definitiv Ungeduld verriet, ehe er beruhigend zum Captain und seiner Begleitung herüberlächelte. Ja, so musste es auch damals gewesen sein, als sein Ur-ur-ur-ur-Großvater, zusammen mit dem Ur-ur-ur-ur-Großvater Rudys vor Investoren stand um das Bionic-Projekt, das sein Ahn so vorangetrieben hatte, zu bewerben. „Na gut.“, machte Rudy, stand auf und ging zu Oscar herüber, „Aber dafür wirfst Du ein Auge auf mein Schnitzel.“ „Natürlich.“, lächelte Oscar und ging. Rudy Wells II. schaute die beiden Offiziere an und nickte: „Ich nehme an, sie haben die Geheimhaltungsklausel gelesen, sonst wären Sie nicht hier.“ Die Frau nickte, der Mann schaute sie verdattert an, nickte dann aber auch. Das schien Rudy zu beruhigen. Er nahm das Gewehr in die Hand, drehte es so, dass die beiden Offiziere alle Einzelheiten erkennen konnten und strahlte förmlich. „Wie funktioniert er?“, fragte der Captain und der Wissenschaftler nickte. „Ja, das ist eine gute Frage. Nun“, setzte er an und man konnte hören, dass er diesen Monolog schon des Öfteren gehalten und ihn inzwischen zur Perfektion getrieben hatte. „Wie Sie sicherlich wissen, wurden wir alle assimiliert.“, erklärte er und stoppte, als er die verwirrten Blicke des Captains und der Frau registrierte. Das Lächeln, das sich nun auf den Lippen Wells bildete war ein krasser Kontrast zu dem etwas genervten Gesichtsausdruck, den Goldman von seiner „Schnitzel-Beobachtungs-Position“ aus, seinem Älteren Kollegen zuwarf, „Rudy, verunsichere unsere Gäste nicht!“ „Ich erkläre es ihnen ja.“, rechtfertigte sich der Andere und schaute dann zu der Frau und dem Captain herüber. „Also – zumindest wurden wir in einer alternativen Realität assimiliert, als die Borg es schafften den ersten Kontakt mit der Menschheit zu verhindern.“ „Aber die Enterprise-E ist doch in die Vergangenheit gereist und hat dies verhindert.“, schoss die Frau mit ihrer angenehmen Stimme dazwischen, während der Mann nur mit einem verwirrten Blick zu ihr herüberblickte: „Hat sie?“ „Ja, Schatz, hat sie.“ Wells lächelte. „Wie wir alle wissen, hat die Enterprise-E die Borgsphäre, die die Attacke auf Bozeman, Montana durchgeführt hatte, abgeschossen und die Sphäre ist in der Antarktis abgestürzt. Nachdem dort vor einigen Jahrhunderten mal ein paar Wissenschaftler verschwunden waren, hatte man beschlossen, diesen Ground Zero nie wieder aufzusuchen. Dann allerdings, als man erfahren hatte, was dort geschehen war, war man wieder neugierig und entsandte ein Expeditionsteam. Natürlich sind wir nicht so unbesonnen gewesen, einen kompletten Borg aus dem Eis zu befreien – aber wir konnten einen Transciever-Chip bergen.“ Während seines Vortrages hatte Wells das Gewehr geöffnet und einen kleinen, grauen Chip aus dem Gewehrlauf genommen. „Dieser kleine Teufel hier ist – rein theoretisch – mit dem Borgkollektiv verbunden und kann so feststellen, auf welcher Frequenz das Schutzschild operiert, das jeden Borg, nachdem er sich an die Waffenfrequenzen angepasst hat, operiert. Wir nutzen quasi den Vorteil, den die Borg haben, gegen sie aus.“ Die Frau räusperte sich. „Das klingt für mich danach, als hätten sie Seven of Nines Unendlichkeitsmodulator einfach nur neu Benannt.“ Mit einem Nicken schaute Wells zu der Frau herüber. „Ja, mir ist klar, dass man diesen Gedanken fassen kann – aber glauben Sie mir, wir sind noch viel eher auf die Idee gekommen, als diese Borg es ist.“ „Ach so? Und dürfte ich dann mal erfahren, warum wir in den letzten Scharmützeln mit den Borg auf diese Waffe verzichtet haben?“, eruptierte es nun aus dem Captain, „Ich weiß nicht, ob sie hier in dieser Abgeschiedenheit mitbekommen haben, was passiert ist, aber die Borg haben uns ziemlich schwer getroffen.“ „Das ist mir durchaus bewusst.“, erklärte Wells, „Das Problem ist, dass uns Forschungsgelder fehlten und immer noch fehlen, um dieses Projekt weiter voranzutreiben. Sehen Sie, Captain, Sir, es ist wie in jedem anderen Versuchslabor auch – die Gelder, die hier hereingebuttert werden, decken gerade mal die laufenden Kosten – von weiteren Ausgaben ist erstmal gar nicht zu reden.“ Der Captain hob abwehrend beide Hände: „Keine Diskussion zum Thema BWL bitte – damit stehe ich auf Kriegsfuß.“ Dann betrachtete er das Gewehr und legte den Kopf schief: „Sie wissen, dass wir es momentan mit einer weiteren Bedrohung zu tun haben?“ „Sir, bei allem Respekt, die Sternenflotte hat in den letzten 10 Jahren so viele Bedrohungen erlebt, wie seit der Kirk’schen Ära nicht mehr.“, erklärte Goldman von seinem Platz aus, stand auf und trat neben Wells, „Bitte werden Sie präziser.“ „Kann ich gerne tun.“, erwiderte der Offizier und schaute zwischen Goldman und Wells hin und her, „Können wir mit dieser Waffe auch Zylonen töten?“ Goldman runzelte die Stirn. „Sie können mit jeder Waffe einen Zylonen töten – das Problem ist, dass sie dann in einem weiteren Körper hochgeladen werden.“ Der Captain schaute Goldman an: „Ja, aber man könnte doch diesen Chip verwenden, um herauszufinden auf welcher Frequenz die Zylonen operieren, um das Bewusstsein aus den Körpern der Toten herauszuholen, richtig?“ „Das ginge rein theoretisch – wenn man die entsprechende Frequenz kennt, kann man sie sicherlich blockieren.“ „Gut, das wollte ich nur wissen.“, lächelte der Captain, ehe er auf die Waffe schaute. „Ist das Ding eigentlich schwer?“ „Nein, eigentlich nicht. Hier probieren Sie selbst, sie ist ungefähr genau so schwer wie ein Standardphasergewehr.“ Der Sternenoffizier nahm die Waffe in die Hand, wog sie kurz abschätzend, ehe er nickte: „Stimmt. Nicht schwerer als ein Phasergewehr.“ Er schaute zu seiner Begleitung: „Hast Du genug gesehen, Liebling?“ Mit einem Lächeln nickte sie, und der Blick des Captains veränderte sich. Er riss die Waffe hoch, nahm ziel und schoss. Der Strahl spannte sich von der Waffenmündung zu Goldmans Brust, wo er funkensprühend einschlug und den Mann mit einem entsetzten Schrei zu Boden fallen lies. „Was machen Sie da?“, gellte nun Wells, doch in dem Moment hatte die Rothaarige in einer unglaublich geschmeidigen Bewegung ihren Phaser herausgeholt, auf ihn angelegt und Schoss. Mit einem entsetzten Gesichtsausdruck taumelte der ältere Wissenschaftler gegen einen Glaskasten und rutschte daran herunter, mit blicklosen Augen ins Leere starrend. Der Alarm heulte los. Ohrenbetäubend und nervend laut blökte eine Sirene, die Beleuchtung veränderte sich, sie wurde rot, und eine Stimme verkündete: „Sicherheitsalarm im Labor beta.“ Die Rothaarige schaute sich im Labor um, sie ging von links nach rechts, stakste über die Leichen Goldmans und Wells, ehe sie einen weiteren Glaskasten sah, deren Inhalt sie zu interessieren schien. Wie eine Katze ging sie vor dem Kasten in die Knie, um hereinzuspähen, während der Captain dies sah und grinste. „Schatz, mach dein Ding, ich halte dir den Rücken frei. Damit drehte er sich zur Glastür um, vor der schon einige Sicherheitsoffiziere Position bezogen hatten. Einer von ihnen deutete auf den Captain und brüllte irgendwas, was der Mann nicht verstehen konnte, aber, da in diesem Moment die Phasersalven gegen die Tür prallten, konnte der Offizier sich denken, dass es sich dabei um einen Feuerbefehl handelte. Mit einem Grinsen erinnerte sich der Captain daran, dass Goldman gemeint hatte, dass man hier nicht so einfach reinkam. Das stimmte, das Problem war nur: Wenn der Feind im Labor war und die Sicherheitskräfte davor standen, waren diese die „Gepitschten“ – also die Gelackmeierten. Dies schien auch dem Sicherheitsoffizier durch den Kopf zu gehen, der gerade eben den Feuerbefehl gegeben hatte, denn erneut bellte er irgendwas, was der Captain nicht verstand. Lächelnd trat er zur Gegensprechanlage und öffnete einen Kanal. „Entschuldigung“, erkundigte er sich höflich, „Ich habe es gerade akustisch ganz schlecht verstanden. Könnten Sie es noch mal wiederholen?