Der Zirkusjunge von -ladylike- (Von Seiltänzern und schwarzen Haaren ...) ================================================================================ Verständnis(los) ---------------- Viel Spaß!! :D __________ Verständnis(los) Cleo lacht und legt mir einen Arm um die Schultern. „Das ist sooo genial! Wirst schon sehen, der ist besser als Yannik!“ Yannik, das ist mein Ex. Ich habe ihn damals beim Tennis kennen gelernt (ein scheiß Schnupperkurs, bei dem ich festgestellt habe, dass Sport nicht die richtige Freizeitbeschäftigung für mich ist) und im Prinzip hab ich nie vorgehabt, mich zu verlieben – und wenn ich ehrlich bin, war ich es auch gar nicht. Ich habe es mir nur eingeredet, wollte verliebt sein, wollte mich geborgen fühlen. Wollte all das, was mir gefehlt hat. Und Yannik war einfach da und so verdammt lieb, dass ich nicht anders konnte, als mich – na ja – in ihn zu „verlieben“. Jessi war in dieser Situation auch nicht gerade die Riesenhilfe, sondern eher die, die mich in x-tausend Dates reingeritten hat. „Cleo, jetzt mach mal halblang. Noch ist rein gar nichts gelaufen“, versuche ich, meine beste Freundin zu beruhigen, während ich mit ihr den Weg zu ihr nach Hause einschlage. Sie will irgendein Kleidungsstück an mir abstecken, so fern ich das richtig verstanden habe. Anstatt ernsthaft über meinen Einwand nachzudenken, schüttelt Cleo den Kopf und grinst: „Was nicht ist, kann ja noch werden.“ Ein spitzbübisches Augenzwinkern, ich verdrehe die Augen, dann laufen wir weiter durch die Sommerhitze in Richtung Mittagessen. Mittagessen. Wie wunderbar das klingt, wenn man während des Denkens in eine Wohnung geht, die nach selbstgemachter Lasagne duftet. Herrlich! Ich kenne neben meiner Mutter und meiner Schwester nur noch einen Menschen, der so gut kochen kann: Cleos Vater. „Hallo, Papa!“, schreit Cleo, nimmt mir den Rucksack vom Rücken und stellt sie, zusammen mit ihrer Tasche auf die Treppe, die nach oben führt. „Ach, la Mademoiselle! Cleo, bevor du essen kommst, geh doch bitte ins Wohnzimmer und räum deinen Mist da weg! Man kommt so schlecht zur Staffelei durch, wenn dein Nähkrams Apokalypse spielt!“ Cleo zieht entschuldigend die Schultern hoch. „Sorry, Paps, die trainieren schon für 2012, ich konnte sie nicht davon abhalten. Ne, im Ernst: Ich musste heut Morgen noch was ausbessern, sonst könnte Danni das gleich nicht anziehen.“ Ich grinse. Das ist typisch für meine beste Freundin: Bis spät in die Nacht irgendwas mit schrecklicher Präzision voranzutreiben, dann nicht fertig werden und sich den Wecker eine Stunde früher stellen, um noch zum Ende zu kommen – was meist auch nicht funktioniert. „Kann ich nicht nach den Essen aufräumen? Also, gestärkt und so?“ „Nix da. Schick den kleinen Pups hier rein, der hilft mir Tisch decken und du machst dein Zeug fertig. Du weißt, dass das Bild für meinen Kunden übermorgen fertig sein muss.