Farbenblind von Shuu (Zwischen Hell und Dunkel) ================================================================================ Kapitel 3: Hangover ------------------- Wieder ein neues Kapitel. Es ist ungewöhnlich, zumindest für mich. Der Verlauf ist wohl doch ein wenig anders geraten als geplant, aber irgendwie hatte ich Lust dazu. Bitte nicht über die Zeisprünge wundern. Ansonsten viel Spaß beim Lesen. Hangover Das Erwachen am nächsten Morgen war alles andere als angenehm. Yuuki drehte sich im Bett, angelte blind nach dem Wecker, der einen schrillen und vor allem monotonen Piepton von sich gab. Nach einigen gescheiterten Versuchen, bekam er ihn endlich in die Hände und aktivierte die Snooze-Funktion. Auch wenn er es nicht wollte, er musste aufstehen, nur brauchte er jedes Mal ein bisschen länger. Aus diesem Grund ertönte der Wecker immer ein bisschen früher, damit er in Ruhe wach werden konnte. Allerdings hatte dieses nervtötende Etwas heute wirklich schlechte Chancen, den Blonden aus dem Bett zu bekommen, denn dessen Schädel drohte zu zerplatzen. Zumindest glaubte Yuuki das. Ächzend rollte er sich auf die Seite, drückte das Kissen gegen seinen Kopf, in der Hoffnung, der Presslufthammer in seinem Hirn, würde dadurch ein bisschen gedämpft werden. Allerdings blieb dieser Rettungsversuch der letzten verbliebenen Hirnzellen erfolglos und Bob der Baumeister werkelte eifrig weiter. Yuuki hatte es übertrieben. Die Menge an Alkohol war anscheinend nicht besonders gesund gewesen. Normalerweise vertrug er deutlich mehr. Vielleicht hatte er einfach zu wenig gegessen, oder sein Körper war nicht in besonders guter Verfassung gewesen, um das ganze Bier abzubauen. Anscheinend musste er bei Gelegenheit mal den Arzt aufsuchen und seine Leber überprüfen lassen. Eine peinliche Angelegenheit, wenn man mal sein Alter betrachtete. Kein normaler Mittzwanziger sollte Symptome und Gebrechen eines Sechzigjährigen vorweisen. Nur fühlt sich Yuuki gerade so. Nach dreimaligen wecken raffte sich der junge Mann endlich auf und schwang seine Beine aus dem Bett. Er bereute es, denn die Geschwindigkeit, in der er das tat, gaukelte seinem Kopf Lichtgeschwindigkeit vor, sodass die komplette Umgebung vor seinen Augen verschwamm, während Bob weiterhin seiner Arbeit nachkam. Erstaunlicherweise schmerzte der restliche Körper nicht und beschränkte sich nur auf seinen Kopf. Angenehm war es dennoch nicht, wer wollte schon komplett mit Watte umhüllt sein, zumindest gefühlt. Ob das Michelinmännchen auch so empfand? Yuuki stöhnte innerlich auf. Solche wirren Gedanken wiesen eindeutig auf Restblut im Alkohol hin und genau das musste weg. So schleppte er sich in das kleine Badezimmer, was direkt an den Raum grenzte, wo er seinen Futon liegen hatte. Den hatte er vorausschauend schon gestern Abend, bevor er die Wohnung verlassen hatte, heraus gelegt. Was ein Glück, dass sein Körper nicht einen einzigen blauen Fleck vorzeigte, denn das war gleichbedeutend mit einem erfolgreichen Gang ins Bett. Yuuki hatte es auch schon einige Male gebracht, sich auf den Boden zu legen, weil er einfach den Futon übersehen hatte. Und leider war er nur selten auf der weichen Matte gelandet, hatte oft dabei die Einrichtung demoliert und seinen Körper mit dazu. Da sollte man noch einmal behaupten, er hätte noch nie aus seinen Alkoholexzessen gelernt. Im Badezimmer angekommen stellte er sich zum ersten Mal an diesem Tag seinem Spiegel. Bei diesem scheußlichen Anblick ging Yuuki sofort ein lustiger Spruch durch den Kopf: Wer ist dieser alte Mann und warum schwankt er? Dank des Restalkohols musste er über diesen dummen Witz auch noch lachen, was allerdings nicht besonders gesund für ihn war, denn Baumeister Bob ging zu seiner Kür über und hämmerte in einem wahnsinnigen Tempo weiter auf seine Schädelwand ein. Da Yuuki nun wusste, wie es um sein Äußeres stand, schritt er ein und begann mit der täglichen Körperpflege. Zuerst griff er nach seiner Zahnbürste, denn der fade Geschmack in seinem Mund, der ihn an den Geruch alter Sportsocken erinnerte, musste schleunigst weg. Zum wach werden gab es eine ausgiebige kalte Dusche, was auch seine, dank Haarspray verfilzten, Haare wieder kämmbar machte. Seufzend zog er den Duschvorhang zur Seite und stieg aus der Wanne. Allerdings stockte er und blieb geschockt auf seinem fransigen Vorleger stehen. Wieso stand dort Tetsu nur in Unterwäsche und erleichterte sich gerade? Und das ohne die Brille hochzuklappen! „Alter, was hast du hier zu suchen?