Farbenblind von Shuu (Zwischen Hell und Dunkel) ================================================================================ Kapitel 4: Farbe der Trauer --------------------------- Farbe der Trauer Das Polizeipräsidium war vollkommen überfüllt und laut. Müde Polizisten schleiften Betrunkene oder Kleinkriminelle in kleine Zellen, andere nahmen an ihren mickrigen Schreibtischen Zeugenaussagen auf, oder versuchten sich mit dem schlecht gebrühten Kaffee aus dem Automaten, von ihrer Nachtschicht zu erholen. Der Lautstärkepegel war unerträglich, ständig versuchte irgendein Yakuza-Zögling Ärger zu machen und hysterische Nutten keiften Freier an, die nicht für ihre Dienstleistung gezahlt hatte. Der Alltag auf einer Wache und doch unwirklich und ganz weit weg, als Yuuki den Raum betrat. Das bunte Treiben auf der Wache, schien ganz weit weg zu sein, schemenhafte Gestalten rempelten ihn an und ließen ihn auf dem schlammig nassen Boden taumeln. Sein Weg führte ihn an den Tresen, dort wo ein aufgedunsener Beamter mittleren Alters auf seine nächste Aufgabe wartete. Seine Motivation war wohl schon lange geflohen und die dunklen hängenden Augenlider sprachen das aus, was er am liebsten wollte: nach Hause zu seiner Familie und die düsteren Tage mit seiner Familie verbringen, damit wenigstens ein bisschen Licht an sein Herz drang, ehe er von dem skrupellosen Alltag eingeholt wurde. Noch immer stand in den Räumen die Weihnachtsdekorationen, der man die Zeichen der Zeit schon ansah. Warmherzige Stimmung kam dadurch leider nicht in den Raum. Woher sollte sie auch kommen? Niemand hielt sich gerne auf einer Polizeiwache auf, weder Täter, noch Opfer und daran würde auch klein Plastikweihnachtsmann mit verfilztem Bart etwas ändern. Auch die Anspannung bei Yuuki wollte sich nicht lösen. Aus dem anfangs nur mulmigen Gefühl war inzwischen ein Knoten aus purer Angst geworden, der ihm fast die Luft abschnürte. Man hatte ihm keinen richtigen Grund für sein Kommen genannt, aber es ging um Tetsu, der nun schon einen Tag verschwunden war. Normalerweise hätte sich der Blonde nicht unbedingt so große Sorgen gemacht, aber wenn die Polizei anrief, konnte es nichts Gutes bedeuten. Im besten Fall musste er seinen Kollegen nur aus der Ausnüchterungszelle holen, aber es konnte jederzeit schlimmer kommen. Niemand garantierte für das Wohlergehen des Schwarzhaarigen und bei Yuukis Glück, musste es sich um schlechte Nachrichten handeln. Der Polizeibeamte blickte von seinen Unterlagen auf und betrachtete den Größeren mit einem abwertenden Blick. Wahrscheinlich war er der Annahme Yuuki sei einer dieser Kleingangster, Host oder Zuhälter, was ein beliebtes Vorurteil war, wenn man sich die Haare aufhellte. Man verschaffte sich tatsächlich ein sehr rebellisches Image. „Kann ich ihnen helfen?“, brummte der Polizist in seinen nicht vorhandenen Bart. „Ich möchte mit Inspektor Yoshida sprechen.“, kam die knappe Antwort zurück. „Name?“ Der Ton wurde nicht freundlicher. Im Gegenteil. Anscheinend erweckte Yuukis kühle Aussage noch mehr Misstrauen. „Watanabe, Yuuki. Der Inspektor hat mich auf das Präsidium gebeten.“ Der Polizist überflog eine Liste, die vor ihm lag und wurde anscheinend fündig. Jeder normale Mensch hätte sich für diesen unfreundlichen Ton und das Misstrauen, was man Yuuki entgegenbrachte entschuldigt. Stattdessen nickte er nur und bat den Blondierten ihm zu folgen. Er ließ den jungen Mann hinter den Tresen, führte ihn anschließend in ein separates Büro, wo schon an der Tür der Name des Inspektors prangte. Der unfreundliche Kerl klopfte an und öffnete die Tür, ohne auf die Zustimmung des Chefs zu warten. „Hier ist einer, mit dem Sie reden wollen!