Regenfänger von Kallen-Kozuki ================================================================================ Kapitel 5: Uneinsichtigkeit --------------------------- „Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache.“ Kobra lief ununterbrochen im Thronsaal auf und ab und wiederholte immer wieder den gleichen Satz. Sein Leibwächter hatte ihm von den morgendlichen Geschehnissen berichtet, nachdem er verständnislos der forteilenden Vivi hinterhergeschaut und nicht begriffen hatte, was sich in seinem Palast abspielte. „Was ist, wenn ihr etwas passiert ist, Igaram?“ „Keine Sorge, Majestät, Peruh ist doch bereits losgeflogen, um sich auf die Suche nach der Prinzessin zu machen..“, versuchte Igaram es verzweifelt. „ABER DAS WAR BEREITS VOR EINER STUNDE!“ „Bitte regt Euch nicht auf, denkt an Euren Blutdruck..“ „DAS INTERESSIERT MICH NICHT DIE BOHNE!“ Schließlich setzte Kobra sich wieder auf seinen Thron. Es brachte nichts sich in das Ganze hineinzusteigern, das wusste er nur zu gut. Dennoch war es schon immer so gewesen, dass er sich wegen jeder Kleinigkeit Sorgen um seine geliebte Tochter machte. Immerhin war sie das Ebenbild ihrer Mutter und ein wahrer Engel.. Er schnaufte tief durch. Es war ihm bewusst, dass er sich nur noch mehr aufregen würde, wenn er jetzt an Titi dachte. „Tut mir leid, Igaram. Ich wollte dich nicht anbrüllen.“ Dieser räusperte sich vernehmlich. Es war ihm sichtlich unangenehm. Nach all den Jahren, die er bereits für den König arbeitete, wusste er immer noch nicht, wie er mit Entschuldigungen von Kobra umgehen sollte. „Ich hole Euch ein Glas Quellwasser. Das macht einen klaren Kopf“, beeilte sich der Lockenkopf zu sagen und verschwand. *** „Sie ist eingeschlafen“, berichtete Ace, der Vivi sanft über das Haar strich. „Ich hoffe, sie hält durch.“ „Das wird sie. Sie hat eine sehr starke Persönlichkeit. Sie scheint dich sehr zu mögen. Immerhin hat sie ihr Leben für dich aufs Spiel gesetzt.“ Ace hielt für einen Moment in seiner Bewegung inne. Trotz des peitschenden Regens kamen sie schnell voran. Sie mochte ihn SEHR? Wo er doch nur ein Pirat war und er ihr vor einem Jahr nicht sonderlich viel Beachtung geschenkt hatte, weil er immer nur Blackbeard im Kopf hatte? Als er ihre Gesichtszüge studierte, verzogen sich seine Lippen zu einem milden Lächeln. „Das bedeutet mir wirklich viel.“ „Sag das nicht mir. Sie wird strahlen vor Freude, wenn sie das hört. Es ist schwer als Prinzessin immer das Richtige zu tun. Aber es macht es ihr um einiges leichter, wenn sie weiß, dass sie mit ihren Taten anderen etwas geben kann“, erklärte Peruh. „Ich werde es ihr bei Gelegenheit sagen. Sag mal, wie denkt das Volk eigentlich über Vivi? Sie trägt ja eine große Last auf ihren Schultern und zeigt eine große Verbundenheit zu ihrem Volk.“ Peruh seufzte tief. Die Frage war nicht leicht zu beantworten. „Die Bewohner von Alabasta schätzen ihre Prinzessin sehr. Jeder weiß, wie tapfer sie für ihr Land gekämpft hat und das sie viel Güte besitzt. Aber es gibt, trotz der Dankbarkeit und der Zuneigung, die die Menschen empfinden, manchmal Leute, die Bedenken haben. Vivi muss nach außen immer funktionieren, muss Entscheidungen treffen und ein gemäßigtes Leben führen. Bei Entscheidungen gibt es immer Menschen, die da anderer Meinung sind. Doch im Grunde will sie nur das Beste für ihr Land. Ich habe auch schon einige Menschen reden gehört, sie wäre zu schwach, sie jammere zu viel und sei viel zu besorgt, als dass sie eines Tages Königin sein könnte. Aber wie stellen sich die Menschen das vor? Wie sollte sie denn anders sein, mit einem