“ Die Schimpftirade, die daraufhin gegen die Scheibe aus Transparentem Aluminium losgelassen wurde, war der Captain froh, gar nicht erst hören zu müssen. „Schatz?“, riss ihn die Stimme seiner Begleitung aus den Gedanken und er schaute sie an: „Ja?“ „Ich hab’s.“, erklärte sie und schob einen kleinen Behälter in die Hosentasche ihrer Uniform. Zwinkernd schaute er ihr zu und nickte in Richtung eines weiteren Zylinders, auf dem etwas von „Achtung, Biogefährdung“ stand. Verstehend ging die Frau zu diesem Kanister, nahm ihn und gab ihn an den Mann weiter, der den Borg-Striker auf das Ding richtete. Dann nickte er ihr zu, die den Knopf der Gegensprechanlage drückte. „Okay, ich will nicht lange drumrum reden.“, erklärte er, „Sie wissen, das, wenn ich hier dieses Ding freisetze, das Labor auf Wochen lang dekontaminiert ist. Das heißt, sie können Wochenlang nicht an diesen Projekten weiterarbeiten, ganz zu schweigen davon, dass sie die Station räumen müssten und das Wildfire-Protokoll ausführen. Ich will das genau so wenig, wie sie, ich hab keine Lust, hier in dieser Station, am Arsch der Welt draufzugehen. Daher mein Vorschlag: Sie lassen uns ziehen und bekommen als Garantie, dass Sie uns anschließend vertrauen können, den Kanister wieder.“ „Das ist doch wohl ein Scherz?“, fragte der Sicherheitsoffizier am anderen Ende der Leitung und auf der anderen Seite der Scheibe aus transparentem Aluminium, „Captain, was haben Sie vor?!“ Der Captain lächelte: „Och, ich möchte nur ein paar Freunden ein kleines Geschenk machen.“ Danach wurde er ernst, fixierte den Sicherheitsoffizier und warf einen Blick auf seine Rangpins, die ihn als Lieutenant auswiesen. „Also Lieutenant “, sagte er in einem Tonfall, der deutlich machte, das er sich ob seines Ranges für etwas Besseres hielt, „Sie lassen uns gehen und ich gebe Ihnen diesen Kanister wieder.“ Erneut ein Lächeln, das so süffisant war, das der Lieutenant auf der anderen Seite der Tür am Liebsten reingeschlagen hätte: „Ist das ein Deal?“ „Jetzt kommt der dicke Hugo von der Leine.“, sagte Poole gerade, als Feng einen Blick Richtung Sicherheitslabor warf: „Was meint ihr, was die da drin besprechen?“ Schmidt zuckte mit den Schultern: „Vermutlich geheimen Starfleet-Kram der uns erst in ein paar Jahren richtig betreffen wird.“ „Ja, vermutlich wird es das sein.“, murmelte Feng, konzentrierte sich wieder auf ihre Karten, als das kurze, grelle Aufleuchten einer Art Blitz sie kurz verunsicherte. Sie schaute von ihren Karten auf, als erneut ein Blitz zu sehen war – dieses mal war der Blitz so hell, das das gesamte Labor in einem orange-farbenen Widerschein erleuchtet wurde. Ihre Muskeln spannten sich an, als Crane noch ein verdutztes „Du, ich glaube, das war ein Schuss.“ murmelte. Als der Alarm losheulte, sprang sie, wie von einer Stahlfeder getrieben auf, der Tisch kippte um und sie hatte ihr Phasergewehr in der Hand. Crane, Poole und Schmidt taten es ihr gleich, standen mit entsicherten Gewehren im Raum und hatten auf die Tür aus Transparent-Aluminium gezielt. Der Captain, der ihnen gerade noch freundlich zugenickt hatte, stand nun ebenfalls, mit entsicherter Waffe vor der Tür und schaute zu ihnen herüber. Er beriet sich offenbar noch mit der Frau, die bei ihm war, als diverse andere Sicherheitsoffiziere in den Raum kamen, ihre Phasergewehre erst locker in den Händen haltend. Als sie jedoch die Situation sahen, fielen sie in eine alte Gefechtsposition, der sich Crane, Poole, Schmidt und Mao anschlossen. Mit schnellem Blick hatte sich Crane versichert, der Dienstälteste zu sein, zielte auf die Tür und bellte den Feuerbefehl. Das laute Zischen einer Mehrzahl von Phasergewehren, die sich simultan auf ein Ziel entluden, hallte fast unerträglich Laut in den Ohren Fengs wieder, die einen Blick auf die Tür warf und feststellte, dass die Phaserstrahlen an einem Schutzschild wirkungslos verpufften. „Sinnlos!“, sagte sie und Crane warf ihr einen Blick zu: „Wieso?“ „Schau dir an, wie er da steht.“, erklärte nun Schmidt und deutete auf die Tür, hinter der der Captain stand und – lächelte. Tatsächlich er lächelte, was Crane dazu brachte, zu brüllen: „EINEN VERSUCH NOCH!“ Erneut zischten die Phaserstrahlen auf die Tür zu – doch erneut verpufften sie wirkungslos. „Entschuldigen Sie“, erklang plötzlich die Stimme des Captains aus der Gegensprechanlage und fragte nach, was er gesagt habe. Dies führte dazu, das Crane eine Schimpftirade von sich gab, die selbst dem gestandendsten Seemann die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte. „Verdammt!“, dachte sich der Blonde, als plötzlich der Captain einen Kanister sichtbar vor die Tür stellte und mit dieser neuen Waffe, die im Labor Beta gefertigt und getestet worden war, auf diesen Kanister anlegte. Und dann stellte er seine Forderungen. „Das kannst Du nicht zulassen, David!“, sagte Feng und ihr Singsang legte deutlich Zeugnis darüber ab, wie aufgeregt sie war, „Das ist – diese neue experimentelle Waffe ist gefährlich. Wir wissen doch gar nicht, was der Captain mit ihr vorhat.“ „Ich weiß es auch nicht.“, erläuterte Crane, „Aber was haben wir für eine andere Wahl?“ „Er hat doch gesagt, das er keine Lust hat, da drin draufzugehen, nicht wahr?“, fragte Schmidt und Crane schaute sie an, „Ja, und?“ „Nun, das heißt, er wird sowieso nicht feuern.“, erklärte sie und zuckte mit den Schultern, „Oder meinst Du, er gefährdet seine eigene Gesundheit?“ David schaute zu ihr herüber, nickte dann und ging zur Gegensprechanlage: „Tut mir leid, Captain, wir können Sie nicht gehen lassen.“ „Dann erledige ich Doktor Goldman.“, schoss der Mann durch die Gegensprechanlage zurück, „Er ist noch nicht tot, aber das kann sich sehr schnell ändern.“ Mit diesen Worten richtete der Captain den Borg-Striker auf den am Boden liegenden und warf einen Blick zu Crane herüber: „Also, wie sieht es aus? Wollen Sie wirklich das Leben eines Mannes aufs Spiel setzen? Ich meine, er kann Ihnen einen neuen Borg-Striker bauen und dann ist dieses Teil nutzlos. Ich will doch nur einen kleinen Vorsprung, mehr nicht.“ Crane warf einen Blick zu Poole, Schmidt und Feng, von denen letztere mit dem Kopf schüttelte, während die ersten Beiden sich nicht sicher zu sein schinen. Der Blonde holte tief Luft und sagte: „Okay, wir haben einen Deal.“ „DAVID!“, durchschnitt Fengs ärgerliche Stimme den Raum, „Das kann nicht dein Ernst sein!“ „Da drin ist jemand, der eventuell noch am Leben ist!“, rechtfertigte sich Crane und Feng schaute ihn an: „Die Sternenflotte verhandelt nicht mit Terroristen.“ „Dann schreib einen Bericht! Mir geht es um das Menschenleben dieses Mannes!“, schnappte Crane. Der Captain geleitete die Rothaarige unter den misstrauischen Blicken eines ganzen Sicherheitsbatallions ins Shuttle, stieg selbst hinein und schaute, kurz bevor sich die Tür schloss, zu Crane herüber: „Gut gemacht, Lieutenant Crane!“ Die Tür schloss sich, das Shuttle hob ab und flog, so unbehelligt, wie es gekommen war und wenig später kam von Deep Space Seven ein Notruf. Man hatte die Station so gebaut, dass man mit der maximalen Sensorenauflösung die neutrale Zone scannen konnte. Daher war Deep Space Seven eine militärisch-wichtige Einrichtung und durch mindestens einen Kampfverband der Föderation immer zu erreichen. Der Aufbau der Station war typisch-föderal standardisiert. Architektonisch wirkte sie nicht unbedingt spannend. Euphemistisch gesagt. Realistisch gesagt: Die Station war ein Modulbausatz, wie er langweiliger nicht sein konnte. Irgendwann in den späten 80ern des 23. Jahrhunderts hatte ein Architekt den Auftrag erhalten, das neue Weltraumlabor „Regula 1“ zu entwerfen und nachdem der Architekt dem Föderationsrat diese Bauweise vorgeschlagen hatte, stellte man fest, dass das Design recht effizient war. Also wurden bis ins späte 24. Jahrhundert und wahrscheinlich noch darüber hinaus die Raumstationen nach dem Modellbausatz Regula 1 gefertigt. Das Raumschiff, das neben der Station unter Warp ging, wurde sehnsüchtig erwartet. Es war ein Standardshuttle der Klasse 3, eines jener kleinen Kurzstreckenflieger, von denen jedes Raumschiff mindestens ein komplettes Kontingent besaß. Als das schnittige Gefährt im Hangar der Raumstation landete und sich die Kabinentür öffnete, eilte ein Mann in einem Doktorenkittel auf das Shuttle zu und lächelte: „Sir, Ma’am, wir haben Sie schon erwartet.