“ Pups. Jaaa, mal kurz zur Erklärung dieses Namens: In der ersten Klasse bin ich zum ersten Mal zu Cleo mit nach Hause gekommen und leider Gottes hab ich irgendwas Blähungenverursachendes gegessen … Was zum Ausdruck kam, als ich Andreas Imker die Hand gab. Erklärt sich der Rest von selbst? … Bitte, die Sache ist mir nämlich echt peinlich genug. Schmollend stampft meine beste Freundin an mir vorbei in Richtung Wohnzimmer, ich trete lächelnd in die Küche, die Hände in den Hosentaschen vergraben. Andreas grinst mich an, streicht sich mit dem Handrücken eine dunkle Haarsträhne aus dem Gesicht. Es ist wirklich unglaublich, wie jung er aussieht. Nicht, dass 35 als alt zu bezeichnen ist, doch wenn man 35 ist und wie 25 aussieht, dann ist es wirklich unglaublich, wie jung er aussieht. „Hallo, kleiner Pups. Weißt ja, wo alles steht, also hopp, hopp, bevor Mademoiselle fertig ist. Nicht, dass wir uns einen Vortrag darüber anhören dürfen, wie unfähig das männliche Geschlecht ist, wenn es um Tischdecken geht.“ Fröhlich zwinkert er mir zu, während er mit einem beängstigend großen Messer hantiert, um die Lasagne in vertilgbare Teile zu zerstückeln. Seufzend mache ich mich daran, Teller, Besteck und ähnlich notwendige Utensilien zur Zufriedenheit meiner besten Freundin auf dem Tisch zu verteilen. ‚Mademoiselle‘ kommt zehn Minuten später – ich bezweifle, dass sie das Wohnzimmer von der vorgezogenen Apokalypse vollkommen befreit hat – und setzt sich, direkt nach Messer und Gabel greifend, neben mich. „So, und jetzt lasst mich essen, ich hab Hunger!“, schnaubt sie, nimmt sich ein großes Stück Lasagne und starrt ihren Vater mit halbherziger Feindseligkeit an. „Schon gut, Mademoiselle! Iss du mal … Aber willst du nach deinem gestrigen Vortrag über die Unfähigkeit von Männern in der Küche nicht etwas zur ausgezeichneten Tischdeckleistung vom kleinen Pups sagen?“ Oh je, ich fühl mich überflüssig. So langsam kann ich die Aussagen von Cleos Dad ganz gut entschlüsseln. Das hier bedeutet: Fräuleinchen du bedankst dich jetzt sofort, oder es gibt Ärger, wenn dein kleiner Freund weg ist! Er ist ein Meister darin, Kritik freundlich klingen zu lassen und denkt noch immer, ich würde nicht ahnen, was er sagt. Er denkt, nur seine Tochter, deren Denkweise mit der seinen zu mindestens 99% übereinstimmt, versteht ihn. Tja, Fehlanzeige. Meine beste Freundin scheint allerdings wenig begeistert, sie grunzt lediglich etwas Unverständliches und schiebt sich anschließend einen großen Bissen Lasagne in den Mund. Ihr Vater wirft mir einen entschuldigenden Blick zu und beginnt dann, ebenfalls zu essen. Ich grinse, schüttle den Kopf, bevor ich mich als Letzter meinem Essen widme. „So“, meint Cleo fachmännisch und hält mir einen Stapel Klamotten entgegen, „hoffen wir mal, dass du beim Mittagessen nicht zugenommen hast! Das sind die Kleidungsstücke, die ihr präsentieren werdet, Jamil und du, auf dem Fotos für meinen nächsten Wettbewerb tragen. Stell dir vor: Man gewinnt einen Eintrag ein Shooting mit … und einen Eintrag im Blog von …“ (Man setze für „…“ einen Namen ein, den ich mir im Redeschwall Cleos leider nicht merken konnte.) „Hmhm“, nicke ich abwesend und frage mich, warum zum Teufel ich unbedingt mit einer angehenden Künstlerin auf höchstem Niveau befreundet sein muss. Model, ich … Öhm … Ehrlich gesagt habe ich immer Zweifel an meiner Fotogenität, aber meine beste Freundin sieht das als reichlich wenig dramatisch an – ich zitiere: „Dein Vater ist Fotograf, da wirst du doch wohl auch zu irgendwas in diesem Bereich zu gebrauchen sein!“ Dass fotografieren und fotografiert werden ein riesiger Unterschied ist, will sie sich leider nicht sagen lassen. „Daniel! Mach hinne und zieh dich um!