Venia Legendi Eudaimonía von KaethchenvHeilbronn (Die Erlaubnis zu lehren wie man glücklich ist) ================================================================================ Kapitel 115: ------------- Der Wannsee ist wunderschön. – Der kleine Wannsee. Hier sind nicht so viele Touristen, wie am großen, hier kann man noch die Natur beobachten, das Wasser, wie es sanfte Wellen schlägt, wenn ein Ruderboot hinter den Bäumen ablegt, und dir seine eigene, traurige Geschichte erzählt. Henriette, die er in der Bahn getroffen hat, hat auch eine traurige Geschichte zu erzählen gehabt. Sie hat Krebs. Unheilbar. Jede Woche kommt sie mindestens dreimal hier an den kleinen Wannsee, um mit sich alleine zu sein. „Für dich alleine zu sein.“, hat er sie verbessert. „Nein, mit mir alleine.“, hat sie mit einem Lächeln entgegnet, das er einfach nur zauberhaft schön fand, da es irgendwie über die Welt hinaus ging. Sie hat einen Mann. Und eine Tochter. Pauline. „Die…die muss ja noch ganz jung sein.“ „Ja, das ist sie.“ Sie will nicht, dass ihre Pauline keine Mama mehr hat. Sie will aber auch nicht diese Schmerzen haben. „Im Bauch. Dann zieht sich alles zusammen, und ich – wie ein Loch, das brennt, das mich kaputtbrennt…“ Heinrich hat sie angesehen und verstanden. „Bei mir ist es das Herz.“, hat er gesagt, „Das Loch, das mich kaputtbrennt.“ „Aber hier doch nicht.“, hat sie geantwortet, mit einem Lachen. Hier am kleinen Wannsee doch nicht. Darum kommt sie ja immer her, weil ihr hier noch nie etwas wehgetan hat. Hier ist alles gut, hier könnte sie für immer bleiben. Hier könnte sie sterben. Heinrich schließt leise die Wohnungstür auf. Er will Alexander eigentlich nicht sehen, aber der liegt auf dem Sofa und schläft. Er würdigt ihn nur eines flüchtigen Blicks, dann schleicht er leise hinauf in sein Zimmer, wo er die Tür schließt und sich an den Arbeitstisch setzt. Er zögert, als er ein Papier herausnimmt und nach einem Stift greift. „Versprochen?“ „Versprochen.“ Er fängt an, zu schreiben. Als er wieder unten im Wohnzimmer ankommt, liegt Alexander immer noch auf dem Sofa. Leise kniet sich Heinrich vor ihn auf den Boden. Wieso sieht er nur so friedlich aus? Wieso hat er gestern nicht so ruhig reagiert? So ein Alexander, wie er hier liegt, hätte ihn doch niemals anschreien können, ihn niemals so bloßstellen, ihm niemals so wehtun…! Hastig wischt er sich über die Augen, legt den zusammengefalteten Brief auf dem Boden ab, bevor er sich wieder erhebt. Er kann jetzt nicht mehr zurück. Alexander hört nicht, wie Heinrich ihn noch ein letztes Mal ansieht, bevor er die Wohnung verlässt. Er hätte ihn doch glücklich machen sollen… Es ist schon spät, als Alexander aufwacht. Er fühlt sich immer noch so schrecklich, jetzt tut ihm auch noch der Rücken weh. Seufzend fährt er sich übers Gesicht. Er ist wirklich ein Arsch. Er hat Heinrich zum Weinen gebracht! Wieso macht ihn das auch nur so fertig?! Kann ihm doch scheißegal sein, was Heinrich mit diesem – Es ist ihm aber nicht egal! Heinrich ist ihm nicht egal! Das erste Mal in seinem Leben fühlt er diesen verdammten Schmerz, den er am liebsten ignorieren will, aber es geht nicht! Jedes Mal, wenn er an ihn denkt, wie er mit diesem Tim…! Alexander rauft sich verzweifelt die Haare. Erschöpft stützt er seinen Kopf in die Hände. Es ist ziemlich dunkel in der Wohnung, die Sonne geht unter. Zu seinen Füßen leuchtet etwas Weißes. Ihm bleibt das Herz fast stehen. Lieber Alexander, ich möchte mich noch einmal bei dir entschuldigen, obwohl ich es schon getan habe. Es war blöd von mir