“ Die beiden Personen, die das Raumschiff verließen, hätten unterschiedlicher gar nicht sein können. Sie eine Frau mit Maßen, die durchaus dazu geeignet waren, jede Frau im Umkreis ein wenig neidisch werden zu lassen, mit feuerroten Haaren und den grünsten Augen, die man sich vorstellen konnte, er ein Mann, dessen Körperbau zwar ebenfalls drahtig war, dessen Bewegungen jedoch davon zeugten, dass er diesen Körper nicht unbedingt koordinieren konnte. Die Augen – die sagten Doktor Oscar Goldman schon alles. In ihnen stand der Wunsch, sich zu beweisen, aber auch dass er keine wirkliche Ahnung hatte, wie er das anstellen sollte. Doktor Oscar Goldmans Erscheinung war eine derjenigen, die diese gewisse Art von Autorität ausstrahlen. Er war eins vierundneunzig groß und seine hohe Stirn, sowie die Falten im Gesicht waren ein Zeichen davon, dass er nicht einer dieser Jungspunde war, wie sie heutzutage auf der Starbase rumliefen. Das Lächeln, das er aufgesetzt hatte, wirkte ein Stückweit ernst gemeint, aber es war auch diese durchaus feststellbare Menge an Diplomatie beigemengt. Mit eben diesem echt-falschen Lächeln schaute er nun die beiden Neuankömmlinge an und sagte: „Sir, Ma’am, wir haben sie schon erwartet.“ Als der Mann den Shuttle verließ, wandte er sich um, reichte seiner Begleitung die eine Hand, die sie ergriff und ebenfalls aus dem Gefährt ausstieg. Goldman schaute den beiden Offizieren zu, näherte sich ihnen dann und gab ihnen die Hand. „Darf ich mich vorstellen? Ich bin Doktor Oscar Goldman und ich bin der Leiter des Projektes Alpha Prime.“ „Entzückt.“, sagte die Rothaarige mit einer angenehm-dunklen Stimmfärbung, während der Mann sich kurz verneigte, sich kurz räusperte und dann ansetzte, zu sprechen. „Okay, dann zeigen Sie uns doch mal den Big Mac.“ Innerlich rollte Goldman mit den Augen. Kein „Schönen guten Tag!“, kein „Na, wie geht’s?“ – nein, sofort in Medias Res. Das war so typisch für die Sternenflotte. Time is money – chop chop. „Gut, wenn Sie mir bitte folgen wollen.“, machte er dann dennoch und ging vor, sich kurz umdrehend, um zu schauen, ob die Beiden ihm wirklich folgten. Sie taten es. Lieutenant David Crane seufzte. Eigentlich hatte der Tag so toll angefangen – er hatte eine Subraumbotschaft von seinem Vater bekommen, man hatte sich wunderbar unterhalten und eigentlich hätte der Tag nur noch besser werden können, wenn seine Frau, Bethany, nicht mit Grippe im Bett gelegen hätte. So musste der 1,90 Meter große Blonde, der seine Uniform sehr gut ausfüllte, heute offenbar wieder einmal alleine in der Messe essen gehen – wie er es schon in den letzten Tagen gemacht hatte. Aber – na ja, so hatte er wenigstens Gelegenheit, sich mal wieder mit seinen Kameraden ausserdienstlich zu unterhalten, was in den letzten Wochen nicht einfach war. „Ich verstehe das“, hatte Silke Schmidt gesagt, „Ihr seid frisch verheiratet, da hat man nicht so viel Zeit für seine Kumpels.“ Somit hatte sich die Blondine mit den wasserblauen Augen zur Lage der Nation geäußert. Die beiden Sicherheitsoffiziere gingen zum Labor beta, wo Lieutenant Feng Mao schon den Campingtisch aufgebaut hatte und gerade dabei war, die Plastikschüssel mit Chips auf selbigen zu stellen. David lächelte Feng zu, die junge Chinesin erwiderte sein Lächeln und hob dann den Kopf als Alexander Poole durch die Tür kam. „Alexander“, sagte sie mit dieser exotischen Stimmfärbung, die immer ein wenig an einen Singsang erinnerte, „Willkommen zu unserer kleinen Runde.“ Poole nickte ihr zu, sie setzten sich und nach wenigen Minuten waren sie in einem Kampf der Willen gefangen – keiner wollte aufgeben, keiner war bereit, als Erster die Waffen zu strecken und zu sagen „Ich gebe auf.“. Als Goldman und die beiden Sternenflottenoffiziere das Labor erreichten, schauten sich der Captain und seine rothaarige Begleiterin erst einmal um. Das Labor selbst war ein mit etwas, das wie Glas aussah, verschlagener kleinerer Raum innerhalb eines größeren Raumes. Goldman erinnerte es immer wieder an genau jene Art der Sicherheitslaboratorien, die es natürlich auch war. Ein paar Meter vor dem Handflächenscanner stand ein Campingtisch, an dem gerade mehrere, in goldene Uniformen gekleidete Personen Poker spielten. Oscar nickte den Spielenden zu, während der Captain sich räusperte: „Haben Sie nichts zu tun?“ Der Eine, ein eins-neunzig Typ mit raspelkurzen, blonden Haaren und deutlich sichtbaren Muskelpartien, sprang auf und salutierte: „Sir, nein, Sir – das Terrain ist sicher!“ Der Captain lächelte, salutierte zurück: „Na dann macht mal weiter!“ Goldman beteiligte sich am Lächeln, ging dann auf die Konsole zu und legte als Erster seine Hand auf eine ungefähr 10 Zentimeter große, quadratische Glasplatte, die in der Wand eingelassen war. „Identifikation bestätigt“, erklang die weibliche Computerstimme, „Goldman, Oscar, Doktor. Rang: Lieutenant Commander. Projektleiter von Projekt Alpha Prime.“ Die braunen Augen des Sternenflottencaptains zeigten eine gewisse Ungeduld und Goldman drehte sich, dies registrierend, um. „Das ist eine ganz simple Sicherheitsvorkehrung – ich muss Sie bitten, sich gleich auch zu identifizieren.“ Dann drehte er sich wieder zur Labortür um, die in diesem Moment aufglitt. Kaum, dass der Wissenschaftler einen Schritt in das Labor gemacht hatte, glitt die Tür wieder zu. Ungeduldigen Blickes legte der Captain nun seinerseits seine Hand in die Glasfläche. Erneut erklang die weibliche Stimme. „Identifikation bestätigt.“, sagte sie und ratterte die Daten herunter, die mit dem Sternenflottencaptain in der Datenbank der Föderation verknüpft waren. Gleichermaßen verfuhr die Rothaarige, auch hier erfolgte eine einwandfreie Identifizierung und als alle drei im Labor standen, warfen der Captain und die Frau sich schwer zu entziffernde Blicke zu. Goldman bekam davon nichts mit, er schaute sich ebenfalls um, lächelte – hier war er in seinem Element. „Willkommen in Labor Beta, der Heimstatt des Projektes „Alpha Prime.“ Der Grund, warum Sie gerade durch diese Sicherheitskontrolle gehen mussten, Ma’am und Sir, liegt darin, dass wir hier einige hochbrisante Gegenstände haben, die, falls sie in die Hände eines potentiellen Feindes gelangen sollten, ziemlichen Schaden in der Föderation verursachen könnten.“ „Gegenstände?“, fragte die Rothaarige und Goldman nickte: „Ja. Beispielsweise einige Proben eines Virus. Dann wäre da ein Zellgift, das aus alten Aufzeichnungen einer nicht näher zu nennenden Quelle, wieder hergestellt wurde - und noch ein paar sehr interessante Sachen. Aus diesem Grund ist dieser Raum hier komplett von einem Kraftfeld umschlossen, das heißt, es kann niemand von draußen einfach so hier hereinbeamen oder sich seinen Weg durch die Glastür schießen. Wir sind hier absolut sicher.“ „Absolut sicher?“ „Sicherer als Fort Knox.“, erklärte Goldman, und ging dann mit knapp bemessenen Schritten zu einem Ding, das am Besten als eine Art „Gewehr“ zu beschreiben wäre. „Darf ich vorstellen“, sagte er mit einer Stimme, in der definitiv Stolz mitschwang, „Projekt Alpha Prime – oder auch, wie meine Kollegen es nennen: Der Borg-Striker.“ „Borg-Striker?“, echote der Captain, in dessen braunen Augen nun so was wie Unglaube zu erkennen war. „Ja.“, sagte Goldman und räusperte sich: „Doch die genaueren Erklärungen werde ich meinem Kollegen überlassen. Darf ich Ihnen Doktor Rudy Wells vorstellen?