“ Erschrocken zucke ich zusammen, gehorche aber. Langsam ziehe ich mein Hemd über den Kopf, tausche es gegen einen Pullover aus weichem Stoff aus. Er ist schwarz, bestickt mit rot und so fein ausgearbeitet, wie es das Werk einer jungen Perfektionistin nun mal ist. Cleo beginnt, an mit herumzuzippeln, hier und da Nadeln anzusetzen und mich in für sie brauchbare Positionen zu schieben, während ich den Kopf vorerst abschalte. Ich hab diese Prozedur schon unendliche Male hinter mir und jedes Mal hat sie ungefähr eine Stunde kein Wort mit mir gewechselt, egal, ob ich versucht habe mit ihr zu reden, oder nicht. „Daniel! Könntest du deinen Körper vielleicht wenigstens ein Bisschen anspannen? Wenn du mir hier zusammensackst, dauert das alles nur noch länger oder du musst Morgen nochmal kommen, da ist nämlich Jamil dran.“ „Oh nein, bitte nicht. Ich mach alles was du willst, nur nicht noch ´ne Stunde!“ „Dann halt die Körperspannung!“ Seufzend richte ich mich auf und hebe die Schultern. Es hilft ja doch nichts: Cleo ist Cleo und Cleo kennt kein Pardon, wenn es um ihre Entwürfe oder – oh mein Gott – gar um ihre zahlreichen Wettbewerbe geht. „Sehr schön, es geht doch. Braver Daniel.“ Sie lächelt zufrieden und streicht mir über die Schulter. Noch ein bisschen Gezippel hier, eine Nadel da, dann meint sie, sie könne zu den Hosen übergehen. Den Hosen. Na das klingt ja verheißungsvoll … Und ich dachte schon, eine Hose würde reichen. Erschöpft lasse ich mich eine Stunde später auf den Matratzenstapel in Cleos Zimmer fallen, der ihr als Bett dient. Im Prinzip ist es so eine Art Kuschelecke und Bett gleichzeitig, bestehend aus vier dicken, weichen Matratzen, sowie Decke und Kissen, nebenbei noch einige andere kleinere kuschelige Dinge, die den ganzen Fleck Zimmer zu etwas machen, das man am liebsten nie wieder verlassen möchte. „Cleo?“, stöhne ich und vergrabe mein Gesicht in einem Kuschelhündchen. „Ich hoffe du bist dir im Klaren darüber, dass ich dich umbringe, wenn du bei diesem scheiß Wettbewerb nicht unter die ersten drei kommst!“ „Hmhm“, erwidert meine beste Freundin, die sich neben mich legt und die Nase in meinem Oberteil vergräbt. „Gut, dass du dazu viel zu lieb bist.“ „Pff, sag das nicht!“ Gespielt drohend setze ich mich auf, beuge mich über ihr Gesicht. „Ich kann sehr, sehr böse werden …“ Ohne Vorwarnung drehe ich sie auf den Rücken, hocke mich auf ihren Hintern und beginne, sie durch zu kitzeln. Haha, ich bin nämlich nicht der einzige, der in unserem Trio kitzelempfindlich ist!! Während Jamil sich von so was überhaupt gar nicht beeindrucken lässt, ja nicht einmal mit der Wimper zuckt, reagiert Cleo hochsensibel: Sie kreischt, zappelt mit den Beinen, versucht, mich mit ihren Armen zu erreichen, doch ich weiche ihr aus – wofür ich meine winziges Vermögen an Geschicklichkeit glücklicherweise nicht einsetzen muss. Stattdessen kann ich mich voll und ganz darauf konzentrieren, mich für die Quälerei eines stundenlangen Anprobeprozesses rächen – und nebenbei noch beweisen, dass ich böse sein kann. „Hör auf!! Bitte, hör auf! Kitzeln ist ein- … einfach voll … mies!!“ Lachend bäumt Cleo den Oberkörper auf, versucht, mich abzuschütteln – ich halte überrascht inne: Ein kleines Stück Papier lugt aus der Tasche ihrer Sweatshirtjacke heraus. „Nanu“, grinse ist, schnappe ihn mir und falte ihn auseinander. „Was haben wir denn da?