“, kam es empört von dem Blonden, der sich für den lauten Ton am liebsten selbst geschlagen hätte, wenn es nicht mindestens genauso sehr wehtun würde, wie sein dröhnender Kopf alleine. Noch immer fassungslos, schnappte er sich sein Handtuch, wickelte es um die Hüften. Die Antwort von Tetsu ließ auf sich warten. Dieser starrte ihn nur unbeeindruckt an. „Stell dich nicht so an. Das ist nichts, was ich nicht kennen würde. Falls es dir noch nicht entgangen ist, ich habe auch einen!“, meinte der Schwarzhaarige und drehte sich demonstrativ um. Zum Glück war er fertig mit pinkeln, denn sonst hätte es eine riesige Schweinerei gegeben. „Alter lass das! Ich will deinen Schwanz nicht sehen!“, nörgelte Yuuki und ging schließlich zum Spiegel um seine Haare zu föhnen und in Form zu bringen. Als Antwort darauf, bekam er im Spiegel nur den reizenden Mittelfinger Tetsus zu sehen, der sich am Arsch kratzend das Badezimmer verließ. „Danke noch mal, dass ich hier pennen durfte!“, tönte es aus dem Schlafzimmer. So war das also. Tetsu hatte bei ihm gepennt. Klasse, er hatte wohl seinen großzügigen Abend gehabt. Aber wo hatte er nur geschlafen. Schließlich gab es in dieser Wohnung nur einen Futon. Es brauchte einige Momente, bis Yuuki geschockt die Augen aufriss und zu Tetsu eilte. Dieser war gerade dabei, seine Klamotten einzusammeln. „Du solltest dir mal einen zweiten Futon anschaffen. Dein Boden ist so scheiß unbequem. Und mit einer Wolldecke wird es nicht besser!“ Frage beantwortet, obwohl er nichts gesagt hatte. Wie gut er doch manchmal war. „Wieso sollte ich mir einen Futon anschaffen. Ich will nicht, dass irgendjemand hier pennt!“ ‚Schon gar nicht du!’, fügte er im Gedanken hinzu. Ein wenig verwundert zog Tetsu seine Brauen nach oben und runzelte die Stirn. "Wie wäre es, wenn du einfach mal eine Beziehung eingehst. Vielleicht bist du deswegen so schlecht drauf." Das konnte Yuuki am frühen Morgen nun mal gar nicht gebrauchen. Beziehungsberatung von einem Kerl, der sogar eine Ente anbaggern würde, wenn sie nur einen Rock an hätte. Auch das Tetsu annahm, er würde sich in dieser Katerstimmung Gedanken darüber machen, war wirklich ungewöhnlich. Er würde niemals aus diesem tristen Alltag ausbrechen können. Schon gar nicht in einer Beziehung. Solche engen Verbindungen kerkerten ihn nur noch mehr ein. Die ersten paar Wochen wäre es schön, dann würde sie der Alltag einholen, vorbei wäre es mit dem Sex und ehe man es sich versah, wohnte man in der Vorstadt in einem kleinen Häuschen mit seiner Frau und den Kindern und fuhr einen hässlichen Familienvan. Langsam wurde es mit der Zeit knapp und Yuuki holte sich aus dem kleinen Wandschrank ein paar Klamotten, die er schließlich auch anzog. Tetsu sagte derweil der Kaffeemaschine den Kampf an. Immer wieder drangen Flüche aus der Küche. Die Maschine war nicht gerade einfach zu bedienen. Sie war alt, hatte ihre Höchstform schon lange hinter sich gelassen und konnte nur mit ein paar Tricks betätigt werden. Dass Tetsu daran scheiterte war eigentlich logisch. Fertig angezogen ging Yuuki in die Küche und schob den Schwarzhaarigen zur Seite. „Lass mich das machen und geh du dich anziehen!“, grummelte er, „Du bekommst das ohnehin nicht auf die Reihe!