“ Ein älterer Herr, ebenfalls in einem Doktorkittel, schaute von einer Versuchsanordnung auf und runzelte verwirrt die Stirn: „Ich bin hier gerade bei der Untersuchung des von Mykotoxin betroffenen Fleischstückes einer Bos primigenius taurus, das umhüllt ist von einer Fusion eines Ovoid-Produktes und Zerfallsbeständen eines Aufbackerzeugnisses und…“ „Rudy, du kannst das Verschimmeln deines Wiener Schnitzels später untersuchen.“, sagte Goldman mit einer Stimme, die definitiv Ungeduld verriet, ehe er beruhigend zum Captain und seiner Begleitung herüberlächelte. Ja, so musste es auch damals gewesen sein, als sein Ur-ur-ur-ur-Großvater, zusammen mit dem Ur-ur-ur-ur-Großvater Rudys vor Investoren stand um das Bionic-Projekt, das sein Ahn so vorangetrieben hatte, zu bewerben. „Na gut.“, machte Rudy, stand auf und ging zu Oscar herüber, „Aber dafür wirfst Du ein Auge auf mein Schnitzel.“ „Natürlich.“, lächelte Oscar und ging. Rudy Wells II. schaute die beiden Offiziere an und nickte: „Ich nehme an, sie haben die Geheimhaltungsklausel gelesen, sonst wären Sie nicht hier.“ Die Frau nickte, der Mann schaute sie verdattert an, nickte dann aber auch. Das schien Rudy zu beruhigen. Er nahm das Gewehr in die Hand, drehte es so, dass die beiden Offiziere alle Einzelheiten erkennen konnten und strahlte förmlich. „Wie funktioniert er?“, fragte der Captain und der Wissenschaftler nickte. „Ja, das ist eine gute Frage. Nun“, setzte er an und man konnte hören, dass er diesen Monolog schon des Öfteren gehalten und ihn inzwischen zur Perfektion getrieben hatte. „Wie Sie sicherlich wissen, wurden wir alle assimiliert.“, erklärte er und stoppte, als er die verwirrten Blicke des Captains und der Frau registrierte. Das Lächeln, das sich nun auf den Lippen Wells bildete war ein krasser Kontrast zu dem etwas genervten Gesichtsausdruck, den Goldman von seiner „Schnitzel-Beobachtungs-Position“ aus, seinem Älteren Kollegen zuwarf, „Rudy, verunsichere unsere Gäste nicht!“ „Ich erkläre es ihnen ja.“, rechtfertigte sich der Andere und schaute dann zu der Frau und dem Captain herüber. „Also – zumindest wurden wir in einer alternativen Realität assimiliert, als die Borg es schafften den ersten Kontakt mit der Menschheit zu verhindern.“ „Aber die Enterprise-E ist doch in die Vergangenheit gereist und hat dies verhindert.“, schoss die Frau mit ihrer angenehmen Stimme dazwischen, während der Mann nur mit einem verwirrten Blick zu ihr herüberblickte: „Hat sie?“ „Ja, Schatz, hat sie.“ Wells lächelte. „Wie wir alle wissen, hat die Enterprise-E die Borgsphäre, die die Attacke auf Bozeman, Montana durchgeführt hatte, abgeschossen und die Sphäre ist in der Antarktis abgestürzt. Nachdem dort vor einigen Jahrhunderten mal ein paar Wissenschaftler verschwunden waren, hatte man beschlossen, diesen Ground Zero nie wieder aufzusuchen. Dann allerdings, als man erfahren hatte, was dort geschehen war, war man wieder neugierig und entsandte ein Expeditionsteam. Natürlich sind wir nicht so unbesonnen gewesen, einen kompletten Borg aus dem Eis zu befreien – aber wir konnten einen Transciever-Chip bergen.“ Während seines Vortrages hatte Wells das Gewehr geöffnet und einen kleinen, grauen Chip aus dem Gewehrlauf genommen. „Dieser kleine Teufel hier ist – rein theoretisch – mit dem Borgkollektiv verbunden und kann so feststellen, auf welcher Frequenz das Schutzschild operiert, das jeden Borg, nachdem er sich an die Waffenfrequenzen angepasst hat, operiert. Wir nutzen quasi den Vorteil, den die Borg haben, gegen sie aus.“ Die Frau räusperte sich. „Das klingt für mich danach, als hätten sie Seven of Nines Unendlichkeitsmodulator einfach nur neu Benannt.“ Mit einem Nicken schaute Wells zu der Frau herüber. „Ja, mir ist klar, dass man diesen Gedanken fassen kann – aber glauben Sie mir, wir sind noch viel eher auf die Idee gekommen, als diese Borg es ist.“ „Ach so? Und dürfte ich dann mal erfahren, warum wir in den letzten Scharmützeln mit den Borg auf diese Waffe verzichtet haben?“, eruptierte es nun aus dem Captain, „Ich weiß nicht, ob sie hier in dieser Abgeschiedenheit mitbekommen haben, was passiert ist, aber die Borg haben uns ziemlich schwer getroffen.“ „Das ist mir durchaus bewusst.“, erklärte Wells, „Das Problem ist, dass uns Forschungsgelder fehlten und immer noch fehlen, um dieses Projekt weiter voranzutreiben. Sehen Sie, Captain, Sir, es ist wie in jedem anderen Versuchslabor auch – die Gelder, die hier hereingebuttert werden, decken gerade mal die laufenden Kosten – von weiteren Ausgaben ist erstmal gar nicht zu reden.“ Der Captain hob abwehrend beide Hände: „Keine Diskussion zum Thema BWL bitte – damit stehe ich auf Kriegsfuß.“ Dann betrachtete er das Gewehr und legte den Kopf schief: „Sie wissen, dass wir es momentan mit einer weiteren Bedrohung zu tun haben?“ „Sir, bei allem Respekt, die Sternenflotte hat in den letzten 10 Jahren so viele Bedrohungen erlebt, wie seit der Kirk’schen Ära nicht mehr.“, erklärte Goldman von seinem Platz aus, stand auf und trat neben Wells, „Bitte werden Sie präziser.“ „Kann ich gerne tun.“, erwiderte der Offizier und schaute zwischen Goldman und Wells hin und her, „Können wir mit dieser Waffe auch Zylonen töten?“ Goldman runzelte die Stirn. „Sie können mit jeder Waffe einen Zylonen töten – das Problem ist, dass sie dann in einem weiteren Körper hochgeladen werden.“ Der Captain schaute Goldman an: „Ja, aber man könnte doch diesen Chip verwenden, um herauszufinden auf welcher Frequenz die Zylonen operieren, um das Bewusstsein aus den Körpern der Toten herauszuholen, richtig?“ „Das ginge rein theoretisch – wenn man die entsprechende Frequenz kennt, kann man sie sicherlich blockieren.“ „Gut, das wollte ich nur wissen.“, lächelte der Captain, ehe er auf die Waffe schaute. „Ist das Ding eigentlich schwer?“ „Nein, eigentlich nicht. Hier probieren Sie selbst, sie ist ungefähr genau so schwer wie ein Standardphasergewehr.“ Der Sternenoffizier nahm die Waffe in die Hand, wog sie kurz abschätzend, ehe er nickte: „Stimmt. Nicht schwerer als ein Phasergewehr.“ Er schaute zu seiner Begleitung: „Hast Du genug gesehen, Liebling?“ Mit einem Lächeln nickte sie, und der Blick des Captains veränderte sich. Er riss die Waffe hoch, nahm ziel und schoss. Der Strahl spannte sich von der Waffenmündung zu Goldmans Brust, wo er funkensprühend einschlug und den Mann mit einem entsetzten Schrei zu Boden fallen lies. „Was machen Sie da?“, gellte nun Wells, doch in dem Moment hatte die Rothaarige in einer unglaublich geschmeidigen Bewegung ihren Phaser herausgeholt, auf ihn angelegt und Schoss. Mit einem entsetzten Gesichtsausdruck taumelte der ältere Wissenschaftler gegen einen Glaskasten und rutschte daran herunter, mit blicklosen Augen ins Leere starrend. Der Alarm heulte los. Ohrenbetäubend und nervend laut blökte eine Sirene, die Beleuchtung veränderte sich, sie wurde rot, und eine Stimme verkündete: „Sicherheitsalarm im Labor beta.“ Die Rothaarige schaute sich im Labor um, sie ging von links nach rechts, stakste über die Leichen Goldmans und Wells, ehe sie einen weiteren Glaskasten sah, deren Inhalt sie zu interessieren schien. Wie eine Katze ging sie vor dem Kasten in die Knie, um hereinzuspähen, während der Captain dies sah und grinste. „Schatz, mach dein Ding, ich halte dir den Rücken frei. Damit drehte er sich zur Glastür um, vor der schon einige Sicherheitsoffiziere Position bezogen hatten. Einer von ihnen deutete auf den Captain und brüllte irgendwas, was der Mann nicht verstehen konnte, aber, da in diesem Moment die Phasersalven gegen die Tür prallten, konnte der Offizier sich denken, dass es sich dabei um einen Feuerbefehl handelte. Mit einem Grinsen erinnerte sich der Captain daran, dass Goldman gemeint hatte, dass man hier nicht so einfach reinkam. Das stimmte, das Problem war nur: Wenn der Feind im Labor war und die Sicherheitskräfte davor standen, waren diese die „Gepitschten“ – also die Gelackmeierten. Dies schien auch dem Sicherheitsoffizier durch den Kopf zu gehen, der gerade eben den Feuerbefehl gegeben hatte, denn erneut bellte er irgendwas, was der Captain nicht verstand. Lächelnd trat er zur Gegensprechanlage und öffnete einen Kanal. „Entschuldigung“, erkundigte er sich höflich, „Ich habe es gerade akustisch ganz schlecht verstanden. Könnten Sie es noch mal wiederholen?