“ „Hey, das geht dich gar nichts an, gib her!“ „Hmm … Wer ist denn Mo, Cleo?“ Interessiert mustere ich die Handynummer, die auf dem Zettel notiert ist, umgeben von einer seltsam schnörkeligen Zeichnung, in der man den Namen erkennen kann, den ich soeben als mit unbekannt identifiziert habe: Mo. Wer ist Mo? Unbewusst rutsche ich ein wenig zur Seite, sodass meine beste Freundin sich befreien und mir die mysteriöse Nachricht abnehmen kann. „Mo ist jemand, der viel mehr Ahnung von Kreativem hat, als du je haben wirst!“ Schmollend hockt sie sich in den Schneidersitz vor mich und verzieht den Mund. „Er hätte aus deinem Vogel nie eine Katze gemacht.“ „Aha. Also ein begabter Zeichner?“ „Ja.“ „Sonst noch begabt? Schreiben vielleicht? Oder Musik?“ Kopfschüttelnd grinst Cleo mich an, ihre Augenbrauen ziehen sich spitzbübisch nach oben. „Vergiss es, Danni. Ich weiß, was du vorhast. Du willst, dass ich dir alles über ihn erzähle, aber das werde ich nicht. Niemals. Ich hab keine Lust darauf, dass mein bester Freund versucht, ihm sonst was anzudrehen! Mittlerweile kenne ich dich gut genug, um zu wissen, dass so ziemlich alles, was du in Sachen Liebe anfasst, mehr als schief geht.“ „Das stimmt nicht!“ … Okay, doch. Die Beziehung mit Yannik ist in die Brüche gegangen und das letzte Mal, dass Cleo mir erzählt hat, sie sei verliebt, hab ich ihr das Ganze ein bisschen sehr schwer gemacht mit meinen Verkupplungsversuchen – Jamil hat mich schon gewarnt: Sollte es je so weit sein, dass er sich verliebt, will er mich keinesfalls als Datevermittler. Verständlich. Ihr wollt die ganze Geschichte nicht kennen, wirklich nicht. „Man sieht dir an, dass du mir zustimmst.“ „Jaaaa, okay, vielleicht hast du Recht. Aber wissen will ich’s trotzdem: Wer ist Mo?“ „Niemand, der Interesse an meinem besten Freund hätte!“ „Okay, Präzisierung der Frage: Woher kennst du Mo und warum hast du seine Handynummer?“ Cleo seufzt, antwortet mir jedoch nicht. Stattdessen steht sie auf uns stellt sich ans Fenster. „Cleo, ich mein das ernst!“ „Ich auch.“ Sie dreht sich wieder um, hockt sich auf ihren Schreibtisch. „Es geht nicht gegen dich, Daniel, aber es ist mir lieber, wenn du dich da raushältst. Die Sache ist mir echt wichtig. Du lernst ihn noch früh genug kennen, okay?“ Danke für so viel Vertrauen in meine Person … Aber ihre Zweifel sind – wie bereits erwähnt – sehr berechtigt. „Okay.“ Der nächste Morgen beginnt nicht, wie erwartet, mit meinem Wecker, sondern mit meiner kleinen Schwester, die mich an der Schulter rüttelt. „Daniel!“, ruft sie, „Hey, großer Bruder!“ „Laaaass mich schlafen, Jessi, bitte!“, gebe ich zurück und versuche, ihre Hand abzuschütteln. Was will die denn von mir, so früh am Morgen? Mein Wecker hat doch noch gar nicht geklingelt … Grummel, kleine Schwestern können echt nerven! „Würde ich tun, wäre ich nicht einer von den netten Menschen, die ihre Brüder wecken, wenn sie ihren Wecker überschlafen! Der Bus kommt in einer Viertelstunde, Daniel!“ WAS?? Oh scheiße! Wie von der Tarantel gestochen schieße ich in die Senkrechte, bevor ich noch halb schlafend die Beine aus dem Bett schwinge. Meine Güte, als wenn ein Mensch wie ich innerhalb von einer Viertelstunde im Bad fertig wird! Vom Anziehen und Frühstücken ganz zu schweigen! Dieser Tag fängt ja schon mal genial an. … Und er geht genauso genial weiter. Als ich das Klassenzimmer betrete, heute ausnahmsweise mal ungeschminkt aufgrund des Zeitmangels, suche ich als erstes nach Jerome – mit Erfolg. Er hockt auf Jamils Tisch und baumelt mit den Beinen. Ich grinse, gehe auf die beiden zu. „Guten Morgen!