Venia Legendi Eudaimonía von KaethchenvHeilbronn (Die Erlaubnis zu lehren wie man glücklich ist) ================================================================================ Kapitel 40: ------------ Es ist Mittag, die Sonne steht hoch am Himmel und es ist keine Wolke zu sehen. Trotzdem ist der Boden überall noch feucht. Heinrich fühlt sich immer wieder an das Klima in einem Gewächshaus erinnert. Er sitzt auf der Wiese und entfernt sorgfältig die Stängel von den Beeren, bevor er sie in die Schüssel wirft, in die er zuvor schon einige Bananen geschnitten hat. Erneut muss er sich den Schweiß von der Stirn wischen. Alexander hat ihm zwar geraten, nicht so dicke Kleidung mitzunehmen, aber auch in T-Shirt und kurzer Hose ist es dem Jungen warm. Heinrich unterbricht seine Arbeit, als er Alexander entdeckt, der aus dem dichten Regenwald zu ihm auf die Wiese kommt. Als er realisiert, dass er ihn zu lange anstarrt, wendet er schnell seine Augen ab. „Hey.“, begrüßt er ihn leise ohne aufzuschauen, als sein Freund neben ihm stehen bleibt. Alexander fährt sich mit seiner rechten Hand in den Nacken. „Soll ich…soll ich mir was überziehen?“, fragt er etwas verunsichert ob seines nackten Oberkörpers. „Nein! Ich…es ist nicht…nein.“ „Okay. Es ist nämlich wirklich ziemlich heiß.“ Heinrich nickt und plötzlich bemerkt er, dass er sich unbewusst eine nach der anderen Beere in den Mund gestopft hat. Seine Wangen beginnen noch ein wenig mehr zu glühen und er wendet sich hektisch wieder seiner Arbeit zu. Alexander seufzt, als er in die Weite schaut, die ringsherum von hohen Tropenbäumen begrenzt ist. „Ich hab zwei Hasen gefangen.“ Jetzt sieht Heinrich doch auf und erblickt die toten Tiere, die Alexander in der Hand hat. „Oh, hab ich gar nicht…“ „Deshalb sag ich’s ja. Ich hab festgestellt, dass du Recht hast. Das Essen aus den Konservendosen schmeckt schrecklich.“ „Aber mir erst nicht glauben wollen.“ Alexander lacht leise. „Und was ist das? Eine Maus?“, fragt Heinrich, als er das kleinere tote Tier bemerkt, das an einem langen Schwanz baumelt. „Eine Spitzmaus.“ Der Junge verzieht angeekelt das Gesicht. „Die willst du aber nicht essen, oder?!“ „Nein, natürlich nicht. Die brauch ich nachher.“ „Aha.“ Alexander geht nicht weiter drauf ein, wischt sich stattdessen mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. „Tja. Ich geh dann mal zum Lager und schau, ob ich uns daraus was machen kann, okay?“ „Mhm.“, meint Heinrich. „Ich hab uns…ich hab uns auch was zum Essen gemacht.“, berichtet er und steht auf, um Alexander die Schüssel entgegenzuhalten. „Ein Obstsalat.“ Alexander lächelt entzückt. „Süß von dir. Danke.“ Heinrich weicht seinem Blick aus. „Ich hätt ihn schon alleine gegessen, wenn du nicht bald wiedergekommen wärst…!“ „Da hab ich ja noch mal Glück gehabt.“ Das Feuer knistert noch leise, als Alexander seinen Teil der Beute schon verspeist hat. Er sieht zu Heinrich, der ihm gegenüber sitzt und noch dabei ist, das Fleisch abzunagen. Sie sind jetzt schon vier Tage in Venezuela und der Junge ist tatsächlich etwas braun geworden. Erst war er ja eher rot. Kommt davon, wenn er nicht hört und sich nicht eincremt. Dass Alexander auch keine Sonnencreme braucht ist da kein Argument. Aber, ja, er hat ein wenig Farbe abbekommen. Und in seinen kurzen Shorts sieht er einfach nur zum Anknabbern aus. Alexander schüttelt den Kopf. Da war er schon mal, an der Stelle, wo er sich noch einmal in Erinnerung rufen muss, dass er solche Gedanken nicht haben sollte. Wobei er sich die Situation nachts eigentlich schwieriger vorgestellt hat. Wenn er ins Zelt kriecht, liegt Heinrich – jedenfalls war es die letzten Nächte so – schon in seinem Schlafsack auf der einen Seite und schläft. Er selbst verkriecht sich dann in seinem Schlafsack auf der anderen Seite. Und fertig. Entstellende Träume haben ihn bis jetzt ebenfalls verschont. Alles also in bester Ordnung. „Alexander?