Farbenblind von Shuu (Zwischen Hell und Dunkel) ================================================================================ Kapitel 7: He will be loved --------------------------- He will be loved „Ich habe heute Nacht bei Yuuki geschlafen!“ „Wirklich? Und wie war es? Hat es endlich geklappt? „Nein. Also, nicht wirklich. Ich habe einfach nur dort geschlafen. Aber es war so toll, ihn neben mir liegen zu haben.“ „Du bist echt ein hoffnungsloser Fall!“ „Ich glaube bei Yuuki verliert man schnell die Hoffnung!“ „Da hast du auch wieder Recht.“ ~ Der Tag hatte so schön angefangen, mal davon abgesehen, dass sein Wecker die grausame Angewohnheit hatte ihn immer zu einer unmenschlichen Stunde zu wecken. Aber selbst das war heute nicht ganz so unangenehm, wie sonst immer, denn dieses Mal lag Shou neben ihm und schlummerte tief und fest. Es kam nur selten vor, Yuuki wirklich wach zu erleben, wenn er zur Arbeit musste. Heute früh allerdings musste er einfach wach sein, nur damit er den Schwarzhaarigen noch ein wenig beobachten konnte. Seine Haare fielen ihm kreuz und quer ins Gesicht. Wenn er seine Lippen bewegte und leise schmatzte, kitzelten ihn die Strähnen, worauf er dann seine Nase kräuselte und seufzend Luft einzog. Mit einem Lächeln strich er ein paar Haarfransen hinter Shous Ohr, kam dabei nicht umhin sachte über die Wange zu streicheln. Die sonst so hübschen und verträumten Kulleraugen waren geschlossen, doch auch so waren sie wunderschön, umrandet von den langen dunklen Wimpern, die sich auf die Haut des unteren Lids betteten. Yuuki hätte ihn stundenlang beobachten können, leider klingelte sein Wecker das zweite Mal und nun regte sich auch der junge Mann neben ihm. Hastig streckte Yuuki sich und richtete sich auf, sodass er senkrecht auf seinem Schlafsofa hockte. „Guten Morgen“, murmelte Shou während er sich reckte und ein Gähnen unterdrückte. „Morgen“, erwiderte Yuuki nur leise, stand dann aber gleich auf und verzog sich ins Bad, ließ Shou einfach alleine im Zimmer zurück. „Ach manno!“, maulte Shou und zog sich die Decke über den Kopf. Am liebsten hätte er sich für seine Dummheit, sich in einen solchen Eisklotz verliebt zu haben, geschlagen. Es war einfach offensichtlich, dass Yuuki keinerlei Interesse an ihm zeigte und trotzdem versuchte er es weiter. Immer und immer wieder. Vielleicht sollte er sich endlich eingestehen, dass er keinerlei Chance bei ihm hatte und sich nach jemanden umschauen, der wenigsten wusste, wie er mit Nachnamen hieß. Für Yuuki war er niemand, nur irgendwer, noch weniger als Tetsu es für Yuuki war und die Zeit, die sie beide miteinander verbracht hatten, veränderte nichts an dieser Tatsache. ~ „Guten Appetit!“ Tetsu stellte sein Tablett mit dem Kantinenessen auf den Tisch direkt gegenüber von Yuuki, der wie immer alleine an seinem Platz saß. „Danke, dir auch“, sagte der Blonde nur leise, schaute dabei nicht von seinem Curry auf und aß ungestört weiter. „Man habe ich einen Kohldampf! Das Essen gestern war doch wohl eher für Topmodels gedacht. Davon konnte man ja gar nicht satt werden!“ Wie immer fing Tetsu ein Gespräch an und wie sooft bekam er keine Antwort, was er aber inzwischen schon gewohnt war. Wenn man Yuuki nicht direkt ansprach oder eine Frage stellte, dann sagte er auch nichts. Aber das war Tetsu egal: Sein Freund hatte sich schon ziemlich gebessert und womöglich hatte er noch eine Antwort irgendwo in seinem Kopf versteckt, die früher oder später ausbrach. Heute war Tetsu leider ziemlich ungeduldig, weswegen er den direkten Weg nahm und mit offenen Karten spielte. „Habe gehört, Shou hätte bei dir geschlafen. Und?