Träume der Sterne von Schattenprinz ================================================================================ Prolog: Folgenreicher Entschluss -------------------------------- Hört ihr mich, ihr Sterne? Warum hat er sein Versprechen vergessen? Mein Haku. Ich habe nicht zu ihm zurückgesehen, kein einziges Mal. Und dennoch ist er nicht zu mir zurückgekehrt. *** Chihiro lag im Gras vor ihrem Haus und betrachtete den dunklen Himmel, an dem sich nur vereinzelte helle Punkte abbildeten und ihr schwaches Licht verbreiteten. Wieder einmal wanderten ihre Gedanken zu Haku. Sein Gesicht, seine Augen, sein Haar ... Das innere Bild, das sie noch von ihm hatte, verblasste langsam zu undeutlichen Schemen. Er war nicht gekommen. Obwohl er es ihr versprochen hatte. Vielleicht hatte Yubaba ihn nicht gehen lassen? Vielleicht wollte er gar nicht gehen ... Sie schüttelte energisch den Kopf. Das war Unsinn. Warum sollte er nicht gehen wollen? Tausende von Fragen wirbelten immer wieder durch ihren Kopf, vernebelten ihre Gedanken. Chihiro richtete sich auf und warf einen Blick den Hügel hinab. Dort, wo die Ruine des scheinbar magischen Freizeitparks lag, der sie damals in die andere Welt gebracht hatte. Zu ihm. Ihren Haku. Schon viel zu oft hatte das Mädchen mit dem Gedanken gespielt, wieder dorthin zurückzukehren. Denn wenn sie so darüber nachdachte ... Ihr kurzes Leben dort kam ihr im Nachhinein betrachtet wie ein Traum vor. Ein wunderschöner Albtraum. Chihiro hatte dort viele Menschen kennengelernt, die sie in ihr Herz geschlossen hatte - Lynn, Kamaji, Zeniba, ja, sogar das Ohngesicht und auch Yubaba ein wenig. Doch vor allem mochte sie Haku. Aber wenn sie dann wieder daran dachte, wieviel ihre Freunde dort gegeben hatten, damit sie und ihre Eltern wieder in ihre Welt zurückkehren konnten... Und dann machte sie aus Sehnsucht zu Haku alles wieder zunichte. Chihiro erhob sich langsam. Ging langsam den Hügel hinab. Strich durch die Bäume, zerkratzte sich die Beine an den Büschen des Unterholzes. Sie war wie magisch angezogen von dem Ort, den sie schon so lange mied. Die Ruine sah noch verfallener und vergessener aus als damals. Vom einstmals roten Verputz war kaum noch etwas zu erkennen. Chihiro schluckte, hin und her gerissen zwischen der Welt, in der sie geboren und aufgewachsen war und der, in der sie sich so sehr zuhause gefühlt hatte wie sonst noch nirgendwo. Und dann trat sie hindurch, durch die Gänge, durch die kleine Halle. Hinaus in eine andere Welt. Kapitel 1: Aburaya - Welt der Götter ------------------------------------ Vielen Dank für das Kommentar, Stella. :) Kapitel 2: Aburaya - Welt der Götter Als Chihiro ins Freie trat, dauerte es eine Weile, bis sich ihre Augen an das Licht der Sonne gewöhnt hatten. Sonne … verwundert rieb sie sich übers Gesicht. Gerade noch war es doch stockdunkle Nacht gewesen! Ein Luftzug erfasste sie und wirbelte ein paar Blätter an ihr vorbei ins Innere des alten Gebäudes. Genau wie damals, vor knapp vier Jahren. Eine beinahe unendlich lange Zeit. Vor Chihiro erstreckte sich der Hügel, den sie nur noch zu gut in Erinnerung hatte. Langsam streifte sie durch das hohe Gras, das ihr bis an die Kniekehlen reichte. Obwohl ihr die Gegend durchaus vertraut war, verspürte sie ein merkwürdiges Gefühl. Irgendetwas stimmte ganz gewaltig nicht. Es lag in der Luft, sie spürte es in jeder Faser ihres Körpers. Als sie die Spitze des Hügelkammes erreicht hatte, stockte ihr der Atem. Der Fluss, der sich bei ihrer Abreise hier erstreckt hatte, war verschwunden. Gänzlich. Nicht ein einziges kleines Rinnsaal war mehr übrig geblieben. Stattdessen befand sich dort eine sattgrüne Graslandschaft, zart umrahmt von einigen Bäumen, den Vorboten eines Waldes. Ein Wald. Bei ihrem letzten Besuch in Aburaya hatte sie in dieser Gegend keinen einzigen Wald gesehen. Es war fast so, als sei sie an einem gänzlich anderen Ort. Nichts war so, wie Chihiro es noch in Erinnerung hatte. Sie besaß keinen Anhaltspunkt, wo sie sich gerade befand. Bis auf das große rote Gebäude hinter ihr wies nichts auf eine Zivilisation hin. Alles war über und über voll unberührter Natur. Sie spielte gerade mit dem Gedanken, einfach wieder umzukehren und Haku zu vergessen, so schwer ihr auch die bloße Vorstellung dessen fiel. Aber dann bemerkte sie etwas am Himmel. Zuerst hielt Chihiro es für einen Vogel, von denen hier übrigens auch jede Spur fehlte. Aber es war zu groß, um einer zu sein. Sie kniff die Augen zu engen Schlitzen zusammen. Ihr Herz begann wie wild zu rasen, als ihr ein unmöglicher Gedanke kam. Nein … das konnte nicht sein. Ein Drache? Ein Flussdrache, so wie Haku einer gewesen war? Was auch immer es war, es hielt direkt auf sie zu. Aber Chihiro kam gar nicht erst auf die Idee, davor wegzulaufen. Vielleicht wollte das Wesen ihr böses. Oder es war Haku. Und allein für diesen Grund lohnte es sich für sie, stehen zu bleiben. Je näher es kam, desto mehr verstärkte sich ihr Eindruck. Es musste ein Himmelswesen der Art sein, wie ihr Freund es war. Hart schlug es mit den Klauen auf dem Grund ganz in der Nähe von ihr auf. Beinahe schon ungelenkig. Chihiro stockte der Atem. Der Drache war von eindrucksvoller Größe und blähte die Nüstern, als er anmutig den Kopf aufrichtete und zu ihr sah. Aber es war nicht Haku. Das war ihr gleich klar, als sie ihm in die Augen sah. In seiner roten Iris pulsierte mächtiges Feuer und die Mähne war von derselben intensiven Farbe. Sie starrten sich eine Weile stumm an, bis Chihiro sich ein Herz faste und den Drachen ansprach. „Es freut mich, Euch zu sehen. Mein Name ist Chihiro und ich komme aus einer Welt jenseits diesen roten Hauses. Ich suche nach jemandem, der mir vor einigen Jahren das Versprechen gegeben hat, mir nachzufolgen. Aber er ist nie gekommen, deswegen will ich ihn nun finden. Er ist ebenfalls einer deiner Art, sein Name ist Haku.“ Als sie seinen Namen ausgesprochen hatte, begannen die langen, fühlerartigen Teile von seiner Schnauze beinahe schon nervös herumzuschlagen. Chihiro schluckte. Sie wollte den Drachen auf keinen Fall reizen. Er war doch eine ziemlich imposante Erscheinung und bestimmt um einiges größer, als Haku es gewesen war. „Weißt du vielleicht, wo ich ihn finden kann? Oder wo das Badehaus der Hexe Yubaba ist? Dort hat er zuletzt gearbeitet.“ Der Drache senkte den Kopf, erwiderte aber nichts darauf. Ob er wohl, genau wie ihr Freund, in dieser Form nicht sprechen konnte? Vielleicht hatte ja auch er eine menschliche Gestalt. „Kannst du dich vielleicht verwandeln, um mit mir zu sprechen?“, fragte sie vorsichtig. Einen Versuch war es immerhin wert. Er zeigte keine Reaktion auf ihre Worte, stattdessen kam er langsam auf sie zu. Erschrocken wich Chihiro einige Schritte zurück, aber er streckte sanft einen seiner Fühler nach ihr aus, damit sie keine Angst mehr vor ihm hatte. Zumindest hoffte sie das. Vielleicht wollte er einfach nur abtasten, ob sie als Essen genießbar war. Zu ihrer Überraschung jedoch ging er ein bisschen weiter, sank ein wenig in die Knie und bot ihr seinen Rücken an. „Du willst, dass ich auf dir fliege?“, fragte sie ihn unsicher. Als Antwort stieß der Drache eine kleine, schwarze Dampfwolke aus. Feuerspeien schien er also auch noch zu können. Na wunderbar. Sie seufzte. Auf was hatte sie sich da nur eingelassen? Hoffentlich würde er sie wenigstens zu ihrem Haku bringen, damit die Aufregung sich gelohnt hatte. Sie stieg also vorsichtig auf seinen Rücken und hielt sich an den Hörnern fest, die ihm aus der dichten Mähnenpracht ragten. Chihiro konnte kaum ihre Hände darum schließen, so groß waren sie. „Na dann. Ich vertraue dir. Bring mich bitte zu Haku.“ Mit einem Kribbeln im Bauch spürte sie, wie sich seine Muskeln unter ihr bewegten und er mit einem gewaltigen Satz, der ihr einen Schrei entlockte, in die Höhe schellte. Kapitel 2: ----------- Um ehrlich zu sein bin ich schon bei Kapitel 7. xD Aber ich kann fast nur von meinem Handy aus ins Internet und warte von daher ab, bis ich ein paar neue Hochladekapitel zusammen habe, ehe ich das Internet für meinen Laptop freischalte. Sonst verabschiedet sich (wie gerade eben >.<) mein Tarif gleich wieder und ich zahle Unsummen an Geld drauf. *grummel* Ich habe schon ein paar Mal auf deiner Seite vorbeigeschaut, aber ich finde kein Gästebuch, um einen lieben Gruß zu hinterlassen.^^" Kapitel 2: Amaya und Shisaye Sie flogen über Hügelketten und Wälder, weite Ebenen und Seen. Langsam begann die Sonne am Horizont zu versinken. Es war ein aufregender Tag gewesen, weswegen Chihiro bald schon gegen die immer hartnäckiger werdende Müdigkeit ankämpfen musste. Aber sie durfte nicht einschlafen, das Mädchen hegte immer noch die Hoffnung, irgendwo am Horizont Yubabas Badehaus zu erspähen. Dementsprechend merkte sie auf, als sie eine kleine Siedlung unter ihnen erblickte. Der Drache steuerte direkt darauf zu, doch Chihiro musste bald einsehen, dass es viel zu klein für die vielen Restaurants vor dem großen Badehaus war. Allerdings war es immer noch besser, als die Nacht irgendwo draußen verbringen zu müssen. Sanft landete ihr fliegender Begleiter etwas entfernt von dem kleinen Dorf auf dem Boden und ließ sich nieder, damit sie absteigen konnte. Müde taumelte das Mädchen auf ihre vom Flug noch wackeligen Beine von seinem Rücken. „Vielen Dank, mein Freund“, lächelte sie ihn an. „Hier bin ich zwar noch nicht bei Haku, aber zumindest schon einmal in Sicherheit. Hoffe ich zumindest…“ Sie warf einen mulmigen Blick zu den Häusern. Ob man mich hier wohl Willkommen heißen würde? Immerhin musste Chihiro mit ihren Kleidungsstücken ziemlich befremdlich auf Bewohner dieser Welt wirken. „Shisaye! Da bist du ja endlich!“ Sie fuhr herum, als hinter ihr eine weibliche Stimme erklang. Von der Siedlung her eilte eine junge Frau auf sie zu. Sie strahlte und schenkte Chihiro gar keine Beachtung, als sie an ihr vorbei zu dem Drachen lief und sich um seinen Hals warf. „Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht, Dummkopf!“ Chihiro betrachtete sie leicht irritiert. Sie hatte sehr langes nachtschwarzes Haar und eine zierliche Statur, mehr fiel ihr an der jungen Frau nicht auf. Aber … Sie stockte. Hatte das Mädchen sich vielleicht schon wieder in Luft aufgelöst und konnte sie sie deswegen nicht bemerkt haben? Hastig sah Chihiro mich nach irgendetwas Essbarem um. Der Drache warf ihr einen Blick zu und schien ihre Sorge zu bemerken, wenigstens er konnte sie noch sehen. Genau wie Haku damals. Vielleicht war es ja auch ein Gott; wenn auch nicht der eines Flusses, sondern mehr von lodernden Flammen? Shisaye, so wie die junge Frau ihn genannt hatte, löste sich vorsichtig aus deren Umarmung und nahm ihr vorsichtig eine Umhängetasche ab, die sie über ihrer Schulter trug. „Was … machst du denn da?“, fragte sie verblüfft, als er sie Chihiro vor die Füße legte. Als diese die Tasche vorsichtig öffnete und ihren Inhalt begutachtete, entfuhr ihr ein Aufschrei und sie trat dichter an den Drachen heran. „Wer ist das? Was ist da?“, fragte sie verängstigt. Um ihr nicht noch größeren Schrecken einzujagen, nahm das Mädchen sich schnell eine der Beeren, die in der Tasche lagen, und stopfte sie sich in den Mund. Langsam gewann sie ihre Farbe zurück und die Schwarzhaarige betrachtete Chihiro erstaunt. „Es tut mir leid, dass ich dich so erschreckt habe“, begrüßte diese sie mit einer leichten Verneigung. „Mein Name ist Chihiro und ich komme von sehr weit her.“ Von sehr sehr weit her, dachte sie wehmütig. „Chihiro? Ein merkwürdiger Name.“ Sie lächelte immer noch verblüfft über die plötzliche Anwesenheit des Mädchens. „Ich bin Amaya. Und das ist Shisaye.“ Die junge Frau deutete auf den Drachen. „Wenn ich fragen darf, Chihiro … wie kommst du denn hierher?