“, raunte er und ließ Yuuki eintreten. Dicke, nach Schweiß und kalten Rauch riechende Luft kam ihm entgegen, was ihn das Gesicht verziehen ließ. Ein großer schlanker Mann Ende fünfzig saß am Schreibtisch, auf dem sich zum Teil geöffnete Akten stapelten und studierte gerade einer dieser Unterlagen. Sein Blick wandte sich nicht von den Schriftstücken ab. Nur ein bestimmter Schwenk mit der Hand, wies Yuuki darauf hin, sich zu setzen. Er folgte der Anweisung, denn das letzte was er wollte war Ärger mit einem Polizisten. Das furchige Gesicht mit den wachsamen Adleraugen erinnerte ihn ein wenig an Clint Eastwood und wenn der erst einmal seine Waffe ausgepackt hatte, hielt ihn so schnell nichts mehr auf. Der Inspektor flößte Respekt ein, ohne auch nur ein Wort zu sagen. „Wantanabe-san, nehme ich an!“ Die Stimme war rau, geprägt von den vielen Zigaretten, die ihren Tod schon lange in dem überfüllten Aschenbecher auf dem Schreibtisch gefunden hatten. „Kommen wir gleich zur Sache. Die Personalien kann mein Kollege später aufnehmen.“ Das Stichwort für den ‚herzigen’ Polizisten zu gehen. Erleichternd war es für Yuuki trotzdem nicht. „In welchem Verhältnis stehen Sie zu Tetsu Nakamura?“, fragte der ihm gegenüber sitzende Mann. Die Akte hatte er inzwischen zur Seite gelegt und sich in seinem alten Schreibtischstuhl zurückgelehnt. Das Leder knarrte dabei durch die Reibung, die dabei entstand. „Er ist ein Arbeitskollege…“, antwortete Yuuki wahrheitsgetreu, „und ein Freund.“ Inspektor Yoshida nickte und beugte sich über seinen Schreibtisch, zog eine Akte hervor und schlug diese auf. „Gestern Nachmittag wurden wir zu einer Unfallstelle gerufen. Ein Fußgänger kam dabei ums Leben. Den Fahrer haben wir gefasst, doch wir mussten die Angehörigen des Verstorbenen ausfindig machen. Er hatte leider nur eine Geldbörse ohne gültige Ausweise dabei…Moment, da war noch ein Büchereiausweis von der High School mit seinem Namen, doch sicher waren wir uns nur dank seinem Mobiltelefon!“ Der Ermittler zog ein paar Bilder aus der Laufmappe hervor. „Zudem muss der Tote in einem solchen Fall immer identifiziert werden. Sie waren der letzte Kontakt, der in seinem Handy angezeigt wurde und mit ihnen hatte er auch am meisten telefoniert. Darum gingen wir davon aus, dass sie in einem besonderen Verhältnis zueinander standen.“ Keinerlei Mitgefühl schwang in der Stimme mit, oder es lag an Yuuki, der die Worte nur noch dumpf wahrnahm. Tetsu war tot. Noch nie hatte ihn etwas getroffen, niemals hatte er den Verlust eines Menschen zu spüren bekommen, doch nun machte sich das erdrückende Gefühl der Trauer in ihm breit. Alles in seinem Körper zog sich zusammen und seine Sicht verschwamm, denn seine Augen füllten sich mit Tränen. Er hatte Tetsu nie mit besonders viel Respekt empfangen, doch nun, da er für immer fort war, bereute er sein Verhalten. Er hatte seinen wohl einzigen richtigen Freund verloren. Es wurde Schwarz um ihn herum. In der Stille der Dunkelheit kannst du die Trauer deines Herzens hören. Und manchmal kannst du den Wahnsinn dieses Lebens fühlen. „Wantanabe? Wantanabe, reißen Sie sich bitte nur einen Augenblick zusammen! Handelt es sich hierbei um Ihren Freund?“ Der scharfe Ton des Polizisten ließ ihn aufschrecken. Yoshida hatte ihm die Bilder aus der Akte zugeschoben. Darauf war ein junger Mann zu erkennen, etwa in seinem Alter. Das Gesicht zeigte viele Fleischwunden, zum Teil traten auch die Knochen hervor. Dreck, Glassplitter und Split des Asphalts klebten in den blutigen wunden, waren teilweise schon schwarz und verkrustet. Die blonden Haare wirkten durch den dunklen Lebenssaft verfilzt. Yuuki wurde schlecht. Es war anders eine Leiche zu sehen, wenn man wusste, dass sie real war und nicht dem Kopf eines Krimi-Regisseurs entsprungen war. Er musste sich nun zusammenreißen, schließlich war es wichtig für die folgenden Ermittlungen, auch wenn der Ekel in ihm langsam Überhand nahm. „Das ist nicht Tetsu!