Vater, der ihr am liebsten noch heute immer und überall Igaram hinterherschicken würde? Außerdem ist es verständlich, dass man empfindlich reagiert, wenn alles, was man selbst und seine Eltern in mühsamer Kleinarbeit gebaut und aufrechterhalten hat, zugrunde zu gehen droht. Aber jetzt ist das alles anders. Sie hat schon damals, als sie vor vier Jahren zur Baroque Firma gegangen ist, angefangen, ein stählernes Schutzschild um sich herum zu errichten. Aber so etwas dauert. Mittlerweile ist sie sehr stark, sie lässt sich nicht entmutigen. Aber sie ist auch sehr einsam innerhalb des letzten Jahres geworden. Du hast doch sicher gemerkt, wie sie förmlich aufgeblüht ist, als du aufgetaucht bist, oder? Und als du dann auf und davon bist, um Blackbeard zu suchen, ist sie hinterher. Ich denke, sie hatte Angst, dass du schon wieder verschwindest. Dass du genauso plötzlich und unvorhersehbar wieder untertauchst, wie du aufgetaucht bist. Sie hat mir erzählt, weshalb du hergekommen bist. Aber das konnte ich irgendwie nicht glauben. Sag mal, Ace, bist du wirklich wegen Vivi hierhergekommen?“ Die Frage hing zwischen ihnen in der Luft, vorerst ohne, dass einer von ihnen weiter darauf einging. Ace fühlte sich sichtlich unwohl in seiner Situation. Wie sollte er denn jetzt antworten? Er brachte es nicht übers Herz es Peruh zu sagen. Aber andrerseits war er nie unehrlich. Mit Unbehagen und Wehmut in der Stimme antwortete er Peruh schließlich. Dieser setzte mit hochgezogenen Augenbrauen zum Sturzflug an. „Alles klar. Das dachte ich mir bereits. Halt dich gut fest, wir landen gleich!“ Ace währenddessen schwieg. Er zog Vivi fester in seine Umarmung und dachte die ganze Zeit darüber nach, wieso er es Peruh gesagt hatte. *** „Hier. Das wird Euch ein wenig beruhigen, König Kobra.“ Igaram stellte bedachtsam ein Glas auf ein geschnitztes Tischchen. Er erwartete bereits eine weitere Predigt oder einen Schwall besorgniserregter Fast-Nervenzusammenbrüche. Doch stattdessen schlug ihm ein müder Ton entgegen. „Oh, Wasser? Das kann ich jetzt gut vertragen, vielen Dank, Igaram.“ Trotzdem rührte er die Flüssigkeit nicht an und holte zu einem tiefen Seufzen aus. Igaram wollte sich gerade erleichtert auf einem der Stühle niederlassen, als er plötzlich von dem ungehaltenen Brüllen des Königs hochgerissen wurde. „WENN ICH DIESEN PIRATENBENGEL IN DIE FINGER KRIEGE!“ „Ace? Aber er kann doch nichts dafür, dass Vivi ihm so kopflos gefolgt..“ „Diese Piraten machen immer nur Ärger! Zuerst dieser Strohhut und seine Bande, die zugegeben sehr nett und lustig waren und ganz anders als der Rest dieses schäbigen Gesindels, die Vivi dazu gebracht haben, sich wochenlang in bedrücktes Schweigen zu hüllen und sich in der Arbeit zu vergraben und jetzt dieser Schurke. Ich hätte es von Anfang an wissen müssen. Das ist kein guter Umgang für meine Tochter! Der kann was erleben..!“ „Jetzt beruhigt Euch doch endlich!“, passte sich Igaram letztendlich der Lautstärke des Königs an. „Dieser Bursche ist alles andere als schlecht für Vivi. Ganz im Gegenteil, ich habe sie seit langem nicht mehr so offen und ehrlich lachen gesehen, wie mit der Feuerfaust zusammen. Und, dass sie ihm hinterhergehetzt ist, zeigt doch, dass sie sich bemüht, dass sie Freunde hat, sie beweist Mut und charakterliche Stärke und das ist genau das, was sie als zukünftige Königin braucht.