“ „Das ist eine lange Geschichte …“, erwiderte sie müde. Amaya nickte. „Tut mir leid, wie unhöflich von mir. Am besten kommst du erst einmal mit und ruhst dich aus. Du siehst wirklich sehr erschöpft aus …“ An alles, was danach folgte, hatte Chihiro keinerlei Erinnerungen mehr, als sie am nächsten Morgen von den Sonnenstrahlen geweckt wurde. Sie fielen von einem kleinen Fenster im Dach direkt auf ihre Schlafmatte. Aufmerksam sah sie sich um. Sie befand sich im Dachgeschoss einer hölzernen Hütte, neben ihr befand sich noch eine weitere Matte, auf der lediglich eine Decke lag. Darum herum befand sich ein Haufen Gerümpel, vieles davon in ebenfalls hölzerne Kisten verstaut. Aber im Gegensatz zu den meisten anderen Dachböden, die Chihiro schon gesehen hatte, war dieser sehr sauber. Kaum ein Körnchen Staub befand sich irgendwo. Sie erhob sich und ging zur steilen Treppe, die ins Erdgeschoss führte. Vorsichtshalber stieg sie diese rückwärts hinab, damit sie bei ihrer Schusseligkeit nicht auch noch schwer stürzte. Das Mädchen wagte zu bezweifeln, dass es in der Nähe ein Krankenhaus oder vergleichbares gab. Unten angekommen fand sie sich in einem einzelnen Raum wider, lediglich eine Tür zweigte davon ab. Im Schneidersitz um einen niedrigen Tisch herum saßen Amaya und ein seltsam aussehender Mann mit dampfenden Tassen in den Händen. „Guten Morgen, Chihiro!“, begrüßte die junge Frau sie fröhlich. „Setz dich doch zu uns, ich mache dir einen schönen, warmen Tee. Wir haben auch noch frisch gebackenes Brot, wenn du davon etwas willst.“ „Ja, gerne“, erwiderte sie mit knurrendem Magen. Es fühlte sich so an, als ob sie schon am Verhungern wäre. In einigem Abstand zu dem Mann ließ Chihiro sich auf den Boden sinken. Er saß mit geschlossenen Augen da und nippte nur gelegentlich an seiner Tasse, deswegen wagte sie es, ihn genauer zu mustern. Er trug eine regelrechte Löwenmähne auf dem Kopf, was das Mädchen zu der Frage bewog, ob es in Aburaya wohl Haargel gab. Wenn ja musste er mehrere Tuben davon verwendet haben. Jeweils an jeder Seite seines Gesichtes trug er einen dicken Zopf mit Perlen, der ihm bis zur Brust hinabreichte. Der Kleidung nach zu Urteilen war der Mann irgendein Abenteurer oder Krieger oder dergleichen. Um seinen Hals trug er einen wunderschönen Ring aus glänzenden Steinen und Muscheln gefertigt. „Ah, verdammt! Das Feuer ist schon wieder ausgegangen“, schimpfte Amaya genervt von dem großen Kamin aus, der den Raum dominierte. „Es ist doch ein sonniger Tag, da braucht man doch kein Feuer“, bemerkte Chihiro verwundert. Sie grinste kläglich. „Leider schon. Dann wird es zwar etwas warm, aber sonst kann ich doch deinen Tee nicht machen. Die junge Frau warf einen Blick zu dem Mann, dann füllte sie aus einem Tonkrug etwas Wasser in eine Tasse und stellte es vor ihm auf den Tisch. „Ähm, duu?“, fragte sie vorsichtig. Als er nicht reagierte, stupste sie ihn grob in die Seite. „Hey! Aufwachen!“ Er öffnete langsam die Augen. Chihiro erstarrte. Sie waren feuerrot. „Ist das … bist du … Ich meine, sind Sie etwa ein … Vampir?“, stotterte sie erschrocken. Dass es in Aburaya diese Wesen der Nacht gab, war ihr fremd. Aber zu seiner düsteren Aura würde es passen. „Ein WAS bitteschön?“, fragte Amaya verblüfft. „Vampir? Nie gehört. Was ist denn das?“ Sie zog eine Augenbraue nach oben. „Außerdem kennst du Shisaye doch. Oder hast du schon wieder alles vergessen? Zu verdenken wäre es dir nicht…“ Sie plauderte noch ein bisschen weiter, aber Chihiro hörte ihr schon gar nicht mehr richtig zu. Shisaye hatte also auch eine menschliche Gestalt. Genau wie Haku. Also musste er auch ein Gott sein. Und sie zweifelte keine Sekunde länger daran, dass er direkt den heißesten Höllen der Unterwelt entsprungen war. Nun bemerkte sie auch, dass seine Haarmähne ähnlich der seiner Drachengestalt in einem beinahe schon schwarzen Dunkelrot leuchtete. „Aber um nicht zu weit auszuschweifen … Würdest du nun bitte, Shisaye?“, fragte Amaya den Mann schließlich, als ihr Redeschwall endlich zu Ende war. Wortlos griff er nach der Tasse und hielt sie kurz in seinen Händen. Das Wasser darin begann schon nach kurzer Zeit zu brodeln und an der Oberfläche Blasen zu schlagen. „Vielen Dank.“ Sie lächelte und holte aus einem weiteren Krug eine Handvoll Kräuter, die sie ins siedende Wasser fallen ließ. „Die lösen sich von selbst auf. Warte noch einen Augenblick, dann kannst du es trinken. Falls es dir nicht zu heiß ist.“ Amaya setzte sich ihr gegenüber an den kleinen Tisch und stellte die Vase mit den schönen Wiesenblumen auf den Boden, damit sie sich ansehen konnten. Chihiro versuchte, die Tasse zu mir zu ziehen, verbrannte mir allerdings die Finger an ihr. „Autsch! Das ist wirklich ziemlich heiß …“ Shisaye nahm das Gefäß, ohne mit einer Wimper zu zucken, und stellte es vor ihr auf den Tisch ab. Vermutlich lag seine Unempfindlichkeit daran, dass er lange Lederhandschuhe trug, die sich eng um seine Unterarme schlossen und fast bis zum Ellbogen reichten. Aber Chihiro mutmaßte, dass es auch noch andere Gründe hatte, weswegen ihn die Hitze nicht störte. „Sag mal … könnte es sein, dass du dein Gott bist?“, fragte sie ihn vorsichtig. Er verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln. Die erste Gefühlsregung, die das Mädchen bei dem Drachen bisher gesehen hatte. „Nein.“ Er nahm wieder einen Schluck von seinem Tee. Chihiro wartete ab, ob noch etwas kommen würde, aber scheinbar war er mit seinen ‚Ausführungen’ am Ende. Amaya schien ihre Unsicherheit zu spüren, denn sie lächelte und beugte sich über den Tisch zu ihr hinüber. „Shisaye ist nicht sonderlich gesprächig. Mach dir nichts daraus“, flüsterte sie geheimnisvoll, als ob der Drache oder was immer er war es nicht hören könnte, obwohl er direkt daneben saß. „Ich dachte es mir gerade. Und was ist er … ich meine, und was bist du dann?“ Das Mädchen war sich unsicher, wen von beiden sie ansprechen sollte. „Einfach nur ein normaler … Drache?“ Dass Drachen normal waren, sei einmal dahingestellt. „Du weißt nicht, was er ist?“, fragte die junge Frau sie überrascht. „Wo kommst du denn her?“ „Ich sagte es doch schon, ich lebe sehr weit entfernt“, erklärte Chihiro kläglich grinsend. „Ich war erst einmal hier und habe so ein Wesen wie ihn gesehen, aber damals war es ein Flussgott.“ „Sie stammt aus einer anderen Welt“, sagte Shisaye plötzlich. Das Mädchen zuckte zusammen. Woher wusste er das? Amaya schien sich dieselbe Frage zu stellen, denn er führte weiter aus: „Ich habe gesehen, wie sie aus dem Weltentor kam und sie hierher gebracht, da sie keine Anstalten machte, wieder zurückzukehren.“ „Aus einer anderen Welt? Und du warst schon einmal hier? Interessant.“ Die junge Frau dachte kurz nach, ehe sie fortfuhr: „Und wie kommt es, dass du einem Flussgott begegnet bist? Und warum bist du wieder zurückgekehrt?“ „Eben wegen ihm.“ Chihiro seufzte. „Ich bin damals bei Yubabas Badehaus für die Götter gelandet. Sie hat einen Schüler namens Haku, ebenjenen Flussgott. Er hat mir versprochen, zu mir in meine Welt zu kommen, wenn er bei ihr gekündigt hat. Aber das ist nie geschehen und seither sind fünf Jahre vergangen. Deswegen bin ich zurückgekehrt.“ „Hm. Nie gehört.“ Als das Mädchen bekümmert die Schultern sinken ließ, fügte Amaya tröstend hinzu: „Ich komme aber auch nicht viel herum in der Welt. Ich kenne mich kaum bis zum nächsten Dorf aus, geschweige denn in ganz Aburaya. Aber ich weiß, dass es einige Badehäuser für unsere vielen irdischen Götter gibt.“ Sie warf einen Blick zu dem Mann. „Shisaye hingegen reist oft sehr weit. Vielleicht kennt er es ja.“ Der Drache musterte mich kurz, ehe er antwortete. „Ich kenne Yubaba und habe schon einmal von ihrem Badehaus gehört. Der Gott des Flusses Kohaku ist mir ebenfalls vertraut.“ Chihiros Herz schlug ein paar Oktaven höher. „Könntest du mich vielleicht zu ihnen bringen?“ Es dauerte eine gefühlt unendlich lange Zeit, ehe Shisaye bedächtig den Kopf schüttelte. „In der Gegend, in der sich das Badehaus befindet, tobt zurzeit ein schrecklicher Krieg. Vielleicht konnte Kohaku deswegen sein Versprechen nicht einhalten.“ „Ein … Krieg?“, wiederholte das Mädchen entsetzt. „Stimmt, davon habe ich auch gehört“, erwiderte Amaya nachdenklich. „Es muss dort ziemlich hart gekämpft werden.“ Als sie Chihiros entsetztes Gesicht sah, schürzte sie beschämt ihre Lippen. „Tut mir leid. Es ist bestimmt nicht so schlimm, wie die Gerüchte besagen.“ Haku. Vielleicht war er schon lange tot. Sie schluckte und musste den aufkeimenden Tränenfluss unterdrücken. Deshalb hatte er sein Versprechen nicht halten können. Und sie dumme Kuh hatte schon sonst etwas von ihm gedacht. „Hey …“ Amaya griff über den Tisch und nahm ihre Hand. „Sei nicht traurig. Ihm geht es bestimmt gut.“ Sie seufzte. „Shisaye, kannst du ihr wirklich nicht helfen?“ „Nein“, entgegnete er bestimmt. Die junge Frau war drauf und dran, ihm etwas Energisches entgegenzuschleudern, als es auf einmal laut an der Tür klopfte. „Huh? Das wird bestimmt der Dorfälteste sein, der dich kennen lernen will, Chihiro.“ Sie erhob sich umständlich und ging in den Eingangsbereich, um die Tür zu öffnen. Kapitel 3: ----------- Vielen lieben Dank für das Kommi. :D Kapitel 3: Ein schlechtes Omen Es dauerte nur wenige Minuten, ehe Amaya aufgebracht zurückkehrte. „Schnell, ihr müsst mitkommen! Es scheint etwas Furchtbares passiert zu sein, sie halten gerade auf dem Dorfplatz eine Versammlung ab.“ Zögerlich warf sie einen Blick auf Chihiro, den diese nicht ganz zu deuten wusste, fuhr aber dann nicht weiter fort und ließ lediglich in einer hoffnungslosen Geste ihre Schultern sinken. Shisaye erhob sich seelenruhig und verschwand in den Eingangsbereich, ohne auf die beiden jungen Frauen zu warten. Chihiro beeilte sich hastig, ihm zu folgen, wobei sie beinahe ihre halbvolle Teetasse umschüttete. „Tut mir leid“, entschuldigte sie sich bei Amaya, die daraufhin nur den Kopf schüttelte. „Das ist jetzt nebensächlich. Beeil dich lieber.“ Ungefragt nach sie das Mädchen an die Hand und eilte mit ihr nach draußen. Auf der Hauptstraße des Dorfes liefen einzelne Personen oder Gruppen vorüber, alle ausnahmslos in dieselbe Richtung. Sie schlossen sich ihnen an und erreichten bald darauf Shisaye, der weiterhin gemächlich vor sich hin schlenderte. „Was genau hast du an dem Wort ‚schnell’ nicht verstanden?“, fragte Amaya außer Atem. Trotz ihrer zierlichen Statur wirkte sie nicht sehr sportlich. „Immerhin bin ich genauso weit wie ihr, was wollt ihr mehr?“, kam die sporadische Antwort. Ehe die junge Frau zu einer genervten Entgegnung ansetzen konnte, wies er auf einen großen Platz, der sich vor ihnen erstreckte. „Im Übrigen sind wir schon fast da.“ Zwischen den vielen in ähnlicher Bauweise errichteten Hütten befand sich ein großer, mehr oder minder sauber gepflasterter Bereich. Viele Dorfbewohner hatten sich bereits versammelt und hatten ihre Blicke ausnahmslos in die Mitte des Areals gerichtet. Dort befand sich ein imposanter Baum, um den eine Art hölzerner Schrein errichtet worden war. Auf dem tribünenartigen Steg davor hatten sich einige Personen versammelt, die darauf zu warten schienen, dass alle eingetroffen waren. „Lasst uns näher rangehen, damit wir verstehen, was der Dorfälteste uns zu sagen hat“, schlug Amaya missmutig über ihre derzeitige Lage vor. Shisaye erwiderte nichts darauf, sondern setzte den ‚Plan’ gleich in die Tat um. Er ging voraus durch die Menge, denn wer ihn bemerkte, wich freiwillig zur Seite, wie Chihiro feststellen musste. Es dauerte nicht lange, bis sie knapp vor der Tribüne standen. Nach einiger Zeit trat ein sehr alt aussehender Mann nach vorne und hob eine Hand, um die aufgeregt schwatzenden Leute zu beruhigen. „Meine lieben Freunde und Nachbarn, was ich euch mitzuteilen habe, hat allerhöchste Priorität.