Venia Legendi Eudaimonía von KaethchenvHeilbronn (Die Erlaubnis zu lehren wie man glücklich ist) ================================================================================ Kapitel 17: ------------ Alexander stellt fest, dass seine Anklägerin mit J – den Namen hat er schon wieder vergessen – heute gar nicht anwesend ist. Da hat sie wohl damit gerechnet, dass er gleich vom Dienst suspendiert würde… „So, habt ihr alle schön das Symposion gelesen? Ich hoffe es mal, sonst wird es etwas schwierig heute mitzukommen. Also, fangen wir an, uns die Funktion von Einleitung und Schluss anzuschauen…“ Während Alexander vor seinen Studenten steht, fragt er sich, wie lange es wohl dauern wird, bis die Neuigkeit über seine sexuelle Neigung bei ihnen angekommen ist. Wie sie wohl reagieren werden? Und wie Heinrich wohl reagieren wird? Aber er bereut es nicht, es endlich jemandem gegenüber klargestellt zu haben. Er bereut es nicht im Geringsten. Genau so, will er, soll Heinrich denken. „Deshalb wird diese Liebe auch als Platonische Liebe bezeichnet. Philosophisch gesehen ein Weg, die Eudaimonía zu erlangen. Da es gleich klingelt, noch schnell einen Ausblick auf die weiteren Stunden: Nachdem wir uns jetzt also mit den römischen und griechischen Philosophen befasst haben, wenden wir uns der Philosophie des Mittelalters zu. Da hoffe ich, dass ihr alle schön bibelfest seid.“, meint Alexander mit einem Zwinkern, was einige Studenten aufstöhnen lässt. „Tja, es wird nicht ohne gehen. Dafür verspreche ich euch, dass wir es hier wenig mit peinlichen, lasterhaften Themen wie der Sexualität zu tun haben werden. Also, ihr kennt eure Pflichtlektüre. Bis zum nächsten Mal.“ Genießerisch sammelt Alexander seine Unterlagen zusammen, ohne dabei von irgendeiner aufdringlichen Studentin gestört zu werden. Nur Heinrich tritt zu ihm ans Pult heran und zaubert ihm ein Lächeln aufs Gesicht. „Was gibt’s?“ Doch der Junge scheint nicht so begeistert zu sein. „Hier.“ Er hält seinem Professor zögerlich einen Umschlag entgegen. In zackiger Handschrift ist er mit Alexanders Namen versehen. „Von meinem Vater.“ „Was…?“ „Er hat mich erwischt, wie ich das Symposion gelesen hab.“ Alexander sieht den Jungen entsetzt an. „Er hat dich doch nicht wieder geschlagen…?!“ „Nein, nur…nur eine Ohrfeige. Ich hab ihm erklärt, dass Sie uns aufgegeben haben, es zu lesen. Er will jetzt anscheinend wissen, ob ich die Wahrheit gesagt hab.“ Alexander wirft Heinrich noch einen besorgten Blick zu – die linke Wange ist in der Tat etwas rot – bevor er hastig den Brief aufreißt. Schnell überfliegt er die Zeilen. „Was schreibt er?“ Alexander zerknüllt den Brief in seinen Händen und läuft zur Tür, um ihn dort in den Mülleimer zu werfen. „Er bittet mich um ein dringendes Gespräch.“, sagt er mit deutlicher Verachtung in seiner Stimme. Als er sich zu Heinrich umdreht, versucht er zu lächeln. „Kann ich heute Abend vorbeikommen?“ „Sicher.“ „Du kündigst mich an?“ „Werd ich machen, Herr Professor Humboldt.“ „Gut.“ Er überlegt ernsthaft, ob er den Kleinen in den Arm nehmen soll, lässt es dann doch lieber. Auch widersteht er dem Drang, ihm durch die Haare zu fahren. „Pass bis dahin auf dich auf. Wenn er es sich doch noch anders überlegt und dich schlagen will, haust du ab, ja?“ Der Junge nickt zögerlich. Alexander weiß, dass er es nicht tun und dableiben würde. Es ist mittlerweile halb Sechs abends, als Alexander seinen Wagen vor dem gepflegten Reihenhaus parkt. Er schließt den schwarzen Jeep ab und öffnet das Gartentürchen, läuft durch den Vorgarten. Bevor er klingelt, richtet er sich noch einmal die Krawatte. Frau Kleist öffnet, ein freundliches Lächeln auf ihrem Gesicht. „Guten Abend, Herr Humboldt.“ Alexander ist erstaunt, dass sie sich seinen Namen behalten hat. „Guten Abend, Frau Kleist.“ „Kommen Sie rein.“ Sie schließt hinter ihm die Tür, und er lässt sie ihm den schon bekannten Weg ins Wohnzimmer weisen. Dort erhebt sich Herr Kleist vom Sofa, als Alexander den Raum betritt. „Guten Abend.