“ Yuuki zog die Brauen nach oben und stierte den Störenfried an. „Was?“ Tetsu grummelte. „Dir muss man wirklich alles aus der Nase ziehen! Hat es endlich bei euch gefunkt?“ Yuuki schnaubte. Er hätte nicht erwartet, dass es für andere doch so offensichtlich war, dass er ein kleines bisschen auf Shou stand. Wobei ein kleines bisschen bei weitem übertrieben war. Aber er gab sich doch vor Tetsu nicht die Blöße und gab es offenherzig zu. Das passte einfach nicht zu ihm. „Wieso sollte es zwischen uns funken? Da gibt es nichts.“ „Selbst mich hast du nur ungern bei dir schlafen lassen und wir sind Freunde!“ „Du hast dich immer aufgedrängt!“ „Aha! Shou hat das also nicht gemacht! Das bedeutet, du hast ihn freiwillig dort schlafen lassen und das ist sehr verdächtig, Mister!“, plapperte Tetsu weiter und war sich seines Sieges ziemlich sicher. Er hatte langsam den Dreh raus und konnte wesentlich besser Geheimnisse aus Yuuki herauskitzeln. Nur an der Überzeugung haperte es noch ein wenig. Spätestens jetzt hätte sein blonder Freund sich eingestehen können, wie gerne er Shou tatsächlich hatte, aber kein weiteres Wort verließ seine Lippen. „Wann begreifst du endlich, dass Shou nach dir verrückt ist? Okay, ich kann es auch nicht verstehen, aber es ist eine Tatsache. Mir tut es wirklich leid für ihn, was du da mit ihm machst. Er gibt sich Mühe und alles was du machst, ist ihn anstarren und nichts erwidern. Ich weiß, es geht mich nichts an. Aber es tut Shou weh, darum beweg deinen Arsch, geh zu ihm und sag es ihm endlich!“ Stille. Yuuki kaute weiter sein Mittagessen und starrte Tetsu mit leerem, ziemlich unbeeindrucktem Blick an. „Bist du fertig?“ „Mistkröte!“ Mit diesen letzten Worten stand der Schwarzhaarige auf und setzte sich demonstrativ zu anderen Kollegen, um dort seine Mittagspause zu genießen. Yuuki sollte bleiben wo der Pfeffer wächst und wenn er das nicht einsah, dann musste er es einfach auf die harte Tour lernen. ~ Die nächsten Tage auf der Arbeit verliefen für Yuuki sehr ruhig, genauso wie er es sich immer wünschte. Tetsu sprach nur das Allernötigste mit ihm und verschonte ihn nach der Arbeit mit Besuchen, oder Anrufen. Vielleicht hatte er endlich das Herz dieses Mädchens erobern können und war mit ihr beschäftigt und verbrachte die Zeit mit ihr, anstatt sich um Yuuki zu kümmern. Doch seine zweite Vermutung war weitaus plausibler. Er war sauer auf ihn, richtig sauer. Und damit hatte Yuuki ein richtiges Problem. Tetsu außer bei der Arbeit nicht zu sehen, war nur halb so dramatisch, wie der Verzicht auf Shou. Sie hatten sich seit dem Morgen der Übernachtung nicht mehr gesehen oder gesprochen. Abends lag Yuuki meist im „Bett“ und dachte darüber nach, wie er Shou begegnen konnte, aber er setzte seine Überlegungen nie in die Tat um. Unzählige Male hatte er die Visitenkarte in der Hand gehalten und mindestens doppelt so oft hatte er die Handynummer des Schwarzhaarigen in sein Handy eingegeben. Spätestens zu diesem Zeitpunkt scheiterte sein Vorhaben. Er fand keine Worte, weder schriftlich noch mündlich. Er schwieg und mit seinem Schweigen brach seine neue farbenfrohe Welt, wie ein Kartenhaus im Wind, zusammen. Der Frühling kehrte ein, es war überall zu sehen und zu spüren. Die ersten Knospen reckten ihre Köpfe aus der Erde, die Tage wurden länger und auch die Sonne ließ sich öfter als sonst sehen. Die Natur zeigte sich von ihrer schönsten Seite, sie hätte kaum hübscher sein können. Ein traumhafter Anblick, grau