“ Die Stimme des Mannes klang heiser, er war sehr ernst. Niemand machte auch nur einen Mucks. „Wie ihr wisst, tobt jenseits des Opalmeeres ein schrecklicher Krieg. Bis vor kurzem wussten wir noch nicht viele Details darüber, nicht einmal, wer oder was das große Zauberreich Itakas bedroht und gegen wen sie überhaupt kämpfen. Doch gestern Abend traf ein Herold des Königs bei uns ein und erstattete uns Bericht.“ Der Alte hielt gezwungenermaßen inne, da ein aufgeregtes Gemurmel durch die Menge ging. „Hört selbst, was er euch zu berichten hat“, fuhr er schließlich gereizt fort, als kein Ende des Lärmes in Sicht war. Amaya sprach kurz leise mit Shisaye, ehe sie sich Chihiro zuwandte. „Itaka ist das Königreich, indem sich das Badehaus befindet. Es ist eines von vieren, die sich in unserer Welt gebildet haben.“ Das Mädchen nickte angespannt. Sie wollte unbedingt wissen, was der Herold zu sagen hatte. Das Wesen, das nun nach vorne trat und den Platz des Dorfältesten einnahm, machte einen äußerst merkwürdigen Eindruck auf sie. Von der Statur her entsprach es einem Menschen, doch hatte es Flügel statt Armen und am Ende der Beine befanden sich keine Füße, sondern Greifklauen. Das Gesicht wirkte im Ansatz ebenfalls menschlich, doch ab der Hälfte wich die glatte Haut strohblonden Federn und ungefähr auf Höhe der Stirn besaß es ein drittes Auge, dessen Pupille wild hin und her zuckte. „Vor einiger Zeit erreichte uns Kunde aus Itaka. Die Bevölkerung hat gegen keinen Feind von außen zu kämpfen. Die Schutzgöttin des Landes, Lady Aria, wurde von einem Gott des Mondes gefangen und verschleppt. Daraufhin erschienen Horden von Monstern, die nun das Volk tyrannisieren. Doch das ist noch nicht alles.“ Das seltsame Wesen hielt kurz inne, um seinen Worten Wirkung zu verleihen. „Diese Dämonen sind nun auch auf dem Weg in die anderen Länder Aburayas. Wir befinden uns in großer Gefahr.“ Chihiro stockte der Atem. Sie verstand zwar nur die Hälfte, aber es war genug, um zu wissen, dass es um Hakus Land nicht besonders gut stand. Wenn die Monster schon die anderen Gefilde in Sicht hatten, gab es dort wohl nur noch wenig zu zerstören. Sie erwartete erregtes Geplauder unter den Dorfbewohner, doch auch diese schienen von der furchtbaren Nachricht wie gelähmt zu sein. „König Reiales ruft nun dazu auf, gegen die wachsende Bedrohung in den Krieg zu ziehen. Sonst werden auch wir von den Dämonen überrannt. Alle jungen Männer und Frauen, die den Umgang mit Waffen oder Magie beherrschen, werden nun dazu aufgerufen, zur Hauptstadt unseres Landes zu reisen und sich dem Heer anzuschließen.“ Die Leute erwachten aus ihrer Starre und redeten hektisch aufeinander ein. Chihiro schluckte schwer. Durch ihre Sorge um Haku nahm sie ihre Umwelt nicht mehr richtig wahr, und so erschrak sie furchtbar, als Amaya sie auf einmal heftig packte. Als sie zu der Frau aufsah, bemerkte das Mädchen, dass sie wütend in die Menge starrte. Als Chihiro die Rufe der Leute hörte, fuhr sie zusammen. „Dieses schreckliche Omen muss bestimmt der Mensch über uns gebracht haben!“ „Genau! Weg mit ihm! Weg mit dem Menschen!“ Ehe sie sich versah, stürmten von allen Seiten wütende Wesen auf sie ein. Ängstlich drückte sie sich an Amaya, aber auch sie konnte gegen die Übermacht nichts ausrichten. Sie wurde von ihr weggezerrt und sah sich schon tot am Boden liegen. Plötzlich ertönte ein Furcht einflößendes Brüllen. Chihiro wirbelte erschrocken herum und sah, dass Shisaye sich in seine Drachengestalt verwandelt hatte. Aber anders als das letzte Mal hatte sich seine sowieso schon mächtige Mähne noch weiter gesträubt, seine Krallen bohrten sich in das Pflaster des Platzes. Zischend entfuhren seinen Nüstern zwei siedend heiße Dampfwolken. Sein imposantes Auftreten hatte den gewünschten Effekt, die Dorfleute, die sich gerade noch auf sie stürzen wollten, wichen erschrocken zurück. Chihiro konnte es ihnen nicht verdenken, sie mochte ein mächtiges Wesen wie den Feuerdrachen nicht zum Feind haben. Amaya, die sich durch die Menge der flüchtenden Leute gekämpft hatte, griff nach der Hand des Mädchens und zog sie zu ihrem Haus. „Diese Dummkopfe!“, schimpfte sie unterwegs. „Brauchen unbedingt einen Sündenbock! Als ob du etwas für die Taten irgend so eines machtgeilen Gottes könntest! Haben sie dir irgendetwas getan? Ich könnte jedem einzelnen von ihnen einen ordentlichen Tritt in den Allerwertesten verpassen!“ „Mir geht es gut“, erwiderte Chihiro, verschreckt von der offensichtlichen Feindseligkeit der Dorfbewohner. „Es wird besser sein, wenn sie verschwindet“, bemerkte Shisaye von hinten. Er hatte sie schnell wieder eingeholt und war in seine menschliche Gestalt zurückgekehrt. „Und wohin soll sie gehen? Sie kennt hier doch niemanden!“ „Doch.“ Das Mädchen versuchte, trotz ihrer Furcht möglichst entschlossen zu klingen. „Ich muss zu Haku. Ich muss nach Itaka zum Badehaus reisen. Deshalb bin ich hier und ich werde mich von nichts und niemandem davon aufhalten lassen!“ „Schön gesprochen, aber wie willst du das machen?“, entgegnete der Feuerdrache ernüchternd. „Du kennst nicht einmal die Richtung, in die du gehen müsstest, ganz zu schweigen von dem Weg. Aburaya ist nicht so klein, wie du vielleicht denkst.“ „Das ist mir egal. Ich werde solange suchen, bis ich es finde.“ Er schnaubte. „Shisaye, sei doch nicht so! Was verstehst du schon von der Liebe?“, wies Amaya ihn zurecht. Chihiro wurde rot. „Wer sagt, dass ich …“ „Ach komm, für wie blind hältst du mich?“ Die Frau lächelte wissend. „Glaub mir, ich weiß genau, wie du dich fühlst. Was glaubst du, wie lange ich nach meiner großen Liebe suchen musstest?“ Chihiro sah sie zuerst verwundert an, dann verstand sie und blickte zu Shisaye. Der Drache zeigte keinerlei Gefühlsregung. Er schien ihnen nicht einmal zugehört zu haben. „Für den heutigen Tag bleibst du noch bei uns und morgen sehen wir weiter“, erklärte Amaya bestimmt. „Keine Sorge, ich werde schon dafür sorgen, dass du zu deinem Liebsten kommst.“ Das Mädchen lächelte scheu. „Vielen Dank.“ Mittlerweile waren sie bei ihrem Haus angekommen und traten ein. Zu dritt setzten sie sich wieder um den Tisch herum und selbst die geschwätzige junge Frau schaffte es einmal, ihren Mund zu halten. Chihiro wusste, wie aussichtslos ihre Lage war. Wie Shisaye richtig gesagt hatte, hatte sie keine Ahnung, in welche Himmelsrichtung sie auch nur reisen musste. Und wenn sie richtig aufgepasst hatte, befand sich das Land Itaka, in dem sich das Badehaus befand, hinter einem Meer. „Nun mach doch nicht so ein Gesicht“, versuchte Amaya schließlich, sie zu trösten. „Wir finden schon einen Weg. Ich werde dir zwar wenig helfen können, aber Shisaye bestimmt. Oder? Du kennst doch den Weg, zu könntest sie doch hinbringen.“ „Das ist kein Ogresprung, Amaya. Schon alleine, um über das Meer zu kommen, sind es gute vierzehn Tagesreisen. Und auch nur, wenn der Wind günstig weht. Das Badehaus liegt im Herzen Itakas, weitere geschätzte zwanzig Tage vom Opalmeer entfernt. „Aber es liegt doch in der Nähe eines Meeres“, erinnerte sich Chihiro hoffnungsvoll. „Sicherlich, aber es gibt auch nicht nur ein Meer hier in Aburaya.“ Nun fiel auch Amaya nichts mehr ein. Es war eine lange und schon im Normalfall sehr gefährliche Reise dorthin, und der Drache würde im Gegensatz zu dem Mädchen hin- und zurückreisen müssen. Shisaye quittierte den Trübsal der beiden Frauen mit einem Seufzer, eine erste große Gefühlsregung von ihm. „Ich kann nur eines für dich tun, Chihiro.“ Sie horchte mit einem leisen Anflug neuer Hoffnung auf. „Und das wäre?“ „Ich kann dich bis zur Hafenstadt Opalra bringen und dir dort ein Schiff besorgen, das nach Itaka segelt, auch wenn es schwer werden sollte. Außerdem besitze ich eine Karte des Landes, auf dem ich dir das Badehaus einzeichnen werde. Den Weg dorthin wirst du dir selbst bahnen müssen.“ Chihiro strahlte und wäre dem Drachen am liebsten um den Hals gefallen. Einzig das Wissen, dass es ihm wenig gefallen würde, hielt sie zurück. „Vielen, vielen Dank!“ „Seid ihr wahnsinnig? Das ist viel zu gefährlich“, warf Amaya besorgt ein. „Habt ihr den Kirata nicht gehört? In Itaka wimmelt es bestimmt nur so von dämonischen Monstern!“ „Kirata?“, fragte das Mädchen verwirrt. „Der Herold ist ein Wesen namens Kirata“, erklärte Shisaye kurzangebunden, ehe er sich Amaya zuwandte. „Das ist mir bewusst. Und ihr hoffentlich auch. Aber es ist ihre Entscheidung und ich werde sie nicht aufhalten. Hier im Dorf ist sie mindestens genauso gefährdet.“ Amaya schwieg schweren Herzens. Sie wusste genauso wie der Feuerdrache, dass es der sichere Tod des fremden Mädchens war, wenn sie alleine in das ferne Land reiste. Aber wenn ihr geliebter Shisaye sie begleiten würde, schwebte auch er in höchster Gefahr. Vermutlich würde sie ihn dann nie mehr wieder sehen. „Gut“, erwiderte sie deshalb mit brüchiger Stimme. „In Ordnung. Es wird auch bis zum Meer einige Tage dauern, weshalb ich euch etwas Wegzehrung mitgeben werde.“ Chihiro nickte dankbar. „Ich werde dir helfen.“ Ehe sie sich erhob, hielt sie kurz inne und sah den Drachen fragend an. „Wie heißt dieser Mondgott, der Schuld an den ganzen schrecklichen Ereignissen ist?“ „Es gibt nicht nur einen Gott des Mondes, aber ich vermute, dass es sich dabei um Ilithyar handelt.“ Das Mädchen hörte Amaya abfällig schnauben. „Diese Mondgötter haben alle so seltsame Namen.“ Chihiro schwieg. Sie war sich sicher, dass man das Übel an der Wurzel packen musste, um die weitere Zerstörung Itakas zu verhindern. Aber das ging sie noch nichts an. Zunächst musste sie es schaffen, heil zu ihrem geliebten Haku zu gelangen. Kapitel 4: ----------- Danke für dein Kommi, Stella. :D Kapitel 4 – Reise mit Hindernissen Am nächsten Tag brachen sie in aller Frühe auf. Amaya verabschiedete sich so tränenreich von ihnen, dass Chihiro fast froh war, als sie endlich losflogen. Sie hatte von ihrer Gastgeberin ein Bündel mit Nahrung für die lange Reise und einigen ihrer Kleidungsstücken erhalten, damit sie sich umziehen konnte. Es baumelte nun an einem von Shisayes Hörnern, um das sie es mit seiner Erlaubnis hatte binden dürfen. Zu ihrer Überraschung tauchte der Drache kurze Zeit, nachdem sie gestartet waren, durch die dichte, kalte Wolkendecke, die die Welt in ihren grauen Schleier gehüllt hatte. Sie befanden sich scheinbar nicht so hoch oben wie in Chihiros Welt. Anders konnte sich das Mädchen nicht erklären, wie es möglich war, dass sie Problemlos über ein Meer aus Wolken fliegen konnten. Sie kuschelte sich in die dichte rote Mähne des Drachen und beobachtete aus dem Wirbel an Haarsträhnen, die sie umschlangen, wie die Sonne aufging und die Wolken in ihr sanftes Licht hüllte. Irgendwann nickte Chihiro ein und erwachte erst wieder, als die Sonne hoch über ihnen stand. Shisaye flog immer noch gleichmäßig vor sich hin und da ihr Magen mittlerweile beträchtliche Lautäußerungen von sich gab, öffnete das Mädchen ihre erste Essensration. Sie sah nichts anderes als die Wolken unter ihnen und den blauen Himmel samt Sonne über ihnen und beides bewegte sich so unmerklich langsam, dass sie sich nach einiger Zeit schrecklich langweilte. Es kam ihr vor, als würden sie sich gar nicht mehr vom Fleck rühren. Nur der beträchtliche Flugwind belehrte Chihiro eines besseren, doch auch dieser konnte ihr die Langeweile nicht vertreiben. Shisaye machte den ganzen Tag über keine Pause, was sich auch in den nächsten nicht ändern sollte. Nicht, dass sie eine gebraucht hätte, aber Chihiro stellte es sich für ihn ziemlich anstrengend vor, die ganze Zeit fliegen zu müssen. Nach ungefähr vier oder fünf endlosen Tagen tauchte der Drache urplötzlich nach unten ab. Dem Mädchen entfuhr ein überraschter Aufschrei, nach der langen Eintönigkeit war sie nicht darauf vorbereitet gewesen. Die bitterkalten Wolken durchnässten ihre Kleidung und trieben ihr Schauer über den Rücken, doch auch darunter war es nicht besser. Es regnete in Strömen, doch sie fand keine Gelegenheit, sich darüber aufzuregen. Vor ihnen erhob sich eine für Aburaya sehr große Stadt, eingebettet zwischen einer sanften Hügellandschaft und dem Meer, das sich über den gesamten Horizont erstreckte. Chihiro kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die Häuser Opalras waren nicht nur sehr vielfältig gebaut – es lebten wohl viele unterschiedliche Rassen in der Hafenstadt – sondern ausnahmslos in einem rötlichen Braun. Etwas außerhalb der Stadt landete Shisaye auf einem breiten Weg. Bis auf ein paar Passanten auf exotischen Reittieren oder Kutschen war kaum etwas los; kein Wunder bei dem schlechten Wetter. Der Drache zerstob in abertausende Funken und alles, was zurückblieb, war die trügerische Gestalt eines Menschen. „Wie ich sehe, hast du den Flug gut überstanden, Chihiro.