“ Für diesen Spruch gab es einen Schmollmund vom Feinsten, aber keine weitere Nörgelei. Tetsu hatte wohl kapituliert und sah ein, dass er gegen die Kaffeemaschine verloren hatte. Es dauerte keine zehn Minuten da drang das herbe Röstaroma der kleinen schwarzen Bohnen durch die winzige Wohnung und zog einen frisch geduschten Tetsu magisch an. Seine Hose hatte er noch nicht richtig angezogen und baumelte auf Halbmast an seinen Oberschenkeln. Yuuki betrachtete dieses Schauspiel eher unbeeindruckt. Wenn sich sein Kollege auf die Fresse legen würde, wäre es umso schöner für ihn. Einen Krankenwagen würde er bestimmt nicht bestellen. Schweigend saßen sie am Tisch, Tetsu hatte sich zu seiner Tasse Kaffee noch eine Schale von Yuukis Cornflakes gegönnt. Normalerweise hielt Tetsu nie die Klappe, aber heute war irgend etwas anders. Die ganze Zeit klebte sein Blick an Yuuki, doch er sagte kein Wort. Äußerst unegwöhnlich für den Schwarzhaarigen, wie Yuuki befand, jedoch nicht bedenklich genug, um deswegen nachzufragen. Allerdings hatte er sich zu früh gefreut, denn Tetsu war heute anscheinend nicht früh genug auf Hochtouren und begann zeitverzögert mit seinen nervigen Gesprächen. „Warum bist du wieder so?“, fragte er schließlich und Yuuki rollte die Augen. „Ich weiß nicht was du meinst!“ „Weich mir nicht ständig aus.“ „Magst du noch Kaffee?“ „Yuuki!“ Tetsu funkelte den Blondierten böse an. Allerdings nicht so, wie sonst immer, wenn er eingeschnappt war, sondern richtig ernst. „Was ist?“ Yuuki machte sich nicht viel daraus, er war schlimmeres gewohnt. „Gestern Abend warst du so anders. Es war angenehm mit dir. Wieso nicht auch heute?“ Seufzend erhob sich der Blonde und ging an die Kaffeemaschine, um sich erneut etwas von dem Heißgetränk in die Tasse zu gießen. „Wenn du hier bist, um mich umzukrempeln, dann bist du hier falsch.“, war die karge Antwort, wobei Tetsu auch nicht schlauer daraus wurde. Dafür starrte er ihn nur fassungslos an. Wo war nur wieder der Yuuki hin, der noch gestern mit ihm geblödelt hat und voller Lebensfreude steckte. Tetsu war sich sicher gewesen, er hätte ihn endlich aufgetaut und diesen neuen Yuuki aus seinem Versteck hervorgeholt, doch anscheinend hatte er sich geirrt. Der Größere war stattdessen noch unfreundlicher und abweisender als sonst. „Langsam frage ich mich auch, warum ich mir das noch antue. Für jemanden wie dich lohnt sich der ganze Aufwand nicht.“ Das waren die letzten Worte, die er von Tetsu hörte. Dann stand er auf und ging. Anschließend trafen sie sich nie wieder. Sein Kaffee war schwarz, wie die Nacht. Der Dunst stieg in milchig weißen Schwaden in die Luft. Dazwischen nur grau. ~ Am nächsten Morgen erschien Tetsu nicht zur Arbeit. Keiner wusste was los war. Ungewöhnlich, denn trotz seiner lockeren Art, war der kleine Schwarzhaarige immer zuverlässig gewesen. Alle fragten Yuuki, doch dieser tat es mit einem Schulterzucken ab. Wenn Tetsu ihm nicht sagte, wo er war, und das hatte er bisher immer getan, dann musste er es auch nicht. Wieso sollte er ihn auch anrufen. Er hatte besseres zu tun. Den ganzen Tag erhielt er keine Nachricht, weder auf seinem Anrufbeantworter, noch SMS oder Email. Für Yuuki jedoch kein Grund zur Sorge. Er war schließlich keine besorgte Mutter, die sich um ihre Kinder kümmern musste. Kurz nach der Arbeit klingelte sein Telefon. Die Nummer auf dem Display war unterdrückt, also konnte es nicht sein verschwundener Kollege sein. „Moshi moshi?“ „Inspektor Yoshida! Spreche ich mit …?“, die Stimme am anderen Ende des Hörers stockt und man merkte direkt, dass etwas nicht stimmte. „Yuuki?“ „Hai!“ „Ich möchte Sie zu uns ins Präsidium bitten. Es geht um ihren Freund Tetsu Nakamura.“ Tokyo. Tödlicher Unfall in der Innenstadt, Sotobori Dori. Gestern Nachmittag kam ein 22-jähriger von einem Auto erfasst und erlag später im Krankenhaus seinen Verletzungen. Laut Polizei war der Autofahrer betrunken gewesen und hatte den Fußgänger trotz roter Ampel mit dem Auto erfasst, der gegen die Frontscheibe geschleudert wurde. Augenzeugenberichten zufolge floh der Fahrer direkt nach dem Aufprall, konnte allerdings von der Polizei gefasst werden. ~Kapitel Ende~ Anm.: Hangover= Kater => scheiß Tag Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)