und leichtsinnig und unrecht, aber bist du nicht der mein Erastes, der so viel klüger und weiser ist, als ich? Hättest du mich nicht zurechtweisen – abgeklärt und von mir aus auch wütend zurechtweißen müssen, aber mir dann wieder Vertrauen schenken und nicht mit so einem kindischen Getue mich (und Tim) demütigen dürfen? Du hast mir wehgetan damit, und da ich will, dass dieser Schmerz aufhört, werde ich gehen. Ich habe eine Frau getroffen, die mir den kleinen Wannsee gezeigt hat; sie hat Krebs und sie möchte sterben. Ich habe es dir ja gesagt, als ich fortgerannt bin: Du wolltest mich glücklich machen, jetzt hast du mich aber so schrecklich unglücklich gemacht, dass ich mein Herz nicht mehr spüre, und ohne Herz will auch ich nicht mehr leben. Adieu, Dein Heinrich Alexander zieht nicht einmal eine Jacke über, als er aus der Wohnung stürzt. Auf halben Weg nach unten fällt ihm ein, dass er seinen Autoschlüssel nicht dabei hat. Auf halbem Weg nach oben fällt ihm auf, dass er auch den Wohnungsschlüssel drinnen liegen lassen hat. Verdammtverdammtver…! Verzweifelt rennt er zur S-Bahn-Haltestelle, kann sich nicht setzen, wird für verrückt gehalten, hämmert gegen die Scheibe, das Scheißding soll endlich weiterfahren. Er kommt zu spät. Er kommt zu spät. Er ist schuld. Es ist seine Schuld, dass der wunderbarste Mensch auf dieser Erde sich umbringt! „Heinrich!“ Er stößt die anderen Fahrgäste fast zu Boden, als er aus der Bahn springt, wird beinahe angefahren, als er über die Straße rennt. Das wird er sich nie verzeihen, das wird er sich niemals verzeihen, das wird er nicht über– Ein Schuss ertönt und seine Knie geben nach. „Heinrich!“, schreit er und läuft weiter und weiter, und endlich kommt er ans Ufer, wo – „B-bleib stehen!“ Heinrich lebt. Er lädt die Pistole nach und richtet sie auf ihn. Alexander sackt zu Boden. „Heinrich, bitte, hör mir zu!“ „H-Heinrich, wer ist das?“ „Nein! Verschwinde!“ „Tu’s nicht, Heinrich! Ich flehe dich an! Ich liebe dich, ich kann nicht ohne dich leben, tu’s nicht!“ Der Junge wischt sich mit dem linken Ärmel über die Augen. „Das hättest du dir früher überlegen sollen.“, sagt er, zieht die Nase hoch. Mit zittrigen Fingern setzt er sich die Pistole an den Kopf. „Heinrich, du wolltest mich zuerst…!“ „Heinrich, ich…! Ich weiß, dass ich alles falsch gemacht hab, ich weiß, dass das kindisch von mir war, dass es unfair war, aber noch nie in meinem Leben hab ich mich so schlecht gefühlt, so verletzt…! Ich war noch nie eifersüchtig auf irgendwen oder irgendwas, ich wusste nicht, dass das so wehtun – was das mit einem machen kann!“ „D-du gibst also zu, dass du eifersüchtig auf Tim warst?“, kommt es vom Jungen und sein Griff um die Pistole lockert sich. „Ich bin es, Heinrich!“, antwortet Alexander verzweifelt. „Das ist ja in Ordnung. Du würdest mich nicht lieben, wenn es nicht so wäre, aber…wenn ich dir jetzt sag, dass ich so was nie mehr machen werd, weil es sich…beschissen anfühlt, dir so wehzutun, dann musst du mir auch vertrauen! Du kannst nicht auf jeden anderen Mann eifersüchtig sein, mit dem ich zu tun hab. Und du solltest dich bei Tim auf jeden Fall entschuldigen.“ Alexander lässt sich nach vorne auf die Hände fallen. „Ich mach alles, was du willst, wenn du nur diese schreckliche Waffe weglegst und zu mir herkommst.“, fleht er ihn an. Zögerlich lässt Heinrich die Pistole sinken. Die junge Frau neben ihm sieht ihn geschockt an. „Heinrich, was…?!?