“ Sie nickte dankend. „Es ist wohl an der Zeit, Abschied zu nehmen.“ Shisaye schüttelte den Kopf. „Noch nicht. Ich werde zuerst nach einem Schiff nach Itaka für dich suchen, schon vergessen?“ Ohne auf ihre Reaktion zu warten, marschierte er schnurstracks an ihr vorbei. Chihiro beeilte sich, ihm zu folgen. In einiger Entfernung wuchs vor ihnen ein gigantisch großes Tor aus dem Boden, das wie alles andere in Opalra ebenfalls aus rötlichem Stein befand. „Die Erde und das Gestein hier sind so rot. Man hat sich nicht die Mühe gemacht, extra andere Steine oder Holz herbeizuschaffen, deshalb ist Opalra eine rote Hafenstadt geworden“, beantwortete der Drache ihre unausgesprochene Frage. „Lernt man das hierzulande im Geschichtsunterricht?“, hakte das Mädchen interessiert nach. Shisaye warf ihr einen merkwürdigen Seitenblick zu. „Entweder das oder man lebt lange genug, um es zu wissen. Die meisten Wesen hier sind nicht so kurzlebig wie ihr Menschen.“ Seine Stimme klang weder verächtlich noch mitleidig, er akzeptierte diese Tatsache einfach, wie sie war. Chihiro war versucht, ihn zu fragen, wie alt er war, doch sie beließ es dabei. Shisaye war merklich bemüht, ihr ein guter Gesprächspartner zu sein und nicht allzu einsilbig zu antworten, aber er fand keinen wirklichen Gefallen daran, sich mit ihr zu unterhalten. Sie schritten also schweigend durch das Stadttor, wo der Drache gleich den Weg zum Hafen einschlug. Das Mädchen musste aufpassen, ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Es waren zwar nicht viel mehr Wesen auf den Straßen als vor Opalra, aber sie war zu sehr damit beschäftigt, sich die verschiedenen Häuser anzusehen, als auf etwas anderes zu achten. In einer engen Seitengasse begegnete ihnen sogar ein Kirata, eines jener vogelartigen Wesen, wie Chihiro es auch in dem Dorf gesehen hatte. Als sie ihm hinterher sah rannte sie Shisaye fast über einen Haufen, weil er stehen geblieben war, um auf sie zu warten. „Verzeih mir“, entschuldigte sie sich beschämt. Sie befand sich auf einer wichtigen Mission und hatte nichts Besseres zu tun, als eine Stadt zu bewundern! Shisaye nahm es nickend zur Kenntnis, doch in seinen Zügen lag Verständnis für das Mädchen aus einer fremden Welt, für das alles hier noch neu und seltsam war. Bei den Hafendocks angekommen peilte der Drache zielsicher ein heruntergekommen aussehendes Gebäude an, wie es sich herausstellte, war es eine Art Hafenverwaltungshaus. Im Inneren sah es nicht besser aus als außen, der Empfangsraum war riesengroß und düster. Ein alter Teppich, von dem ein modriger Geruch ausging, dämpfte ihre Schritte, als sie zu einem Schalter gingen, einem der wenigen Möbelstücken in der Halle. „Entschuldigen Sie bitte.“ Der Mann auf der anderen Seite des Schalters sah von ein paar Papierstücken auf, die fast als Zeitung durchgehen konnte. Er hatte eine unproportional große Hakennase, auf der ein altmodisches Brillengestell ruhte. Mit zusammengekniffenen Augen musterte er die beiden Neuankömmlinge. „Was wollt Ihr, mein Herr?“ Seine Nasenflügel blähten sich, Chihiro erinnerte sich daran, dass die Bewohner Aburayas Menschen an ihrem Geruch erkennen konnten. Und dass sie es nicht sehr gerne taten. „Wir suchen ein Schiff nach Itaka. Könnt Ihr uns bitte mitteilen, wann das nächste auslaufen wird?“, fragte Shisaye ruhig. Der Mann beugte sich über den Schalter, wohl um den Drachen noch besser erkennen zu können. „Nach Itaka, eh?“, fragte er mit krächzender Stimme. „Nach Itaka fährt kein Schiff. Und das ist besser für Euch, glaubt mir.“ „Es war noch nie der Fall, dass kein Schiff übergefahren ist. Ob wir hinüber reisen wollen oder nicht ist unsere Sache.“ „Ein Drache, nicht wahr?“ Den dünnen Mund zu einem Lächeln verziehend ließ sich der seltsame Kerl wieder zurücksinken. „Jaah, ich kenne Eure Sippe. Alt und engstirnig. Es wird kein Schiff ablegen, ob es Euch passt oder nicht. Wen interessiert es, dass es das erste Mal seit der Aufteilung der Länder ist?“ Chihiro starrte gebannt auf Shisayes Rücken; mehr sah sie im Moment nicht von ihm. Sie hoffte inständig, der Alte würde nur Unsinn erzählen, weil sie ein Mensch war. Der Drache würde bestimmt nicht so schnell aufgeben. Doch Shisaye senkte nach kurzem Zögern nur den Kopf und wandte sich um. „Was sollen wir tun?“, fragte sie ihn bestürzt. Ihre Reise konnte und durfte nicht so schnell schon vorüber sein! Er schüttelte in drachenhafter Manier den Kopf. „Ich weiß es nicht.“ Das Mädchen verzog das Gesicht, was ihm nicht entging. „Lass uns für diese Nacht hier bleiben, ich bin müde. Morgen werden wir weitersehen.“ Chihiro schluckte und stimmte ihm schweren Herzens zu. Sie bezweifelte, dass sich bis zum nächsten Morgen etwas an ihrer Situation ändern würde. Aber da sie keinen besseren Vorschlag hatte, ließ sie es dabei beruhen. Sie machten sich auf die Suche nach einer annehmbaren Herberge. Shisaye entdeckte ein kleines Gasthaus mit Möglichkeit zur Übernachtung nahe der Hauptstraße. Der Besitzer, der sich hinter seiner Theke verschanzt hatte und die Bediensteten umherscheuchte, musterte Chihiro zwar skeptisch, sagte aber nichts weiter. Der Drache bezahlte mit ihr fremdartigen Goldmünzen zwei Zimmer, die einzigen, wie sich herausstellte, als sie ins obere Stockwerk gingen, um sie sich anzusehen. Shisaye trat auf die erste Tür zu, sie lag direkt gegenüber der Treppe. Die Dielen quietschten vernehmlich und er nickte beinahe schon zufrieden, ohne sich direkt an seine Begleiterin zu wenden. „Ich werde dieses Zimmer hier nehmen“, erklärte er ihr dann in einem Tonfall, der gar nicht mit einem Widerspruch rechnete. „Gut“, sagte Chihiro und ging auf die zweite Tür zu. Eine weiter befand sich noch am Ende des Ganges, laut der Beschreibung des Wirtes befand sich darin das Bad. Bevor sie sich mit dem Zustand desselben konfrontierte und sich der Frage stellen musste, wo sie hier eine Zahnbürste herbekam, wollte sich das Mädchen aber erst einmal den Raum begutachten, der für diese Nacht ihre Unterkunft sein sollte. Sie stieß die Tür auf und fand dahinter nichts weiter vor als ein recht kleines Zimmer, das von einem Bett mit einer hässlichen grünen Decke beherrscht wurde. Daneben stand lediglich noch ein Tischchen mit einer Lampe darauf und es gab sogar ein Fenster, wenn die Scheiben auch so dreckig waren, dass man den Mond dahinter kaum erkennen konnte. Chihiro fühlte sich fast erschlagen von der stickigen Luft, weshalb sie zu dem Fenster ging und es umständlich öffnete. Mit einem schauderhaften Kreischen schwang es schließlich auf und gab ihr den Blick auf den Hinterhof des Hauses frei. Der Himmel war mittlerweile wieder klar geworden und sie konnte den Mond und die Sterne in all ihrer Pracht sehen. „Ob Haku sie wohl auch gerade betrachtet …?“, fragte sie sich laut. Falls es ihm überhaupt noch gut ging … Chihiro schloss die Augen und versuchte, die düsteren Gedanken aus ihrem Kopf zu verbannen. „Natürlich geht es ihm gut. Er ist stark, niemand kann ihm so leicht etwas anhaben.“ Sie verschwand im Badezimmer und machte sich so gut es ging fertig zum Zubettgehen. Shisaye traf sie nicht mehr an, was sie nicht weiter verwunderte. Der Drache hatte wohl so einiges an Schlaf nachzuholen. Als Chihiro fertig war schlüpfte sie unter die Decke und dämmerte überraschend schnell in den Schlaf. ** Ein lauter Knall riss sie wenige Stunden später wieder aus ihren Träumen. Verwirrt fuhr das Mädchen hoch. Es dauerte einen Moment, ehe sie sich entsann, wo sie sich befand, als es wieder krachte. Dieses Mal bebte sogar die Erde, es war ganz in der Nähe gewesen. Chihiro sprang aus ihrem Bett und riss das Fenster auf. Erschrocken über den Anblick, der sich ihr nun bot, starrte sie nach draußen. Der Nachthimmel spiegelte glühend rot die Flammen wider, die bereits an einigen Hauswänden emporzüngelten. In der Ferne flimmerte die Luft vor Hitze und auch hier spürte sie die unnatürliche Wärme, die von draußen kam. Von einem Schaben aufgeschreckt warf sie einen Blick zur Seite und sah gerade noch einen ebenfalls feuerroten Drachen mit einem lauten Klirren aus dem Nebenfenster fliegen, ungeachtet dessen, dass dieses noch geschlossen gewesen war. Halb erwartete sie, dass Shisaye zu ihr kommen würde, um mit ihr davonzufliegen. Stattdessen flog er einen eleganten Bogen und verschwand aus ihrer Sichtweite in Richtung Meer. Ohne lange nachzudenken packte Chihiro ihre Sachen und rannte nach unten. Der Wirt kam aus einem Hinterzimmer, als er sie die Treppe hinabpoltern hörte. „Schau nur, was du über uns gebracht hast, dreckiger Mensch!“, brüllte er sie an, doch das Mädchen hatte gar nicht vor, recht viel länger zu bleiben. Sie hastete auf die Seitengasse, in der sich die Herberge befand, und fand sich im reinsten Chaos wieder. Alle möglichen ihr unbekannten Wesen hasteten durcheinander, Panik sprach aus ihren Augen. Gerade als Chihiro noch am Überlegen war, in welche Richtung sie sich am besten wenden sollte, ertönten einige entsetzte Schreie und in die aufgebrachte Masse kam System, als alle nur noch in eine Richtung zu rennen begannen. Wie angewurzelt blieb sie stehen, Neugier und die Unschlüssigkeit, was sie nun tun sollte, hielten sie an ihrem Platz. Die Flüchtenden wurden immer weniger und weniger, bis das Mädchen schließlich erkannte, wovor sie flohen. Mit einem großen Satz kam das Wesen samt seinem Reiter knapp drei Meter zum Stehen und stieß ein grauenvolles Brüllen aus. Äußerlich hatte die haarige Bestie gewisse Ähnlichkeiten mit einem besonders kräftig gebauten Säbelzahntiger, nur die Farbe seines Fells war in einem dunklen Violettton, das stellenweise ins Schwarze überging. Um die Brust und den Bauch des Ungetüms waren Lederriemen befestigt, die den Sattel auf seinem Rücken auf seinen Platz hielten. Auf diesem saß der wohl furchterregenste Mann, den Chihiro in ihrem ganz bestimmt nicht langweiligen bisherigen Leben gesehen hatte. Er war fast schon überbaut muskulös und trug heruntergekommene Kleidung, die im Entferntesten an die Arbeitskleidung erinnerte, die die Angestellten des Badehauses immer getragen hatten. Sein dunkles Haar war ungepflegt und fettig und auf jedem Fleckchen Haut, das sie sehen konnte, befanden sich Narben. Doch das Schlimmste an ihm war sein Blick. Er hatte sie bemerkt und musterte sie begierig. „Na, Kleine, hast du keine Angst vor mir? Endlich mal ein vernünftiges Mädchen.