“ Meine Tasche rutscht von meiner Schulter auf den Boden, strahlend setze ich mich auf meinen Platz. Lächelnd nicke ich erst Jamil zu, dann Jerome, der mich ansieht, als wäre ich die böse Hexer (oder, der Richtigkeit halber: der böse Hexer), die (beziehungsweise der) ihm soeben den Tag versaut hat. Huch? … Was ist denn jetzt los? „Jerome?“, frage ich irritiert, „Ist alles in Ordnung?“ Er antwortet nicht. Stattdessen wirft er mir einen Blick zu, der mich um ein Haar erdolcht hätte, schiebt er sich von Jamils Tisch, dreht sich um und geht. Verstörte Stille – zumindest seitens Jamil und mir. Dann mein bester Freund: „Hab ich was verpasst?“ „Nein, eigentlich nicht.“ Verwirrt beobachte ich, wie Jerome sich aus seinen Platz setzt und beginnt, seine Schulsachen auf den Tisch zu legen. Kann mir vielleicht irgendwer sagen, was passiert ist, dass er mich nicht einmal eines Wortes würdig empfindet? „Ich hab keine Ahnung, was passiert ist … Ach, ist ja auch egal, ich rede in der Pause mit ihm.“ – Sofern er sich bis dahin ein bisschen abgeregt hat. „Daniel, lüg nicht. Dir ist das absolut gar nicht egal!“ Stimmt. Und wie wenig es mir egal ist, dass der Mensch, der es geschafft hat, mir so extrem den Kopf zu verdrehen, nicht mehr mit mir redet! „Tut weh, was?“, fragt Jamil leise. Ich nicke. Ziemlich. Es fühlt sich an wie ein kleines bissiges Vieh, das beginnt, an deinem Herzen zu nagen. Ein kleines bissiges Vieh mit verdammt scharfen Zähnen. Ich starre auf meinen Block. In zwei Minuten wird es zur Pause klingeln und ich habe keine Ahnung, ob ich Angst haben oder mich freuen soll. Freuen, weil ich die Chance dazu habe, Jeromes ungeklärtes Problem mit mir aus dem Weg zu räumen, oder Angst haben, weil eben das ziemlich in die Hose gehen könnte. Ich hab ja nicht einmal eine Ahnung, worum es geht. Unserem Politiklehrer höre ich schon eine geraume Zeit lang nicht mehr zu. Seine Stimme ist nur ein unverständliches Gebrummel irgendwo in meinen Ohren, viel zu leise, um meine lauten Gedanken zu übertönen. Auf dem Blatt vor meiner Nase überlappen sich eine Vielzahl von Fragezeichne, die ich, zusammen mit kleinen Herzchen, während der Stunde darauf verteilt habe. Wäre mir jetzt danach, würde ich mich in Gedanken darüber freuen, dass es sogar ein bisschen nach Kunst aussieht und Cleo unter die Nase reiben, die nichts von meiner künstlerischen Ader hält. Apropos Cleo: Wo ist die überhaupt? Suchend sehe ich mich im Klassenraum um, obwohl es beinahe unmöglich ist, dass ich sie einfach übersehen habe. „Hey“, flüstere ich schließlich in Jamils Richtung, „weißt du, wo Cleo ist?“ Mein bester Freund wendet seinen Blick von der Tafel ab. „Ja, laut ihrer SMS hat sie die ganze Nacht für an ihren Entwürfen gearbeitet und hat sich von ihrem Vater entschuldigen lassen … Ihre Kopfschmerzen wären wirklich unglaublich gewesen.