Venia Legendi Eudaimonía von KaethchenvHeilbronn (Die Erlaubnis zu lehren wie man glücklich ist) ================================================================================ Kapitel 29: ------------ Heinrich war den ganzen Tag so überdreht und freudig gewesen, dass Alexander den Postboten gerne wieder weggeschickt hätte, der ihnen diesen Brief eingeworfen hat. „Was ist es?“, fragt der Junge und schließt die Wohnungstür hinter ihnen. „Die Vorladung vors Gericht.“, antwortet Alexander. „Oh.“ „Ja, wegen deinem Vater.“ Heinrich senkt seinen Kopf. Sofort zieht ihn Alexander zu sich und nimmt ihn in den Arm. „Denk bitte nicht so viel drüber nach. Wir schaffen das schon, wir beide und deine Mutter. Ich bin bei dir und werde bei dir bleiben, bis dieser Mensch hinter Gittern sitzt.“ „Danke.“, nuschelt Heinrich gegen Alexanders Brust. Das grüne T-Shirt riecht so gut… „Wie hast du denn…wie hast du deine Muskeln denn so hinbekommen?“ Alexander muss schmunzeln. Er ist immer wieder erneut überrascht über die abrupten Themenwechsel des anderen. „Ich hab während der Schul- und Studienzeit geboxt, war bis vor zwei Jahren hin und wieder auf Weltreisen, meistens eben an so Plätzen der Erde, an denen man sich selbst durchschlagen muss…“ „Echt?! So wie Indy Jones also? Das klingt ja interessant!“ „War es auch. Jetzt geh ich jedes Wochenende joggen und oft schwimmen. Der Rest sind wohl die Gene.“ „Dein Bruder sieht aber ganz…“ „Wilhelm kommt nach meinem Vater.“ Heinrich schaut misstrauisch zum anderen auf, immer noch fest in seinen Armen. „Du willst mir nicht erzählen, dass deine Mutter solche Muskeln hatte…?!“ Alexander muss lachen. „Sie war Handballerin in der DDR, immer schon sportlich…“ Heinrich legt seinen Kopf wieder an die Brust seines Freundes. „Ich will Vater vor dem Gerichtstermin noch einmal sehen.“ Dieser Themenwechsel… „Bist du sicher?“, fragt Alexander und küsst die seidigen schwarzen Haare. „Ja. Und ich will, dass du mitkommst. Bitte.“ „Selbstverständlich komm ich mit. Ich hätte dich niemals alleine dort hingehen lassen.“ „Können wir gleich gehen?“ Alexander zögert kurz. „Jetzt gleich?“ „Ja.“ „Naja…gut, okay.“ Alexander ist schon einmal im städtischen Gebäude der JVA gewesen; das war als er den indischen Kollegen, den er von seiner Asienreise mitgebracht hatte, wieder rausholen wollte, aber der Gute hatte Drogen bei sich, da konnte man nichts machen. „Wir wollen zu Herrn Joachim Kleist, ich bin sein Sohn.“, meldet Heinrich sie an, und sie werden eingelassen, müssen ihre Ausweise abgeben. „Du darfst gerne meine Hand halten.“, flüstert Heinrich, als sie dem Wärter durch den Gang folgen. „Dann fühl ich mich sicherer.“ Alexander nickt und schiebt ihre Finger ineinander. Sie werden in einen Raum gebracht, in dem die berüchtigte Trennwand steht, hinter der die Gefangenen Platz nehmen. „Setzen Sie sich hier an eine freie Kabine, ich hole Ihren Vater.“ „Danke.“ Alexander zieht sich einen Stuhl heran, um neben Heinrich Platz zu nehmen. Der Junge sieht lächelnd zu ihm auf. „Du darfst ruhig näher rücken und wieder meine Hand nehmen.“ „Mhm.“, meint Alexander, und er hat gerade seine Hand über Heinrichs in dessen Schoß abgelegt, da erscheint der Wärter hinter der Scheibe mit dem einzigen Mann auf dieser Welt, den er so gerne auf qualvollste Weise umbringen würde. Der einst so würdevolle Leutnant sieht ganz schön mitgenommen von den drei Tagen im Gefängnis aus. Seine Gesichtszüge sind unheimlich verbittert. „Was lässt du dich hier noch blicken?!“, raunzt er seinen Sohn durch die Scheibe hindurch an. „Weißt du nicht, was für eine Schande du für die ganze Familie bist?!?“ Heinrich weicht dem Blick seines Vaters aus, der am linken Handgelenk mit einem paar Handschellen am Stuhl festgekettet ist. „Wer sitzt hier hinter Gittern, weil er seinen eigenen Sohn beinahe zu Tode schlägt?!