“ Der Mann lachte krächzend über seine eigenen Worte. Chihiro dachte daran, in das Gasthaus zurückzulaufen, an dessen Tür sie sich gepresst hatte, doch ein Klicken hinter ihr machte diesen Plan zunichte. Der Wirt hatte abgeschlossen. Nun gab es nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder sie ließ sich von der sabbernden Tigerbestie auffressen – oder sie versuchte ihr Glück in der Flucht. Während das Tier langsam auf sie zutapste, riss Chihiro eine zum Glück leere Regentonne neben dem Eingang um, sodass sie auf das feindliche Duo zustürzte. Gleichzeitig spurtete das Mädchen hinterher, denn das letzte, was der ganz sicher nicht friedlich gesonnene Typ von ihr erwartete, war, dass sie näher zu ihm lief. Und tatsächlich: Die Bestie sprang blindlings über das rollende Hindernis und machte zwei riesige Sätze weiter, ehe sie erkannte, dass Chihiro in die andere Richtung geflohen war. Das Mädchen hastete unterdessen im Zickzack durch die engen Gassen und stieß dabei gegen alle möglichen Hindernisse, doch sie achtete nicht darauf. Es dauerte nicht lange, bis sie hinter sich ihre Verfolger scheppern hörte. Ein Blick über ihre Schultern bestätigte ihre Vermutung, doch zu ihrem Glück tat sich das Tigermonstrum enorm schwer, durch die kleinen Straßen zu gelangen. Dennoch kamen sie unaufhaltsam näher. Nach wenigen, angsterfüllten Minuten, die Chihiro wie Stunden vorkamen, rannte sie plötzlich auf die breite Hauptstraße. Sie hatte nicht bemerkt, dass das Gassenwirrwarr geendet hatte. Doch es war alles wie leergefegt. Resignierend sah sie sich um. Niemand war weit und breit zu sehen. Und auf diesem offenen Feld würde sie nicht länger flüchten können. Im selben Moment, in dem das Raubtier hinter ihr auf die Hauptstraße sprang, kam aus einer anderen Gasse ihnen gegenüber ein weiterer Mann geschlendert. Er trug zwei Schwerter in den Händen und einen Augenblick lang flackerte Hoffnung in Chihiro auf. Aber nur solange bis sie den Ausdruck in seinen Augen sah. Es ließ ihr keinen Zweifel daran, dass er ebenfalls zu dem Reiter des Monsters gehörte. Ihre Augen erspähten einen Stock, der eine Art Sonnenschutz über einem Fenster stützte. Das Mädchen schnappte sich ihn und wandte sich kampfbereit zu ihren Gegnern um. Sie wusste, dass sie keine Chance hatte, doch vielleicht konnte sie sie aufhalten, bis Shisaye auf sie aufmerksam wurde. Außerdem war sie nicht gewillt, einfach so das Handtuch zu werfen. „Nanu, was hast du denn da schönes aufgegabelt, Jäger?“, sprach der Neuankömmling mit den beiden Schwertern zu seinem berittenen Gefährten. „Die Kleine hat ganz schön viel Mut und Grips obendrein. Die wird dem Käpt’n bestimmt gefallen“, erwiderte Jäger grinsend. „Da ist mindestens eine Beförderung zum Vizekapitän drinnen.“ Chihiro wich langsam zurück und ein Auge des Schwertkämpfers zuckte. Sie befürchtete, er habe ihre langsame Flucht bemerkt, doch stattdessen wandte er sich dem Reiter zu. „Hm, da hast du Recht. Wie wäre es, wenn wir sie … du weißt schon … teilen?“ „Das hättest du wohl gern!“, rief Jäger so laut, dass es dem Mädchen in den Ohren klingelte. „Sie gehört mir ganz alleine, verstanden? Such dir selbst so ’ne Göre!“ „Du wolltest es nicht anders!“ Jägers Mitstreiter spurtete auf Chihiro zu, die erschrocken stehen blieb und aus einem Reflex heraus die Augen zusammenkniff. Mit einem Schwung wurde sie von etwas gepackt und spürte weiches Fell an ihrer Seite. Zu ihrem Entsetzen entglitt ihr dabei ihre provisorische Waffe und als sie die Augen öffnete, sah sie das staube Straßenpflaster in rasender Geschwindigkeit unter ihr vorbeizog. Die Bestie war deutlich schneller gewesen als der Mann, dessen wütende Flüche sie noch lange hinter sich hörte. Chihiro wehrte sich aus Leibeskräften gegen den Arm, der sich eisern um ihre Hüfte geschlungen hatte, doch sie konnte nichts ausrichten. Von dem Herumgeschaukel wurde ihr nach einiger Zeit furchtbar übel, deshalb gab sie auf und warf lieber einen Blick nach vorne, um zu sehen, wo sie hingebracht wurde. Als sie erkannte, dass der violette Monstertiger den Hafen ansteuerte, schlug ihr Herz höher. Dort war auch Shisaye! Und tatsächlich, nach einiger Zeit sah sie den Drachen dicht über dem Boden fliegen. Es war ihr so, als würde die Luft um ihn herum in Flammen stehen, doch sie schienen ihn nicht zu verletzen. Er ließ Feuersäule um Feuersäule auf einen für Chihiro unsichtbaren Feind hinabsausen, der aber eifrig mit ebenfalls brennenden Kugeln zurückschoss. Mit Genugtuung sah das Mädchen, dass diese dem Drachen kaum etwas anhaben konnten. Ihre Aufmerksamkeit wurde wieder auf Jäger gerichtet, der das Kampfgeschehen umrundete und auf die Docks zuhielt. Chihiro wurde mit einem Mal bewusst, dass Shisaye sie nicht bemerken würde, zu sehr wurde seine Aufmerksamkeit von seinem Gegner gefesselt. „SHISAYE!!!“, rief sie verzweifelt aus, doch er hörte sie weder noch sah in ihre Richtung. „SHISAYE! HILFE! SHISAYE!“ „Gib es auf, kleines Mädchen. Wen auch immer du rufst ist besser damit beraten, nicht zwischen die Zähne meiner lieben Makio zu kommen“, erwiderte Jäger mit einem schadenfrohen Unterton in der Stimme. „Wobei es ihr nicht schaden würde … Sich tagein, tagaus von Fisch zu ernähren muss eintönig sein.“ Wie als hätte sie seine Worte verstanden fauchte die Bestie wütend. Plötzlich ritten sie eine so scharfe Kurve, dass sich Chihiro der Magen umzudrehen schien. Dass sie dann nur noch Wasser unter sich sah, machte die Sache nicht gerade besser. „Wohin bringst du mich?“, startete sie einen letzten verzweifelten Versuch, sich aus ihrer misslichen Lage befreien zu können. „Das wirst du dann schon sehen, Kleine.“ Mit einem Ruck sprang die Tigerbestie, die scheinbar auf den Namen Makio hörte, vom Boden ab und landete samt ihrer Besatzung im Wasser. Kapitel 5: ----------- Waaah, mein Lieblingskapitel xD Wie immer danke für dein Kommi, Stella. ^__^ *** Kapitel 5 – Zadara Makio pflügte mit einer rasenden Geschwindigkeit durchs Wasser, die Chihiro ihr niemals zugetraut hätte. Noch während sie überlegte, was sie jetzt tun konnte, ragte auf einmal ein riesengroßes Schiff vor ihnen auf. Es überragte alle anderen bei weitem, doch das war nicht der einzige Unterschied – während die anderen seit Wochen im Hafen vor Anker lagen, trieb dieses mitten auf dem Meer. Am Horizont dahinter ging die Sonne auf und hüllte alles in ihr sanftes Licht. Chihiro konnte nicht anders, als das majestätische Gebilde zu bewundern. „Schick, unser Nussschälchen, nicht wahr?“, fragte ihr Kidnapper sie unvorbereitet und mit unverhohlenem Stolz in der Stimme. Er hatte wohl bemerkt, wie ehrfürchtig sie das Schiff musterte. „Euer Schiff? Seid ihr so etwas wie Piraten?“ Chihiro wusste, dass sie eigentlich vor Angst schlottern sollte, doch ihr Herz schlug unwillkürlich höher. Vielleicht war das die Chance, nach Itaka zu kommen. Piraten waren bestimmt nicht so feige wie die anderen Seemänner, die es nicht wagten, zu dem anderen Kontinent aufzubrechen. „So könnte man uns bezeichnen“, erwiderte Jäger volltönig lachend. „Und … warum nimmst mich mit auf dein Schiff?“, fragte sie weiter, die Redseligkeit des Piraten ausnutzend. „Das fragst du noch? Immerhin bist du ein Mensch! Und ein verteufelt schönes Weibsbild noch dazu! Unser Käpt’n freut sich bestimmt, wenn er dich sieht!“ Chihiro schluckte. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. „Und was macht er mit mir?“ „Keine Ahnung. Behalten. Einsperren. An die Fische verfüttern. Oder an Makio, wie’s dir lieber ist. Liegt bei ihm, besser gesagt seiner Stimmung.“ „Ähm … Habe ich so etwas wie ein Vetorecht?“ Hilflos starrte sie auf das immer näher kommende Schiff. Die sicherlich nicht positive Antwort Jägers ging in dem Aufplatschen einer langen Strickleiter unter, die ihnen heruntergeworfen wurde. Er hangelte sich mit ihr unter dem Arm daran empor, während sich Makio an einem eigens dafür angebrachten Netz an der Seite des Schiffes nach oben zog. Als ihr Entführer mit Chihiro oben angekommen war, setzte er sie auf dem Schiffsdeck ab. Hier hatte er sowieso nicht mehr zu befürchten, dass sie flüchten würde. Und selbst wenn sie es versuchen würde, hätte sie Makio in wenigen Sekunden wieder eingeholt und zurückgebracht. Auf dem Schiff herrschte geschäftiges Treiben. Furchterregend aussehende Wesen machten sich an Seilen, Tagelaken und anderen Gerätschaften, die Chihiro nicht benennen konnte, zu schaffen. Sie allen warfen ihr einen flüchtigen Blick zu, teils begleitet mit einem bösen Grinsen, gingen aber gleich wieder ihren Arbeiten nach. Dem Mädchen überlief ein Schaudern. Wie musste wohl der Mann sein, der all diese Leute derart gut unter Kontrolle hatte, dass sie sich keinen Fehler erlaubten? Jäger war mittlerweile mit einem lauten Schnaufer ebenfalls über die Reling geklettert und stieß Chihiro vorwärts, die Treppe zum Steuerdeck hinauf. Auf dieser erhöhten Plattform standen zwei Männer, die ihnen beide den Rücken zugekehrt hatten. Einer der beiden lehnte an dem Steuerrad, ihr fielen sofort seine weißen, leicht bläulich schimmernden Haare auf, der zweite ein paar Schritte weiter am Bug und starrte auf das weite Meer. „… gut zurückgekehrt“, beendete der Pirat am Steuer gerade seinen Satz, als Chihiro und ihr Entführer dazu stießen. Er wandte sich zu ihnen um und wirkte auf das Mädchen auf den ersten Blick erstaunlich menschlich, aber er gehörte wohl derselben Rasse wie die Angestellten aus dem Badehaus an. Der Blick eines ebenfalls eisblauen Auges war durchdringend, als er sie musterte. Das zweite war von einem zu lang gewachsenen Pony verdeckt. Er räusperte sich verhalten. „Käpt’n? Jäger hat uns Frischfleisch eindeutig …“, er zog die Nase kraus, „menschlicher Natur an Bord gebracht.“ Chihiros Aufmerksamkeit wurde mit diesen Worten auf die zweite Person gelenkt, die sich im ersten Augenblick überhaupt nicht rührte. Als sie gerade überlegte, ob der Piratenkapitän es vielleicht über das Rauschen des Meeres hinweg überhört hatte, wirbelte er überraschend herum. Sie musterten einander stillschweigend. Bis auf ein paar Bartstoppeln im Gesicht und die Tatsache, dass er auch ansonsten sehr ungepflegt wirkte, sah er gar nicht so schlecht aus. Sein dunkles, krauses Haar hatte er im Nacken zu einem lockeren Zopf gebunden, darauf trug er eine seltsame Kopfbedeckung, die Chihiro noch nie gesehen hatte und die wohl eine Art Piratenhut darstellen sollte. Nachdem er auch sie eingehend und mit fast schon vernichtend finsterem Blick gemustert hatte, setzte er schlagartig ein Lächeln auf. „Verzeih mir bitte, wo habe ich denn meine Manieren gelassen? Herzlich Willkommen auf meinem bescheidenen Schiff, junge Dame. Mein Name ist Käpt’n Zadara, aber das muss ich dir wohl nicht sagen. Ich bin weit über die vier Weltmeere hinaus bekannt, wie du sicher weißt.“ Er trat unangenehm nahe zu Chihiro und sie musste den Reflex unterdrücken, zurückzuweichen und sich die Hände vor die Nase zu halten. Ihr schlug eine gewaltige Alkoholfahne entgegen, geschwängert von dem ekelig süßlichen Geruch nach Schweiß. „Nicht wahr?“, fragte der Piratenkapitän so nahe an ihrem Gesicht, dass sich ihre Nasenspitzen beinahe berührten. „V-verzeihung?“, würgte sie kläglich hervor. „Dir sagt mein Name doch etwas, oder?“, wiederholte der Pirat mit süffisantem Unterton in der Stimme. „Äh …“ Ihr Blick viel auf Jäger, der seitlich hinter seinem Kapitän stand und heftig mit dem Kopf nickte. Sie sah wieder zu seinem Herrn, der ihren Seitenblick scheinbar nicht bemerkt hatte, und tat es Jäger nach. „J-ja. Natürlich. Wer kennt nicht den gefürchteten … äh … Za…“ Ihr Kidnapper formte mit den Lippen lautlos die Buchstaben und Chihiro versuchte verzweifelt, sie zu lesen. „Zado … Ich meine, Zada…“, berichtete sie sich, als Jäger den Kopf schüttelte. „Zadada, nein, Zadar…o? Zadara?“ Der Kapitän lächelte zufrieden und trat einen Schritt zurück. „Ja, wirklich. Du hast Recht.“ Jäger und Chihiro atmeten gleichzeitig erleichtert aus. Das Mädchen fragte sich zwar, warum der Pirat ihr plötzlich half, nahm es aber dankend an. Zadara wirkte seltsam auf sie, vermutlich war er betrunken. Sie mochte nicht wissen, was geschah, wenn dieser unscheinbare Typ in Rage geriet. „Und du hast die junge Dame auf mein Schiff gebracht?“, wandte sich der Kapitän nun an Jäger. Dieser nickte stolz. „Ein wildes Biest, Käpt’n. Wir brauchten ewig lange, bis wir sie gefasst hatten. Und selbst dann hat sie sich noch gewehrt.“ Zadara drehte sich mit hochgezogenen Augenbrauen ruckartig zu Chihiro herum. „Ach wirklich?“ Er musterte sie noch einmal von unten bis oben. „Wenn ihr Stunden braucht, um ein kleines Mädchen zu fangen, zeugt mir das eher von eurer Unfähigkeit.