“ „Hm?“ Heinrich sieht ihn unsicher an. „Hat dir der Obstsalat geschmeckt?“ „Ja, sehr gut.“, antwortet Alexander mit einem Lächeln. „Wie war der Hase?“ „Och…genießbar.“ Alexander verdreht die Augen. Heinrich streckt ihm die Zunge raus. Was Alexander dazu veranlasst schnell aufzustehen. „Ich bring kurz die Maus weg. Bin gleich wieder da.“, meint er und nimmt die tote Maus, die jedoch noch roh ist, vom Stein. Aus der einen Tasche an seinem Gürtel, den er umhat, nimmt er eine Kordel heraus, bevor er sich auf den Weg macht. Heinrich nutzt die Zeit alleine dazu, ihr Lager ein wenig aufzuräumen und das Feuer zu löschen. Als Alexander wiederkommt, liegt er im Schatten eines Baumes und betrachtet ein Bild. Der Professor erkennt den Bilderrahmen als den, den Heinrich mit der ersten Fuhre aus seinem alten Zimmer geholt hat. Das Bild, auf dem er und seine Mutter sind. Ungefragt legt sich Alexander ohne ihn zu berühren zu ihm und schließt die Augen. Er öffnet sie erst, als er hört, wie Heinrich die Nase hochzieht. „Weiß sie, dass sie sich keine Sorgen um mich machen soll?“, spricht er irgendwann leise, und Alexander erkennt in seiner Stimme, dass er weint. „Ja, ich hab ihr vor unserer Abreise Bescheid gesagt.“, antwortet der Ältere. Ein wenig später spürt er, wie Heinrich seine Stirn an seine Schulter legt. „So was hat sie nicht verdient…“, bringt der Kleine unter Tränen hervor. „Sie hat soviel Leid in ihrem Leben nicht verdient.“ Langsam dreht sich Alexander zu seinem Freund um und legt ihm eine Hand an die Wange. Automatisch rutscht Heinrich näher und lässt sich vom Größeren in die Arme nehmen, während er sein Gesicht an seine Brust presst. „Du hast so was nicht verdient, Heinrich.“, flüstert Alexander leise. „Mach dir keine Sorgen um deine Mutter. Michael kümmert sich um sie, und sie weiß ja jetzt, dass es dir wieder besser geht.“ „Ich will, dass sie endlich glücklich wird, Alex. Wenigstens sie soll glücklich werden…!“ „Das wird sie. Weil auch du wieder glücklich werden wirst. Das hab ich dir doch versprochen.“ Alexander merkt, wie Heinrich nickt. „Ja, hast du…“ „Also.“ Noch eine Weile liegen die beiden da auf der Erde, bis Heinrich sich Alexanders Umarmung etwas entzieht, um sich die Tränen aus den Augen zu wischen. Als der Professor das Gesicht seines Freundes so von Nahem betrachtet, muss er schmunzeln. „Was ist?“, fragt Heinrich. Alexander antwortet nicht, sondern fährt ihm über die Wange. Sein Grinsen wird breiter, als er die Bartstoppeln unter seinen Fingern spürt. „Willst du dich nicht rasieren? – Nicht dass du mir so nicht gefallen würdest…“ Heinrich dreht seinen Kopf weg und setzt sich auf. „Ich weiß nicht…Ich hab mich immer nur mit elektrischem Rasierer rasiert…“ Alexander setzt sich ebenfalls. „Den hab ich jetzt leider nicht dabei, tut mir Leid, aber ich hatte keine Lust, hier irgendwo ne Steckdose zu suchen.“ Heinrich verdreht wenig amüsiert die Augen. „Soll ich dir zeigen, wie’s geht?“, fragt er den Kleinen also. Der scheint ein wenig mit sich zu hadern. „Ja.“, gibt er schließlich von sich. „Na, dann komm mit.“ Ganz vorsichtig verteilt Alexander den Rasierschaum in Heinrichs Gesicht, bevor er ihn sanft am Kinn nimmt. „Letztes Mal hatte ich einen Moskitostich auf der Wange, da war das mit dem Rasieren nicht so toll.“, berichtet Alexander und Heinrich muss schmunzeln. „So. Stillhalten.