“, erinnert Alexander sein Gegenüber mit soviel Abscheu in der Stimme, die er aufbringen kann. Kleists Augen fixieren nun ihn, als wenn er ihn bis eben versucht hat zu ignorieren, sein Blick huscht über die ineinandergelegten Hände. „Du Schwein! Nimm deine Drecksfinger von meinem Sohn…!“ Alexander merkt, wie Heinrich sich in seinem Stuhl aufrichtet, damit er etwas größer ist. „Oh, Vater“, fängt er an, und zwingt seine Stimme, nicht wie sonst immer vor diesem Mann zu zittern. „Du willst ja gar nicht wissen, wo Alexander seine „Drecksfinger“ schon alles hatte. Und falls es dich interessiert: Ich hab es getan. Wie du es mir vorgeworfen hast, bin vor ihm auf die Knie gegangen und hab „seinen Schwanz gelutscht“.“ Heinrichs Vater ist sprachlos. Einmal in seinem Leben ist er sprachlos. Sein Gesicht läuft ungesund rot an, er kocht vor Wut, aber Heinrich kann den Schmerz in seinen Augen sehen. Und einen Moment will es ihm Leid tun, was er gesagt hat, aber dann erkennt er, dass es der Schmerz ist, den er all die Jahre gefühlt hat, und er stellt mit Genugtuung fest, dass dieser Mann, der ihn einmal gezeugt hat, nichts anderes verdient hat, als diesen Schmerz nun selbst zu fühlen. „Und es hat mir gefallen. So verdammt gut gefallen…“ „Halt die Klappe! Sofort! Sag so was nie wieder! Du bist…! Du verdammtes…!“ Er schreit so fürchterlich um sich, dass sofort der Wärter kommt und ihn zurück in seine Zelle schleift. Heinrich grinst, als er Alexanders leicht entsetzten Blick bemerkt. „Schade“, meint der Kleine. „Ich hätte dich gerne noch dazu aufgefordert, mich vor ihm zu küssen.“ „Damit hättest du es übertrieben.“, ist Alexander der Meinung und erhebt sich, den Jungen immer noch an der Hand. „Gehen wir nachhause. Ich muss meinen Anwalt noch anrufen und einen Termin ausmachen. Wir sollten uns vor dem Gerichtstermin mal mit deiner Mutter zusammensetzen.“ „Ja, Michael, ich bin’s, Alexander.“ Er klemmt sich das Telefon zwischen Ohr und Schulter, um die Salbe aus der Apotheke öffnen zu können. „Nein, leider nicht. Es ist beruflich, also, für dich. – Genau, der Fall Kleist. – Ja, die Vorladung haben wir auch bekommen. – Heinrich und ich. Der Sohn, der wohnt jetzt bei mir.“ Alexander muss lachen. „Ja, richtig geraten. Das war auch der Grund, wieso sein Vater ihn immer geschlagen hat. – Mhm, daran hab ich auch schon gedacht. – Nein, die Nummer weiß ich nicht, Moment.“ Alexander läuft mit der endlich geöffneten Salbe ins Bad, doch der Junge ist verschwunden. „Heinrich?!“ „Ja?!“, kommt die Antwort aus dem Schlafzimmer. „Hast du die Nummer von deiner Tante?!“ „Nein, muss ich nachher auf meinem Laptop nachschauen!“ Alexander wendet sich wieder seinem Telefonat zu und holt noch Heinrichs Tabletten, bevor er sich auf den Weg ins Schlafzimmer macht. „Nein, die Nummer hat er auch nicht, er muss nachschauen. Ich mail sie dir später, ja? – Gut.“ Heinrich sitzt auf dem Bett, als Alexander das Schlafzimmer betritt, und er nimmt neben ihm Platz. „Ja, natürlich hab ich das nicht vergessen. Aber man hat so wenig Zeit. – Ja, genau. Hast du noch immer keine Neue? – Seit der Scheidung? Das sind doch jetzt…drei Jahre fast?!“ Heinrich nimmt Alexander die Salbe ab und legt sie auf den Nachttisch. Dann zieht er sein Shirt aus. „Ja, das könnte…wirklich…nicht zu…nicht – sorry, Michi, was wollt ich grad sagen?!“ Alexander muss lachen. „Nein, nein, mein Freund zieht sich nur grade aus, weißt du? – Ja, im Bett. – Ein wenig, ja, ich schreib dir später noch, bis dann. – Ja, Tschau.“ „Endlich.“, grinst Heinrich, der sich in Unterhose auf die Matratze legt. Er dreht Alexander den Rücken zu und lässt seinen Kopf auf seinen Unterarmen nieder. „Hoffentlich ist die Salbe nicht so kalt. Du musst schön reiben, ja?, damit’s warm wird.“ „Gerne doch.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)