“ Die Schimpftirade, die daraufhin gegen die Scheibe aus Transparentem Aluminium losgelassen wurde, war der Captain froh, gar nicht erst hören zu müssen. „Schatz?“, riss ihn die Stimme seiner Begleitung aus den Gedanken und er schaute sie an: „Ja?“ „Ich hab’s.“, erklärte sie und schob einen kleinen Behälter in die Hosentasche ihrer Uniform. Zwinkernd schaute er ihr zu und nickte in Richtung eines weiteren Zylinders, auf dem etwas von „Achtung, Biogefährdung“ stand. Verstehend ging die Frau zu diesem Kanister, nahm ihn und gab ihn an den Mann weiter, der den Borg-Striker auf das Ding richtete. Dann nickte er ihr zu, die den Knopf der Gegensprechanlage drückte. „Okay, ich will nicht lange drumrum reden.“, erklärte er, „Sie wissen, das, wenn ich hier dieses Ding freisetze, das Labor auf Wochen lang dekontaminiert ist. Das heißt, sie können Wochenlang nicht an diesen Projekten weiterarbeiten, ganz zu schweigen davon, dass sie die Station räumen müssten und das Wildfire-Protokoll ausführen. Ich will das genau so wenig, wie sie, ich hab keine Lust, hier in dieser Station, am Arsch der Welt draufzugehen. Daher mein Vorschlag: Sie lassen uns ziehen und bekommen als Garantie, dass Sie uns anschließend vertrauen können, den Kanister wieder.“ „Das ist doch wohl ein Scherz?“, fragte der Sicherheitsoffizier am anderen Ende der Leitung und auf der anderen Seite der Scheibe aus transparentem Aluminium, „Captain, was haben Sie vor?!“ Der Captain lächelte: „Och, ich möchte nur ein paar Freunden ein kleines Geschenk machen.“ Danach wurde er ernst, fixierte den Sicherheitsoffizier und warf einen Blick auf seine Rangpins, die ihn als Lieutenant auswiesen. „Also Lieutenant “, sagte er in einem Tonfall, der deutlich machte, das er sich ob seines Ranges für etwas Besseres hielt, „Sie lassen uns gehen und ich gebe Ihnen diesen Kanister wieder.“ Erneut ein Lächeln, das so süffisant war, das der Lieutenant auf der anderen Seite der Tür am Liebsten reingeschlagen hätte: „Ist das ein Deal?“ „Jetzt kommt der dicke Hugo von der Leine.“, sagte Poole gerade, als Feng einen Blick Richtung Sicherheitslabor warf: „Was meint ihr, was die da drin besprechen?“ Schmidt zuckte mit den Schultern: „Vermutlich geheimen Starfleet-Kram der uns erst in ein paar Jahren richtig betreffen wird.“ „Ja, vermutlich wird es das sein.“, murmelte Feng, konzentrierte sich wieder auf ihre Karten, als das kurze, grelle Aufleuchten einer Art Blitz sie kurz verunsicherte. Sie schaute von ihren Karten auf, als erneut ein Blitz zu sehen war – dieses mal war der Blitz so hell, das das gesamte Labor in einem orange-farbenen Widerschein erleuchtet wurde. Ihre Muskeln spannten sich an, als Crane noch ein verdutztes „Du, ich glaube, das war ein Schuss.“ murmelte. Als der Alarm losheulte, sprang sie, wie von einer Stahlfeder getrieben auf, der Tisch kippte um und sie hatte ihr Phasergewehr in der Hand. Crane, Poole und Schmidt taten es ihr gleich, standen mit entsicherten Gewehren im Raum und hatten auf die Tür aus Transparent-Aluminium gezielt. Der Captain, der ihnen gerade noch freundlich zugenickt hatte, stand nun ebenfalls, mit entsicherter Waffe vor der Tür und schaute zu ihnen herüber. Er beriet sich offenbar noch mit der Frau, die bei ihm war, als diverse andere Sicherheitsoffiziere in den Raum kamen, ihre Phasergewehre erst locker in den Händen haltend. Als sie jedoch die Situation sahen, fielen sie in eine alte Gefechtsposition, der sich Crane, Poole, Schmidt und Mao anschlossen. Mit schnellem Blick hatte sich Crane versichert, der Dienstälteste zu sein, zielte auf die Tür und bellte den Feuerbefehl. Das laute Zischen einer Mehrzahl von Phasergewehren, die sich simultan auf ein Ziel entluden, hallte fast unerträglich Laut in den Ohren Fengs wieder, die einen Blick auf die Tür warf und feststellte, dass die Phaserstrahlen an einem Schutzschild wirkungslos verpufften. „Sinnlos!“, sagte sie und Crane warf ihr einen Blick zu: „Wieso?“ „Schau dir an, wie er da steht.“, erklärte nun Schmidt und deutete auf die Tür, hinter der der Captain stand und – lächelte. Tatsächlich er lächelte, was Crane dazu brachte, zu brüllen: „EINEN VERSUCH NOCH!“ Erneut zischten die Phaserstrahlen auf die Tür zu – doch erneut verpufften sie wirkungslos. „Entschuldigen Sie“, erklang plötzlich die Stimme des Captains aus der Gegensprechanlage und fragte nach, was er gesagt habe. Dies führte dazu, das Crane eine Schimpftirade von sich gab, die selbst dem gestandendsten Seemann die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte. „Verdammt!“, dachte sich der Blonde, als plötzlich der Captain einen Kanister sichtbar vor die Tür stellte und mit dieser neuen Waffe, die im Labor Beta gefertigt und getestet worden war, auf diesen Kanister anlegte. Und dann stellte er seine Forderungen. „Das kannst Du nicht zulassen, David!“, sagte Feng und ihr Singsang legte deutlich Zeugnis darüber ab, wie aufgeregt sie war, „Das ist – diese neue experimentelle Waffe ist gefährlich. Wir wissen doch gar nicht, was der Captain mit ihr vorhat.“ „Ich weiß es auch nicht.“, erläuterte Crane, „Aber was haben wir für eine andere Wahl?“ „Er hat doch gesagt, das er keine Lust hat, da drin draufzugehen, nicht wahr?“, fragte Schmidt und Crane schaute sie an, „Ja, und?“ „Nun, das heißt, er wird sowieso nicht feuern.“, erklärte sie und zuckte mit den Schultern, „Oder meinst Du, er gefährdet seine eigene Gesundheit?“ David schaute zu ihr herüber, nickte dann und ging zur Gegensprechanlage: „Tut mir leid, Captain, wir können Sie nicht gehen lassen.“ „Dann erledige ich Doktor Goldman.“, schoss der Mann durch die Gegensprechanlage zurück, „Er ist noch nicht tot, aber das kann sich sehr schnell ändern.“ Mit diesen Worten richtete der Captain den Borg-Striker auf den am Boden liegenden und warf einen Blick zu Crane herüber: „Also, wie sieht es aus? Wollen Sie wirklich das Leben eines Mannes aufs Spiel setzen? Ich meine, er kann Ihnen einen neuen Borg-Striker bauen und dann ist dieses Teil nutzlos. Ich will doch nur einen kleinen Vorsprung, mehr nicht.“ Crane warf einen Blick zu Poole, Schmidt und Feng, von denen letztere mit dem Kopf schüttelte, während die ersten Beiden sich nicht sicher zu sein schinen. Der Blonde holte tief Luft und sagte: „Okay, wir haben einen Deal.“ „DAVID!“, durchschnitt Fengs ärgerliche Stimme den Raum, „Das kann nicht dein Ernst sein!“ „Da drin ist jemand, der eventuell noch am Leben ist!“, rechtfertigte sich Crane und Feng schaute ihn an: „Die Sternenflotte verhandelt nicht mit Terroristen.“ „Dann schreib einen Bericht! Mir geht es um das Menschenleben dieses Mannes!“, schnappte Crane. Der Captain geleitete die Rothaarige unter den misstrauischen Blicken eines ganzen Sicherheitsbatallions ins Shuttle, stieg selbst hinein und schaute, kurz bevor sich die Tür schloss, zu Crane herüber: „Gut gemacht, Lieutenant Crane!