in grau. Yuuki saß auf einer Parkbank und starrte auf die große Wiese vor sich, wo Spaziergänger mit ihren Hunden tobten oder ganz mutige schon das erste Picknick des Jahres veranstalteten. Sie alle hatten sich zusammengefunden und sahen ihre Liebsten, seien es Freunde und Verwandte, oder doch der Mensch, mit dem sie den Rest ihres Lebens teilen wollten. Auf dem Gesicht des Blonden war keine Regung zu erkennen. Gestraft mit der Unfähigkeit Farben zu erkennen saß er hier und träumte davon auch irgendwann diesen Moment zu erleben, und mit seinem Seelenverwandten auf der Wiese liegen konnte. Er wusste auch welcher jemand an ihm geschmiegt sein sollte. Derjenige, der für einen Moment, seine dunkle Welt zum Leuchten brachte, durch den das Lila der Krokusse eine Art Blütenteppich bildete. Eine Erinnerung, die so schnell erstarb, wie sie in seinen Gedanken gekommen war. Schon einen Monat hatte er ihn nicht mehr gesehen, geschweige denn etwas gehört. Tetsu hatte ihn nie erwähnt, nie wieder nach ihrer Auseinandersetzung. Es musste ja nicht unbedingt an ihm liegen, womöglich kam der Schwarzhaarige nicht dazu, sich bei ihm zu melden. Oft hatte er deswegen in seinem Kopf die unterschiedlichsten Szenarien durchgespielt. Shou war nun mit jemand anderem zusammen. Shou arbeitet zu viel. Shou hatte ihn vergessen. Shou war weggezogen. Shou hier, Shou da. Seine Gedankenwelt drehte sich nur noch um ihn. Immer wenn er seine Augen schloss und ihn sah, taute sein kaltes Herz, durchblutete seinen Körper und verwandelten seine Erinnerungen an Shou in ein natürliches Farbenspiel, so als ob er direkt vor ihm stehen würde. So mussten sich die Menschen gefühlt haben, als der erste Film gedreht und vorgeführt wurde. Momentaufnahmen kurzer Augenblicke, die sich für die Ewigkeit in der Netzhaut eingebrannt hatten. Sekunden, die seinen Puls rasen ließen und ihm kindliche Freude schenkten. Doch sobald er diese Traumwelt verließ, seine Augen öffnete, erlosch alles, das Licht wurde ausgeschaltet, der Vorhang fiel. Prentice Mulford sagte einst: „Es ist heilsam, sich mit farbigen Dingen zu umgeben. Was das Auge freut, erfrischt den Geist, und was den Geist erfrischt, erfrischt den Körper.“ Shou war Farbe. Er war Medizin, sein Opium, für das es kein Rezept gab. Die letzten Wochen waren sein kalter Entzug, ohne die Droge, die ihm sein Leben noch lebenswert machten. „Hey!“ Diese Stimme. Yuuki schaute auf und sah in das Gesicht mit dem Lächeln wofür Da Vinci seine Mona Lisa in der Luft zerrissen hätte. „Hey Shou!“ „Was machst du hier? Ich habe dich noch nie im Park gesehen.“, stellte der Schwarzhaarige fest und setzte sich zum Verdruss seines kleinen Hündchens neben Yuuki auf die Parkbank. „Ich sitze hier so rum.“ Schweigend starrte er auf seine Hände und es fielen fast 2 Minuten keine Worte. Da war sie wieder, seine Verschwiegenheit. Er konnte es nicht verhindern. Yuuki hätte es Shou noch nicht einmal verübelt, wenn er einfach aufgestanden und gegangen wäre. Aber wieder einmal unterschätzt er die Gutmütigkeit und Geduld des Anderen. „Ihr kennt euch noch gar nicht. Darf ich vorstellen? Das ist…“ „Apple!“ „Was?“ „Sie heißt Apple!