“ Er lächelte, während er das sagte, und in seiner Stimme schwang weder Ironie noch sonst irgendein bedrohlicher Unterton mit; es klang fast so, als würde er über das Wetter sprechen. Jäger wollte etwas erwidern, doch Zadara schnitt ihm mit einer schnellen Handbewegung das Wort ab. „Genug geplaudert, nun, da endlich alle anwesend sind – ist Kido eigentlich schon da?“ Mit einem verpeilten Gesichtsausdruck wandte sich der Piratenkapitän an den Mann mit den eisblauen Augen. „Gerade eingetroffen, Kapitän“, entgegnete dieser ruhig. „Gut, dann können wir ja loslegen. Hisst die Anker, holt den Segel ein oder anders herum, wie es euch beliebt, macht schon, hopp, hopp.“ Er war schon die erste Stufe zum Hauptdeck hinab gestiegen, als er noch einmal inne hielt. Keiner rührte sich. Zadara seufzte leise und drehte sich um. „Habt ihr nicht verstanden, was ich gesagt habe?“, fragte er, als wäre er eine Mutter, die ihre tollpatschigen Kinder schalt. „Natürlich, Kapitän, aber Ihr habt noch nicht angeordnet, was mit dem Menschen passieren soll“, erklärte sich der Blauäugige ohne eine Spur der Beunruhigung, während Jäger unwillkürlich einen halben Schritt zurückgewichen war. Der Anführer der Piraten betrachtete ihn mit schräg gelegtem Kopf, als müsse er über die Bedeutung der Worte nachsinnen. „Gut, dass du mich daran erinnerst“, meinte er schließlich mit verträumter Stimme. „Schafft sie von Bord. Ein Mensch auf einem Schiff bringt nichts als Unglück.“ „Aber …!“, riefen Chihiro und Jäger gleichzeitig aus. „Par“, sagte Zadara darauf nur, und während das Mädchen noch darüber nachdachte, was er nun schon wieder damit gemeint hatte, wurde sie von dem Blauäugigen unsanft am Arm gepackt. „Käpt’n, sie könnte uns ’nen gewaltigen Haufen Gold einbringen! Wir könnten sie …“ Ein für Chihiro undeutbarer Blick des Kapitäns brachte Jäger zum Schweigen. „Zada… ich meine, Kapitän Zadara!“ Man konnte bei dem Typen nie wissen, wie er reagierte, und da er das Mädchen ein wenig an den Leinwandpiraten Jack Sparrow erinnerte, hielt sie es für besser, auf Nummer sicher zu gehen. Er stieg ungerührt weiter die Treppe hinunter und sie versuchte, sich aus dem Griff des Blauäugigen, der scheinbar auf den Namen Par hörte, zu winden. „Kapitän Zadara! Bitte hört mich an!“ „Liebes Mädchen“, wandte sich der Anführer der Piraten endlich an sie, wenn auch ohne sich umzudrehen, „in wenigen Sekunden bist du sowieso nur noch Fischfutter, ich wüsste nicht, welche Antwort ich dir noch schuldig wäre.“ „Bitte nehmt mich mit nach Itaka!“, rief sie unbeeindruckt von seinen Worten und sich immer noch verzweifelt gegen den eisernen Griff Pars wehrend. Jäger hinter ihr prustete los. „Itaka? Da wärst du selbst als Nachspeise in Fischmägen noch besser aufgehoben. Das ist ein Ort für ganz Knallharte, Kleine.“ „Ein Junge, den ich sehr gerne habe, ist dort in Gefahr! Ich muss ihm helfen, bitte nehmt mich mit euch!“ Zadara drehte sich erneut zu ihnen um. „Mit euch bekomme ich noch einen Drehwurm…“ Unvorbereitet packte er sie am Kinn und betrachtete sie so eindringlich, als hätte er sie noch nie wahrgenommen. „Ein Junge, sagst du?“ „Hmhm“, entgegnete sie eingeschüchtert. Dieser Typ jagte ihr mit seiner bloßen Ausstrahlung eine Heidenangst ein. „Ja, ja, die Liebe …“ Chihiro schluckte. Sie fühlte sich von ihm und seinem seltsamen Blick geröntgt und hätte schwören können, dass er mit einem Blick in ihre dunklen Augen jedes noch so kleine Geheimnis über sie herausgefunden hatte. „Kapitän?“, fragte Par hinter ihr. „Nun, gegen etwas derart Mächtiges wie Liebe sollten wir uns nicht stellen. Lass sie los.“ Überrascht sah sie auf. Dem Piraten, der sie weiterhin festhielt, schien es nicht anders zu gehen. „Aber … Ein Mensch auf unserem Schiff bringt nichts weiter als Unglück!“ Par war neben sie getreten, immer noch eine Hand um ihren Unterarm geschlungen, und funkelte seinen Herrn ungläubig an. „Du wagst es, mir zu widersprechen, mein treuer Freund?“, fragte Zadara im Plauderton. Nicht einmal sein Gesichtsausdruck verriet etwas über seine wahren Gefühle, denn er lächelte. Und hätte Chihiro seine Worte nicht gehört, sie hätte geglaubt, es sei freundlich gemeint. Der Pirat bebte und drückte sie für einen Moment so fest, dass sie einen gequälten Aufschrei nicht unterdrücken konnte. Dann ließ er von ihr ab und ging an seinem Kapitän vorbei, um die anderen Seemänner an die Arbeit zu schreien. „Vielen Dank“, murmelte das Mädchen Zadara zu, während sie sich den pulsierend schmerzenden Arm rieb. „Bedanke dich nicht zu früh, das wird sicherlich keine Kreuzfahrt. Ich gebe nie etwas umsonst, das solltest du dir merken.“ Gerade, als Chihiro etwas erwidern wollte, durchschnitt ein markerschütterndes Brüllen die Luft. Erschrocken fuhr sie herum, während der Kapitän deutlich langsamer den Kopf hob. Ein Drache durchpflügte in rasender Geschwindigkeit die Luft und kam direkt auf sie zu. „Oh nein, bitte nicht“, murmelte sie verzweifelt. Shisaye war gekommen, um sie zu retten. Doch er gefährdete ihre ganze „Mission“. „SHISAYE!!“ Chihiro schlug sich auf den Mund. Anstatt dass ihn ihr Rufen aufhielt, stachelte es den Drachen nur noch mehr an. Er hielt es für einen Hilferuf und blähte die Nüstern. Das Mädchen raufte sich verzweifelt die Haare. Ihr Freund zielte direkt auf Zadara, der einfach stehen blieb und hochstarrte, als würden mitten im Hochsommer Schneeflocken vom Himmel geschneit kommen. Doch gerade als ein mächtiger Feuerschwall aus dem Maul des Drachen geschossen kam und auf den Piratenkapitän zuflog, sprang Par dazwischen und fuchtelte für Chihiros Augen wild mit zwei Fingern herum. Plötzlich flog eine gewaltige Masse an Meerwasser auf ihn zu und bildete vor ihm und seinem Herrn einen breiten Schutzwall aus reinstem Eis. Mit offenem Mund beobachtete das Mädchen die eindrucksvolle Show, die sich ihr bot. Noch ehe das gesamte Eis geschmolzen war, war der Feuerstrahl versiegt. Sie wartete angespannt ab, was nun geschah, und wurde fast von den Beinen gerissen, als Zadara grinsend wie ein Honigkuchenpferd von hinten an Par sprang und sich an ihn klammerte. „Haaaaach, ich liebe es, wenn du versuchst, mich zu retten, mein Schatz!“, quietschte er vergnügt. Pars Blick hingegen sprach Bände. Chihiro war sich sicher, dass er dem anderen Mann eine ordentliche Ohrfeige verpasst hätte, wenn es nicht sein Vorgesetzter gewesen wäre. Shisaye hingegen klammerte sich behindert durch seine Größe umständlich am Reling fest, wodurch der vordere Teil von ihm auf dem Schiff direkt vor den beiden Piraten und sein Ende irgendwo im Wasser war. Tief in ihm stieg zwar immer noch ein bedrohliches Grollen auf, doch er hatte gemerkt, dass es wohl doch keine einfachen Freibeuter waren, mit denen er es zu tun hatte. Gleichzeitig gab er Chihiro dadurch die Chance, mit ihm zu sprechen. „Shisaye, es ist nicht so wie du denkst! Ich bin freiwillig hier.“ Schützend schob sie sich zwischen die beiden Piraten und dem Kopf des Feuerdrachen. Dieser warf ihr einen verblüfften Blick zu und begann sich in Rauch aufzulösen. Als sich die Rauchwolke verflüchtigt hatte, blieb die menschenähnliche Gestalt Shisayes zurück, die sie in etwa so musterte, als wäre sie einer Gehirnwäsche unterzogen worden. „Das sind gefährliche Piraten, Chihiro!“ „Ehm …“ Sie warf einen Blick über ihre Schulter. Zadara hatte zwar aufgehört, mit seiner Umarmung den armen Par fast zu erdrosseln, aber er hatte sich an einen Arm des Piraten geklammert und grinste immer noch bis über beide Ohren, während dieser mit seinem Auge eisige Blitze auf Shisaye abzufeuern schien. Shisaye schüttelte den Kopf. „Schau dir DAS an!“ Er riss sie herum und deutete auf die Stadt. Überall stiegen Rauchsäulen auf, sehr viele Häuser waren nur noch Trümmer. „Aber ...“ „Nichts aber.“ Zadara hatte zu sprechen begonnen und der Feuerdrache war daraufhin kampfbereit herumgefahren. „Wir sind blutrünstige, dreckige Piraten, wir plündern, morden und vernichten alles, was uns in den Weg kommt. Wie unsere unzähligen Konkurrenten eben auch, nicht wahr?“ „Nicht ganz“, erwiderte Shisaye bitter. „Nur deutlich schlimmer, Käpt’n Zadara.“ „Ach ja, das habe ich vergessen. Kannst du mir noch einmal verzeihen, namenloses Feuerwürmchen?“ „Feuerdrache!“, berichtigte Chihiro gereizt. Shisaye schüttelte den Kopf. „Lass dich nicht provozieren. Es war auf jeden Fall nett, euch kennen zu lernen. Leider müssen wir uns wieder zurückziehen. Bis hoffentlich nicht zu bald.“ „Nein!“ Nun war es an Chihiro, zu widersprechen. Ehe der Feuerdrache sie aufhalten konnte, war sie zu den Piraten getreten. Mittlerweile hatte sich eine breite Traube an Schaulustigen um sie herum versammelt. Die anderen Freibeuter gafften nun, da die Gefahr anscheinend gebannt war, neugierig in die Runde. „Ich werde mit ihnen nach Itaka reisen.“ Shisaye senkte den Kopf. „Wenn du das als einzige Möglichkeit erachtest …“ Das Mädchen starrte ihn kurz verdattert an, ehe sie sich wieder fing. Mit so rascher Zustimmung hatte sie nicht gerechnet. „Nun gut, dann … danke für alles.“ Sie strahlte ihn an. „Du kannst wieder nach hause fliegen.“ „Nun ist es an mir, zu widersprechen. Ich werde dich bestimmt nicht alleine bei den Piraten lassen.“ „Du … willst mich begleiten? Aber wie willst du wieder zurückkommen?“, fragte sie erstaunt. „Lass das meine Sorge sein.“ Er lächelte, ein ungewöhnliches Bild. „Wenn ich nun nach hause zurückkehren würde, würde Amaya mir einen ordentlichen Tritt in den Hintern verpassen, weil ich dich so einfach diesen Halunken überlassen hätte.“ Kapitel 6: ----------- Kapitel 6 – Das Schiff der Küstenwache Kurze Zeit später stachen sie in See. Chihiro begeisterte sich für alles, was auch nur den Anschein machte, sich zu bewegen. Nachdem sie ihre anfängliche Scheu überwunden hatte, lief sie aufgeregt wie ein kleines Kind zwischen den arbeitenden Seeleuten umher und bestaunte dies und jenes, denn alles war ihr fremd auf dem Piratenschiff. Es war ohne die Technologie aus ihrer Welt soviel anders und dennoch schien das System keinen Deut schlechter zu funktionieren. Makio war, wie sich herausstellte, weniger ein seltsam gefärbter Säbelzahntiger mit eigenartigen Proportionen, sondern eine Art Tigerfisch. Sie pflügte durch das Wasser wie ein Leopard übers Land und wurde des Öfteren, was Chihiro am meisten erstaunte, vor das Schiff gekettet, wenn der Seegang schlecht war. Mit der Unterstützung einiger niederer Matrosen, die am Ruder saßen, zog sie das Schiff mit Leibeskräften durch das tiefblaue Meerwasser und hatte dabei offensichtlich eine Heidenfreude. Der Kapitän der Reliaca, wie das Schiff genannt wurde, stellte sich auch weiterhin als total verrückter und unberechenbarer Typ heraus. Zunächst verstand Chihiro nicht, warum er von seiner Mannschaft mit Ausnahme von Par so gefürchtet wurde, bis sich ein Vorfall ereignete, der sich für immer in ihr Gedächtnis festbrennen sollte. Sie segelten schon einige Tage bei günstigem Wind und nichts weiter als tiefblaues Wasser bis zum Horizont um sie herum, als die trügerische Stille von dem Mann auf dem Aussichtsposten unterbrochen wurde. „Flaggschiff steuerbord“, schallte es so unerwartet von oben herab, dass das Mädchen, das gerade die nackten Beine über die Reling baumeln ließ, erschrocken zusammenfuhr. Soweit sie mittlerweile das komplizierte Schiffsvokabular beherrschte, befand sie sich backbord, weshalb sie sich umwandte und in die andere Richtung blickte. „Beim Muraemann, die sollen sich ihre Prisengelder gefälligst woanders verdienen!“, schimpfte Jäger, der neben Chihiro getreten war. „Was ist denn los?“, fragte sie ihn verwirrt und kniff die Augen zusammen, um das Schiff, das als vages Schemen am Horizont zu erkennen war, besser sehen zu können. „Was ist das für ein Schiff?“ „Vermutlich ein Flaggschiff von König Reiales. Der alte Arschplatthocker hat es nicht so gerne, wenn Piraten vor seinen Küsten herumsegeln.