“ Langsam setzt er die Klinge an der rechten Wange an. „Ich muss auf deine tollen Koteletten aufpassen, das würd ich mir nicht verzeihen, würd ich die mit tilgen.“ Heinrich hätte bestimmt geantwortet: „Ich würd’s dir auch nicht verzeihen!“, aber er soll ja stillhalten. Nachdem Alexander seinem Freund den Schaum mit dem Wasser aus einer der Feldflaschen aus dem Gesicht gewaschen hat, fährt er ihm erst einmal genießerisch über beide wieder samtweiche Wangen. „Ey.“, grummelt Heinrich. „Sorry, konnte nicht widerstehen.“, meint Alexander mit einem Grinsen. Am Abend legt sich Alexander gleich zu Heinrich ins Zelt. Er hat sich wieder sein T-Shirt übergezogen, obwohl die Luft noch nicht wirklich abgekühlt ist. „Wir hätten ein Buch mitnehmen sollen.“, meint der Junge, als er sich in seiner Ecke zudeckt. „Ich hatte keine Ahnung, was du gerne liest.“ „Krimis. Ich hab auch selbst schon welche geschrieben.“ Beeindruckt sieht Alexander seinen Freund an. „Echt?“ „Mhm.“ „Muss ich bei Gelegenheit mal lesen.“ „Besser nicht.“ „Ach, doch! Jetzt hast du mich neugierig gemacht.“ Heinrich entgegnet nichts mehr, sondern vergräbt sich etwas tiefer in seinem Schlafsack. Als Alexander sich ebenfalls zugedeckt hat, redet der Kleine weiter: „Wie hast du denn die…Tiere, also, die Hasen…fangen können?“ Alexander deutet auf seinen Gürtel, den er neben sich liegen hat. Es dauert etwas, bis Heinrich die Form der einen Tasche erkennt. „E-eine…Du hast eine Pistole dabei?!“ „Ja, einen alten Revolver, nichts Besonderes.“, meint Alexander. „Die hatte ich schon letztes Mal dabei. Man fühlt sich immer sicherer; hier laufen schließlich auch größere Tiere rum.“ Heinrich nickt mit großen Augen. „Kannst du…kannst du mir das Schießen beibringen?“ Alexander winkt sofort ab. „Lass mal.“ „Aber…! Ich muss uns doch auch verteidigen können – wenn was mit dir ist…!“ Alexander schüttelt den Kopf. „Das wird schon nicht vorkommen.“ Heinrich versteckt sein Gesicht im Kissen, aber Alexander erkennt seinen Schmollmund. „Ich…Du bist sicherer, wenn du nicht weißt, wie– “ „Wie ich mir ne Kugel in den Kopf jag, ja?!“, unterbricht ihn Heinrich beleidigt. Alexander sieht den anderen geschockt an. „Das ist es doch, was du denkst!“ Der Ältere kann darauf nichts mehr erwidern und schließt stattdessen kommentarlos die Augen. Heinrich legt sich auch wieder hin. „Und damit hast du vielleicht sogar Recht.“, nuschelt er ins Kopfkissen. Als von Alexander immer noch nichts kommt, ergänzt er: „Du stinkst übrigens. Ganz schrecklich. Schon seit gestern.“ „Ach, und du meinst, du nicht, hm?“, antwortet ihm der Ältere nun doch endlich. „Nein, mein ich nicht.“ Alexander öffnet seufzend seine Augen. „Stimmt, du stinkst nicht „ganz schrecklich“, du riechst. Gut. So wie Mann eben nach vier Tagen in der Wildnis ohne Dusche riecht.“ Heinrich dreht sich von ihm weg, aber der Größere kann noch sehen, wie sich auf seine Wangen ob dieser Bemerkung ein leichter Rotschimmer legt. Alexander schließt wieder die Augen, und es ist noch eine Weile still im Zelt. Nur die Geräusche des Waldes sind leise von draußen zu hören. „Du stinkst nicht wirklich.“, kommt es irgendwann von Heinrich. „Mir wär lieber, du hättest das mit der Pistole nicht ernst gemeint.“, entgegnet Alexander leise. Heinrich will antworten, aber er beißt sich nur auf die Unterlippe. „Gute Nacht.“ „Nacht.“ -------------- So, das war jetzt aber wirklich lang, oder? ^^ Ich denk, das nächste Kapitel wird auch so umfangreich, da ich den Inhalt nicht trennen will... Könnte also evtl. etwas länger dauern ^^' Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)