“ „Guten Abend, Herr Kleist.“ Der Mann sieht zur Tür, wo seine Frau kurz darauf verschwindet. „Setzen Sie sich.“ Alexander nimmt auf dem Sessel Platz. „Hat mein Sohn Ihnen schon berichtet, was vorgefallen ist?“ „Nein.“, antwortet Alexander, ohne mit der Wimper zu zucken. Er hält diese Antwort für besser. „Also gut, es geht um Folgendes: Heinrich hat mir erzählt, dass Sie Ihren Studenten aufgegeben hätten, dieses…dieses Buch zu lesen…“ „Das Symposion von Platon?“, hakt Alexander nach. „Ja, das.“ Er schlägt die Beine übereinander und sieht den Hausherrn erwartungsvoll an. „Gibt es irgendein Problem damit?“ Herr Kleist lacht kurz verächtlich auf. „So kann man das nennen. Ich erziehe meinen Sohn nach den üblichen Normen und Sitten, da kann ich es nicht verantworten, dass er solch einen…Schund ließt, der ihm wohlmöglich noch irgendwelche unmoralischen Flausen in den Kopf setzen wird.“ „Herr Kleist, dieser Schund ist eines der bedeutendsten Werke des vielleicht größten griechischen Philosophen der Antike und enthält einige lehrreiche Grundsätze.“ „Mein Sohn soll aber nicht lernen, wie man Unzucht betreibt! Wenn Sie mir nicht versichern können, in Zukunft diese Art von Themen aus Ihren Seminaren fernzuhalten, muss ich Heinrich verbieten, daran weiter teilzunehmen.“ Alexander schlägt seine Beine wieder auseinander und lehnt sich nach vorne. „Herr Kleist. Das einzige, was ich Ihnen versichern werde, ist, dass Heinrich ein erwachsener Mann mit eigenem Willen ist, und Sie nicht über ihn zu bestimmen haben.“ „Also…!“ Entrüstet springt Kleist auf. „Das ist doch die Höhe! Das muss ich mir doch von Ihnen nicht bieten lassen! Schauen Sie erstmal zu, dass Sie mit Ihrer Verlobten Kinder in die Welt setzen, dann können wir weiter darüber reden, was ich als Vater zu tun und zu lassen habe!“ Okay, das war’s. Alexander steht auf, sein Gesicht blank. Er knöpft sich sein Jackett wieder zu, das er zum bequemeren Sitzen geöffnet hat. „Ich glaube, ich muss hier erst einmal was Grundlegendes klarstellen.“, sagt er mit beängstigend ruhiger Stimme. „Ich werde mit meiner Verlobten keine Kinder bekommen, genauso wie ich den Gruß an ebendiese letztens nicht bestellen konnte, da es keine Verlobte gibt. Mich interessieren nur Männer, ich bin homosexuell, schwul, betreibe Unzucht, wie sie’s auch ausdrücken möchten. Und ich werde einen Teufel tun und Sie noch dabei unterstützen, Ihrem Sohn zu verbieten, was ich lebe!“ Kleist ist sprachlos. Seine Schläfen zucken gefährlich. Jetzt flippt er aus, denkt Alexander, aber er hat Boxen als Schulsport betrieben, also fühlt er sich trotz der Armeewaffen im Haus ziemlich sicher. „Raus.“ Es ist nur ein Krächzen. „Raus aus meinem Haus – RAUS!“ Alexander wirft dem Mann noch einen verächtlichen Blick zu, bevor er sich umdreht und das Wohnzimmer verlässt. Draußen gleich hinter der Tür stolpert er über Frau Kleist. „Ah…“ Er schafft es tatsächlich, sie freundlich anzulächeln. „Es tut mir Leid, Ihnen solchen Ärger gemacht zu haben.“, meint er, bevor er an ihr vorbei zur Haustür läuft. „Sie…“ Er dreht sich fragend um und da erschrickt er. Wie ängstlich und hilflos ein Mensch doch aussehen kann… „Sie…Wollen Sie nicht noch bleiben…? Vielleicht…vielleicht will Sie Heinrich sehen, oder… Ich hab noch ein Stück Kuchen, das Sie…“ Ihre Stimme erstickt ihr und sie wischt sich hastig über die Wangen. Alexanders Augen weiten sich. Verdammt, ja. Er darf jetzt auf keinen Fall gehen. „Danke. Ich danke Ihnen, ich…Ich fahre schnell meinen Wagen ein Haus weiter. Lassen Sie mich wieder rein?“ Sie nickt hastig. Gerade ist er zum Haus hinaus, da springt die Wohnzimmertür auf „Ist dieser Bastard weg?!?“ „J-Ja, Schatz.“ Herr Kleist rennt in die Küche und sieht durchs Fenster den schwarzen Jeep losfahren. „Bleib in der Küche.“, befiehlt er seiner Frau, bevor er sich unten an die Treppe stellt. „Heinrich! Komm sofort runter!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)