“ Die Tür schloss sich, das Shuttle hob ab und flog, so unbehelligt, wie es gekommen war und wenig später kam von Deep Space Seven ein Notruf. Man hatte die Station so gebaut, dass man mit der maximalen Sensorenauflösung die neutrale Zone scannen konnte. Daher war Deep Space Seven eine militärisch-wichtige Einrichtung und durch mindestens einen Kampfverband der Föderation immer zu erreichen. Der Aufbau der Station war typisch-föderal standardisiert. Architektonisch wirkte sie nicht unbedingt spannend. Euphemistisch gesagt. Realistisch gesagt: Die Station war ein Modulbausatz, wie er langweiliger nicht sein konnte. Irgendwann in den späten 80ern des 23. Jahrhunderts hatte ein Architekt den Auftrag erhalten, das neue Weltraumlabor „Regula 1“ zu entwerfen und nachdem der Architekt dem Föderationsrat diese Bauweise vorgeschlagen hatte, stellte man fest, dass das Design recht effizient war. Also wurden bis ins späte 24. Jahrhundert und wahrscheinlich noch darüber hinaus die Raumstationen nach dem Modellbausatz Regula 1 gefertigt. Das Raumschiff, das neben der Station unter Warp ging, wurde sehnsüchtig erwartet. Es war ein Standardshuttle der Klasse 3, eines jener kleinen Kurzstreckenflieger, von denen jedes Raumschiff mindestens ein komplettes Kontingent besaß. Als das schnittige Gefährt im Hangar der Raumstation landete und sich die Kabinentür öffnete, eilte ein Mann in einem Doktorenkittel auf das Shuttle zu und lächelte: „Sir, Ma’am, wir haben Sie schon erwartet.“ Die beiden Personen, die das Raumschiff verließen, hätten unterschiedlicher gar nicht sein können. Sie eine Frau mit Maßen, die durchaus dazu geeignet waren, jede Frau im Umkreis ein wenig neidisch werden zu lassen, mit feuerroten Haaren und den grünsten Augen, die man sich vorstellen konnte, er ein Mann, dessen Körperbau zwar ebenfalls drahtig war, dessen Bewegungen jedoch davon zeugten, dass er diesen Körper nicht unbedingt koordinieren konnte. Die Augen – die sagten Doktor Oscar Goldman schon alles. In ihnen stand der Wunsch, sich zu beweisen, aber auch dass er keine wirkliche Ahnung hatte, wie er das anstellen sollte. Doktor Oscar Goldmans Erscheinung war eine derjenigen, die diese gewisse Art von Autorität ausstrahlen. Er war eins vierundneunzig groß und seine hohe Stirn, sowie die Falten im Gesicht waren ein Zeichen davon, dass er nicht einer dieser Jungspunde war, wie sie heutzutage auf der Starbase rumliefen. Das Lächeln, das er aufgesetzt hatte, wirkte ein Stückweit ernst gemeint, aber es war auch diese durchaus feststellbare Menge an Diplomatie beigemengt. Mit eben diesem echt-falschen Lächeln schaute er nun die beiden Neuankömmlinge an und sagte: „Sir, Ma’am, wir haben sie schon erwartet.“ Als der Mann den Shuttle verließ, wandte er sich um, reichte seiner Begleitung die eine Hand, die sie ergriff und ebenfalls aus dem Gefährt ausstieg. Goldman schaute den beiden Offizieren zu, näherte sich ihnen dann und gab ihnen die Hand. „Darf ich mich vorstellen? Ich bin Doktor Oscar Goldman und ich bin der Leiter des Projektes Alpha Prime.“ „Entzückt.“, sagte die Rothaarige mit einer angenehm-dunklen Stimmfärbung, während der Mann sich kurz verneigte, sich kurz räusperte und dann ansetzte, zu sprechen. „Okay, dann zeigen Sie uns doch mal den Big Mac.“ Innerlich rollte Goldman mit den Augen. Kein „Schönen guten Tag!“, kein „Na, wie geht’s?“ – nein, sofort in Medias Res. Das war so typisch für die Sternenflotte. Time is money – chop chop. „Gut, wenn Sie mir bitte folgen wollen.“, machte er dann dennoch und ging vor, sich kurz umdrehend, um zu schauen, ob die Beiden ihm wirklich folgten. Sie taten es. Lieutenant David Crane seufzte. Eigentlich hatte der Tag so toll angefangen – er hatte eine Subraumbotschaft von seinem Vater bekommen, man hatte sich wunderbar unterhalten und eigentlich hätte der Tag nur noch besser werden können, wenn seine Frau, Bethany, nicht mit Grippe im Bett gelegen hätte. So musste der 1,90 Meter große Blonde, der seine Uniform sehr gut ausfüllte, heute offenbar wieder einmal alleine in der Messe essen gehen – wie er es schon in den letzten Tagen gemacht hatte. Aber – na ja, so hatte er wenigstens Gelegenheit, sich mal wieder mit seinen Kameraden ausserdienstlich zu unterhalten, was in den letzten Wochen nicht einfach war. „Ich verstehe das“, hatte Silke Schmidt gesagt, „Ihr seid frisch verheiratet, da hat man nicht so viel Zeit für seine Kumpels.“ Somit hatte sich die Blondine mit den wasserblauen Augen zur Lage der Nation geäußert. Die beiden Sicherheitsoffiziere gingen zum Labor beta, wo Lieutenant Feng Mao schon den Campingtisch aufgebaut hatte und gerade dabei war, die Plastikschüssel mit Chips auf selbigen zu stellen. David lächelte Feng zu, die junge Chinesin erwiderte sein Lächeln und hob dann den Kopf als Alexander Poole durch die Tür kam. „Alexander“, sagte sie mit dieser exotischen Stimmfärbung, die immer ein wenig an einen Singsang erinnerte, „Willkommen zu unserer kleinen Runde.“ Poole nickte ihr zu, sie setzten sich und nach wenigen Minuten waren sie in einem Kampf der Willen gefangen – keiner wollte aufgeben, keiner war bereit, als Erster die Waffen zu strecken und zu sagen „Ich gebe auf.“. Als Goldman und die beiden Sternenflottenoffiziere das Labor erreichten, schauten sich der Captain und seine rothaarige Begleiterin erst einmal um. Das Labor selbst war ein mit etwas, das wie Glas aussah, verschlagener kleinerer Raum innerhalb eines größeren Raumes. Goldman erinnerte es immer wieder an genau jene Art der Sicherheitslaboratorien, die es natürlich auch war. Ein paar Meter vor dem Handflächenscanner stand ein Campingtisch, an dem gerade mehrere, in goldene Uniformen gekleidete Personen Poker spielten. Oscar nickte den Spielenden zu, während der Captain sich räusperte: „Haben Sie nichts zu tun?“ Der Eine, ein eins-neunzig Typ mit raspelkurzen, blonden Haaren und deutlich sichtbaren Muskelpartien, sprang auf und salutierte: „Sir, nein, Sir – das Terrain ist sicher!“ Der Captain lächelte, salutierte zurück: „Na dann macht mal weiter!“ Goldman beteiligte sich am Lächeln, ging dann auf die Konsole zu und legte als Erster seine Hand auf eine ungefähr 10 Zentimeter große, quadratische Glasplatte, die in der Wand eingelassen war. „Identifikation bestätigt“, erklang die weibliche Computerstimme, „Goldman, Oscar, Doktor. Rang: Lieutenant Commander. Projektleiter von Projekt Alpha Prime.“ Die braunen Augen des Sternenflottencaptains zeigten eine gewisse Ungeduld und Goldman drehte sich, dies registrierend, um. „Das ist eine ganz simple Sicherheitsvorkehrung – ich muss Sie bitten, sich gleich auch zu identifizieren.“ Dann drehte er sich wieder zur Labortür um, die in diesem Moment aufglitt. Kaum, dass der Wissenschaftler einen Schritt in das Labor gemacht hatte, glitt die Tür wieder zu. Ungeduldigen Blickes legte der Captain nun seinerseits seine Hand in die Glasfläche. Erneut erklang die weibliche Stimme. „Identifikation bestätigt.“, sagte sie und ratterte die Daten herunter, die mit dem Sternenflottencaptain in der Datenbank der Föderation verknüpft waren. Gleichermaßen verfuhr die Rothaarige, auch hier erfolgte eine einwandfreie Identifizierung und als alle drei im Labor standen, warfen der Captain und die Frau sich schwer zu entziffernde Blicke zu. Goldman bekam davon nichts mit, er schaute sich ebenfalls um, lächelte – hier war er in seinem Element. „Willkommen in Labor Beta, der Heimstatt des Projektes „Alpha Prime.“ Der Grund, warum Sie gerade durch diese Sicherheitskontrolle gehen mussten, Ma’am und Sir, liegt darin, dass wir hier einige hochbrisante Gegenstände haben, die, falls sie in die Hände eines potentiellen Feindes gelangen sollten, ziemlichen Schaden in der Föderation verursachen könnten.“ „Gegenstände?“, fragte die Rothaarige und Goldman nickte: „Ja. Beispielsweise einige Proben eines Virus. Dann wäre da ein Zellgift, das aus alten Aufzeichnungen einer nicht näher zu nennenden Quelle, wieder hergestellt wurde - und noch ein paar sehr interessante Sachen. Aus diesem Grund ist dieser Raum hier komplett von einem Kraftfeld umschlossen, das heißt, es kann niemand von draußen einfach so hier hereinbeamen oder sich seinen Weg durch die Glastür schießen. Wir sind hier absolut sicher.“ „Absolut sicher?“ „Sicherer als Fort Knox.“, erklärte Goldman, und ging dann mit knapp bemessenen Schritten zu einem Ding, das am Besten als eine Art „Gewehr“ zu beschreiben wäre. „Darf ich vorstellen“, sagte er mit einer Stimme, in der definitiv Stolz mitschwang, „Projekt Alpha Prime – oder auch, wie meine Kollegen es nennen: Der Borg-Striker.