“ „Oder gar eine seiner wichtigsten Hafenstädte dem vulkanig roten Erdboden gleichmachen, nicht wahr?“, fügte Zadara fröhlich hinzu, der sich ebenfalls zu ihnen gesellt hatte. „Aber keine Sorge, meine Liebe, sie werden es nicht wagen, mich anzugreifen. Immerhin bin ich der wohl mächtigste Pirat der Weltmeere.“ „Das seid Ihr, Käpt’n“, bestätigte Jäger wenig überzeugt. „Aber das Prisengeld, das sie für uns bekommen würden, ist nicht zu unterschätzen …“ „Ach, schnickschnack.“ Der Piratenkapitän wedelte mit einer Hand herum. „Du solltest ein wenig mehr Vertrauen in deinen Kapitän haben, Pirat.“ „Na-natürlich, Sire“, entgegnete Jäger so hastig, dass er sich verhaspelte. Mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht trat Zadara davon und Chihiro nutzte die Gelegenheit, um den Piraten eine Frage zu stellen, die ihr schon lange auf der Zunge brannte. „Warum habt ihr eigentlich so große Angst vor Zadara? Ich meine, gut, er ist schon ein wenig seltsam. Aber irgendwie doch auch freundlich, oder?“ „Sei froh, dass du ihn noch nie anders erleben musstest, Kleine.“ Mit diesen Worten wandte sich auch Jäger ab, um seine Arbeit wieder aufzunehmen. Unbefriedigt über die unklare Antwort sprang Chihiro auf und überquerte das Deck, um zu Shisaye zu gelangen, der auf der anderen Seite stand und auf das näherkommende Schiff starrte. „Der Kapitän meint, dass wir nichts zu befürchten hätten“, erklärte sie dem Drachen nach einer Weile des Schweigens. „Ich würde den Worten dieses Mannes nicht einmal trauen, wenn mein Leben davon abhinge.“ Shisaye drehte sich nicht zu ihr um, während er sprach. Er war schon während der ganzen Fahrt noch ungesprächiger geworden als davor, das viele Wasser um ihn herum behagte ihm gar nicht. „So schlimm ist er doch gar nicht“, versuchte das Mädchen auch hier, Zadara in Schutz zu nehmen. Auch wenn er ein Pirat war, konnte sie einfach nichts Schlechtes an ihm finden. Außer vielleicht, dass er als Kind mal ordentlich auf den Kopf geflogen sein musste. „Es geht mir weniger darum, dass er schlimm wäre. Ich denke nur, dass dieser Typ keine Ahnung von dem hat, was er den ganzen Tag von sich gibt.“ Chihiro wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, deshalb schwieg sie. Das Schiff kam unterdessen immer näher auf sie zu. Es schien geradezu, als würde es direkt auf sie zuhalten, und je mehr Zeit verstrich, desto sicherer wurde das Mädchen, das das auch der Fall war. „Unter Deck mit euch schäbigen Ratten! Ladet die Kanonen und macht euch feuerbereit!“, schallte es laut, aber in Plauderton übers Deck. Chihiro warf einen ungläubigen Blick auf Zadara, der zwischen den herumhastenden Piraten spazierte und alle umherscheuchte. „Wir greifen sie an?!“ „Das werde ich zu verhindern wissen“, erwiderte Shisaye ausdruckslos. „Aber … das könnte alles gefährden!“ „Willst du wegsehen? Willst du zulassen, dass dieser Irre noch weitere unschuldige Wesen grundlos abschlachtet?“ Der Kapitän trat fast lautlos neben sie – besser gesagt den Drachen –, lächelte ihn kurz an und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Keine Sorge, mein Lieber“, hauchte er Shisaye ins Ohr. Dieser erstarrte mit einem dermaßen behämmerten Gesichtsausdruck, der Chihiro trotz der eigentlich ernsten Lage zum Lachen brachte. Zadara quittierte ihren Ausrutscher, indem er sie über beide Ohren anstrahlte. „Ich werde sie nicht angreifen. Zumindest nicht, wenn sie uns in Ruhe lassen“, fuhr er fröhlich fort. Plötzlich ertönte ein lautes Krachen, als das andere Schiff sie eingeholt hatte und sie sich Breitseite an Breitseite gegenüber standen. „Sie haben uns beschossen!“, rief einer der Piraten aufgeregt. „Sehr schön. Erwidert das Feuer.“ Der Kapitän ging an die Reling und sah zu den anderen hinüber. „Die Küstenwache. Unsere alten Freunde. Ich wusste doch, das da noch etwas fehlte“, erklärte er der fassungslosen Chihiro immer noch gut gelaunt. „Was passiert, wenn sie uns erwischen?“, fragte sie ihn besorgt. „Das wird nicht geschehen, liebes Mädchen.“ Sie warf ihm einen zweifelnden Blick zu, sagte aber nichts darauf. Kapitel 7: ----------- Kapitel 7 - Itaka Der Überfall dieses ‚Marineschiffes’ oder was auch immer das war, war mit das Schlimmste, was Chihiro jemals in ihrem ganzen Leben erlebt hatte. Nach den ersten Aufwärmschüssen oder wie auch immer sie das bezeichnen sollte flogen die Kanonenkugeln und Holzsplitter nur so durch die Luft. Sie wusste nicht, wohin sie gehen sollte, überall rannten Leute umher oder wurde geschossen. Irgendwann klammerte sie sich einfach an Shisaye, der teilnahmslos an einem Mast lehnte, und blickte dem Gemetzel gespannt zu. „BEREIT MACHEN ZUM ENTERN!!“, rief Jäger neben ihnen so überraschend, dass sie zusammenzuckte. Gleichzeitig griff er nach einem Enterhaken und warf ihn mit so einer Wucht auf das andere Schiff hinüber, dass der getroffene ‚feindliche’ Seemann halb damit durchbohrt wurde, ehe er Blut spuckend zu Boden ging. Während sich Chihiro noch von dem Schock des Anblickes erholte, angelte sich Jäger eines der umherschwingenden Seile, die jemand vom Mast herab fallen gelassen hatte, nahm Anlauf und schwang sich mit einem lauten Schrei aufs andere Deck hinüber. Die menschenartigen Wesen auf der anderen Seite erwarteten ihn bereits, doch nachdem er sich seinen Speer geschnappt hatte, sah es schlecht für sie aus. Das Mädchen wollte gar nicht so genau hinsehen, was er mit ihnen anstellte. Plötzlich packte sie jemand an der Taille und nahm sie mit erschreckender Leichtigkeit unter den Arm. „Eine Piratenprinzessin gibt es hier also auch noch?“ Der Teil an Kleidung, den Chihiro erkennen konnte, ließ darauf schließen, dass es sich um einen der Marinesoldaten handelte. Sie kannte die Szenerie nur zu gut, was ihre Wut noch mehr anstachelte. Was bildeten die sich eigentlich ein! Sie war doch keine Trophäe, die man nach Lust und Laune mit sich herumschleppen konnte! Aufgebracht strampelnd versuchte das Mädchen sich zu befreien. „Lasst mich los! Ich habe nichts damit zu tun, also lasst mich in Frieden!“ Shisaye fauchte meinen neuen Kidnapper wütend an und schlug ihn mit einer Wucht an den Mast, die diesen erzittern ließ. Obwohl er seine Hände schon halb zu Drachenklauen verwandelt hatte und den Marinesoldaten mit einer Hand an den Mast nagelte, ließ er Chihiro nicht los. Als sie erkannte, warum dem so war, war es bereits zu spät. Sie schrie noch entsetzt auf, als ein weiterer Marinesoldat von hinten mit einem Säbel angerannt kam, doch Shisaye konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen. Der Krieger rammte ihm die Waffe in die Seite und verfehlte sein Herz auch nur deshalb, weil sich der Drache noch leicht umwenden hatte können. Shisaye keuchte auf und kämpfte einige Augenblicke lang sichtlich gegen die Ohnmacht an, die ihn in ihre zwielichtige Erlösung zu ziehen drohte. Dann knickten seine Knie weg und er fiel geräuschvoll aufs Deck. Mit vor Schrecken geweiteten Augen betrachtete Chihiro das Schauspiel, zum Nichtstun verdammt. Der Mann, der sie gefangen hatte, zögerte aber nicht mehr lange und rannte zu den Reling, um sich zurück auf das königliche Schiff zu schwingen. Auch jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als zuzusehen, wie er immer schneller auf das Deckende zulief, währenddessen nach einem Seil griff und schon sah sie nur noch tiefblaues Meerwasser unter sich. „Schaut mal, was ich aufgegabelt habe!“, rief er seinen Kameraden schon von weitem zu, landete dann mit einer harten Erschütterung auf dem anderen Deck und ließ Chihiro kurzerhand zu Boden fallen. Hier konnte sie ihrem Schicksal ja nicht mehr entrinnen. „Argh, ein Mensch! Was hast du uns da nur angeschleppt?“ Einer der Matrosen, die sich in einem weiten Kreis um Chihiro herum versammelt hatten, betrachtete mich angewidert. Sie trugen alle altmodische Kleidungsstücke wie das Mädchen sie noch aus meinem ersten Besuch in Aburaya kannte. Auf jedem Bruststück befand sich allerdings ein großes, rotes Zeichen, das vermutlich das Wappen des Königreichs war, aus dem Shisaye kam und in dem sie fälschlicherweise gelandet war. „Was zur Hölle ist hier los?“, fragte eine barsche Stimme aufgebracht und links von mir wurden einige Krieger unsanft beiseite geschuppst. „Habe ich euch erlaubt, euren Posten zu verlassen?! Wir befinden uns mitten in einer Seeschlacht und ihr steht herum und gafft …“ Als er Chihiro erblickte, verstummte der etwas ältere, kräftige Mann abrupt. Er kniff die Augen zusammen, kam mit zwei forschen Schritten zu ihr, um sie am Genick zu packen wie einen Hund, und nach oben zu ziehen, bis sie auf seiner Augenhöhe war. „Was haben wir denn hier?“, fragte er lauernd und musterte mich von unten bis oben. „Wer ist für das hier verantwortlich?“, fragte er dann in die Runde. „Ich, Herr Kapitän“, erwiderte mein Kidnapper mit einer unterwürfigen Verbeugung. „Ich habe sie drüben gefunden und dachte, es sei vermutlich so etwas wie die Piratenprinzessin.“ Der Mann, der von dem anderen als Kapitän bezeichnet worden war, lachte so laut auf, dass es Chihiro kräftig durchschüttelte. „Eine Prinzessin? Piraten haben keine Prinzessinnen! Alles, was die dabeihaben, ist …“ Er murmelte etwas in seinen Stoppelbart und betrachtete das Mädchen mit einem Lächeln, das ihr Schauer über den Rücken laufen ließ. Irgendwie … anzüglich. „Ich bin eine Gefangene der Piraten!“, versuchte sie sich mit zitternder Stimme aus dem Schlamassel zu retten. „Sie haben mich aus der Stadt entführt und mit auf ihr Schiff genommen.“ Chihiro versuchte so gut es ging eine Verbeugung anzudeuten. „Vielen Dank, dass Ihr mich …“ Eine schallende Ohrfeige, die bei ihr alles klingeln ließ, unterbrach ihre Ansprache. „Ich habe es nicht gerne, wenn man mich anlügt, kleine Göre! Gefangene werden unter Deck gehalten und nicht einfach auf dem Schiff herumspaziert gelassen. Und ich bezweifle, dass mein Mann schon bis nach unten vorgedrungen ist“, keifte der Kapitän sie an. „Du wirst mitgenommen und dem Hauptmann von Opalra vorgeführt, falls dieser noch am Leben sein sollte. Aber keine Sorge.“ Er lächelte noch einmal böse. „In der Zwischenzeit kannst du es dir in meiner Kajüte bequem machen …“ Wie ein verängstigtes Tier huschten ihre Blicke durch die Reihe der Umstehenden. Die enttäuschten bis gehässigen Gesichtsausdrücke der Matrosen besagten nichts gutes. „Ihr seid nicht besser als die Piraten! Nein, eigentlich noch viel schlimmer!“, fuhr sie den Kapitän an, den das herzlich kalt ließ. „Verzeiht, ich störe ja nur ungern, aber ich fürchte, ich kann es nicht zulassen, dass unserem Gast etwas angetan wird. Mein Kapitän wäre darüber wenig erfreut.“ Der Kommandant des Marineschiffes wirbelte herum und Chihiro erkannte zu ihrer großen Freude Par, der plötzlich mitten unter den nun verängstigt dreinblickenden Kriegern des königlichen Schiffes aufgetaucht war. „Du wagst es, hier einfach so aufzukreuzen und mir auch noch Drohungen zu machen?“, fuhr ihn der Kapitän dieses Schiffes aufgebracht an. „Männer – verhaftet ihn! Er wird nachher von mir eigenhändig exekutiert!“ Fünf oder sechs Krieger stürmten mit gezückten Säbeln auf ihn zu, doch eine Handbewegung des Piraten brachte das Meer so sehr in Wallung, dass das Schiff zu schwanken anfing und seine Gegner zu Boden stürzen ließ. Gleichzeitig schlug eine Welle über Bord und anstatt auf sie alle niederzuprasseln, umgab das Wasser den Eindringling, den Marinekommandanten und Chihiro wie ein Schutzwall, der die anderen ausgrenzte. „Ein Drache des Wassers! Haltet ihn auf! Nehmt Seile und Holzstangen!“, brüllte der Kommandant, der das Mädchen mittlerweile losgelassen hatte, seinen Männern aufgebracht zu. „Dagegen kann er nichts ausrichten!