“ Die Kinnlade des Schwarzhaarigen sank nach unten. Nicht nur, das Yuuki einfach so geredet hatte, nein, er wusste sogar noch, wie sein Zwergspitz hieß. Selbst Yuuki war in diesem Moment stolz auf sich. Shou hatte schon ein paar Mal von ihr erzählt, doch eine Reaktion von Yuuki hatte er nie bekommen. Nur Tetsu hatte sich gefreut und erzählt, wie sehr er die Kleine doch mochte und das er unbedingt mit ihr Gassi gehen wollte. Der Blonde jedoch hatte nur abwesend an seinem Bier genippt, oder andere Dinge für wichtiger erachtet. Doch das stimmte nicht. Er hatte jedes gottverdammte Wort aufgesogen wie ein Schwamm und es in seinem Kopf eingeschlossen, um sich jedes Detail von Shou zu merken. Nun sah er endlich nach oben, in das verdutzte Gesicht seines Gegenübers. Wenn er jetzt nicht über seinen Schatten sprang, wann sollte er es sonst tun? „Wollen wir ein Stückchen gehen?“, murmelte er leise und konnte beobachten, wie Shous verwunderter Gesichtsausdruck in einen freudigen wandelte und schließlich ein begeistertes Nicken als Antwort bekam. „Nur ein Stückchen?“ Yuuki lächelte. „Vielleicht auch ein bisschen länger.“ Aus dem Stückchen wurde wirklich ein langer Weg. Shou und Yuuki umkreisten den Park fast zweimal, bis Apple schließlich schlapp machte und sich keinen Meter mehr bewegen wollte. Für einen so kleinen Hund war diese Reise wesentlich weiter, als für die riesigen Zweibeiner, die sie durch das Grün der Stadt hetzten. In ihrem Starrsinn hatte sie sich auf den Boden gelegt und wagte keinen weiteren Schritt zu machen. Lächelnd ging Shou in die Hocke und nahm die Zwergspitz-Hündin auf die Arme. „Ist da jemand müde?“, flüsterte er ihr leise zu und kraulte das weiche Fell hinterm Ohr. Yuuki stand eher teilnahmslos daneben und beobachtete das Schauspiel. Apple näherte er sich lieber nicht, denn die kleine Zicke hatte vorhin nach ihm geschnappt, als er sie einmal streicheln wollte. Shous Erklärung dazu war nur gewesen, sie möge keine anderen Männer, Ausnahme war sein Vater, mit dem sie nun einmal auch groß geworden war. Yuuki hingegen glaubte, das Miststück wollte Shou nur für sich alleine haben, dabei hatte er ein Anrecht auf den Schwarzhaarigen. Er hatte es sich in den letzten zweieinhalb Stunden hart erkämpft, er hatte sogar erzählt wie es ihm auf der Arbeit erging. Shou musste zwar ein wenig nachstochern, aber er hatte es erzählt. Die ganze Zeit über hatte Shou ihn angelächelt und war sehr geduldig mit ihm gewesen, hatte ihm die Zeit gegeben, die er zum Antworten gebraucht hatte. Die letzten Meter waren sie schweigend nebeneinander gelaufen. So mochte Yuuki es eigentlich am liebsten, vor allem wenn das Schweigen nicht unangenehm war, sondern einfach nur entstand, weil alles gesagt war. Fast alles. Eines brannte Yuuki immer noch auf der Zunge, doch er war unfähig es auszusprechen. „Wir werden jetzt nach Hause gehen. Es ist schon spät.“, sagte Shou und nahm seine Hündin in einen sicheren Griff, damit er sie ordentlich tragen konnte, „Es war schön dich gesehen zu haben. Und auch das Reden. Ich höre dir gerne zu, wenn du denn mal sprichst.“ Die letzten Worte klangen leicht verbittert, was man auch seinem sonst so fröhlichen Lächeln ansah. Es war ein wenig schief und den traurigen Schimmer in seinen Seelenspiegeln konnte er auch nicht verbergen. Yuuki konnte darauf nichts erwidern. Er hatte Recht, mit allem. Shou hatte schlichtweg Recht. Sein anfangs so trister Nachmittag war wirklich schön gewesen, ohne etwas Besonderes gemacht zu haben, außer zu laufen und zu reden. „Geht ihr morgen wieder Gassi?“, kam es schließlich nach einigen Momenten der Stille von Yuuki. „Ja, warum fragst du?“ „Dann sehen wir uns morgen wieder!“ Yuuki sah in das lächelnde Gesicht von Shou und auch er lächelte zurück. Kapitel Ende Zerreißt mich in der Luft. Es ist ein untypisches Kapitel, aber ich mag es. Und ich steh auf den Namen Apple! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)