“ Er zwinkert mir zu, schreibt die Hausaufgaben von der Tafel ab und beginnt gerade, sein Zeug einzuräumen, als es klingelt. … Angst haben oder freuen? Angst haben oder freuen? … Angesichts der Tatsache, dass ich gerne immer vom Schlimmsten ausgehe, entscheide ich mich schließlich für letzteres und beobachte, wie Jerome langsam seine Mappe einpackt. In diesem Fall ist es wirklich praktisch, dass er immer der Letzte ist, der die Klasse verlässt: Meine Chancen, allein und in Ruhe mit ihm reden zu können, steigen dadurch immens. Fragt sich nur, ob das jetzt gut oder schlecht ist. Soll ich ausnahmsweise mal vom Besten ausgehen? Okay, dann ist es gut. „Jerome?“, frage ich leise, als nur noch wir beide uns im Raum befinden. Langsam sieht er von seiner Tasche auf, sein Blick prallt so hart gegen meine Haut, dass ich mich wundere, keinen Schmerz zu verspüren. „Was willst du?“ „Wissen, was mit dir los ist.“ „Was soll sein?“ Ich schlucke. Oh, wie ich solche Situationen hasse! Mittlerweile sollte allen bekannt sein, dass ich nicht unbedingt der mutigste Mensch bin und mich am liebsten vor all den unangenehmen Dingen dieser Welt verstecken würde. Und so wie ich das sehe, gehört zu einem Gespräch wie diesem eine gehörige Portion Mut. „Ich … Ich … Warum bist du so sauer?“ Meine Stimme klingt wie die eines Geistes: Zerbrechlich, leise und zittrig, als könnte man sie mühelos in den Händen zerdrücken, würde man es nur versuchen. „Ich bin nicht sauer.“ Mit einer schwungvollen Bewegung nimmt er seine Tasche hoch. „Nur ein bisschen enttäuscht. Ich ruf dich nach der Schule an, okay? Erinnerst du dich? Hast du mir geschrieben, gestern. Hast du angerufen? Nein, hast du nicht.“ Ach ja, der Anruf … Scheiße. Das hab ich über die ganze Klamotten-Anprobe und Mo-Geschichte total vergessen!! Aber … ist er jetzt ernsthaft sauer, nur weil nicht angerufen hab? Unsicher sehe ich ihn an, ziehe die Schultern hoch, ohne es zu merken. „Und deswegen bist du sauer?“, spreche ich meinen Gedanken aus. Jerome legt den Kopf schief, tut so, als würde er ganz schart nachdenken. „Lass mich überlegen … ja!“ Überlegen sieht er mich an, dreht sich um und geht – ohne über den offenen Schnürsenkel seines linken Schuhs zu stolpern. „Und?“, fragt Jamil, als ich auf den Schulhof trete – anscheinend hat er bereits auf mich gewartet. „Was hat er gesagt?“ Resigniert schüttele ich den Kopf, trotte neben meinem besten Freund her zu einer der Bänke auf unserem Schulhof. Meine Laune ist auf dem Tiefpunkt angekommen. Oder besser: Von dem kleinen bisschen Wolke sechs, dass von dem Training mit Jerome noch übrig ist, bin ich soeben recht unsanft auf den Boden geknallt – ja, Wolke sechs, nicht sieben. Das ist Absicht. Wolke sieben bedeutet für mich „Friede, Freude, Eierkuchen“ und anscheinend trifft das auf meine Situation nicht zu. Oder besser: Ziemlich eindeutig trifft das auf meine Situation nicht zu. Resigniert lasse ich meinen Kopf auf Jamils Schulter sinken. „Er hat gar nichts gesagt … Also doch, schon. Er meinte, er wäre sauer, weil ich ihn gestern nicht angerufen hab.“ Ich kann mir den irritierten Gesichtsausdruck meines besten Freundes mehr als nur gut vorstellen, als er neben mir leise schnaubt. „Du hast ihn nicht angerufen und deswegen … Jetzt ehrlich?“ „Ja.“ „Oh Mann … Das ist doch … ein bisschen sehr übertrieben!“ Aufmunternd streicht er mir über den Oberarm. „Hör mal, Kleiner. Jerome wird schon merken, dass seine Reaktion unangebracht war. Wirst schon sehen, der kriegt sich wieder ein. Und dann kommt der nur so bei dir angekrochen, weil er den Menschen wiederhaben will, nach dem er sich Nacht für Nacht verzehrt!