“ Chihiro nutzte die Gunst der Stunde und rannte dem eigentlich unausstehlichen Par direkt in die Arme. „Danke, danke, vielen vielen Dank“, murmelte sie an seine Brust und spürte, wie er zögerlich einen Arm um ihren Rücken legte. „Lass mich los. Ich muss mich konzentrieren“, wies er sie dann sogleich barsch zurück. Plötzlich wurden von allen Seiten Stangen in den Wasserkreis gestochen; über den provisorischen Schutzwall flogen Seile. Sie alle trafen Par, der Chihiro sofort schützend in seine Arme geschlossen hatte, mit voller Wucht. Der Wasserwall brach augenblicklich nieder. Jubelnd stürmten die Männer auf sie zu, doch gleich darauf verschwanden sie aus der stark eingeschränkten Sichtweite des Mädchens. Par lockerte seine Umarmung und sie sah erstaunt auf. Alle waren auf einer eisigen Fläche ausgerutscht, genau dort, wo davor noch das Wasser gewesen war. Kaum dass sie versuchten, sich wieder aufzurappeln, schossen eisige Arme hervor und zogen sie in ihren kalten Griff. Keuchend versuchten die Männer, sich dagegen zu wehren, doch sie konnten nicht entrinnen. „Das … das ist unmöglich“, stotterte der erschrockene Kommandant, der als einziger im Umkreis um sie herum noch stand, und musterte Par mit Abscheu. „Ich bin kein Wasserdrache. Ich bin Pasashi Ryujin Tsukiyomi, der yukarische Aisu no Kami – der Gott des Eises.“ „Unmöglich“, keuchte der Mann entsetzt, als er das hörte. „Seit wann ist ein Gott mit Piratenpack im Bunde?“ „Das geht dich überhaupt nichts an.“ Plötzlich trat Zadara hinter ihrem Rücken hervor, während er sich sein blutverschmiertes Krummschwert an einem Kleidungsfetzen mit dem Wappen ihres Landes abwischte. „Jeder kann Pakte mit Göttern schließen, nicht wahr? Und so wie ich das sehe, habe ich es mehr verdient, von einem Gott geleitet zu werden, als du.“ Chihiro bemerkte mit Zadaras Erscheinen, dass Totenstille über dem Meer eingekehrt war. Die Schlacht war zu ende gegangen, während Par mit ihrer Rettung beschäftigt gewesen war. „Segele mit deinen verbliebenen Männern zurück nach Opalra.“ Der Piratenkapitän gab Par ein Zeichen, die immer noch mit eisigen Fesseln gefangenen Matrosen zu befreien. Dieser kam dem wortlosen Befehl ebenso wortlos nach. „Anstatt hier unsere Zeit zu verschwenden, hättet ihr lieber eure Stadt wieder aufbauen sollen. Zurück aufs Schiff, Männer.“ „Sollen wir ihn nicht erst noch …“ Der Gott des Eises blickte mit ebensolchen Augen auf den Kommandanten des Marineschiffes. „Dieser Mann hat es nicht verdient, am Leben zu bleiben.“ „Nein“, erwiderte Zadara scharf. „Du hast meinen Befehl gehört.“ Par senkte folgsam den Kopf, auch wenn seine Augen seinen Widersacher immer noch durchbohrten wie tausend spitzige Eiszapfen. Sie schwangen sich auf ihr Schiffsdeck zurück und kappten alle Verbindungen zwischen den beiden Seegefährten. „Wenn der Wind gut steht, müssten wir Itaka morgen erreichen“, erklärte Zadara Chihiro dann mit gewohnt guter Laune. „Dort werden sich unsere Wege dann trennen.“ „Was werdet Ihr tun?“, fragte sie den Piraten neugierig. „Zurücksegeln?“ Er lachte auf. „Natürlich nicht, dummes, kleines Mädchen. Wir sind weder ein Kreuzschiff noch eine Fähre.“ „Aber was wird dann aus Shisaye? Er muss doch zurück zu Amaya …“ „Es war seine Entscheidung, mit uns zu kommen. Und es ist ebenfalls seine Angelegenheit, wieder nach Yukari zurückzukehren.“ Erschöpft ließ sie sich auf eine Kiste sinken, die neben dem Eingang zur Kapitänskajüte befand. „Das ist alles nur meine Schuld. Wäre Shisaye mir nicht über den Weg geflogen, wäre er noch daheim bei seiner Geliebten und nicht mit einem One-Way-Ticket auf dem Weg in das gefährlichste Land Aburayas…“ „Won Wei Ticket?“, wiederholte Zadara schnaubend. „Hör auf, mit so seltsamen Begriffen um dich zu werfen! Und was die Wörter betrifft, die ich verstanden habe: Na und? Du hattest keinen Einfluss darauf, was machst du dir Gedanken?“ Er lehnte sich neben Chihiro an die Wand. „Nimm es einfach so, wie es kommt und sei froh drum. Was hätte ein junges Fräulein wie du schon in einem Land wie Itaka getan? Mit einem Drachen kommst du weiter als ohne. Was glaubst du, wie ich es mit Par halte?“ Er lächelte, als seine Gedanken in eine andere Richtung abwanderten. Chihiro betrachtete ihn nachdenklich. „Apropos Par. Es würde mich auch interessieren, wie es dazu kommt, dass du einen Gott … ‚besitzt’“ „Nun, um es einfach auszudrücken: Es war genau wie bei dir. Er ist mir über den Weg geflogen.“ Ein Schatten wanderte über sie hinweg und als sie sich umwandte, bemerkte sie Par, der gerade eben an ihnen vorbei marschiert war. „Glaub ihm kein Wort“, bemerkte er schnaubend, ohne dabei inne zu halten. „Ooooooh Schaaaatziiiii“, quietschte Zadara glücklich auf. „Sag nicht so einen Schwachsinn!“ Mit einem großen Satz war er bei dem Eisgott und wuschelte ihm durchs Haar. „Hehe. Hast du Regel Nummer Dreihundertvierundzwanzigtausendsiebenhunderteinundneunzig Absatz sechzehn vergessen? Alles, was der Käpt’n sagt, stimmt grundsätzlich immer. Alle haben mir zu gehorchen.“ Chihiro hörte Par noch seufzen und etwas erwidern, während sich die beiden entfernten. Ihr Blick wanderte zum Horizont. Morgen schon würde sie mit etwas Glück in Itaka sein … Danach war es nur noch eine vergleichbar kurze Strecke bis zum Badehaus. Und dort würde sich hoffentlich noch Haku befinden … Kapitel 8: ----------- Kapitel 7 – Das Schiff der Küstenwache Kurze Zeit später stachen sie in See. Chihiro begeisterte sich für alles, was auch nur den Anschein machte, sich zu bewegen. Nachdem sie ihre anfängliche Scheu überwunden hatte, lief sie aufgeregt wie ein kleines Kind zwischen den arbeitenden Seeleuten umher und bestaunte dies und jenes, denn alles war ihr fremd auf dem Piratenschiff. Es war ohne die Technologie aus ihrer Welt soviel anders und dennoch schien das System keinen Deut schlechter zu funktionieren. Makio war, wie sich herausstellte, weniger ein seltsam gefärbter Säbelzahntiger mit eigenartigen Proportionen, sondern eine Art Tigerfisch. Sie pflügte durch das Wasser wie ein Leopard übers Land und wurde des Öfteren, was Chihiro am meisten erstaunte, vor das Schiff gekettet, wenn der Seegang schlecht war. Mit der Unterstützung einiger niederer Matrosen, die am Ruder saßen, zog sie das Schiff mit Leibeskräften durch das tiefblaue Meerwasser und hatte dabei offensichtlich eine Heidenfreude. Der Kapitän der Reliaca, wie das Schiff genannt wurde, stellte sich auch weiterhin als total verrückter und unberechenbarer Typ heraus. Zunächst verstand Chihiro nicht, warum er von seiner Mannschaft mit Ausnahme von Par so gefürchtet wurde, bis sich ein Vorfall ereignete, der sich für immer in ihr Gedächtnis festbrennen sollte. Sie segelten schon einige Tage bei günstigem Wind und nichts weiter als tiefblaues Wasser bis zum Horizont um sie herum, als die trügerische Stille von dem Mann auf dem Aussichtsposten unterbrochen wurde. „Flaggschiff steuerbord“, schallte es so unerwartet von oben herab, dass das Mädchen, das gerade die nackten Beine über die Reling baumeln ließ, erschrocken zusammenfuhr. Soweit sie mittlerweile das komplizierte Schiffsvokabular beherrschte, befand sie sich backbord, weshalb sie sich umwandte und in die andere Richtung blickte. „Beim Muraemann, die sollen sich ihre Prisengelder gefälligst woanders verdienen!“, schimpfte Jäger, der neben Chihiro getreten war. „Was ist denn los?“, fragte sie ihn verwirrt und kniff die Augen zusammen, um das Schiff, das als vages Schemen am Horizont zu erkennen war, besser sehen zu können. „Was ist das für ein Schiff?“ „Vermutlich ein Flaggschiff von König Reiales. Der alte Arschplatthocker hat es nicht so gerne, wenn Piraten vor seinen Küsten herumsegeln.“ „Oder gar eine seiner wichtigsten Hafenstädte dem vulkanig roten Erdboden gleichmachen, nicht wahr?“, fügte Zadara fröhlich hinzu, der sich ebenfalls zu ihnen gesellt hatte. „Aber keine Sorge, meine Liebe, sie werden es nicht wagen, mich anzugreifen. Immerhin bin ich der wohl mächtigste Pirat der Weltmeere.“ „Das seid Ihr, Käpt’n“, bestätigte Jäger wenig überzeugt. „Aber das Prisengeld, das sie für uns bekommen würden, ist nicht zu unterschätzen …“ „Ach, schnickschnack.“ Der Piratenkapitän wedelte mit einer Hand herum. „Du solltest ein wenig mehr Vertrauen in deinen Kapitän haben, Pirat.“ „Na-natürlich, Sire“, entgegnete Jäger so hastig, dass er sich verhaspelte. Mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht trat Zadara davon und Chihiro nutzte die Gelegenheit, um den Piraten eine Frage zu stellen, die ihr schon lange auf der Zunge brannte. „Warum habt ihr eigentlich so große Angst vor Zadara? Ich meine, gut, er ist schon ein wenig seltsam. Aber irgendwie doch auch freundlich, oder?“ „Sei froh, dass du ihn noch nie anders erleben musstest, Kleine.“ Mit diesen Worten wandte sich auch Jäger ab, um seine Arbeit wieder aufzunehmen. Unbefriedigt über die unklare Antwort sprang Chihiro auf und überquerte das Deck, um zu Shisaye zu gelangen, der auf der anderen Seite stand und auf das näherkommende Schiff starrte. „Der Kapitän meint, dass wir nichts zu befürchten hätten“, erklärte sie dem Drachen nach einer Weile des Schweigens. „Ich würde den Worten dieses Mannes nicht einmal trauen, wenn mein Leben davon abhinge.“ Shisaye drehte sich nicht zu ihr um, während er sprach. Er war schon während der ganzen Fahrt noch ungesprächiger geworden als davor, das viele Wasser um ihn herum behagte ihm gar nicht. „So schlimm ist er doch gar nicht“, versuchte das Mädchen auch hier, Zadara in Schutz zu nehmen. Auch wenn er ein Pirat war, konnte sie einfach nichts Schlechtes an ihm finden. Außer vielleicht, dass er als Kind mal ordentlich auf den Kopf geflogen sein musste. „Es geht mir weniger darum, dass er schlimm wäre. Ich denke nur, dass dieser Typ keine Ahnung von dem hat, was er den ganzen Tag von sich gibt.“ Chihiro wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte, deshalb schwieg sie. Das Schiff kam unterdessen immer näher auf sie zu. Es schien geradezu, als würde es direkt auf sie zuhalten, und je mehr Zeit verstrich, desto sicherer wurde das Mädchen, das das auch der Fall war. „Unter Deck mit euch schäbigen Ratten! Ladet die Kanonen und macht euch feuerbereit!“, schallte es laut, aber in Plauderton übers Deck. Chihiro warf einen ungläubigen Blick auf Zadara, der zwischen den herumhastenden Piraten spazierte und alle umherscheuchte. „Wir greifen sie an?!“ „Das werde ich zu verhindern wissen“, erwiderte Shisaye ausdruckslos. „Aber … das könnte alles gefährden!“ „Willst du wegsehen? Willst du zulassen, dass dieser Irre noch weitere unschuldige Wesen grundlos abschlachtet?“ Der Kapitän trat fast lautlos neben sie – besser gesagt den Drachen –, lächelte ihn kurz an und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. „Keine Sorge, mein Lieber“, hauchte er Shisaye ins Ohr. Dieser erstarrte mit einem dermaßen behämmerten Gesichtsausdruck, der Chihiro trotz der eigentlich ernsten Lage zum Lachen brachte. Zadara quittierte ihren Ausrutscher, indem er sie über beide Ohren anstrahlte. „Ich werde sie nicht angreifen. Zumindest nicht, wenn sie uns in Ruhe lassen“, fuhr er fröhlich fort. Plötzlich ertönte ein lautes Krachen, als das andere Schiff sie eingeholt hatte und sie sich Breitseite an Breitseite gegenüber standen. „Sie haben uns beschossen!“, rief einer der Piraten aufgeregt. „Sehr schön. Erwidert das Feuer.“ Der Kapitän ging an die Reling und sah zu den anderen hinüber. „Die Küstenwache. Unsere alten Freunde. Ich wusste doch, das da noch etwas fehlte“, erklärte er der fassungslosen Chihiro immer noch gut gelaunt. „Was passiert, wenn sie uns erwischen?“, fragte sie ihn besorgt. „Das wird nicht geschehen, liebes Mädchen.“ Sie warf ihm einen zweifelnden Blick zu, sagte aber nichts darauf. „Ich werde euch nicht gegen das Gesetz meines Landes unterstützen“, bemerkte Shisaye von hinten. „Das hatte ich nicht erwartet. Steht meinen Männern nicht im Weg herum und genießt die Show.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)