“ ~ Es war schon später Nachmittag, als Yuuki endlich wieder seine Wohnung betrat. Lustlos war er seine Jacke über seinen Stuhl, die schwarzen Bikerboots kickte er in die nächstbeste Ecke. Der Blondschopf war am Ende seiner Kräfte. Auch wenn er am heutigen Tag nicht viel erledigt hatte, fühlte er sich ausgelaugt. Seine Nerven waren überstrapaziert, man hatte ihm schließlich auch den Schrecken seines Lebens eingejagt. Wenn auch nur für einen kurzen Moment hatte er geglaubt, den einzigen Menschen, der ihm jemals ein bisschen näher gestanden hatte, verloren zu haben. Noch nie hatte er so viel über sein Leben nachgedacht wie heute. Über seine oberflächlichen Freundschaften, die eigentlich nicht mehr waren als flüchtige Bekanntschaften, über die kürze eines ganzen Lebens, Dinge über die sich ein Mann in seinem Alter normalerweise keine Gedanken machte. Der Schock saß ihm allerdings zu tief in den Knochen, sodass er gar nicht um diese Gedankengänge herumkam. Der Inspektor hatte ihn noch lange befragt und es fand noch eine direkte Identifizierung in der Pathologie statt, wo sich Yuuki letztlich doch noch übergeben hat. Für die Anwesenden war das nichts neues, das passierte laut Pathologen auch manch neuen Medizinstudent, der das erste Mal das Innere eines Menschen sah. Keine große Ermutigung, aber immerhin wurde er nicht als Weichei abgestempelt. Wirklich gelohnt hatte sich die Anhörung nicht, denn wieder musste der Blonde bestätigen, dass es sich bei dem Toten nicht um Tetsu handelte. Die Polizei stand erneut vor einem Rätsel und bürdete zugleich Yuuki ein eigenes auf. Wieso hatte der tote Kerl das Handy seines Kollegen und zudem noch dessen Geldbörse? Und wo zur Hölle war Tetsu? Draußen fing es an zu regnen. Dicke Tropfen vielen vom Himmel und vermischten sich mit dem schlammigen Dreck, der sich über die Feiertage angehäuft hatte. Yuuki kochte sich in seiner kleinen Wohnküche eine Tasse grünen Tee zur Beruhigung, was nicht besonders hilfreich war, denn er schlich weiterhin wie ein eingepferchtes Tier in der kleinen Wohnung herum, grübelnd, was mit seinem Freund geschehen war. Das gleichmäßige Trommeln an der Fensterscheibe spornte sein Hirn zu den tollkühnsten Fantasien an, von Ufos bis hin zu Tetsus, die ihrem Anti-Tetsu über den Weg gelaufen und deren Materie sich deswegen aufgelöst hatte. Yuuki merkte wie albern er wurde und sein Kopf schmerzte, als ob er gleich zerbersten würde. Genau wie der Kopf des überfahrenen Kerls. Ein Blick auf die Uhrzeit, die seine Mikrowelle anzeigte, verriet ihm, dass er schon auf Mitternacht zusteuerte. Seine Vernunft riet ihm schlafen zu gehen, auch wenn er sich ziemlich sicher war, nicht einschalfen zu können. Trotzdem zog er sein Schlafsofa aus, kramte ein frisches Shirt aus seinem überfüllten Schrank und machte sich auf den Weg ins Bad. Mitten in seiner Zahnpflege klingelte es an der Tür. Es war eigentlich eine Unverschämtheit zu so einer unchristlichen Stunde vor der Tür zu stehen, aber heute verzieh Yuuki jedem, da er einfach nur hoffte, Tetsu würde vor der Tür stehen. Schaum und Zahnbürste wurden in einem ins Waschbecken gespuckt, die Tür des Badezimmers fiel laut knallend ins Schloss und der Türöffner wurde betätigt. Die Sprechanlage funktionierte schon lange nicht mehr, sonst hätte sich Yuuki wohl erkundigt, wer dort vor der Eingangstür des Wohnkomplexes stand. Wie gebannt starrte er auf den Fahrstuhl, dessen Anzeige schon lange nicht mehr die Stockwerke in der richtigen Reihenfolge aufzählte. Aber Yuuki kannte diese merkwürdige Zahlenkombination auswendig um zu wissen, dass nur noch ein Stockwerk zwischen ihm und hoffentlich Tetsu standen. Ein leises Läuten kündigte die Ankunft an und die Türen schoben sich auseinander. ~Kapitel Ende~ Ahahaha! das wollte ich schon immer mal machen. Abbrechen wenns am schönsten ist! Bewerft mich mit euren verbalen Exkrementen und setzt mich auf die Blacklist. Macht was ihr wollt, ich sags dann meiner Muddih! Gosh ich war so entsetzt, dass alle um Tetsu getrauert haben. War zwar der Falsche, den sie gefunden haben, aber womöglich liegt er tot in einer Gasse herum und wird von Pennern als Brennholz verwendet. Vielen Dank für die Stimmen bei meiner Umfrage. Dabei ist leider nicht viel herausgekommen. Alle vier haben jeweils zwei Stimmen erhalten, also hab ich nun einfach gelost. Verraten wird aber nichts ;D Das Zitat stammt im übrigen von Ivonne Weingart, wir wollen ja keine fremden Lorbeeren einheimsen! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)