“ Der Junge beginnt zu schluchzen, als er sich hastig aufrappelt und zu seinem Alexander hinüberstürzt, dem er sich in die Arme wirft. Alexanders Atem geht erschreckend unregelmäßig, als er seinen Freund so fest an sich drückt, dass er ihn beinahe zerquetscht. Heinrich hat ihn noch nie so herzzerreißend weinen hören. „D-du…!“ Erschrocken wendet sich der Junge zu Henriette herum, die schluchzend am Ufer sitzt, eine der zwei Pistolen in den Händen, die er aus dem Haus seines Vaters geholt hat. „Du hast doch jemanden, der dich liebt!“, ruft sie, „Wieso wolltest du dich umbringen?!?“ Heinrich will aufstehen, doch Alexander lässt ihn nicht los. Er sieht den Älteren eindringlich an und fährt ihm über die tränennasse Wange, bevor dieser ihn doch, wenn auch widerwillig, zu ihr hinübergehen lässt. Vorsichtig hebt er die Pistole auf, die er eben fortgeschmissen hat, und sichert sie wieder. Vor Henriette geht er in die Hocke und lächelt sie an. „Du hast doch auch jemanden, der dich liebt. Du hast deinen Mann und deine Tochter.“ „Aber ich muss sterben!“, ruft sie, „Und ich hab Angst davor, dass es wehtut…“ Heinrich fasst nach ihren Händen. „Es tut bestimmt nicht so sehr weh, wenn du in den Armen deines Mannes im Krankenhaus stirbst, als wenn ich dir hier eine Kugel ins Herz jage.“ Zögerlich lässt sie die Pistole los, und er kann sie ihr aus den Fingern nehmen. „Komm.“, sagt er und hebt ihr eine Hand hin, die sie entgegennimmt. Alexander ist bei der Polizei, die von durch den Schuss aufgeschreckten Ruderern herbeigerufen wurde, nicht fähig, irgendeine brauchbare Aussage zu machen. Nur seinen Heinrich lässt er nicht mehr los, auch als der sich von Henriette verabschiedet, die von einer Beamtin nachhause gebracht wird. „Wir…willst du mir deine Adresse geben, oder Telefon– “ „Nein.“, unterbricht sie ihn mit einem Kopfschütteln, „Wir sind bestimmt gute Freunde, aber nicht fürs Leben, nur für den Tod.“ Er nickt langsam und spürt, wie Alexanders Hand sich fester in seine Seite krallt. „Es tut mir Leid, dass…dass ich mein Versprechen nicht gehalten hab.“ „Du hättest es nie machen dürfen.“, antwortet sie ihm mit ihrem wundersamen Lächeln, bevor sie geht. „Die Pistolen werden beschlagnahmt.“, verkündet einer der Polizeibeamten. „Klar, die haben meinem Vater gehört, ich hab keinen Waffenschein.“, gibt Heinrich verständnisvoll zurück. Er hätte sie eh nicht behalten wollen. „Sie können dann gehen.“ Er muss Alexander mit sich aus dem Gebäude ziehen. An der S-Bahn-Station lässt sich Alexander erschöpft auf die Bank fallen und fährt sich übers Gesicht. Heinrich bleibt vor ihm stehen und sieht schuldig auf ihn herab. „In Amerika hast du mir erzählt, du weißt nicht, wie man mit ner Pistole umgeht.“ „Ich weiß nur, wie man sie entsichert und lädt. Schießen wollte ich erst noch üben.“ Alexander schüttelt den Kopf und ihm kommen wieder die Tränen. „I-ich…! Das wollte ich nicht!“, ruft Heinrich, der sich ihm um den Hals wirft, „Ich hab gedacht, ich bin dir egal geworden, also kann ich auch sterben.“ „Du bist mir niemals egal, Heinrich.“, bringt Alexander heraus und drückt seinen Freund fest an sich, während er sein Gesicht in dessen Jacke vergräbt. Zuhause lassen sie sich beide ins Bett fallen, nehmen sich in den Arm und kuscheln sich unter die Decke. „Ich…ich will, dass du nie, nie wieder auf so eine Idee kommst.“ „Wenn du mich nie, nie wieder so behandelst.“ „Nie wieder.“ „Und ich werd nie wieder einen anderen küssen.“ Alexander seufzt. „Lass das, das…das hört sich so banal an, wenn man es mit dem vergleicht, zu dem es geführt hat.“ „Aber es war auch falsch!