“ „Borg-Striker?“, echote der Captain, in dessen braunen Augen nun so was wie Unglaube zu erkennen war. „Ja.“, sagte Goldman und räusperte sich: „Doch die genaueren Erklärungen werde ich meinem Kollegen überlassen. Darf ich Ihnen Doktor Rudy Wells vorstellen?“ Ein älterer Herr, ebenfalls in einem Doktorkittel, schaute von einer Versuchsanordnung auf und runzelte verwirrt die Stirn: „Ich bin hier gerade bei der Untersuchung des von Mykotoxin betroffenen Fleischstückes einer Bos primigenius taurus, das umhüllt ist von einer Fusion eines Ovoid-Produktes und Zerfallsbeständen eines Aufbackerzeugnisses und…“ „Rudy, du kannst das Verschimmeln deines Wiener Schnitzels später untersuchen.“, sagte Goldman mit einer Stimme, die definitiv Ungeduld verriet, ehe er beruhigend zum Captain und seiner Begleitung herüberlächelte. Ja, so musste es auch damals gewesen sein, als sein Ur-ur-ur-ur-Großvater, zusammen mit dem Ur-ur-ur-ur-Großvater Rudys vor Investoren stand um das Bionic-Projekt, das sein Ahn so vorangetrieben hatte, zu bewerben. „Na gut.“, machte Rudy, stand auf und ging zu Oscar herüber, „Aber dafür wirfst Du ein Auge auf mein Schnitzel.“ „Natürlich.“, lächelte Oscar und ging. Rudy Wells II. schaute die beiden Offiziere an und nickte: „Ich nehme an, sie haben die Geheimhaltungsklausel gelesen, sonst wären Sie nicht hier.“ Die Frau nickte, der Mann schaute sie verdattert an, nickte dann aber auch. Das schien Rudy zu beruhigen. Er nahm das Gewehr in die Hand, drehte es so, dass die beiden Offiziere alle Einzelheiten erkennen konnten und strahlte förmlich. „Wie funktioniert er?“, fragte der Captain und der Wissenschaftler nickte. „Ja, das ist eine gute Frage. Nun“, setzte er an und man konnte hören, dass er diesen Monolog schon des Öfteren gehalten und ihn inzwischen zur Perfektion getrieben hatte. „Wie Sie sicherlich wissen, wurden wir alle assimiliert.“, erklärte er und stoppte, als er die verwirrten Blicke des Captains und der Frau registrierte. Das Lächeln, das sich nun auf den Lippen Wells bildete war ein krasser Kontrast zu dem etwas genervten Gesichtsausdruck, den Goldman von seiner „Schnitzel-Beobachtungs-Position“ aus, seinem Älteren Kollegen zuwarf, „Rudy, verunsichere unsere Gäste nicht!“ „Ich erkläre es ihnen ja.“, rechtfertigte sich der Andere und schaute dann zu der Frau und dem Captain herüber. „Also – zumindest wurden wir in einer alternativen Realität assimiliert, als die Borg es schafften den ersten Kontakt mit der Menschheit zu verhindern.“ „Aber die Enterprise-E ist doch in die Vergangenheit gereist und hat dies verhindert.“, schoss die Frau mit ihrer angenehmen Stimme dazwischen, während der Mann nur mit einem verwirrten Blick zu ihr herüberblickte: „Hat sie?“ „Ja, Schatz, hat sie.“ Wells lächelte. „Wie wir alle wissen, hat die Enterprise-E die Borgsphäre, die die Attacke auf Bozeman, Montana durchgeführt hatte, abgeschossen und die Sphäre ist in der Antarktis abgestürzt. Nachdem dort vor einigen Jahrhunderten mal ein paar Wissenschaftler verschwunden waren, hatte man beschlossen, diesen Ground Zero nie wieder aufzusuchen. Dann allerdings, als man erfahren hatte, was dort geschehen war, war man wieder neugierig und entsandte ein Expeditionsteam. Natürlich sind wir nicht so unbesonnen gewesen, einen kompletten Borg aus dem Eis zu befreien – aber wir konnten einen Transciever-Chip bergen.“ Während seines Vortrages hatte Wells das Gewehr geöffnet und einen kleinen, grauen Chip aus dem Gewehrlauf genommen. „Dieser kleine Teufel hier ist – rein theoretisch – mit dem Borgkollektiv verbunden und kann so feststellen, auf welcher Frequenz das Schutzschild operiert, das jeden Borg, nachdem er sich an die Waffenfrequenzen angepasst hat, operiert. Wir nutzen quasi den Vorteil, den die Borg haben, gegen sie aus.“ Die Frau räusperte sich. „Das klingt für mich danach, als hätten sie Seven of Nines Unendlichkeitsmodulator einfach nur neu Benannt.“ Mit einem Nicken schaute Wells zu der Frau herüber. „Ja, mir ist klar, dass man diesen Gedanken fassen kann – aber glauben Sie mir, wir sind noch viel eher auf die Idee gekommen, als diese Borg es ist.“ „Ach so? Und dürfte ich dann mal erfahren, warum wir in den letzten Scharmützeln mit den Borg auf diese Waffe verzichtet haben?“, eruptierte es nun aus dem Captain, „Ich weiß nicht, ob sie hier in dieser Abgeschiedenheit mitbekommen haben, was passiert ist, aber die Borg haben uns ziemlich schwer getroffen.“ „Das ist mir durchaus bewusst.“, erklärte Wells, „Das Problem ist, dass uns Forschungsgelder fehlten und immer noch fehlen, um dieses Projekt weiter voranzutreiben. Sehen Sie, Captain, Sir, es ist wie in jedem anderen Versuchslabor auch – die Gelder, die hier hereingebuttert werden, decken gerade mal die laufenden Kosten – von weiteren Ausgaben ist erstmal gar nicht zu reden.“ Der Captain hob abwehrend beide Hände: „Keine Diskussion zum Thema BWL bitte – damit stehe ich auf Kriegsfuß.“ Dann betrachtete er das Gewehr und legte den Kopf schief: „Sie wissen, dass wir es momentan mit einer weiteren Bedrohung zu tun haben?“ „Sir, bei allem Respekt, die Sternenflotte hat in den letzten 10 Jahren so viele Bedrohungen erlebt, wie seit der Kirk’schen Ära nicht mehr.“, erklärte Goldman von seinem Platz aus, stand auf und trat neben Wells, „Bitte werden Sie präziser.“ „Kann ich gerne tun.“, erwiderte der Offizier und schaute zwischen Goldman und Wells hin und her, „Können wir mit dieser Waffe auch Zylonen töten?“ Goldman runzelte die Stirn. „Sie können mit jeder Waffe einen Zylonen töten – das Problem ist, dass sie dann in einem weiteren Körper hochgeladen werden.“ Der Captain schaute Goldman an: „Ja, aber man könnte doch diesen Chip verwenden, um herauszufinden auf welcher Frequenz die Zylonen operieren, um das Bewusstsein aus den Körpern der Toten herauszuholen, richtig?“ „Das ginge rein theoretisch – wenn man die entsprechende Frequenz kennt, kann man sie sicherlich blockieren.“ „Gut, das wollte ich nur wissen.“, lächelte der Captain, ehe er auf die Waffe schaute. „Ist das Ding eigentlich schwer?“ „Nein, eigentlich nicht. Hier probieren Sie selbst, sie ist ungefähr genau so schwer wie ein Standardphasergewehr.“ Der Sternenoffizier nahm die Waffe in die Hand, wog sie kurz abschätzend, ehe er nickte: „Stimmt. Nicht schwerer als ein Phasergewehr.“ Er schaute zu seiner Begleitung: „Hast Du genug gesehen, Liebling?“ Mit einem Lächeln nickte sie, und der Blick des Captains veränderte sich. Er riss die Waffe hoch, nahm ziel und schoss. Der Strahl spannte sich von der Waffenmündung zu Goldmans Brust, wo er funkensprühend einschlug und den Mann mit einem entsetzten Schrei zu Boden fallen lies. „Was machen Sie da?“, gellte nun Wells, doch in dem Moment hatte die Rothaarige in einer unglaublich geschmeidigen Bewegung ihren Phaser herausgeholt, auf ihn angelegt und Schoss. Mit einem entsetzten Gesichtsausdruck taumelte der ältere Wissenschaftler gegen einen Glaskasten und rutschte daran herunter, mit blicklosen Augen ins Leere starrend. Der Alarm heulte los. Ohrenbetäubend und nervend laut blökte eine Sirene, die Beleuchtung veränderte sich, sie wurde rot, und eine Stimme verkündete: „Sicherheitsalarm im Labor beta.