“ Mit offenem Mund starrte der König seinen Leibwächter an. Es geschah nur selten, dass der sonst so beherrschte, liebenswürdige Mann dermaßen aus sich heraus ging. Und wenn es mal soweit war, dann ging es auch um etwas, das er wirklich ernst meinte und was ihm sehr am Herzen lag. Stirnrunzelnd griff Kobra nach seinem Glas mit Wasser und genehmigte sich einen Schluck - und prustete ihn sogleich wieder heraus. Das Tor zum Thronsaal schwang unerwarteterweise auf und zwei Personen kamen hereingestürmt. Es handelte sich um Peruh und Ace mit Vivi auf den Armen. Zugegeben, es gab wirklich ein köstliches Bild ab, wie ein geysirartiger Wasserstrahl aus dem Mund des Königs geschossen kam. „Da seid ihr ja! Wo um alles in der Welt habt ihr so lange gesteckt und was ist passiert..?“ Doch als sein Blick auf die erschöpfte Vivi fiel, die kraftlos auf Ace muskulösen Armen ruhte, hielt er geräuschvoll die Luft an. „Sie ist bewusstlos!“ Königliche Gesichtsentgleisung – genau so konnte man Kobras Blick betiteln. „König Kobra..“, räusperte sich Peruh nun, „sie schläft nur.“ „Achso, ja, natürlich“, beeilte dieser sich zu sagen. „Wir müssen sie schnellstens behandeln lassen“, fuhr Peruh unbeirrt fort. „Sie ist verletzt. Ein Messer hat sich in ihren Rücken gebohrt.“ Igaram, der mittlerweile ganz blass um die Nasenspitze geworden war, bewegte sich jetzt endlich und eilte aus dem Saal, um den Arzt ausfindig zu machen. „Was hat man mit ihr angestellt?!“, brachte Kobra wütend hervor. „Das ist alles deine Schuld, Portgas!“ Demütig sah der Angesprochene auf. „Ihr habt recht. Das ist einzig und allein mein Fehler und glaubt mir, ich würde es mir nicht verzeihen, wenn Vivi nicht mehr gesund werden würde.“ Der König wollte gerade etwas zustimmendes darauf erwidern, als Peruh schlichtend einschritt. „Das ist doch wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um sich über solche Gegebenheiten zu streiten, mein König. Wir sollten Prinzessin Vivi sofort in ihre Gemächer bringen bis der Arzt dort eintrifft. Es könnte ein Nerv verletzt worden sein und dann könnte es zu einer Entzündung des zentralen Nervensystems kommen, wenn wir nicht schnell genug handeln. Das wiederum riefe Lähmungen hervor, die sich..“ Das todesängstliches Gesicht des Königs ließ den Krieger in seinem Redefluss innehalten. „Naja, auf jeden Fall bringt Ace sie jetzt weg.“ Natürlich gab der König nach. „Du hast recht, Peruh. Aber das Thema ist noch nicht vom Tisch“, versicherte er. Nachdem Ace Vivi in das Zimmer getragen hatte und er sie gerade behutsam auf das Bett legen wollte, öffnete sie die Augen. Sie wollte sich in seinen Armen aufrichten, doch bereute es gleich wieder, als ein stechender Schmerz wie ein Stromschlag von ihrem Rücken durch ihren gesamten Körper fuhr. „Du darfst dich nicht so ungestüm bewegen“, ermahnte Ace sie sanft, aber bestimmt. Unsicher blinzelte sie ihn an. „Hab ich während dem Flug geschlafen? Und wo ist Peruh?“ Alarmiert drehte sie den Kopf, konnte ihn aber nicht entdecken. „Ich bin hier, Prinzessin. Und ja, Ihr habt geschlafen und das anscheinend so tief, dass Ihr nicht einmal den Steilflug bemerkt habt.“ Empört sah Vivi ihn an. Sie hatte es schon als Kind geliebt auf Peruhs Rücken beinahe senkrecht gen Boden zu fliegen und das in rasantem Tempo. Nur durfte das damals ihr Vater nie mitkriegen. Er wäre gestorben vor Sorge. „Du hättest mich aufwecken können“, protestierte sie. „Du weißt, dass ich wir das schon ewig nicht mehr gemacht haben – ich hätte gerne den Sturzflug miterlebt.“ Peruh lachte. Sie hatte sich in dem Punkt kein bisschen geändert. „Unter anderen Umständen hätte ich Euch natürlich geweckt. Aber da wir in Eile waren..“ „Du hast recht. Vielen Dank nochmal, Peruh.“ Ein ehrliches Lächeln zierte ihr Gesicht. „Und danke, Ace.