“ Jamil zwinkert mir zu und obwohl mir gerade so gar nicht danach ist, muss ich grinsen. „Bestimmt“, murmele ich leise, schließe die Augen und lehne mich auf der Bank zurück. Wahrscheinlich hat Jamil Recht. Eigentlich kommt Jerome mir nicht wie die Hypersensibilität in Person vor – dafür bin eher ich zuständig, zumindest meistens. Also, warum nicht mal ausnahmsweise positiv denken? – Vielleicht weil du kein durch und durch nicht positiver Mensch bist, Daniel? … Fresse Hirn! Alles wird gut. Bestimmt. „Daniel?“ Erschrocken zucke ich zusammen, öffne die Augen. Vor mir steht Vanessa, ich kann ihr Gesicht gegen die Sonne nur schemenhaft erkennen. „Kann ich kurz mit dir reden?“ Oh ja, will ich das wissen? „Ja, klar. Worum geht’s?“ Jamil steht auf. „Ich geh mal, ne? Daniel, wir sehen uns gleich.“ Ich nicke, wende mich dann Jeromes Schwester zu. „Also, worum geht’s?“ „… Um Jerome.“ Okay, hab ich mir denken können. „Du, ich weiß, was du von ihm denken musst.“ „Weißt du nicht“, erwidere ich so leise, dass es eigentlich mehr an mich selbst, als an Nessa gerichtet ist. „Doch, weiß ich. Ich kenne meinen Bruder und ich weiß, wie anstrengend er sein kann.“ Sie sieht mich so mitleidig an, als wäre ich das kleine, unwissende Schäfchen, das vom großen Meister lernen muss. Normalerweise hätte mich das gestört, aber momentan bin ich ehrlich gesagt ein bisschen zu verwirrt im Oberstübchen, um mich gedanklich gegen irgendwas zur Wehr zu setzen. „Aber du musst mir glauben, wenn ich sage, dass er das nicht macht, weil er dich nicht leiden kann. Oder weil er eine Mimose ist. Ich bin mir ganz sicher, dass Jerome sich spätestens morgen bei dir entschuldigen wird … Bitte nimm die Entschuldigung an, ja? Es ist echt wichtig für ihn … Für euch. Irgendwann wirst du das verstehen.“ … Jetzt klingt sie wirklich wie die alte Lehrmeisterin mit Hexenbuch und Zaubertrank. „Irgendwann wirst du das verstehen.“ Was verstehen? Was soll ich daran verstehen, dass Jerome ausrastet, nur weil ich ihn nicht angerufen habe? „Bis dann“, lächelt Nessa, streicht mir einmal kurz über den Rücken und steht auf. Ich sehe ihr nach, wie sie, die Haare von einer sanften Briese zur Seite geweht, den Schulhof entlangschreitet. Wie ein Friedensengel, denke ich, und frage mich, ob dieser Frieden tatsächlich eintreffen wird. ___________________ Irgendwann wirst du das verstehen ... Ich mag den Satz nicht, ehrlich gesagt. Der sit so ... So, als würde man einem nicht zutrauen, etwas nachvollziehen zu können. Aber er passt irgendwie zu der gesamten Situation, finde ich. Na ja, überlasse ich die Beurteilung dieses Kapitels lieber euch und kümmere mich darum, ein paar neue Favo-Leute herzlichst zu begrüßen: - Chiru_Fusuka - Fi_ - KillHannah - Orisha - Tshioni - klene-Nachtelfe (Jeey, wir haben sie auch wieder im Boot ) Ich freue mich sehr darüber, dass ihr anscheinend Spaß an Daniel&Co habt und danke euch für's Favorisieren!! (Übrigens bitte ich, eventuelle Rechtschreibfehler in den Namen zu entschuldigen, solte ich sie noch nicht behoben haben, wenn ihr das hier lest ... Wenn ihr noch welche findet: Sie werden behoben, versprochen!!) Und dankööööö für die lieben Kommis!! :D LG an euch, lady Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)