“, besteht Heinrich auf seinen Fehler, „Ich wollte einfach nur…Ich fand es unfair, dass du so viele Erfahrungen in deinem Leben sammeln durftest und ich nicht. Aber…ich hab jetzt eine Erfahrung gemacht, die alles andere erübrigt.“ Alexander sieht ihn fragend an. Heinrich fasst nach seinen Wangen und sieht ihm liebevoll in die Augen. „Kein anderer außer dir bringt mich…macht mich an.“ Auf Alexanders Lippen legt sich ein trauriges Lächeln. „Das wäre zu schön. Das mit Tim hat bestimmt nur nicht geklappt, weil er einfach nicht dein Typ war. Wenn dich jetzt ein älterer küssen und in die Arme nehmen würde, ein wenig muskulöser…“ „Dann fehlt dein Geruch.“, kommt es von Heinrich. Alexander seufzt. „Gut, dann riecht er so wie ich und schon bist du ihm– “ „Deine Stimme.“, unterbricht ihn der Junge, „Nur deine Stimme macht mich so an. Nur deine Stimme betört mich so, beruhigt mich, kann mich glücklich machen.“ Alexander muss lächeln. Dieses Mal liebevoll. „Wenn sie was sagt?“, fragt er, „Ich liebe dich? Ich will dich nicht verlieren? Ein Leben ohne dich kann ich mir nicht nur nicht vorstellen, sondern geht einfach nicht mehr?“ „Ja.“, entgegnet Heinrich mit Tränen in den Augen, „Oder einfach nur „Heinrich.““ „Heinrich.“, haucht Alexander und küsst seinen Freund, küsst ihn so sanft und zärtlich, wie er ihn in Zukunft behandeln möchte, wie er ihm zeigen möchte, wie viel er ihm bedeutet. Heinrich erwidert den Kuss, behält auch noch die Augen geschlossen, als ihre Lippen voneinander ablassen. „Wollen wir uns in Zukunft nicht einfach alles sagen?“, fängt Alexander an, „Egal ob es ist, dass uns der Film nicht gefällt, oder die Krawatte, oder ob ich mehr Zeit mit dir verbringen will, oder du willst, dass ich dich öfters Alkohol trinken lass. – Dann werd ich auch nicht mehr fragen müssen, wo du warst, weil du mir das ja sagen wirst, und ich werd nicht mehr eifersüchtig sein. – Nur noch in gesundem Maße.“ „Das hört sich gut an.“, stimmt Heinrich zu, „Darf ich dann gleich anfangen?“ „Klar.“ Alexander fährt ihm zärtlich durch die Haare. „Ich will jeden Samstagabend mit dir ein Glas Wein trinken dürfen.“ „Okay. Aber nicht mehr rauchen.“ „Nein.“ „Gut.“ „Und ich will, dass wir an der Uni offiziell ein Paar sind.“ „Wollen wir nicht noch deine Klausur in Philosophie bei mir abwarten?“ „Wenn es danach rauskommt, macht es auch keinen Unterschied.“ „Hast Recht.“ Heinrich schiebt ein Bein zwischen Alexanders und schmiegt sich an seine Brust. „Ich hab Angst vor dem Tod gehabt, da ich mir noch nicht mal den Tod ohne dich vorstellen kann.“ Der Ältere schließt ihn fest in die Arme. „Gibst du mir noch eine Chance?“ „Hm?“ „Dich glücklich zu machen?“ „Ja, mein Erastes.“ „Danke.“ „Ich liebe dich.“ „Ich dich auch, mein ein und alles.“ --------------------------------- OMG… *plärr* Ich hab es mir ja geschworen, als ich mit VLE angefangen hab: Nein, dieser Heinrich wird glücklich, in dieser Story wird niemals das Wort Wannsee oder der Name Henriette vorkommen… Anscheinend gibt es keinen Heinrich ohne Wannsee und Henriette^^‘ Er ist ganz von selbst in die S-Bahn gestiegen und hat sie dort getroffen… Der echte Kleist hat sich heute vor 200 Jahren erschossen. Mittags, glaub ich, oder so um Vier, nachdem er mit Henriette am See einen Kaffee getrunken hat. Oder war’s Tee? *schnief* Ich lass es lieber^^ Kleists echter Abschiedsbrief (an seine Schwester Ulrike) ist übrigens sehr viel trauriger als Heinrichs :´( Ich empfehle ihn nicht weiter. Soooo, ich brauch jetzt einige Kapitel mit gaaaanz viel Fluff. Ihr auch? :3 Mal sehen, ob ich das einhalten kann…^^ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)