“ Dieser konnte sich nun doch dazu durchringen, die Prinzessin abzusetzen. Peruh half ihr sich aus dem blutigen Umhang zu befreien, ehe der Arzt schon mit Kobra im Schlepptau hereinkam, der dem Mediziner ununterbrochen erzählte, wie schrecklich die Verletzung seiner Tochter aussah. „Vivi, Kind, wie geht es dir?“, rief ihr Vater erleichtert, doch ihm wurde eiskalt das Wort abgeschnitten. „Prinzessin, das ist ja fürchterlich. Was habt Ihr diesmal angestellt?“, tadelte der Doktor sie spaßhalber. Dann wandte er seinen Blick Kobra, Peruh und Ace zu. „Einer kann mit im Raum bleiben. Immerhin muss jemand bei ihr sein, bis sie aufwacht. Die anderen muss ich leider bitten, vor der Tür zu warten.“ Tatsächlich war der König der erste, der sich verabschiedete. „Ich kann Blut nicht sehen.. nicht bei meiner Tochter.“ Dann schlug auch schon die Tür hinter ihm zu; schneller hätte er gar nicht draußen sein können. Als nächstes ging Ace in Richtung Tür. Er wollte gerade die Klinke herunterdrücken, als er von Peruhs Stimme zurückgehalten wurde. „Ace, du bleibst hier. Sie ist losgezogen, um dich zu finden, also finde ich, dass es besser ist, wenn du bei ihr bist.“ „Aber ich dachte, es wäre besser, wenn jemand da bliebe, dem sie sehr vertraut und der aus ihrer gewohnten Umgebung ist..“ „Ich werde wieder kommen, wenn die Untersuchung vorüber ist. Bis nachher, Prinzessin“, lächelte Peruh aufmunternd in ihre Richtung. „Bis dann, Peruh. Sag meinem Vater, dass er sich nicht so viele Sorgen machen soll, das verheilt wieder“, meinte Vivi daraufhin. Als Peruh sich nickend an Ace vorbeidrängte, warf er ihm einen dankenden Blick zu und verschwand. Zögerlich ließ Ace sich auf seinem Rucksack, den er neben dem Bett abgestellt hatte, nieder. Er beobachtete, wie der Arzt seinen Koffer auf einem Tisch abstellte und seine Instrumente bereitstellte. „Ich werde zuerst Eure Wunde untersuchen“, erklärte der junge Mann, der bestimmt nicht viel älter als Peruh war. Vivi nickte und öffnete den Verschluss auf der Rückseite ihres Kleides ein Stück weit auf, sodass, man zumindest die Wunde sehen konnte. Sie legte sich auf den Bauch, die Hände flach am Körper. Schließlich nahm der Mann eine Pinzette, zupfte ein wenig Watte aus einem Behälter und tränkte diese mit einer grünlichen Tinktur. Dann begann er damit ihre Wunde zu säubern. Ein unterdrückter Schrei entfloh ihren Lippen. Das desinfizierende Zeug brannte höllisch. Ace rutschte näher an sie heran und strich ihr mit seiner Hand über den Unterarm. Daraufhin wandte sie ihm ihr Gesicht zu und versuchte ein dankbares Lächeln, was aber eher einer Grimasse ähnelte. „Der Schnitt ist tief“, bemerkte der Arzt. „Ich werde Euch jetzt ein Narkosemittel spritzen, damit du während der Operation nicht vor Schmerzen umkommst.“ „Operation?!“, echote sie. Ein entschuldigendes Lächeln seitens dem Doktor und einer nicht allzu ausführlichen Antwort war alles. „Es muss leider sein. So oder so besteht die Möglichkeit, dass bleibende Schäden entstehen. Aber das Risiko, dass es so kommt, ist um einiges geringer, wenn ich Euch jetzt operiere.“ Vivi schluckte schwer und nickte dann. Ihr Körper fühlte sich taub an, sie spürte nur ganz zart die Berührung von Ace auf ihrem Unterarm. Dieser schenkte ihr ein ermutigendes Lächeln. Diese Operation war kein Spaziergang. Wie Peruh schon gesagt hatte, ihr Körper könnte danach gelähmt sein. „Ich warte solange hier bis du aufgewacht bist“, versprach die Feuerfaust mit einem Grinsen. „Sonst hab ich ja niemanden zum Ärgern.“ Das entlockte auch ihr endlich ein Grinsen. „Gut, dann bin ich soweit.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)