“ Die Rothaarige schaute sich im Labor um, sie ging von links nach rechts, stakste über die Leichen Goldmans und Wells, ehe sie einen weiteren Glaskasten sah, deren Inhalt sie zu interessieren schien. Wie eine Katze ging sie vor dem Kasten in die Knie, um hereinzuspähen, während der Captain dies sah und grinste. „Schatz, mach dein Ding, ich halte dir den Rücken frei. Damit drehte er sich zur Glastür um, vor der schon einige Sicherheitsoffiziere Position bezogen hatten. Einer von ihnen deutete auf den Captain und brüllte irgendwas, was der Mann nicht verstehen konnte, aber, da in diesem Moment die Phasersalven gegen die Tür prallten, konnte der Offizier sich denken, dass es sich dabei um einen Feuerbefehl handelte. Mit einem Grinsen erinnerte sich der Captain daran, dass Goldman gemeint hatte, dass man hier nicht so einfach reinkam. Das stimmte, das Problem war nur: Wenn der Feind im Labor war und die Sicherheitskräfte davor standen, waren diese die „Gepitschten“ – also die Gelackmeierten. Dies schien auch dem Sicherheitsoffizier durch den Kopf zu gehen, der gerade eben den Feuerbefehl gegeben hatte, denn erneut bellte er irgendwas, was der Captain nicht verstand. Lächelnd trat er zur Gegensprechanlage und öffnete einen Kanal. „Entschuldigung“, erkundigte er sich höflich, „Ich habe es gerade akustisch ganz schlecht verstanden. Könnten Sie es noch mal wiederholen?“ Die Schimpftirade, die daraufhin gegen die Scheibe aus Transparentem Aluminium losgelassen wurde, war der Captain froh, gar nicht erst hören zu müssen. „Schatz?“, riss ihn die Stimme seiner Begleitung aus den Gedanken und er schaute sie an: „Ja?“ „Ich hab’s.“, erklärte sie und schob einen kleinen Behälter in die Hosentasche ihrer Uniform. Zwinkernd schaute er ihr zu und nickte in Richtung eines weiteren Zylinders, auf dem etwas von „Achtung, Biogefährdung“ stand. Verstehend ging die Frau zu diesem Kanister, nahm ihn und gab ihn an den Mann weiter, der den Borg-Striker auf das Ding richtete. Dann nickte er ihr zu, die den Knopf der Gegensprechanlage drückte. „Okay, ich will nicht lange drumrum reden.“, erklärte er, „Sie wissen, das, wenn ich hier dieses Ding freisetze, das Labor auf Wochen lang dekontaminiert ist. Das heißt, sie können Wochenlang nicht an diesen Projekten weiterarbeiten, ganz zu schweigen davon, dass sie die Station räumen müssten und das Wildfire-Protokoll ausführen. Ich will das genau so wenig, wie sie, ich hab keine Lust, hier in dieser Station, am Arsch der Welt draufzugehen. Daher mein Vorschlag: Sie lassen uns ziehen und bekommen als Garantie, dass Sie uns anschließend vertrauen können, den Kanister wieder.“ „Das ist doch wohl ein Scherz?“, fragte der Sicherheitsoffizier am anderen Ende der Leitung und auf der anderen Seite der Scheibe aus transparentem Aluminium, „Captain, was haben Sie vor?!“ Der Captain lächelte: „Och, ich möchte nur ein paar Freunden ein kleines Geschenk machen.“ Danach wurde er ernst, fixierte den Sicherheitsoffizier und warf einen Blick auf seine Rangpins, die ihn als Lieutenant auswiesen. „Also Lieutenant “, sagte er in einem Tonfall, der deutlich machte, das er sich ob seines Ranges für etwas Besseres hielt, „Sie lassen uns gehen und ich gebe Ihnen diesen Kanister wieder.“ Erneut ein Lächeln, das so süffisant war, das der Lieutenant auf der anderen Seite der Tür am Liebsten reingeschlagen hätte: „Ist das ein Deal?“ „Jetzt kommt der dicke Hugo von der Leine.“, sagte Poole gerade, als Feng einen Blick Richtung Sicherheitslabor warf: „Was meint ihr, was die da drin besprechen?“ Schmidt zuckte mit den Schultern: „Vermutlich geheimen Starfleet-Kram der uns erst in ein paar Jahren richtig betreffen wird.“ „Ja, vermutlich wird es das sein.“, murmelte Feng, konzentrierte sich wieder auf ihre Karten, als das kurze, grelle Aufleuchten einer Art Blitz sie kurz verunsicherte. Sie schaute von ihren Karten auf, als erneut ein Blitz zu sehen war – dieses mal war der Blitz so hell, das das gesamte Labor in einem orange-farbenen Widerschein erleuchtet wurde. Ihre Muskeln spannten sich an, als Crane noch ein verdutztes „Du, ich glaube, das war ein Schuss.“ murmelte. Als der Alarm losheulte, sprang sie, wie von einer Stahlfeder getrieben auf, der Tisch kippte um und sie hatte ihr Phasergewehr in der Hand. Crane, Poole und Schmidt taten es ihr gleich, standen mit entsicherten Gewehren im Raum und hatten auf die Tür aus Transparent-Aluminium gezielt. Der Captain, der ihnen gerade noch freundlich zugenickt hatte, stand nun ebenfalls, mit entsicherter Waffe vor der Tür und schaute zu ihnen herüber. Er beriet sich offenbar noch mit der Frau, die bei ihm war, als diverse andere Sicherheitsoffiziere in den Raum kamen, ihre Phasergewehre erst locker in den Händen haltend. Als sie jedoch die Situation sahen, fielen sie in eine alte Gefechtsposition, der sich Crane, Poole, Schmidt und Mao anschlossen. Mit schnellem Blick hatte sich Crane versichert, der Dienstälteste zu sein, zielte auf die Tür und bellte den Feuerbefehl. Das laute Zischen einer Mehrzahl von Phasergewehren, die sich simultan auf ein Ziel entluden, hallte fast unerträglich Laut in den Ohren Fengs wieder, die einen Blick auf die Tür warf und feststellte, dass die Phaserstrahlen an einem Schutzschild wirkungslos verpufften. „Sinnlos!“, sagte sie und Crane warf ihr einen Blick zu: „Wieso?“ „Schau dir an, wie er da steht.“, erklärte nun Schmidt und deutete auf die Tür, hinter der der Captain stand und – lächelte. Tatsächlich er lächelte, was Crane dazu brachte, zu brüllen: „EINEN VERSUCH NOCH!“ Erneut zischten die Phaserstrahlen auf die Tür zu – doch erneut verpufften sie wirkungslos. „Entschuldigen Sie“, erklang plötzlich die Stimme des Captains aus der Gegensprechanlage und fragte nach, was er gesagt habe. Dies führte dazu, das Crane eine Schimpftirade von sich gab, die selbst dem gestandendsten Seemann die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte. „Verdammt!“, dachte sich der Blonde, als plötzlich der Captain einen Kanister sichtbar vor die Tür stellte und mit dieser neuen Waffe, die im Labor Beta gefertigt und getestet worden war, auf diesen Kanister anlegte. Und dann stellte er seine Forderungen. „Das kannst Du nicht zulassen, David!“, sagte Feng und ihr Singsang legte deutlich Zeugnis darüber ab, wie aufgeregt sie war, „Das ist – diese neue experimentelle Waffe ist gefährlich. Wir wissen doch gar nicht, was der Captain mit ihr vorhat.“ „Ich weiß es auch nicht.“, erläuterte Crane, „Aber was haben wir für eine andere Wahl?“ „Er hat doch gesagt, das er keine Lust hat, da drin draufzugehen, nicht wahr?“, fragte Schmidt und Crane schaute sie an, „Ja, und?“ „Nun, das heißt, er wird sowieso nicht feuern.“, erklärte sie und zuckte mit den Schultern, „Oder meinst Du, er gefährdet seine eigene Gesundheit?“ David schaute zu ihr herüber, nickte dann und ging zur Gegensprechanlage: „Tut mir leid, Captain, wir können Sie nicht gehen lassen.“ „Dann erledige ich Doktor Goldman.“, schoss der Mann durch die Gegensprechanlage zurück, „Er ist noch nicht tot, aber das kann sich sehr schnell ändern.“ Mit diesen Worten richtete der Captain den Borg-Striker auf den am Boden liegenden und warf einen Blick zu Crane herüber: „Also, wie sieht es aus? Wollen Sie wirklich das Leben eines Mannes aufs Spiel setzen? Ich meine, er kann Ihnen einen neuen Borg-Striker bauen und dann ist dieses Teil nutzlos. Ich will doch nur einen kleinen Vorsprung, mehr nicht.“ Crane warf einen Blick zu Poole, Schmidt und Feng, von denen letztere mit dem Kopf schüttelte, während die ersten Beiden sich nicht sicher zu sein schinen. Der Blonde holte tief Luft und sagte: „Okay, wir haben einen Deal.“ „DAVID!“, durchschnitt Fengs ärgerliche Stimme den Raum, „Das kann nicht dein Ernst sein!“ „Da drin ist jemand, der eventuell noch am Leben ist!“, rechtfertigte sich Crane und Feng schaute ihn an: „Die Sternenflotte verhandelt nicht mit Terroristen.“ „Dann schreib einen Bericht! Mir geht es um das Menschenleben dieses Mannes!“, schnappte Crane. Der Captain geleitete die Rothaarige unter den misstrauischen Blicken eines ganzen Sicherheitsbatallions ins Shuttle, stieg selbst hinein und schaute, kurz bevor sich die Tür schloss, zu Crane herüber: „Gut gemacht, Lieutenant Crane!“ Die Tür schloss sich, das Shuttle hob ab und flog, so unbehelligt, wie es gekommen war und wenig später kam von Deep Space Seven ein Notruf. Als dieser bei der Föderation eintraf, ahnte noch keiner, dass dies das letzte Lebenszeichen der Station sein sollte. TBC TBC Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)